Frequenzgangangaben bei Lautsprechern

Buschel
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Frequenzgangangaben bei Lautsprechern

Beitrag von Buschel »

Hallo zusammen,

nach welchen Regeln werden eigentlich Frequenzgänge bei Lautsprechern angegeben -- mal angenommen, dass der Amplitudenfrequenzgang reflexionsfrei auf Achse gemessen wurde? Die Glättung kann ja einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis haben. Außerdem gibt es verschiedene Varianten bzgl. der Toleranz.
  • (1) Bei einer Angabe von +/- x dB gehe ich davon aus, dass der Frequenzgang in diesem Band liegt. Oder bezieht sich 0 dB auf einen anderen Wert (z.B. mittlerer Schalldruckpegel)?
  • (2) Bei einer Angabe von -x dB (z.B bei der oberen/unteren Grenzfrequenz) frage ich mich worauf sich 0 dB bezieht.
  • (3) Bei einer Angabe ohne explizite dB ist welcher Wert üblich -- 10 dB? Was ist der 0 dB Bezugspegel?
Viele Grüße,
Andree
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NNEU
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Beitrag von NNEU »

Hallo Andree,

Da es auf deine Fragen keine Allgemein gültigen Antworten gibt, sind die Frequenzgang Angaben bei den meisten Lautsprechern komplett irrelevant.

Der Hersteller kann eine X-Beliebige Angabe machen, dabei weiss er wahrscheinlich am Ende gar nicht mehr wie überhaupt gemessen wurde.



Grüsse,

Noel
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Hallo Noel,

so kommt mir es leider auch vor. Bisher habe ich auch keine Art Norm gefunden -- nur Annahmen.

Der Hintergrund meiner Frage ist, dass ich gemachte Herstellerangaben zum Teil anhand von eigenen Messungen nur schwer oder nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel kann ich es drehen und wenden wie ich will: 25 Hz - 22 kHz, +\- 3, dB kann ich bei meinen Lautsprechern beim besten Willen nicht erkennen. Erst bei hinreichend starker Glättung wird die extreme Welligkeit im Superhochton weggebügelt -- daher meine Frage nach der Glättung --, wie auch im Test der STEREO bei dem wohl mit 1/1 Oktave geglättet wurde. Das gleiche gilt auch für den sehr steilen Abfall oberhalb 20 kHz, die angegebene Obergrenze von 22 kHz bei +\-3 dB wird nicht erreicht ...

Konkrete Falschangaben sind das aber dann trotzdem nicht, weil die Messmethode nicht spezifiziert ist? :roll:

Viele Grüße,
Andree
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Ja das ist so eine Sache mit den Messungen und wie immer, jeder Hersteller möchte dabei gut ausschauen. Nichts desto trotz, es gab mal die DIN45500, die wenigstens beschrieb in welchen Bereich inklusive Toleranzen sich der Schallpegel eines Lautsprechers bewegen sollte. Das ist in diesen Bild zu sehen:

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Grundsätzlich sollte der Frequenzgang eines Lautsprechers innerhalb des schraffierten Bereiches liegen, also im Bereich von 100 - 4000Hz +4dB bis -4dB. Unterhalb von 100Hz sollte die -8dB Grenzfrequenz nicht unterhalb von 50Hz liegen und Ähnliches gilt bei 12,5kHz.

Da ich schon mit meinen Lautsprechern im reflexionsarmen Raum ( RAR ) war kann ich sehr genau sagen wie sich der Frequenzgang eines meiner Lautsprecher misst.

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Für den gezeigten Lautsprecher wurde ungeglättet im RAR folgender Frequenzgang gemessen, den ich einige gängige Angaben beigefügt habe. Dabei orientiert man sich an einen mittleren Pegel im Bereich von 1 kHz ( gestrichelte orange Kurve ):

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Demnach ist die untere -3dB Grenzfrequenz ca. 58Hz und -6dB liegt bei ca. 52Hz. Nimmt man die DIN45500 liegt dieser Lautsprecher in den geforderten Rahmen :wink:
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Hier mal eine Messung meines Lautsprechers am Hörplatz mit einem kalibrierten ECM-40. Zur Auswertung habe ich das Zeitfenster so kurz gehalten, dass keine Reflexion enthalten ist (1,4 ms). Daher sind Frequenzen unterhalb 1 kHz in der Messung nicht berücksichtigt.

Im unkorrigierten und ungeglättetem Zustand durchstreicht der Amplitudenfrequenzgang etwa 1-20 kHz (+/- 4.5 dB). Erst aber einer Glättung von 1/6 Oktave genügt ein Fenster von +/- 3 dB. Die Amplitude bei 22 kHz liegt dabei mit etwa 25 dB Dämpfung immer weit außerhalb dieses Fensters. Wie man von Seiten des Herstellers 25 Hz - 22 kHz (+/- 3 dB) angeben kann ist mir schleierhaft.

Mit der aktuell eingesetzten Korrektur über FIR-Filter erreiche ich etwa 1-20 kHz (+/- 2 dB).

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Messung
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Andree,

am Hörplatz sieht es immer katastrophal aus. Nur mal so als Beispiel dies sind Messungen in meinen Hörraum von der oben vorgestellten Box ...

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Bitte beachte, das dies eine Messung in 70cm Entfernung war, im RAR waren es 200cm. Die rote Kurve ist ungeglättet, die Blaue leicht geglättet mit 1/24 / Oktave.

Ansonsten Dein "Problem" mit 22kHz ist eher auf die Soundkarte bzw. Messsystem zurück zu führen. Wahrscheinlich misst Du mit 44.1 kHz, da ist bei 22 Khz Ende :wink:
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Cay-Uwe,

wie gesagt habe ich bei der Auswertung auf 1,4 ms gefenstert. Es bleibt also nur der Direktschall ohne Reflexionen. In 0,5 m Entfernung messe ich denselben Verlauf des Frequenzgangs im Hochton. Die starke Dämpfung bei 22 kHz liegt nicht am Meßsystem. Sie tritt auch bei 96 kHz Samplingfrequenz auf und war auch bei Messungen an meinem alten Lautsprecher nicht erkennbar. So einfach ist es nicht. ;)

Viele Grüße,
Andree
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Hier nochmal die Messung mit einer Samplingfrequenz von 96 kHz für den Bereich 1-40 kHz. Es wurde wieder auf 1,4 ms gefenstert. Der Frequenzgang ist quasi identisch zur Messung mit 48 kHz und sieht dem für den HT veröffentlichten Verlauf nicht unähnlich.

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Messung mit 96 kHz

Mir kam es ja vor allem darauf an, ob es eine Definition für die Angabe von Frequenzgängen gibt, die die "Verschleierung" solcher Welligkeiten erlaubt. Offenbar ist es noch schlimmer, weil es gar keine Regeln gibt. :roll:
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Andree,

leider verstehe ich Deine Messungen nicht so recht. Kannst Du noch etwas dazu schreiben, wie Du genau gemessen hast (Interface, Software, welche Lautsprecher, analog oder digital angesteuert)?

Beste Grüße
Harald
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RPWG
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Beitrag von RPWG »

Hallo Andree,

Konntest du z.B. Reflexionen am Messaufbau (nahe Mikrofon) schon als Ursache für die SHT-Welligkeit durch eine Gegenmessung ausschließen?
Buschel hat geschrieben:Der Frequenzgang ist quasi identisch zur Messung mit 48 kHz und sieht dem für den HT veröffentlichten Verlauf nicht unähnlich.
D.h. der verwendete HT ist bekannt und es gibt eine Messung (des nackten Chassis), die das gleiche SHT-Verhalten zeigt?

Grüße
Roman
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Hi Roman und Harald,

dann will ich mal der Reihe nach eure Fragen beantworten.

Bei allen gezeigten Messungen wurde am Hörplatz gemessen, der ist etwa 2,5 m von den Lautsprechern entfernt und leicht außerhalb der Achse (dazu später mehr). Das verwendete Messprogramm war entweder Acourate (für die Messungen ohne Convolver) oder REW 5.11 (für die Messung mit Convolver). Als Audiointerface setze ich eine Focusrite Scarlet 2i2 ein. Damit speise ich das Signal per RCA in den Vorverstärker ein, und nehme wieder per Mic-In auf. Das Mikrofon ist ein ECM-40, für das ich Kalibrierungsdaten für 0°- und 90°-Betrieb habe. Die ganze Kette sieht damit so aus:

Acourate> 2i2 > Pre > LS > ECM-40 > 2i2 > Acourate bzw.
REW > 2i2 > Pre > LS > ECM-40 > 2i2 > REW

Im Falle der Messung mit Convolver habe ich die Tapeloop des Vorverstärkers genutzt und dort eine RME Fireface UCX und einen Linux-PC mit brutefir eingeschleift.

Acourate> 2i2 > Pre > UCX (AD) > Convolver > UCX (DA) > Pre > LS > ECM-40 > 2i2 > Acourate bzw.
REW > 2i2 > Pre > UCX (AD) > Convolver > UCX (DA) > Pre > LS > ECM-40 > 2i2 > REW

Die Messungen mache ich übiicherweise mit 48 kHz Abtastfrequenz. Eine Kontrollmessung habe ich mit 96 kHz gemacht, um das Verhalten oberhalb 20 kHz noch einmal zu verifizieren. Alle Messungen sind mit dem Mikrofon in 90°-Position gemacht und entsprechend korrigiert worden. Zur Darstellung verwende ich meistens REW, weil dies intuitiver bedienbar ist als Acourate -- die Acourate-Messungen exportiere ich dabei als wav-Datei und importiere sie dann nach REW.

Anmerkung zum Messen außerhalb der Achse: Mir ist klar, dass das nicht ganz sauber ist. Ich habe auch Messungen auf Achse und in Höhe des Hochtöners gemacht (s.u.). Dabei tritt der außerhalb der Achse einsetzende Höhenabfall natürlich nicht auf, der wellige Gesamtverlauf im Superhochton bleibt aber erhalten.

Gegencheck der Messung:
- Außerhalb der Achse wie auf Achse ist die Welligkeit sichtbar
- Welligkeit bei 90°-Messung und 0°-Messung sichtbar
- Welligkeit in 0,5 m wie 2,5 m Entfernung sichtbar
- Welligkeit bei linken/rechtem Lautsprecher nahezu identisch
- Messung A: linker LS, 90°, 2,5 m Abstand, Mic etwa 15 cm oberhalb HT, außerhalb Achse
- Messung B: linker LS, 0°, 0,5 m Abstand, Mic auf Höhe des HT, auf Achse

Bild
Gegencheck (oben = A, unten = B)

Laut mir vorliegender Info handelt es sich um einen BMS 4548Plus Kompressionstreiber. Der einzige mir bekannte gemessene Frequenzgang (an einem A7570 Horn) ist hier: Klick mich.

Viele Grüße,
Andree
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Fehlen euch noch Angaben, oder könnt ihr nachvollziehen warum ich die Herstellerangaben nicht wirklich nachvollziehen kann?
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Andree
Horntreiber ohne Horn zu messen, macht eigentlich wenig Sinn. Wenn der Treiberhersteller aber kein Horn anbietet, welche Basis und Aussage hat dann seine Messung?
Dasselbe gilt für Hornhersteller, die keine Treiber produzieren.
Ich finde die Welligkeit auffällig, aber auch Breitbänder oder Koaxialsysteme haben solche Merkmale. Ich habe mal durch gute Beziehungen meine Jonenhochtöner in einem gut ausgestatteten Institut messen lassen, da war der FG extrem glatt, damals habe ich nicht verstanden, warum eine Nachhallzeitbestimmung mit vielen Frequenzen länger dauerte als die Messung des Objekts.
Welche Rolle spielt die Achsausrichtung oder der Raumeinflussß
Grüße Hans-Martin
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Hallo Hans-Martin,

ich meine die Angaben des Lautsprecherherstellers, die nicht zu den Messungen des Lautsprechers passen. Raumeinflüsse sind durch das kurze Analysezeitfenster ausgeblendet, daher gehen keine Reflexionen des Raums ein. Außerhalb der Achse bleibt die Welligkeit und der steile Abfall oberhalb 20 kHz grundsätzlich bestehen, aufgrund der Bündelung fällt der Frequenzgang oberhalb 5 kHz bei stärkeren Winkeln zunehmend ab.

Viele Grüße,
Andree
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Pittiplatsch
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Beitrag von Pittiplatsch »

Hallo Andree,

ich koennte ja mal meine LS zum Spass mit Deiner Methode nachmessen. Meine KH120 haben ja auch die Herstellermessungen und K+H schummelt nach allgemeiner Meinung nicht. Theoretisch sollte dort dann ja zumindest was aehnliches wie auf der Herstellerseite raus kommen.
Meine letzte ungefensterte Messung (hab nur Carma) hat natuerlich die Raumeinfluesse mit drin, kommt aber ansonsten einigermassen gut hin (dank room gain und Wand naher Aufstellung kommt sie bei mir aber ein bisschen tiefer :) ).

Geht so eine gefensterte Messung mit Carma/REW?

Viele Gruesse,
Tobias
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