Der Doppler-Effekt

Schöngeist
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Der Doppler-Effekt

Beitrag von Schöngeist »

Wertes Forum,

ich möchte im Folgenden ein Phänomen thematisieren, welches m.E. viel zu wenig Beachtung bei der Musikwiedergabe erfährt. Die meisten von uns dürften den Doppler-Effekt aus dem Physikunterricht kennen. Aber selbst Kinder, die keine Ahnung von der Physik haben, kennen diesen Effekt nur zu gut, wenn z.B. ein Polizeiauto mit Martinshorn vorbeifährt.

Der Doppler-Effekt tritt immer dann auf, wenn sich eine Schallquelle auf uns zu oder von uns weg bewegt. Es ändert sich dann jeweils die Frequenz, mithin also die Tonhöhe.

Was hat das nun mit dem Thema Musikwiedergabe zu tun?

Auch eine Bassmembran bewegt sich, v.a. bei großer Amplitude, auf uns zu und von uns weg. Die gleichzeitig von dieser Membran abgestrahlten höheren Frequenzen erfahren nun vom Standpunkt des Hörers aus gesehen eine Frequenzänderung. Labormäßig kann man dieses Phänomen sogar zu Hause ganz gut nachvollziehen, wenn man bei einem herkömmlichen Zweiwege-Lautsprecher die Bassmembran mit 30 Hz und großer Amplitude schwingen lässt und parallel dazu z.B. einen 1 kHz Ton einspeist. Bei realer komplexer Musik hört man die unweigerlich entstehenden Verfälschungen/Verzerrungen nicht derart plakativ wie im Versuch. Allerdings müssten Besitzer sog. backloaded Hörner mit Breitbandlautsprecher als Treiber den Effekt schon leidvoll erlebt haben, nämlich dann, wenn tieffrequente Orgelmusik mit Frequenzen unter 30 Hz pegelstark wiedergegeben wird.

Was kann man dagegen tun? Leider rein gar nichts. Auch eine Regelung der Bassmembran bringt hier nichts, sondern verschlimmert den Effekt nur, da die Regelung die Membran zu noch größeren Amplituden zwingt.

Am besten man lässt die Finger von Lautsprechern, bei denen das Basschassis auch noch mittlere bis hohe Frequenzen abstrahlen muss. Ein typischer Zweiwege-Lautsprecher mit einer üblichen Trennfrequenz von 2 - 3 kHz ist so ein Fall. Konventionelle Hornkonstruktionen, bei denen die Treiber an eine Druckkammer angeschlossen sind, kennen diese Problem übrigens nicht, da die Membranen solcher Treiber nahezu keinen Hub ausführen müssen. Selbst eine Bassmembran scheint bei einem Horn für den Betrachter still zu stehen.

Wenn also zukünftig Besitzer solcher Zweiwege-Lautsprecher bei entsprechender Musik und entsprechender Lautstärke eine gewisse Vermatschung des Klangbilds feststellen, kann es sich bei der Ursache genau um diesen Effekt handeln.

Grüße
Alfons
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Alfons,

ich habe dein Thema in den Technikbereich unseres Forums verschoben, weil es sich doch eher um ein konstruktives Problem von Lautsprechern als eines unserer Wahrnehmung handelt.

Friedrich Müller hat zur Bekämpfung des Doppler-Effektes mit Hilfe der Membranregelung übrigens ein Patent angemeldet:

Schaltung zur Verringerung von Intermodulationen bei Lautsprechern

Viele Grüße
Rudolf
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Bevor der natürliche Dopplereffekt zum Problem wird, macht das Chassis schon längst soviel IMD dass das alles an Verzerrungen dominiert. Ausgenommen winzige ggf geregelte extrem lineare Ultralanghuber die in CB auf Tiefbass gezüchtet sind und huben wie verrückt. Sobald diese dann aber minimal überfahren werden steigt der Klirr und damit IMD umso heftiger was sich umso schlimmer anhört.

Soweit ich weiß hat BM die Vorausverzerrung gegen Doppler-IMD nirgends standardmäßig verbaut, vmtl weil der Vorteil eher akademischer Natur ist?
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Will sagen, vor dem 30Hz + 1kHz Test sollte man sicherstellen, dass beim Maximalhub, als offset, die 1kHz noch nicht wegbrechen. Dazu ×muss× man das Chassis klippeln ... wer hat?
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Und zum Glück sind die Verzerrungen des Ohres sehr hoch, sie müssen erst überschritten werden oder total anderen Charakter haben damit sie stören.

Wer mal einen Hochtöner isoliert gehört hat, oder ein Blockflöten-Ensemble, weiß was ich meine.
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Schöngeist
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Beitrag von Schöngeist »

Hallo KSTR,

der Dopplereffekt tritt immer auf, wenn sich eine Schallquelle auf uns zu oder von uns weg bewegt. Wenn das alternierend geschieht, bspw. mit einer Frequenz von 30 Hz, dann hört man die Tonhöhenschwankung des oberen Tons, der ja von dieser sich hin und her bewegenden Membran abgestrahlt wird. Das Problem haben alle Zweiwegeriche konventioneller Bauart, etwa ein 17er oder 20er Tief-/Mitteltöner, kombiniert mit einem HT und mit der üblichen Trennfrequenz von ca. 2 - 3 kHz versehen. In dem von mir beschriebenen Experiment hört man das sehr deutlich. Bei realer, komplexer Musik nimmt man das eher als verwaschen oder schwammig war. Ich hatte in den 90er Jahren gute Kontakte zu Bernd T. von K&T. Auch ihm war klar, dass dieses physikalische Phänomen bei seinen tollen Kreationen Maxim und Esprit limitierend wirkte. In Kombination mit einem Subwoofer, der alles unterhalb von 60 Hz von den zarten 17er TMT fernhielt, konnten die erst richtig ihr wahres Potential zeigen. Nicht umsonst erleben Besitzer von kleinen Zweiwege-LS diese ganz neu, wenn sie einen Sub dazuschalten und die Satelliten entlasten. Ich selbst habe zwar auch nur ein Zweiwegesystem, das ist aber als FAST konstruiert mit einer Trennfrequenz von 200 Hz. Und das 38er JBL Chassis macht ohnehin kaum sichtbaren Hub.

Grüße
Alfons
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music is my escape
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Beitrag von music is my escape »

Schöngeist hat geschrieben:... Nicht umsonst erleben Besitzer von kleinen Zweiwege-LS diese ganz neu, wenn sie einen Sub dazuschalten und die Satelliten entlasten ...
Was sich ab einem gewissen Anspruch aber als ziemlich schwierig entpuppt und dazu führt, dass nicht wenige Benutzer von höherwertigen 2.x Konfigurationen auf den Vorteil der Entlastung verzichten und den/ die Subs erst unterhalb der vom Konstrukteur der Zweiweger vorgesehenen unteren Grenzfrequenz dazuspielen lassen. Hier muss man abwägen und auch in meinem Fall komme ich besser, die Zweiwege-LSP "Fullrange" spielen zu lassen und auf einen etwaigen höheren sauberen Pegel durch einen Tiefpassfilter zu verzichten.

Auch bin ich mir nicht sicher, ob ein unsauberes Klangbild bei höherem Pegel wirklich ausschließlich bzw. zumindest hauptsächlich auf den hier geschilderten Effekt zurückzuführen ist oder ob nicht (auch) andere Gründe wie z.B. stärker wahrgenommene Moden ab einer gewissen Lautstärke bzw. einer tieferen unteren Grenzfrequenz der LSP oder aber ganz allgemeine Verzerrungen die Ursache bilden.

"Leider" ist es aber auch bei mir so: je weniger Bass, desto lauter kann man entspannt hören (was u.a. durch eine wandferne Aufstellung und der Entzerrung des Subs in der Praxis aber nur selten eine Rolle spielt).

Grüße,
Thomas
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Schöngeist
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Beitrag von Schöngeist »

Hallo Thomas,

es gibt eine ganze Reihe von Ursachen, die zu solch unschönen Effekten führen. Der Dopplereffekt ist nicht der Einzige, aber einer, von dem kaum geschrieben wird. Nichtlinearen Hub, unsauberes Ein- und Ausschwingen etc. kann man ja innerhalb der mechanischen Grenzen mit entsprechender Regelung bzw. Entzerrung kompensieren. Nicht aber den Dopplereffekt. Den kann man nicht kompensieren, sondern nur vermeiden, indem man dafür sorgt, dass das Chassis, das auch mittlere bis hohe Frequenzen abstrahlen muss, von großen Hüben befreit wird. Und das geht nur, indem man die Box gleich als 3-Wegebox konstruiert oder einen besser zwei Subs hinzufügt.

Gruß
Alfons
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Daihedz
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Beitrag von Daihedz »

Hallo Langschläfer und Spätaufsteher

Das ist alles schon abgefrühstückt:

http://www.aes.org/e-lib/browse.cfm?elib=11910

Grüsse
Simon
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Schöngeist hat geschrieben:Der Dopplereffekt ist nicht der Einzige, aber einer, von dem kaum geschrieben wird.
z.B. http://www.stereophile.com/reference/1104red/index.html

Grüsse
Uli
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Sagen wir so: es gibt sicher Chassis im Betrieb bei bestimmten, kleineren Boxen, insbesondere bzgl Klirr/IMD sehr gute (zB durch Regelung) wo man mit bestimmten Musikmatrial ein Verbesserung bekommen kann mit "Anti-Doppler-Vorausverzerrung", da der Effekt sicher irgendwann hörbar wird. Jedoch hätte man dann immer noch die dynamische Veränderung der Abstrahlumgebung die der eigentliche Hochtöner sieht im unteren Bereich, d.h. die Abstrahlcharakteristik wird leicht moduliert, sicher auch ein möglicher Grund für höhere Unruhe. Koaxe können damit schon ein Problem haben und das Klangbild wird dadurch bei größeren Hüben definitiv rauher selbst wenn der TT an sich noch recht sauber spielt (also wenig hub-bedingte IMD macht), das habe ich auch selbst so gehört: Rauschen, steil hochpassbegrenzt deutlich oberhalb der Trennfrequenz phast/pulst leicht wenn der TT mit 10Hz (oder weniger) "quasistatischen" großen Hub macht.
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

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Schöngeist
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Beitrag von Schöngeist »

Es ist schön, dass dieses Thema mit zwei Fachbeiträgen hinterlegt wird, die sicherlich jeder hier im Forum längst gelesen hat.

Übrigens, wenn hier alle Themen weggelassen würden, die schon "abgefrühstückt" sind, könnte man die restlichen Beiträge hier auf ca. 10 % eindampfen.

Gruß Alfons
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Dies ist wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, dass man eben nicht alles haben kann. Bezüglich Doppler Verzerrungen haben LS mit Auspuff die Nase vorn. Mit den bekannten Nachteilen bezüglich Zeitverhalten.

Gruss

Charles
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RPWG
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Beitrag von RPWG »

Schöngeist hat geschrieben:Was kann man dagegen tun? Leider rein gar nichts. Auch eine Regelung der Bassmembran bringt hier nichts, sondern verschlimmert den Effekt nur, da die Regelung die Membran zu noch größeren Amplituden zwingt.
Nur zur Präzisierung: Das ist keine Eigenschaft einer Regelung im Speziellen, sondern der physikalische Zusammenhang zwischen Membranfläche und erzielbarem Schalldruck bei CB. Bei einer reinen Vorwärtsentzerrung verhält es sich ja genauso.

Ich hatte vor ein paar Monaten einen inversen Phasenmodulator analog mit OTAs aufgebaut, weil ich genau an der Problematik gearbeitet hatte. Abgesehen davon, dass das Teil rauscht wie die Niagarafälle, ließ sich damit ein hinreichend konstantes Delay über einer Bandbreite von 2 kHz erzeugen, sodass +/-10mm Membranhub per Steuerspannung dynamisch kompensiert werden konnten. Das Problem liegt analog in meinen Augen darin, den Modulator hinreichend linear zu bekommen. Digital sieht das anders aus.

Tests damit stehen noch aus, aber ich schätze auch eher, dass der Effekt in IMD untergehen könnte.

Das Witzige war eher, dass man in SPICE den Effekt provozieren konnte, indem man beispielsweise 100 Hz und 1 kHz im korrekten Dynamikverhältnis erzeugt hat, die 1 kHz durch den Modulator geschickt hat und den Modulator mit den 100 Hz angesteuert hat. Das Ausgangssignal kann man als WAV abspeichern. Wüst.

Gruß,
Roman
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