Trennfrequenz Hochtöner

O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Malte hat geschrieben: Das Verhalten einer Kalotte unterhalb ihres Einsatzbereiches durch theoretischen xmax oder thermische/elektrische Belastbarkeit bewerten zu wollen, wird kaum zu realistischen Ergebnissen führen.
Hallo,

hier kommt es natürlich entscheidend darauf an, wie man Xmax ermittelt ...

Was ist "Xmax" dem Wesen nach und wozu soll dieser Großsignalparameter dienen ?

Wie ich bereits in Post

http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 084#p97947

angedeutet habe, ist Xmax gemäß AES-Recommendation 2-1984 (r2003) seinerseits über ein zu tolerierendes Maß an nichtlinearen Verzerrungen definiert:

“Voice-coil peak displacement at which the“linearity” of the motor deviates by 10%, Xmax. Linearity may be measured by percent distortion of the input current or by percent deviation of displacement versus input current. Manufacturer shall state method used. The measurement shall be made in free air at ƒs.” (AES-Recommendation 2-1984 (r2003))

In dieser AES Empfehlung ist jedoch die Berücksichtigung nichtlinearer Verzerrungen u.a. durch die Aufhängung nicht klar geregelt: Man könnte sie "unter den Tisch fallen lassen", ohne die Empfehlung zu verletzen, solange man als Hersteller (z.B. einer Hochtonkalotte) angibt, daß man die oben erwähnte Eingangsstrom-Methode verwendet hat ...

Insbesondere bei Hochtonkalotten - von denen wir hier gesprochen haben - können nichtlineare Verzerrungen auch durch den Aufbau der Aufhängungen eine erhebliche Rolle spielen.

Um die Schwächen der o.g. AES Empfehlung zu überwinden, hat Wolfgang Klippel die Initiative für einen neuen Standard ergriffen, der als Draft-Standard "IEC PAS 62458: Sound System Equipment – Electroacoustical transducers – Measurement of large signal parameters" vorliegt und aktuell folgende Definition von Xmax vorschlägt:

"The voice-coil peak displacement Xmax at which either the total harmonic distortion THD or the nth-order modulation distortion (where n=2 or 3)exceeds 10% in the sound pressure radiated by the driver in free air excited by the linear superposition of a first tone at the resonance frequency f1=fs and a second tone f2=8.5 fs with an amplitude ratio of 4:1. The total harmonic distortion assesses the harmonics of f1and the modulation distortions are measured by the modulation components f2± (n-1) f1according to IEC 60268".

Um es an dieser Stelle kurz zu machen:

Wer z.B. Messysteme von Klippel oder das STEPS System aus der ARTA Familie im Einsatz hat und die dort beschriebenen Verfahren verwendet, kommt zu einem Wert für Xmax, der auf einer tolerierten Obergrenze für THD und Intermodulation beruht.(*)

Vgl. hierzu ARTA STEPS Application Note No. 7:
http://www.artalabs.hr/AppNotes/AP7-Est ... gRev01.pdf

Wer Xmax also sinnvoll ermittelt, der hat damit einen aussagefähigen Großsignalparameter in der Hand, mit dessen Hilfe u.a. Grenzdynamik und elektrische Filtercharakeristiken des Hochpasses (nicht nur) für Hochtöner ausgelegt und bewertet werden können.

Damit wird die Frequenzabhängigkeit des Membranhubs zu (einer der) Zielfunktion(en) beim Filterentwurf, die wiederum dem für die Schallerzeugung (bei gegebenen Abstrahlverhältnissen, Schalldruckpegel, Frequenz) benötigten Verschiebevolumen bei einer Kolbenmembran proportional ist.
Malte hat geschrieben: Die spannende Frage ist also nicht: Wie hoch ist die Trennfrequenz (die ja ohnehin nur einen -6dB Punkt des elektrischen Pegels angibt, sonst nichts)? sondern: Wieviel Pegel bekommt die Kalotte noch in den Frequenzbereichen ab, in denen sie Ärger produziert (z.B. Klirr), und welche Auswirkungen hat das aufs Gesamtergebnis? Hierbei sollten auch mögliche Intermodulationsverzerrungen nicht außer acht gelassen werden.
Insbesondere die zweite der beiden Fragen wäre nach den oben festgestellten Zusammenhängen aus meiner Sicht zumindest in der o.g. Formulierung missverständlich und nicht zielführend genug gestellt:

Der Eingangsspannungspegel an den Klemmen eines Wandlers ist in Entwurf und Praxis nicht allein maßgeblich oder entscheidend für die Bewertung erwartbarer Verzerrungen bei einem bestimmten geforderten Schalldruckpegel:

Entscheidend ist der benötigte Membranhub - hier des Hochtöners - in Relation zu Xmax, wie er für die Erreichung eines bestimmten Schalldruckpegels des (Mehrwege-) Gesamtsystems notwendig ist und wie er sich in der Folge real über den gesamten Hörfrequenzbereich - inklusive des Sperrbereiches des Hochpassfilters - einstellt.

Deshalb gehe ich beispielhaft zunächst auf das erste der 4 "Rezepte" ein, die zwar alle per se "nicht falsch" sind, aber in dieser isolierten Aneinanderreihung und als "frei wählbare Möglichkeiten" dargestellt ohne zusätzliche Forderungen m.E. nicht bestehen können.
Malte hat geschrieben: Wenn man Kalotten tief ankoppeln will, gibt es also mehrere Möglichkeiten:

1. Kalotten mit tiefer fs nehmen (wie die genannte Wavecor mit 410Hz)
Xmax selbst haben wir ja - wenn wir mit aktuellen Methoden und Definitionen (s.o.) arbeiten - als ein Indikatormaß für nichtlineare Verzerrungen kennengelernt und korrekt ermittelt. Hier muss der Membranhub insbesondere auch im Sperrberreich des Hochpassfilters in Relation zu Xmax gesetzt werden.

Es geht also am Ende um so etwas wie die "Hubreserve" des Hochtöners über das gesamte Hörfrequenzspektrum für einen bestimmten geforderten Schalldruckpegel: Mehr ist es zunächst nicht, man soll die Dinge nicht verkomplizieren.

Dabei spielt auch der Bereich unterhalb der Übernahmefrequenz des Hochtöners eine entscheidende Rolle. Nun lade ich zu einem Gedankenexperiment ein:

Wir haben zwei Hochtönerversionen (z.B. 25mm Kalotten) zur Verfügung mit unterschiedlichen Eigenfrequenzen

HT_A, fs = 1000 Hz und
HT_B, fs = 250 Hz ("zwei-hundert-und-fünfzig")

Die Hochtöner hätten ansonsten gleiche Resonanzgüten (z.B. Qts=0,7) und gleiche Spannungsempfindlichkeit oberhalb 2Khz.

Auch Xmax wäre mit Xmax=1mm bei beiden Hochtonkalotten gleich (nach o.g. Klippel Draft ermittelt). Die technische Realisierung dieser fiktiven Komponenten sei hier uninteressant ...

Nun sollen beide Hochtöner an einem Hochpass Filter mit fg=2Khz und 6dB/Oktave Flankensteilheit(**) z.B. in einer gewöhnlichen 2-Wege Box betrieben werden.

Den Einsatz welcher der beiden Hochtöner würde man als "vorteilhaft" bzw. "praxisgerechter" annnehmen und warum ?

Welcher der beiden Hochtöner führt zu einem größeren nutzbaren Dynamikumfang des resultierenden Lautsprechers (***) ?

Bezug zum o.g. Zitat:
2Khz ist für direktstrahlende üblich ausgelegte 25mm Kalottenhochtöner eine in Relation durchaus bereits "tiefe" Übernahmefrequenz. Fährt man hier im Beispiel deshalb bezüglich Verzerrungen und Grenzdynamik mit dem "tiefer" abgestimmten Hochtöner insgesamt wirklich besser ?

________________

(*) Es macht - wie übrigens überall in der Technik - keinen Sinn, die Relevanz von bestimmten Parametern für den elektroakustischen Entwurf für jene zu diskutieren, die diese Parameter nicht nach neuesten Methoden bestimmen oder sie sogar absichtlich falsch angeben.

(**) Das elektrische Hochpass Filter habe einen Frequenzgang an den Hochtönerklemmen "nach Lehrbuch", z.B. durch aktive Ausführung.

Die Verwendung dieses Filters stünde im Pflichtenheft (warum auch immer) und wäre nicht zu hinterfragen ...

(***) Als Grenze immer ein festes Maß für nichtlineare Verzerrungen angenommen, der genaue Wert spielt keine Rolle.


Grüße Oliver
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O.Mertineit
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O.Mertineit hat geschrieben: “Voice-coil peak displacement at which the“linearity” of the motor deviates by 10%, Xmax. Linearity may be measured by percent distortion of the input current or by percent deviation of displacement versus input current. Manufacturer shall state method used. The measurement shall be made in free air at ƒs.” (AES-Recommendation 2-1984 (r2003))

In dieser AES Empfehlung ist jedoch die Berücksichtigung nichtlinearer Verzerrungen u.a. durch die Aufhängung nicht klar geregelt: Man könnte sie "unter den Tisch fallen lassen", ohne die Empfehlung zu verletzen, solange man als Hersteller (z.B. einer Hochtonkalotte) angibt, daß man die oben erwähnte Eingangsstrom-Methode verwendet hat ...
Das wäre m.E. noch ergänzungsbedürftig (aber Zeit zur Änderung abgelaufen):

Auch bei einem "perfekt linearen" Antrieb würde z.B. eine Membran-Aufhängung, die "in die Begrenzung geht" natürlich messbare Verzerrungen des Eingangsstroms verursachen.

Die o.g. AES Empfehlung ist jedoch m.E. so formuliert, daß man auch die Nichtlinearität des Antriebs allein messen dürfte ... (*). Der Hinweis, es solle bei der Eigenresonanz des Treibers gemessen werden, impliziert jedoch ein vollständig aufgebautes System inklusive Membranaufhängung.

Verzerrungen am realen Hub zu messen hat den Vorteil, eine mech. Ausgangsgröße direkt zu erfassen, ganz unabhängig davon, wie sich bei einem konkreten Prüfling nichtlineares Verhalten interner Größen jeweils verteilen, gegenseitig verstärken oder auch teilweise zu kompensieren vermag.

________________

(*) Der aktuellere IEC Vorschlag von Wolfgang Klippel gibt in jedem Fall eine m.E. wohldefinierte und vom Resultat auch praxisgrechtere Messprozedur vor.
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Beitrag von O.Mertineit »

Malte hat geschrieben:
Wenn man Kalotten tief ankoppeln will, gibt es also mehrere Möglichkeiten:

1. Kalotten mit tiefer fs nehmen (wie die genannte Wavecor mit 410Hz)

2. Kalotten nehmen, die weniger Ärger mit Klirr im Bereich der fs produzieren

3. Kennschalldruck im Nutzbereich erhöhen (z.B. mit Waveguide, Horn)

4. Steile Weiche bzw. gezielt auf den fs-Bereich zielende Filter.
(Hervorhebung von mir)


Hallo,

keine Einwände zu Punkt 2: "wo weniger Probleme sind, da sind weniger Probleme", sicher.

In der Regel werden wir hier in realen Fällen jedoch Hochtöner mit großzügiger dimensioniertem Verschiebevolumen Xmax * Sd vorfinden und mit vorzugsweise etwas "besserem" Gesamtdesign als "üblich".

Nur eine Ergänzung:

Da die nichtlinearen Verzerrungen - auch bei Hochtönern - hauptsächlich als "hubverursacht" (also auslenkungsbedingt) angesehen werden können, werden je nach Bedämpfung des Hochtöners die Verzerrungen an und unterhalb der Eigenfrequenz meist sogar noch zunehmen. So wird üblicherweise erst unterhalb der Eigenfrequenz ein Plateau erreicht. Deutlich geringer als bei der Eigenfrequenz werden die Verzerrungen jedoch eher selten bei tieferen Frequenzen.
Malte hat geschrieben: 3. Kennschalldruck im Nutzbereich erhöhen (z.B. mit Waveguide, Horn)
Angenommen wir würden diese Strategie in Reinform und isoliert auf die o.g. Beispielhochtöner
O.Mertineit hat geschrieben: Nun lade ich zu einem Gedankenexperiment ein:

Wir haben zwei Hochtönerversionen (z.B. 25mm Kalotten) zur Verfügung mit unterschiedlichen Eigenfrequenzen

HT_A, fs = 1000 Hz und
HT_B, fs = 250 Hz ("zwei-hundert-und-fünfzig")

Die Hochtöner hätten ansonsten gleiche Resonanzgüten (z.B. Qts=0,7) und gleiche Spannungsempfindlichkeit oberhalb 2Khz.

Auch Xmax wäre mit Xmax=1mm bei beiden Hochtonkalotten gleich (nach o.g. Klippel Draft ermittelt). Die technische Realisierung dieser fiktiven Komponenten sei hier uninteressant ...

Nun sollen beide Hochtöner an einem Hochpass Filter mit fg=2Khz und 6dB/Oktave Flankensteilheit(**) z.B. in einer gewöhnlichen 2-Wege Box betrieben werden.
(vgl. http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 5&start=30)

anwenden und

- einen erst ab ca. 2 Khz arbeitenden Waveguide verwenden ("Nutzbandbreite", wie Du vorschlägst)

- den Eingangspegel innerhalb der "Nutzbandbreite" absenken (effizientere Abstrahlung macht's möglich ...)

- jedoch die akustische Flankensteilheit der resultierenden Hochtonsektionen (HT+Waveguide+Schallwand) nun per DSP Filter jeweils wieder an die entsprechende Version ohne den "2Khz Waveguide" anpassen.

Wären die resultierenden Gesamtsysteme nun (deutlich) verzerrungsärmer ?

Wie verliefe der Hub von HT_A nun unterhalb 2Khz ?

Wie verliefe der Hub von HT_B nun unterhalb 2Khz ?

Wie wirkt sich der Umstand aus, daß z.B. der durch den Hub von HT_A bzw. HT_B unterhalb der Übernahmefrequenz jeweils verursachte Klirr nun durch den Waveguide noch verstärkt wird, der Eingangspegel im "Nutzbereich" jedoch abgesenkt wurde ?
Malte hat geschrieben: 4. Steile Weiche bzw. gezielt auf den fs-Bereich zielende Filter.
Das liest sich immer erstmal gut ...

Aber in welchen Fällen benötigt man denn die "steileren Weichen" zuerst ?

Der Hochtöner mit sehr tiefer Eigenresonanz (weit unterhalb der geplanten Trennfrequenz mit "flachem" Filter) - die aber in vielen Fällen wie ein "mechanisch ungedeckter Scheck" nicht mit dem entsprechenden unverzerrten Verschiebevolumen (Xmax * Sd) hinterlegt ist, siehe "HT_B" aus o.g. Beispiel - benötigt eine erhöhte Flankensteilheit des elektrischen Filters zuerst, wenn er nicht zur "dynamischen Begrenzung" des Systems werden soll.

Das Gleiche gilt für "Hochtöner auf Steroiden", die von einem nur unterdimensionierten Waveguide - oder auch einer kleinen ebenen Schallwand - "gerade mal so" bis in den den Übernahmebereich der Weiche "unterstützt" werden.

@Malte

Deine Punkte 1-4 beschreiben also gar keine "Wahlmöglichkeiten", sondern teils knallharte Interdependenzen, die erst richtig zum Tragen kommen, wenn ich eines dieser "Rezepte" tatsächlich anwende.

Ein Beispiel:

Sage ich z.B. "1" (Eigenfrequenz des HT absenken) ,
dann muss der Hochtöner auch ein entsprechendes Xmax * Sd bereitstellen oder er benötigt ein steileres Hochpass-Filter ...

Jetzt kann ich mich aber fragen: "Wenn ich schon Xmax * Sd des Hochtöners erhöhen musste (z.B. x 4), würde der Hochtöner jetzt nicht verzerrungsmäßig auch allein dadurch schon besser aussehen, ohne daß ich Fs absenke ? (Allerdings würde er das, man darf also mit Berechtigung fragen, worin die "eigentliche" (!) Kur gegen Verzerrungen besteht. Denn ohne Erhöhung des Verschiebevolumens Xmax * Sd gibt es "über alles" keine Reduktion des Klirr bei unverändertem elektrischem Filter, wenn dieser gleichzeitig "flach" verläuft.)

Sage ich z.B. "2" (Waveguide im "Nutzbereich" des HT einsetzen mit WG-Grenzfrequenz ca. fg des el. Filters ?)

und verwende also einen "knapp ausglegten" Waveguide, der kein gleichförmiges Bündelelungsmaß bis weit in den Sperrbereich des elektrischen Filters bereitstellen kann, dann muss ebenfalls ein steileres el. Filter her (s.o.).

Je steiler die Filter werden, desto irrelvanter wird - scheinbar - diese ganze Diskussion ...
Also lasst' uns reinhauen 48dB, 60dB, was kann Dein DSP ? (Das reimt sich sogar ...)

Aber u.a. Abwägungen zum Rundstrahlverhalten, zur Gruppenlaufzeit und bei passiven Systemen auch praktische Erwägungen in der Realisierung hochwertiger Filter lassen nicht immer "ohne Reue" zum "nächst steileren Filter" greifen ...

Eines jedoch verwundert mich:

Die genaue Betrachtung (und ggf.) Erhöhung des Verschiebevolumens Xmax * Sd, ohne die es de facto nie geht, wenn Klirr nachhaltig z.B. bei einer HT-Kalotte vermindert werden soll, wird von Dir eingangs als "wird kaum zu realistischen Ergebnissen führen" beschrieben:
Malte hat geschrieben: Das Verhalten einer Kalotte unterhalb ihres Einsatzbereiches durch theoretischen xmax oder thermische/elektrische Belastbarkeit bewerten zu wollen, wird kaum zu realistischen Ergebnissen führen.
Das hinterlässt mich persönlich ein wenig verwundert, das muss ich ganz offen gestehen.


Grüße Oliver
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Beitrag von O.Mertineit »

Nur für diejenigen, denen es evt. nicht so geläufig ist:

Für einen konstanten Schalldruck muss bei einem monopolaren Kolbenstrahler für jede Oktave, die es mit der Frequenz herunter geht, der Membranhub vervierfacht werden. Das ist ein Anstieg von 12dB/Oktave.

Einigermaßen frequenzunabhängige Abstrahlverhältnisse angenommen bedeutet das, daß z.B. bei einem Hochtöner mit sehr niedriger Eigenfrequenz weit unterhalb der Trennfrequenz fs<<fg der Weiche, sich der Membranhub selbst im Sperrbreich eines Hochpassfilters 1.Ordnung (6dB/Oktave Flankensteilheit) noch mit jeder Oktave verdoppelt(!), die es tiefer herunter geht.

Erst ein 12dB/Oktave Filter kann unter gleichen Verhältnissen den Membranhub im Sperrbereich des Filters konstant halten.

Bei Filtern mit "moderater" Flankensteilheit (z.B. 6 ...18dB/Oktave), ist also im Realfall die inhärente
Hochpasscharakteristik üblicher Hochtöner immer "mit zu berücksichtigen", die sich um bzw. unterhalb der Eigenfrequenz fs auch "selbst im Hub begrenzen" durch die dort mechanisch dominierende Federsteifigkeit der Aufhängung. Es zählt also die Gesamt-Charakteristik des resutierenden "akustischen Filters".

Zu bedenken: "Musik" hat jedoch statistisch gesehen - je nach Genre - kein "flaches" Leistungs-Spektrum, sondern dies kann zu tieferen Frequenzen deutlich zunehmen. Auch dies spielt tendenziell noch "gegen" den Hochtöner und lässt dann eher mehr als weniger Reserven beim unverzerrten Verschiebevolumen als wünschenswert erscheinen.

Thermische Belastbarkeit habe ich hier zunächst ausgeklammert, weil auslenkungsbedingtes nichtlineares Verhalten momentan das Thema war.


Grüße Oliver
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Daihedz
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Beitrag von Daihedz »

O.Mertineit hat geschrieben: ... nicht immer "ohne Reue" zum "nächst steileren Filter" greifen ...
Im Prinzip ist dem ist so.

Ich habe mit Acourate gespielt und einige 2000Hz-HP-Filter (LinPhase) mit SR=96kHz gebaut, in den Varianten LKR4, NT2 und HK (Horbach-Keele). Dann habe ich die Impulsantwort angeschaut und durchgemessen. Das Ranking in Bezug auf das PreRinging der Impulsantwort:

3. Platz: HK
2. Platz: NT2
and the Winner is ... LKR4!

PreRinging >0.0001% / >0.001% / 0.01% des Maximums
HK: 8.8ms / 2.8ms / 0.98ms
NT2: 1.44ms / 0.88ms / 0.34ms
LKR4: 0.71ms / 0.48ms / --

Nun die bange Frage des verunsicherten Lautsprecherbauers an Radio Eriwan: " Bei welchem Schwellenwert des Preringings ist Reue zu erwarten?"
Antwort: "Im Prinzip immer, aber es kommt auf die Karate der Goldohren an."

Etwas ernster gemeint: Bei welchem Schwellenwert des PreRingings ist dasselbe wohl hörbar? Gibt es da Untersuchungen dazu?

Beste Grüsse
Simon
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Simon,

das kann ich Dir nicht beantworten ...

Ich würde jedoch (nur als Beispiel) einen üblichen "Konus & Kalotte 2-Weger" mit deutlich abweichendem Bündelungsmaß der beteiligten Schallwandler an der geplanten Übernahmefrequenz eher unter Gesichtspunkten wie "Kontinuität des Rundstrahlverhaltens", "klangliche Homogenität" etc. sehen wollen ...

Sehr steile Filter sind dann m.E. nur etwas für Leute, die Ihre Lautspecher gern im reflexionsarmen Raum ("RAR") hören: Die soll es ja auch geben.

Für all jene, die - noch - einen Lautsprecher mit gutmütiger Lautsprecher/Raum Interaktion bevorzugen, gibt es bei der Filterordnung (bzw. der Flankensteilheit) natürlich Grenzen des klanglich Zuträglichen und damit auch der Vernunft ...

Das gilt zumindest solange, wie beides noch miteinander Hand in Hand geht :wink: .

Beste Grüße Oliver
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Beitrag von O.Mertineit »

O.Mertineit hat geschrieben: Eines jedoch verwundert mich:

Die genaue Betrachtung (und ggf.) Erhöhung des Verschiebevolumens Xmax * Sd, ohne die es de facto nie geht, wenn Klirr nachhaltig z.B. bei einer HT-Kalotte vermindert werden soll, wird von Dir eingangs als "wird kaum zu realistischen Ergebnissen führen" beschrieben:
Malte hat geschrieben: Das Verhalten einer Kalotte unterhalb ihres Einsatzbereiches durch theoretischen xmax oder thermische/elektrische Belastbarkeit bewerten zu wollen, wird kaum zu realistischen Ergebnissen führen.
Das hinterlässt mich persönlich ein wenig verwundert, das muss ich ganz offen gestehen.
Hallo Malte,

wenn ich in Gedanken in Deinem o.g. Statement das Wörtchen "theoretischen" vor "Xmax" hervorhebe, dann sind wir möglicherweise doch nicht mehr soweit voneinander entfernt:

Xmax * Sd soll in einem für die Anwendung sinnvollen Bereich liegen. Außerdem soll Xmax auf wirklichen Messungen der nichtlinearen Verzerrungen am jeweiligen Treiber (z.B. einem Kalottenhochtöner) beruhen, um den es geht(*) : Schätzungen z.B. nur aufgrund "Magnetgeometrie und Schwingspulenhöhe nach Datenblatt" sind dafür viel zu vage ...

:cheers:


Grüße aus Reinheim

Oliver
____________________
(*) Messungen m.E. vorzugsweise nach Methode Klippel.
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