(Aktive) Elektrostaten - ein Hauch von Nichts

Calvin
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Beitrag von Calvin »

Hi,

messtechnisch treffen die Anmerkungen zur Gruppenlaufzeit zu. Es ist aber mein Eindruck, dass die mechanisch erzeugte Gruppenlaufzeit, die durch Art und Abstimmung des Gehäuses entsteht, sich anscheinend stärker akustisch auswirkt als die elektrisch durch eine Bassanhebung/Equalizing erzeugte - dass sich also auf gleichen Amplitudengang entzerrte geschlossene und Bassreflex immer noch unterschiedlich anhören, wobei ich die geschlossene Variante praktisch immer bevorzuge. Dabei hätte in Punkto Hub und Klirr die BR-Version sogar die Nase vorn und müsste eigentlich vorteilhaft klingen.

Wenn ich richtig verstehe, dann ist es gerade ein Vorteil der geregelten Bässe, dass sie praktisch das Equalizing erzielen ohne die GLZ so deutlich zu erhöhen wie es eine einfache Bassanhebung verursacht.

Das vertikale Abstrahlverhalten eines schmalen hohen Panels ist auch schon bei nur 80cm Höhe eingeschränkt, so dass der Anteil der Reflexionen von Decke und Boden am Gesamtschall geringer ist.
Liegt der Übergang zwischen Bass und Panel im Bereich von 150Hz-300Hz, dann bündelte horizontal selbst ein Turm aus 25er Bässen noch nicht, ebensowenig ein breites Panel von 40-50cm Breite. (Anmerkung: Es ist übrigens vorteilhafter, das Panel breit zu machen und damit die aktive Membranfläche größer als die Breite des Panels durch seitlich angesetzte Schallwände zu vergrößern.)

Unterhalb und leicht oberhalb der Trennstelle strahlen beide Zweige horizontal ähnlich breit ab, wobei deutlich oberhalb der Trennung das zunehmend dominierende Panel irgendwann zu bündeln anfängt. Damit ist die gewünschte sanfte Transition der Abstrahlcharakteristik gegeben. Der Abstand von Panel und daneben stehendem Turm ist bei so niedrigen Trennungen auch gering genug, daß Kammfiltereffekte keine Auswirkung zeigen.

Ein flaches Panel würde im Hochtonbereich allerdings so stark bündeln, dass geringste Abweichungen im Hörwinkel deutliche Amplitudenänderungen bedingten. Das Segmentieren des flachen Panels (Verkleinerung der aktiven Membranfläche), oder ein Krümmen in horizontaler Richtung sorgen für ein geringeres Bündelungsmaß im Hochtonbereich, weiten die Abstrahlcharakterisik also leicht auf. Trotzdem gehören ESLs zu den stark richtenden Systemen. Will man die hervorragende Lokalisierbarkeit von Phantomschallquellen erleben, sollte man wirklich im Sweetspot sitzen. Der hohe reflektierte, diffuse Schallanteil der Rückseiten sorgt aber dafür, daß so ein System auch beim Herumgehen im Raum nicht einbricht, wie es bei Hörnern als stark richtenden Direktstrahlern durchaus geschehen kann.

Calvin
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schauki
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Beitrag von schauki »

Hallo!

Also messtechnisch, bzw. simuliert gibts, was GLZ angeht, keine Unterschiede zwischen gleichen Amplitudengängen, natürlich ist, wie du sagst, hier an sich der BR im Vorteil. Ich habe aber - da keine Notwendigkeit eines BR - nur CB Boxen hier rumstehen, und somit kann ich das auch nicht nachprüfen.

Bzgl. geregelter TT:
Das Problem ist hier eigentlich dasgleiche, wie bei Vorentzerrung per EQ. Amplitude bestimmt Phase = GLZ. D.h. ob man nun per Regelung auf linearen Amplitudengang = "lineare" Phase = keine/geringe GLZ oder per EQ ist egal, weil akustisch derselbe Output rauskommt (im Rahmen der Lineariät des Systems, darüber hinaus legt die Regelung noch was drauf). Im Falle der Regelung ist halt ein Subsonic unumgänglich und der wirkt sich auf die GLZ halt nach seiner Einsatzfrequenz und Güte aus.
-> Auf 5Hz abgestimmte Systeme sollten im relevanten Bereich also nicht mehr tragische GLZ aufweisen.

Bzgl. Dipol:
ich halte mich hier an AES/SSF und dort wird ja explizit auf die Eigenschaften von diskreten Reflexionen hingewiesen, weiß nicht genau glaube 10dB (oder 20??) leiser und mit min. ??ms Verzögerung usw. Ein von Haus aus die Rückwandreflexionen besonders stark anregender LSP scheint mir hier kontraproduktiv. Wobei wiederum die insgesamt hohe Bündelung besonders für "schwierige" Räume (normale Wohnzimmer) sehr gut geeignet ist. Kurz mir wäre ein breiter ESL ohne Dipol fast lieber.
Naja, man könnte die Rückwand totdämpfen, aber das wieder nur in einem echten Hörraum.

mfg
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Calvin
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Beitrag von Calvin »

Hi,

in Punto GLZ sehe ich keine Differenzen. :cheers:

Die rückwärtigen Schallanteile kann man als Problem ansehen, oder als Chance. :wink:

Ein Problem stellen sie sicher dar, wenn die Aufstellung der LS fahrlässig getätigt wird und dem rückwärtigen Schallanteil nicht ausreichend Beachtung geschenkt wird. Leider findet man in fast allen Vorführungen von Elektrostaten, daß sie wie monopolare behandelt und aufgestellt werden und ihre Besonderheiten nicht berücksichtigt werden. Eine der bekanntesten Folgen ist eine zu groß wirkende Abbildung ... Sänger mit 4m Brustkorb.

Die gravierendsten Fehler sind eine zu wandnahe Aufstellung zur Rückwand und direkte Reflexionen von dieser Rückwand. Treffen die Reflexionen zu früh und pegelstark ein, bewertet das Ohr sie als Teil des ersten Impulses. Die Erkennungsfähigkeit, woher das Geräusch kommt und um welche Art es sich handelt, wird erschwert. Die rückwärtigen Schallanteile sollten diffus verteilt und gedämpft werden und mit so großen Laufzeiten am Ohr eintreffen, dass das Gehör sie nicht als Teil des Impulses sondern als Echo erfasst. Dazu sind wenige Meter ausreichend, so dass ein Abstand >1m zur Rückwand meistens ausreicht.

Die diffuse Verteilung/Dämpfung kann durch einfache Reflektoren geschehen, wie sie schon ein Ficus oder eine Yucca darstellen. Ein schwerer Vorhang mit tiefen Falten, ein zerklüftetes Regal funktionieren ebenfalls gut. Verständig ausgeführt können die Maßnahmen optisch ansprechend sein und kann der LS sogar vor einer Fensterfront stehen. Rechter und linker Kanal sollten möglichst gleiche Bedingungen vorfinden.

Mit den Diffusoren/Dämpfern kann nun der Räumlichkeitseindruck gezielt eingestellt werden ... Größe der Bühne/des Raumes. Ich spreche wohlgemerkt nicht von Lokalisation und Größe der Abbildung akustischer Ereignisse, weil die in erster Linie durch den vorderen Direktschall zustande kommen. Widmet man dem rückwärtigen Schallanteil etwas Aufmerksamkeit, dann muss nicht wochenlang zentimeterweise hin und her geschoben werden.

Die dipolare Abstrahlung hat einen großen Vorteil im Hörraum, und das ist ihre seitliche Schallauslöschung. Bedingt durch den akustischen Kurzschluss löscht sich der Schall quer zur LS-Achse aus. Raummoden auf dieser Querachse werden viel geringer angeregt. Zwischen den LS befindliche Anlagenkomponenten bekommen viel weniger Energie ab (minimal, während monopolare Strahler hier ein Maximum aufweisen). Das ist für erschütterungsemfindliche Geräte (Mikrofonie), wie Plattenspieler und Röhrengeräte grundsätzlich positiv.

Die dipolare Zylinderwelle legt noch einen drauf, indem sie auf 2 Raumachsen (horizontal-quer und vertikal) die Raummoden geringer anregt. Räumen, die starkes Dröhnen aufweisen, kann man so mit einem dpZw strahlenden Wandler durchaus ausreichend beikommen ohne in aufwändige, voluminöse und kostspielige raumakustische Maßnahmen investieren zu müssen.

Die Aufstellung solch eines Wandlers ist genau genommen unkritischer als die breit und monopolar abstrahlender Wandler und spielt gerade in akustisch ungünstigen Räumen ihre vorteilhaften Eigenschaften aus.

Calvin
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Michael
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Beitrag von Michael »

Hallo Clavin,

deine Erklärungen zu ELS finde ich wie wohl alle hier im Forum sehr gelungen. Fundiertes Wissen allgemeinveständlich rübergebracht, seehr schön!

Bzgl. des hinteren Schallanteils hätte ich mir bislang 2 Lösungen vorstellen können, wenn kein ausreichender Abstand zur Rückwand möglich wäre:

Lösung 1) Hinter die ELS 90 Grad Reflektoren in gleicher Höe des LS stellen (90° Grad Kante mittig, in Richtung und symmetrisch hinter das L Panel gestellt), damit die rückwärtigen Schallanteil zur Seite weggelenkt werden, davon hätte ich mir ein näheres Stellen an die Rückwand versprochen. Diese Lösung, wenn seitlich genügend Platz zu Wänden wäre.

Lösung 2) Wie 1, aber 90° Körper z.B. aus Basotec oder ähnlich offenporigem, schallschluckendem Material, um den rückwärtigen Schallanteil deutlich zu reduzieren, wenn hinter und neben den ELS wenig Platz wäre.

Aber wenn ich dich richtig verstehe, findet seitlich gerade durch die Dipolsituation sowieso eine effektive Auslöschung zu den Seiten statt, oder?

Das wäre dann wohl auch der Grund, weshalb der Forenteilnehmer Jörg (DSP) seine Dipols, speziell den rechten, so nahe an der Scheibe stehen hat bzw. haben kann, oder ?

Viele Grüße
Michael (aus Bonn)
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Christoph und Richard,

der Diskussion um den unterschiedlichen Klangcharakter von geschlossener Box versus Bassreflexkonstruktion möchte ich noch einen Aspekt anfügen: Das Impulsverhalten. Bei gleichen Amplitudenverläufen zeigt das Bassreflexsystem ein ganz erheblich schlechteres Ein- und Ausschwingverhalten. Das ist für mein Empfinden der Hauptunterschied und äußert sich in einer erheblich präziseren bzw. trockeneren Basswiedergabe bei der CB. Auf die Spitze getrieben wird dies durch ein geregeltes Chassis in einer geschlossenen Box.

Die dipolare Zylinderwelle bringt sicher Vorteile bzgl. der Unempfindlichkeit gegenüber Raumeinflüssen. Allerdings finde ich persönlich eine Zylinderwelle, deren Hauptkeule nach vorne zeigt, noch zielführender (wie nennt man sowas korrekt, Christoph?). Die Auslöschung auf Achse gibt's zwar nicht, das Problem mit dem rückwärtigen gegenphasigen Schall aber auch nicht. Dieses Prinzip wird in BM25/35/50 verfolgt und hat natürlich eine untere Grenzfrequenz. Den genannten Vorteil, dass bei größeren Abständen die Schallenergie weniger abnimmt beim Zylinderwellenstrahler, gilt auch hier. Erinnere ich mich da richtig an die Feldtheorievorlesungen: Kugelwelle nimmt mir r² ab, Zylinderwelle mit ln(r)? Bitte um Korrektur, wenn ich mich an gut 25 Jahre Zurückliegendes falsch erinnern sollte...

Viele Grüße
Gert
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Calvin
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Beitrag von Calvin »

Hi,

zu den Seiten findet bei dem Dipol eine effektive Auslöschung statt, sogar bis in den Tiefbass hinein. Die Abstrahlcharakteristik ähnelt (in der Draufsicht) einer 8, die mit steigender Frequenz durch Bündelung immer länglicher und schmaler wird. Steht der LS nah an einer Seitenwand, dann weisen die von der Wand reflektierten Schallanteile nur geringe Laufzeitunterschiede zum Direktschall auf. Die dipolare Abstrahlung ist hier eindeutig vorteilhaft. Etwas Dämfung und Dispersion an der Seitenwand schadet aber generell nicht, weil zu tiefen Frequenzen die 8 breit und bauchig ist. Ausreichender Abstand ist immer noch das beste Mittel.

Müsste ich einen Diffusor/Reflektor für den rückwärtigen Schall bauen, dann würde ich wohl 3-5 ESL-hohe, schmale Streifen Acrylglas oder Metallschaum wählen, die mit einem leichten Versatz und Abstand zueinander auf einer gebogenen Linie angeordnet wären. Das wäre optisch unauffällig und durch Drehen und Verschieben könnte der Schall nach Wunsch gestreut werden. :cheers:

Ob nun eine Zylinderwelle oder dpZw besser gefällt, oder im eigenen Hörraum günstiger ist muss natürlich jeder mit sich abmachen. Halt die alte Kompromissgeschichte. :wink:
Wenn das Zylinderwellensystem stark richtet, kann es passieren, dass es außerhalb des Sweetspots eher wenig genießbar ist, weil es dumpf klingt, während die dpZW aufgrund des höheren Diffusschallanteils tonal auch abseits ausgewogener bleibt. Die perfekte Welle gibts es eben nur in der Musik. :P

Proportionalitäten:
Kugel: Fläche: r² Schallintensitätspegel: 1/r² Schalldruckpegel: 1/r -6dB
Zylinder: Fläche: r Schallintensitätspegel: 1/r Schalldruckpegel: 1/SQR(r) -3dB

Calvin
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schauki
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Beitrag von schauki »

@Gert
Es geht/ging um exakt gleiche BR- bzw. CB-Abstimmung, also wirklich exakt gleicher Amplitudengang, was dann auch exakt gleiche Phase zur Folge hat. Zumindest meine Simulationsprogramme zeigen das...?
Edit: zur Diskussion des Bassreflex-Prinzips wurde ein eigener Thread aufgemacht.

Wobei jetzt die Darstellung des Ein- Ausschwingens nicht machbar ist. Aber das sollte ja in Zusammenhang stehen.

@Calvin
Ist natürlich kein ESL-spezifische Sache, daher passt hier auch nicht wirklich rein. Aber wenn ich hintere Schallanteile irgendwie eh wieder wegbringen will (Diffusoren/Absorber), dann lasse ich die halt von Haus aus nicht entstehen. Wäre doch "einfacher".

Bis auf die TT Bündelung durch den Dipol (der in der Tat oft hilft) sehe ich gerade ab/über dem Grundton das als Nachteil an. Okay, aus DIY Sicht ist das natürlich einfacher, da man hier wirklich auf seinen Raum hinbauen kann, als Hersteller geht das nicht. Aber allein Wandeinbau oder Aufbau (mit Flachboxen) ergibt eine Bündelung, bei manchen Konzepten sogar gleichmäßig bis knapp 10kHz. Das Ganze natürlich dann ohne die Vorteile der ESL.

Für mich wäre, wie gesagt, ein LSP für große Hörabstände ab 3m, ein segmentierter nach hinten geschlossener ESL mit 40-60cm Breite mit Raumhöhe schon was ziemlich Nettes. Gibt halt einige Vorteile, aber halt auch Nachteile - den LSP, der alles am besten kann, wirds wohl sobald auch nicht geben. :cry:

mfg
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Calvin,

danke für's auf die Sprünge helfen,
Calvin hat geschrieben:Proportionalitäten:
Kugel: Fläche: r² Schallintensitätspegel: 1/r² Schalldruckpegel: 1/r -6dB
Zylinder: Fläche: r Schallintensitätspegel: 1/r Schalldruckpegel: 1/SQR(r) -3dB
klar :roll:

Gruß Gert
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Calvin
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Beitrag von Calvin »

Hi,
schauki hat geschrieben:Aber wenn ich hintere Schallanteile irgendwie eh wieder wegbringen will (Diffusoren/Absorber), dann lasse ich die halt von Haus aus nicht entstehen.
Es ist keine Frage des nicht-entstehen-lassen, weil jede Membran nun einmal zweiseitig abstrahlt.
Die Frage ist: "Wie gehe ich mit den beiden Schallanteilen um?" Nutze ich nur die Vorderseite, nur die Rückseite, oder beide?

Wer nur die Vorderseite nutzen möchte, bitte sehr. Dann muss derjenige aber auch bereit sein u.U mit einem sehr schmalen Hörbereich auszukommen. Muss er bereit sein, sehr voluminöse längliche Gehäuse zu akzeptieren. Muss er bereit sein, schnelle Reflektionen aus dem Gehäuseinneren zu akzeptieren (die Membran ist akustisch fast völlig transparent, sodaß es sogar Panele gibt, die zwei hintereinander befindliche Membranen zur Schalldruckerhöhung nutzen).
Andererseits, warum den Schallanteil denn nicht zum Positiven nutzen, wenn er ohnehin schon da ist?
Der Aufwand dafür ist ja wirklich nicht groß.

Calvin
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schauki
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Beitrag von schauki »

Hallo!

Jup, so ist's, aber ich sehe rückwärtig in den Hörraum abgestrahlten Schall im Sinne von neutraler Wiedergabe als nicht positiv an. Bzw. wird ja von der SSF für den LSP ein Bündelungsmaß von ~8dB (+-irgendwas?) gefordert. Die Reflexionen werden ja auch behandelt und dort wurden aufgrund der sonst kaum durchsetzbaren "richtigeren" Forderung etwas entschärft, also mehr Fehler zugelassen.

Wie gesagt, im Bass absolut kein Thema, weil man dort im Raum sowieso nie ohne Reflexion hören kann, bzw. der Direktschall + Diffusschall gehört wird als ein Ding. Oberhalb allerdings sind, natürlich auf einem Hörplatz bzw. kleiner Hörzone, Reflexionen nur von Nachteil.

Gilt immer NUR, wenn man neutrale Wiedergabebedingungen anstreben will. Für eine Verstärkung des Räumlichkeitseffekts z.B. oder auch der Kaschierung prinzipbedingter 2 LSP stereophoner Wiedergabemängel sind sie hilfreich. Kurz gesagt, deine Lösung mit den Acrylplatten und/oder Vorhang hinter den Boxen ist schon was sehr Gutes.

Ich bin aber zu sehr Technik-Hardliner, auch wenn dadurch ggf. die Illusion der Wiedergabe eingeschränkt wird. Daher hätte ich auch nichts gegen nen ELS, der hinten halt, weiß nicht 40cm Basotect o.ä. dran hat und den Dipoleffekt nur im unteren Frequenzbereich aufweißt. Bzw. ist bei breiten ESL ja eigentlich nicht mehr wirklich ein echter Dipoleffekt, da der durch Auslöschung seitlich entsteht sondern die Bündelungen wird durch die Größe/Breite der Folie bestimmt. D.h. dämpft man hinten den MT/HT komplett weg, ändert das nix an der nach vorne abgegebenen Keule. Ein Konus/Kalottenbomber in einem gedämpften Gehäuse bündelt ja auch.

Ändert aber eigentlich nichts am ESL selbst bzw. dessen (netten) Eigenschaften, ob Dipol oder nicht . :cheers:

mfg
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Calvin
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Beitrag von Calvin »

Hi,
schauki hat geschrieben:Ich bin aber zu sehr Technik-Hardliner,auch wenn dadurch ggf. die Illusion der Wiedergabe eingeschränkt wird
Der Effekt ist auch in einem reflexionsarmen Messraum hörbar. Die RWTH Aachen verfügt über einen ziemlich großen, weil dort auch Fahrzeugmessungen gemacht werden. Wenn das Hörerlebnis auf seine Weise dort auch schwer beeindruckte, so wirkte es ungewohnt, teils "übernatürlich". Die Lokalisation von Schallereignissen war schon extrem und weitaus präziser als es unter Normalbedingungen im Konzertsaal oder zu Hause geht. Trockene Studioaufnahmen wirkten noch trockener. Die Bass-drum von Jim Keltner's Drums z.B. spielte trockener und straffer als eine echte Drum in einem normalen Raum. Das war zwar irgendwo faszinierend, vom ´Echtheitseindruck´ war es jedoch ein Stück weit entfernt.

Daher, Neutralität in allen Ehren, aber wenn der Eindruck entsteht, daß die Wiedergabe zu nüchtern ist, dann ist das m.A.n ebenso eine Verfälschung wie tonale Verfärbungen et al. Musik ist Emotion. Kommt die nicht rüber, ist doch etwas faul im Staate Dänemark, oder?

Linn hat in den 90ern eine - wie ich finde - gute Werbung geschaltet, die es auf den Punkt bringt. Da sieht man ein rotes Sofa und zwei nackte Beine mit der Überschrift: "The two most reliable HiFi-critics!" Es mag ja sein, daß der Begriff Neutralität vielfach falsch verwendet wird, aber ich habe den Eindruck, daß er bevorzugt betont nüchtern spielenden Komponenten attestiert wird, bei denen die Füße des Hörers wie festgenagelt am Boden bleiben.

Ich verwende lieber den Begriff Echtheit und verstehe darunter vermutlich das, was Du oben mit "Illusion der Wiedergabe" beschreibst. Wenn einen die Anlage vergessen lässt zu Hause vor einer technischen Maschine zu sitzen, wenn vor dem inneren Auge eine Szenerie entsteht und man sich zumindest für Augenblicke an den Ort des Konzerts versetzt fühlt, ist das nicht eigentlich wahre Neutralität??

Calvin
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Franz
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Beitrag von Franz »

Calvin hat geschrieben: Ich verwende lieber den Begriff Echtheit und verstehe darunter vermutlich das, was Du oben mit ´Illusion der Wiedergabe´ beschreibst. Wenn einen die Anlage vergessen lässt zu Hause vor einer technischen Maschine zu sitzen, wenn vor dem inneren Auge eine Szenerie entsteht und man sich zumindest für Augenblicke an den Ort des Konzerts versetzt fühlt, ist das nicht eigentlich wahre Neutralität??
Möchte hier mal ganz untechnisch meinen Senf dazugeben: Calvin, sehr gut beschrieben. So sollte es sein - zumindest für mich. Musikwiedergabe zu Hause ist Illusion, wenn sie für einen Zuhörer gelingt, dann ist es eine echte. Mit welchem Geraffel dies gelingt, ist eigentlich Nebensache. Da wird jeder wegen seiner Hörpräferenz und dem, was er als "Echtheit" empfindet, zu den Komponenten greifen, die ihm das vermitteln können.

Für deine Bemühungen, uns aktive Elektrostaten nähergebracht zu haben, möchte ich mich nochmals bedanken. Das sind die Art von Beiträge, die ich sehr schätze, wenngleich ich mit anderen Lautsprechern höre. Aber auch andere Mütter haben bekanntlich hübsche Töchter - und du hast eine davon hier wunderbar präsentiert.

Gruß
Franz
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schauki
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Beitrag von schauki »

Hallo Calvin!

Na gut soooo extrem ists auch wieder nicht. Ein RAR ist halt schon noch mal ne Nummer mehr.

Aber wenn man in Richtung SSF01 geht, dann ists schon noch ein gutes Stück von nem echten RAR weg und trotzdem nicht ganz ohne die Anforderungen zu erfüllen - ich erfülle sie mit meinem Zeugs leider in einigen Punkten nicht.

Bzgl. Echtheit und Illusion:
Hier sehe ich das nicht, das gibts für mich nicht. Das Original ist der Tonträger, dieser im Rahmen der Möglichkeiten neutral wiedergegeben und, ich bin zufrieden.

mfg
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wagnju
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Beitrag von wagnju »

Hallo Zusammen!

Nur zur Info und damit auch mal ein paar Bilder zu all der Theorie hier kommen. 8) !?

Ich habe gestern ein paar aktive (Hybrid) Elektrostaten gehoert und dachte passt evtl. in diese Rubrik.
Martin Logan hatte eine Art Tag der offenen Tuer und ich das Glueck nur 15 km von der ML Manufaktur weg zu wohnen.

Nur soviel , ich habe mir gleich ein Paar bestellt !!

herzliche Gruesse
Juergen

http://www.martinlogan.com/products/purity
wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Interessante Variante!

Falls ich richtig verstehe, ist hier eine Class D Endstufe vor einer passiven Frequenzweiche eingebaut und das Netzteil in den LS integriert worden, die Paneele und der Bass werden also nicht aktiv sondern konventionell passiv getrennt. Richtig?

Ja, Elektrostaten haben schon was, wie hier auch schon ausführlich analysiert wurde. :D Also viel Hörfreude mir den aktiven Elektrostaten! :cheers:

Gruss,
Winfried
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