willi_vintage hat geschrieben:Die "Badewanne" lässt sich ganz gut heraus hören. Vor allem die Überhöhung des Tieftonkanals stört mich deutlich. Sind die Pegel einmal eingestellt, machen die Lautsprecher trotz ihres Alters einen ordentlichen Job. Verglichen mit vielen anderen, hochgelobten Vintagetröten die ich in der Vergangenheit testen durfte, machen die LV 720 nur wenig falsch.
Hallo Dennis,
so schlecht sah die Messung doch nicht aus. Kannst du sagen, welchen Anteil an der Überhöhung des Tieftonkanals der Raum hat?
Wirklich störend empfinde ich die unsymmetrische Spannungsversorgung und die fehlende Einschaltverzögerung. Die nötigen Koppelkondensatoren machen sich im Klangbild bemerkbar (Dämpfung zu gering?). Auch ist die Einschaltautomatik wenig brauchbar, da diese einerseits Störgeräusche verursacht (Relais schaltet 230V durch, dieses wird wiederum über den DIN Stecker mit 24V versorgt) und andererseits ein passendes Quellgerät benötigt.
Kann man die Relais öffnen und die Kontakte reinigen? Sind dort Maßnahmen zur Lichtbogenlöschung benachbart (Widerstand und Kondensator, ein Kondensator allein ist wirkungsärmer).
Falls mir ein Paar defekte Aktivmodule über den Weg laufen sollten, wird auf diesen moderne Elektronik verbaut. Mal schauen wie groß die Unterschiede hör-und messtechnisch ausfallen werden.
Na denn fröhliches Testen! Ich würde mal mit Passiv-LS und einem Verstärker anfangen, der nur eine Betriebsspannung hat, aber einen frischen, nicht übertrieben groß dimensionierten Auskopplungselko, und nicht ein über 40 Jahre gealtertes Teil. Dagegen eine Endstufe mit 2 Betriebsspannungen, aber ohne den sicherlich auch verlustbehafteten Auskoppelelko. Es gibt eine Überraschung!
Moderne Boxen sind symmetrisch aufgebaut, da macht der Verstärker mit nur einer Betriebsspannung verblüffend weit den Raum auf. Die Braun sind's nicht, da würde ich ansetzen. Neue Elkos bei der Bassendstufe, und Ausbau des Mittel- und Hochtöners, damit sie ihre Plätze tauschen.
Kompromissloser wäre es, beiden eine eigene kleine Schallwand zu geben, die Box umzudrehen, MT und HT übereinander obendrauf, mit zunehmender Frequenz nach Stereo-Innen verschoben. Dann kann man sich vielleicht sogar die Ständer sparen. Und MT /HT für eine Optimierung der Sprungantwort nach hinten verschieben. Ich behaupte, derlei akustische Maßnahmen bringen mehr als konzeptionelle Verstärkerveränderungen, die wesentlich über die eigentliche Restauration hinausgehen.
Ein moderner Elko mit 5000uF hat etwa 40mOhm, entsprechend etwa 3m 2,5qmm Kabel. Dramatische Verbesserungen würde ich nicht erwarten, wenn ein moderner Verstärker auf die alte Innenverkabelung trifft. Der Beitrag zum Thema 720 von Radiomuseum.org ist auch nicht von schlechten Eltern.
Der überschaubare Aufwand (Symmetrierung der Abstrahlung) wäre mMn zielführender als der Komplettaustausch der Verstärker unter Beibehaltung der L=R einheitlichen Gehäuse, an deren Massenabnahme Braun gerade zwomarkfuffzig eingespart hatte gegenüber zweimal der halben Menge spiegelbildlich aufgebauter Gehäuse. Wesentliche (und sehr einfache!) Prinzipien stereophoner Wiedergabe waren entweder bei Braun noch nicht angekommen oder wurden zugunsten eher geringer wirtschaftlicher Vorteile geopfert oder ignoriert.
Ziemlich blöd nenne ich das, und das ist meine Meinung, die ich bei Bedarf noch weiter ausführen kann, aber vielleicht erübrigt sich das nach über 40 Jahren Fortschritt, dem
Acron (Franz Petrik entwarf die LV720 und gründete später
Acron, seine Modelle 500 und 600 entsprachen dem Konzept der Braun-Chassisanordnung) noch frönte, aber
Heco und
Canton sich letztlich nicht widersetzten (Wolfgang Seikritt war bei beiden nach seiner Braun-Ära, gründete danach auch noch
Axiom, was in
Elac-Axiom überging, auch
Actel, sein letztes Werk war ein 2-Weg mit koaxialer HT Anordnung vor dem BMT unter dem Namen
Platon).
Stereo verlangt für Abbildungsschärfe einiges mehr als nur 2 identische Mono-LS mit linearem FG im Freifeld.
Grüße Hans-Martin