Wie funktionieren Waveguides?

Rudolf
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Wie funktionieren Waveguides?

Beitrag von Rudolf »

Liebe Freunde,

wenn ich unsere Lautsprecherexperten richtig verstanden habe, dann sind unsaubere Frequenzgänge und holprige Sprungantworten spätestens seit Acourate & Co. Schnee von gestern. Zumindest für denjenigen, der bereit ist, sich an einem "Hörpunkt" im Raum festnageln zu lassen. Wer zudem in der glücklichen Lage ist, den Diffusschallanteil durch Abrücken der Lautsprecher von den Wänden zu minimieren, braucht eigentlich nicht mehr weiterzulesen.

Für diejenigen unter uns, die an unterschiedlichen Stellen im Raum Musik hören wollen, reichen diese Maßnahmen jedoch nicht immer aus bzw. sind z.T. sogar kontraproduktiv: so meine ich nämlich weiterhin verstanden zu haben, dass durch jede Vorausentzerrung, sei es nun durch die Frequenzweiche oder eine Über-Alles-Korrektur, auch das Abstrahlverhalten der Chassis und somit die Wiedergabe außerhalb der Hörachse verändert wird.

Hier nun kommen die von mir thematisierten Waveguides ins Spiel. Immer mehr Lautsprecherhersteller scheinen hierauf Wert zu legen, sei es als echtes technisches Merkmal oder nur als Designfeature. Meine Fragen an die Experten lauten nun:

Wie funktionieren Waveguides eigentlich genau? Und weiter: Wie werden sie entwickelt, so dass sie zusammen mit der notwendigen Vorausentzerrung (= Frequenzweiche) ein schlüssiges Gesamtsystem ergeben?

Viele Grüße
Rudolf
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RS.schanksaudio
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Beitrag von RS.schanksaudio »

Hallo Rudolf,

Waveguides bilden eine Schallführung und verstetigen somit die Schallabstrahlung. Schallenergie wird im Grunde in einen kleineren Raum verdichtet. Das wird vor allem beim Übergang von verschiedenen Treiber in verschiedenen Einsatzbereichen angewendet, typischerweise im Hochtonbereich zur Angleichung des Abtrahlverhaltens im Übergang zum (meist sich in Eigenbüdelung befindenden) Mitteltöner. Das wird im Studio und PA-Bereich seit Jahrzehnten schon angewendet, je nach Auslegung und Pegelanforderungen auch im Mitteltonbereich und tiefer. Ein anderer Nebeneffekt ist die Erhöhung des Schalldrucks auf Achse (durch die Richtwirkung), was man auch gezielt zur Klirrsenkung und Erhöhung der Belastbarkeit nutzen kann (max SPL erhöht sich). Entzerrt wird das ganze meist elektronisch, es geht aber natürlich auch komplett passiv. Auch positiv ist auch die größere Unempfindlichkeit der gegenüber Reflexionen an den Gehäusekanten, weil der Treiber je nach Auslegung des WGs diese nicht mehr "sieht".

Messtechnisch ist die Wirkungsweise von WGs sehr schön in Sonogrammen zu sehen, die Studiohersteller i.d.R. in den Datenblättern führen. Leider ist das im HiFi-Bereich kaum anzutreffen.

Klanglich sind solche Konstruktionen durch die größere Richtwirkung etwas unabhängiger von (negativen) Raumeinflüssen, d.h. die funktionieren oftmals besser als konventionelle Konstruktionen in schlechten Abhöhrsituationen. Der Klang wird öfter als direkter mit klarer Bühnenabbildung beschrieben, da die verfärbenden Raumeinflüsse ausgeblendet werden. Joachim Kiesler (Chefkonstrukteur von ME Geithain) sagt Waveguides einen "trötenhaften" Klang nach und verwendet sie in seinen aktuellen Produkten nicht, wohl aber in der Vergangenheit (siehe meine RFT BR26). Natürlich kümmert sich auch Geithain um das Abstrahlverhalten, aber es führen viele Wege nach Rom.

Ich fand die Arbeiten von Earl Geddes hierzu immer interessant und verständlich, er hat einige Paper zum Thema und biete auch selbst seine Entwürfe und Rechenmodelle an: http://www.gedlee.com/Papers.htm

Viele Grüße
Roland
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Vielen Dank Roland, für deine Erläuterungen.

Ein sehr schönes Beispiel für die Anwendung von Waveguides ist die Neumann KH 420:

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Wenn ich dich richtig verstanden habe - die Kritik von Joachim Kiesler jedenfalls deutet in diese Richtung, dann haben Waveguides tendenziell die Eigenschaften von Hornsystemen. Im besten Fall nur die positiven (Richtwirkung, erhöhter unverzerrter Schalldruck), im schlechteren Fall auch die negativen ("Trötenklang"). Diesen wird man einem Neumann-Lautsprecher mit Sicherheit nicht nachsagen können. Insofern scheint hier die Ausformung der Waveguides sehr gut gelungen zu sein.

Ich wiederhole daher meine 2. Frage: Wie werden Waveguides entwickelt? Lässt sich die Schallabstrahlung mit verschiedenen Waveguide-Geometrien dreidimensional modellieren bzw. simulieren? Oder ist es eher eine Erfahrungswissenschaft nach der Trial&Error-Methode? Letztere würde ja in der Tat den Mythos vom genialen Lautsprecherentwickler befördern (Ähnliches trifft natürlich auf eine "Modellierung" der Abstrahlcharakteristik durch Filternetzwerke zu).

Viele Grüße
Rudolf
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RPWG
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Beitrag von RPWG »

Hallo Rudolf,

Auch bei uns hat sich ja in jüngster Vergangenheit etwas in diese Richtung getan - die Prisma 3 verwendet im Hochton eine Schallführung. Damit gelingt die von Roland bereits aufgezeigte "bruchlose" Ankopplung eines 1 Zoll Treibers an einen 13 cm Mitteltöner, unter dem Gesichtspunkt der Abstrahlung. Ohne diese Maßnahme würde unter Winkel der oberste Übertragungsbereich des MT stärker gebündelt als der unterste des Hochtöners - die Bündelungsmaße, als Graph aufgetragen, würden divergieren. Sekundärschall als abgeschwächte "Kopie" des verzerrten FG unter Winkel (vereinfacht ausgedrückt) würde sich mit dem evtl. sehr sauberen Spektrum des FG unter 0° vermischen. Dadurch klingt Mark Knopfler immer noch nicht wie Micky Maus, die gerichtete Abstrahlung macht den Lautprecher aber einfach unkomplizierter, was den Raum und die Aufstellung angeht. In meiner eigenen "Hörerfahrung" haben sich Systeme mit Schallführungen (zumindest im HT) in weniger optimalen Aufstellungen immer direkter, präziser angehört. Das ist nicht zu verwechseln mit einem mehr an Pegel im HT, ich meine damit Auflösung.

Je nachdem, wie eine Schallführung konstruiert ist, lassen sich verschiedene Designziele besser abbilden, mir war z.B. ein breitbandig "konstantes" Bündelungsmaß wichtig, hier ist der Weg etwas anders, als wollte man einen besonders hohen Wirkungsgradgewinn anstreben. Sehr empfehlenswert in dieser Hinsicht die AES-Veröffentlichung "What's so sacred about exponential horns?" von D.B. Keele. Trotzdem hole ich den Pegelgewinn zu tiefen Frequenzen natürlich gerne mit, dadurch wird der Hochtöner in seiner Arbeit entlastet und produziert geringere Verzerrungen.

Ein netter Nebeneffekt ist ebenfalls, dass der Schallentstehungsort des HT in der Tiefe näher an den des MT kommt - per DSP ist das "time alignment" zwar eine der einfacheren Übungen, analoge Konzepte könnten aber davon profitieren, da der nötige Allpass ("quasi Verzögerungsglied") von geringerer Ordnung werden darf.

Über den Entwicklungsprozess kann ich jetzt nur aus meiner Erfahrung sprechen, da war nach einer eingehenden Recherche erst einmal die Computersimulation der Geometrien mit der Finite Elemente Methode angesagt, um den gröbsten Unsinn vorab verwerfen zu können. Das ist schon allein deswegen ganz nett, weil man auch einfach mal "eine Stinkbombe platzen lassen" und sich anschauen kann: was hat überhaupt worauf welchen Effekt. Dazu musste ich mich erst einmal in die Simulation akustischer Felder in dem entsprechenden Tool einarbeiten. Welche Randbedingungen müssen wo gelten, wie stellt man den Solver ein, damit nicht nur schöne bunte Bilder (die gibt's nämlich immer) rauskommen, sondern die auch was mit der Wahrheit zu tun haben. Dazu wurde zunächst eine einfache Geometrie simuliert, bei der das Messergebnis vorab bekannt war. Dann haben wir uns die vielversprechendeste Geometrie im 3D-Druckverfahren herstellen lassen, vermessen, die Ursachen eventueller Abweichungen von der Prognose identifiziert, neu drucken lassen, usw.. Irgendwann nach der x-ten Iteration ging es dann damit zum Schreiner, und der hat noch mal ein paar Anläufe gebraucht, um die Kontur, inkl. Lackauftrag, genau so in die Schallwand zu integrieren.

Viele Grüße
Roman
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Rudolf,

ich denke, Waveguides verhindern geradezu, dass du gleichzeitig an sehr verschiedenen Stellen im Raum gleichen Klang bekommen kannst. Denn ihre Bündelung engt das Abstrahlverhalten ein und verlangt danach, im Bereich der Abstrahlkeule zu sitzen.

Aus den vielen Diskussionen in unserem Forum schälte sich (Floyd o. Toole) heraus, dass am Sitzplatz zu dem linearen FG des LS das verzögerte, seitlich nicht mehr lineare FG-Verhalten hinzumischt und das ursprüngliche, gute Ergebnis verdirbt. Die erste Wellenfront zählt für die Lokalisation und das Ohr erkennt die Klangeigenschaft. Dann kommt der Nachhall im Raum, der sich möglichst homogen damit vermischt.

Demnach ist Hauptaufgabe, das seitliche Abstrahlen zu homogenisieren, nicht die Membran an die Umgebung besser anzupassen, wie es bei Hörnern der Fall ist. Die besten Waveguides, die ich bisher gehört habe, sind nicht rund, sondern oval und ihr lateraler Öffnungswinkel orientiert sich am Tiefmitteltönerkonus. Anders als beim Exponentialhorn beginnen sie nicht rohrförmig mit nahezu parallelen Wänden der Schallführung (was ich dem trötigen Klang zuordnen würde), sondern gleich deutlich erkennbar konisch. Genaugenommen ist auch die konische Form ein Horn.

Zumindest im unteren Frequenzbereich des Chassis verbessern solche Waveguides allerdings merklich den Wirkungsgrad auf Achse, das bedeutet eine andere Klangfarbe (FG), was bei der Frequenzweiche berücksichtigt werden muss, gleichzeitig verbunden mit geringerer Chassisbelastung.

Die ovale Form scheint der horntypischen Verfärbung ebenfalls entgegenzuwirken, aber ich denke der vertikale Öffnungsverlauf orientiert sich an einem mindestens 45°Übergang zur Schallwand (wie bei Hörnern zur Vermeidung von Reflexionen am Hornmund) und dem Wunsch, die akustischen Zentren der benachbarten Chassis hinreichend nahe beieinander anzuordnen, um ausgeprägtes Lobing zu vermeiden.

Ich habe Waveguides mit verschiedenen Seitenverhältnissen 1:1 (kreisrund, Monacor, Visaton), 2:3 (Mission, Bild Neumann Hochton), 3:4 (Bild Neumann Mittelton). Dabei gefallen mir die ovalen Waveguides vor Hochtönern besser, mit Mitteltonwaveguides habe ich mich noch nicht befasst, die Furcht vor hörbaren Verfärbungen war größer, und Konuschassis eine praktikable Alternative. :wink:

Das akustische Zentrum des Chassis wird damit um einige cm von der Schallwand zurückverlegt, vielleicht für alle Chassis in dieselbe Ebene. Ich denke, das hilft ebenfalls, die Chassisanordnung auch mehr einer für gleichzeitiges Eintreffen am Ohr erwarteten Position anzunähern, aber da spielt auch die Weiche noch mit.

Bestehende Boxen nachträglich mit Waveguides auszustatten, ist gewiss ein großer Eingriff, der mE einer Neukonstruktion der Box gleichkommt, konstrukiv-mechanisch wie frequenzweichenmäßg.

Grüße Hans-Martin
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Rudolf,

Im Zusammenhang mit den KH Wave Guides habe ich vor längerer Zeit gelesen, dass über hundert Formen probiert wurden bevor alles klanglich und abstrahlungsmäßig zusammenpasste und der jetzige in die Fertigung ging. Von daher würde ich schließen, dass einen gut funktionierenden Waveguide zu bauen wahrscheinlich keine mathematisch/geometrisch geschlossen lösbare Aufgabe ist :wink: . Trial-and-Error beschreibt das sicherlich auch nicht vollständig, weil es wohl durchaus feste und variable Randbedingungen gibt, die von Chassis, deren Schallwandanordung, Waveguidetiefe, Gehäusedimensionen usw. abhängig sind. Ein weites Feld ...

Gruß,
Winfried

3657
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RS.schanksaudio
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Beitrag von RS.schanksaudio »

Drei Nachteile von Waveguides seien noch genannt:
  • Je nach Ausformung des WGs kann sich der Abstand der Schallzentren (zweidimensional) vergrößern, insbesondere bei Verwendung WGs im Mitteltonbereich. KH entschärft dieses Problem, in dem sie im Mittelton eine Kalotte nutzen, die eine kleinere Abmessungen hat als ein vergleichbarer Konustöner. Trotzdem führt es dazu, dass solche Konstruktionen meist nicht mehr als Nahfeldabhöre geeignet sind, ich glaube KH kategorisiert die 420 auch als Midfield Monitor. Bei der KH120 sieht man gut, dass der WG kein Kreis ist, sondern eine Elipse um den Abstand zum Tiefmitteltöner nicht zu groß werden zu lassen – hier hat man dann aber wieder suboptimale Abstrahlung in der Vertikalen.
  • Waveguides funktionieren nur in bestimmten Frequenzbereichen. Will man zu niedrigen Frequenzen hin die Abstrahlung verengen/verstetigen, nimmt die Dimensionierung des WGs sehr unpraktische Ausmaße an. Also braucht man dort Treiber die durch Membrangröße und Anzahl eine Eigenbündelung liefern – nicht einfach, das alles auf einer Schallwand unterzubringen. Im Bass sind dann wieder andere Konzepte gefragt, die meist mit Schallauslöschung arbeiten (KII, Geithain, etc).
  • Einengung des Sweetspots, d.h. die optimale Abhörposition ist auf weniger Fläche eingeschränkt. Das sehe ich aber bei gezieltem und genussorietiertem Hören nicht als tragisch, da man ja nicht ständig im Raum herumwandert.
Viele Grüße
Roland
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Joerghag
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Beitrag von Joerghag »

RS.schanksaudio hat geschrieben: ...
  • Einengung des Sweetspots, d.h. die optimale Abhörposition ist auf weniger Fläche eingeschränkt. Das sehe ich aber bei gezieltem und genussorietiertem Hören nicht als tragisch, da man ja nicht ständig im Raum herumwandert.
... das relativiert sich. Durch das gleichmäßige Abstrahlverhalten des Hoch- und Mitteltöners können
die Lautsprecher "über"-eingewinkelt werden, ohne das sich die tonale Balance verändert. Bei einem gedachten Schnittpunkt ca. 80cm vor der Hörposition hat man damit dann sogar einen recht großen Sweetspot.

Gruß Jörg
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

hallo,

ich sehe die bündelung des hochtöners auch weniger als akustischen nachteil beim herumwandern, da ja gleichmässiger eingeegngt wird und nicht wie bei einem lautsprecher parziell. ein lautsprecher mit waveguide wird als ausserhalb der achse gleichmässig dumpfer. ein lautsprecher ohne wg verändert im zweifel ausserhalb der achse sein komplettes klangbild.

grüssle

christian
FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Rudolf,
Rudolf hat geschrieben:Ich wiederhole daher meine 2. Frage: Wie werden Waveguides entwickelt? Lässt sich die Schallabstrahlung mit verschiedenen Waveguide-Geometrien dreidimensional modellieren bzw. simulieren? Oder ist es eher eine Erfahrungswissenschaft nach der Trial&Error-Methode?
Waveguides/Hörner können in 3D modelliert und simuliert werden. Die Kontur optimiert man am besten manuell mit Erfahrung und Trial & Error. Ich bekomme inzwischen relativ schnell Konturen hin, die genau das tun, was ich will. Nämlich untenrum bündeln und obenrum aufweiten, so dass das Abstrahlverhalten insgesamt möglichst konstant ist.

Hallo Hans-Martin,
ich denke, Waveguides verhindern geradezu, dass du gleichzeitig an sehr verschiedenen Stellen im Raum gleichen Klang bekommen kannst. Denn ihre Bündelung engt das Abstrahlverhalten ein und verlangt danach, im Bereich der Abstrahlkeule zu sitzen.
Der Abstrahlwinkel ist ein Designkriterium und damit frei wählbar. Ein Waveguide/Horn kann ganz eng abstrahlen oder sehr breit. Alles ist möglich.

Auf jeden Fall kann man damit wunderbar das Abstrahlverhalten verstetigen. Auch die Bündelung des Hochtöners >10 kHz wird damit ausgeglichen. Hier hatte ich einen 1D-Waveguide für einen Linienstrahler entwickelt. Ich kenne kaum einen Lautsprecher der horizontal so konstant abstrahlt. Und das hört man auch, wenn man um die Kiste herumläuft. Es klingt auch unter großen Winkeln nicht dumpf und verfärbt. Ohne Waveguide ist das so nicht möglich.

Gruß
Nils
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Nils,

deine umfangreichen Untersuchungen, Darstellungen und praktischen Ausführungen finde ich sehr beeindruckend.

Was ich nicht schrieb, aber als Alternative gedacht hatte, war das Prinzip omnidirektional abstrahlender LS, die wie German Physics mit dem Walsh, MBL, oder die vielen anderen, deren vertikal strahlende Chassis mittels gedrechselter Reflektoren/Schallführungen für ein gleichmäßiges Rundstrahlverhalten sorgen. Da bekommt man ebenfalls gleichmäßige Abstrahlung, wenn der FG in einer Richtung stimmt, ist er in der anderen genauso (gleiche Höhe vorausgesetzt).

Bei den üblichen Kisten ist ein Verdrehen eines einzelnen LS weg von der Symmetrieachse (Stereo) meist deutlich hörbar und mit Equalizer kaum korrigierbar. Wie verhalten sich da LS mit konsequent ausgeführten Waveguides?

Grüße Hans-Martin
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blueolymp
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Beitrag von blueolymp »

Hallo zusammen,

ich denke die CDD Treiber von Martin Audio passen hier ganz gut rein. Die CDD Treiber sind klassische Coax Systeme, bei denen im Konustreiber der HT Treiber sitzt. Auf der Konusmembran sitzt nun eine spezielle Schallführung für den HT Treiber.

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Ziel ist eine horizontal breite und gleichmäßige Schallverteilung.

Hier der Link zu Martin Audio: https://martin-audio.com/installation/CDDseries

Gruß
Schorse
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

FoLLGoTT hat geschrieben: Auf jeden Fall kann man damit wunderbar das Abstrahlverhalten verstetigen. Auch die Bündelung des Hochtöners >10 kHz wird damit ausgeglichen. Hier hatte ich einen 1D-Waveguide für einen Linienstrahler entwickelt.

Hallo Nils,

für mich eine sehr schöne, aussagefähige und ebenso anschaulich aufgearbeitete Studie zum Thema, es macht mir persönlich viel Freude so etwas zu lesen ...


Grüße Oliver
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Rudolf hat geschrieben:
... so meine ich nämlich weiterhin verstanden zu haben, dass durch jede Vorausentzerrung, sei es nun durch die Frequenzweiche oder eine Über-Alles-Korrektur, auch das Abstrahlverhalten der Chassis und somit die Wiedergabe außerhalb der Hörachse verändert wird.
...
Hallo Rudolf,

es ist m.E. genau anders herum, d.h.

auch bei "Vorausentzerrung" bzw. "Über-Alles-Korrektur", wie Du schreibst, behält ein LS weiterhin sein typisches Rundstrahlverhalten bei, und es tritt diesbezüglich keinerlei Änderung ein.

Erst wenn sich z.B. Pegel und/oder Phase der Beiträge einzelner Schallwandler eines Mehrwegesystems gegeneinander verschieben würden (etwa bei Eingriff in die Filtercharakteristiken von Einzelschallwandlern eines Mehrwegesystems z.B. durch Änderung von Übernahmefrequenzen oder Flankensteilheiten, was eine Konstruktionsänderung am LS bedeutet), käme es auch zu Veränderungen im Rundstrahlverhalten des LS.

D.h. jedoch weiterhin, daß sich nur durch "über alles Filteroperationen am Eingangssignal" eines LS

- nichts am frequenzabhängigen Bündelungsmaß eines LS und auch

- nichts an einzelnen Winkelfrequenzgängen außerhalb der Achse ändert

sofern wenn man auf den Achsenfrequenzgang (Freifeldbedingungen) normiert, wie es z.B. in dieser anschaulichen Darstellungsform üblich ist:

http://cdn.stereophile.com/images/615KEF2fig05.jpg

(Aus "Stereophile", Rundstrahlverhalten am Beispiel einer KEF "Blade")


Kurz gesagt:

Eine "über alles Filteroperation" auf das Eingangssignal eines LS wirkt sich ohne jedwede (räumlich) winkelabhängige Differenzierungsmöglichkeit auf alle Winkelfrequenzgänge (Freifeldmessung) eines gegebenen LS in gleicher Weise aus.

Es besteht in Konsequenz diesbezüglich auch keinerlei Differenzierungsmöglichkeit in der Einflussnahme zw. LS-Direktschall und Raumanteil in einem gegebenen Hörraum, da das Rundstrahlverhalten des LS durch derartige o.g. Operationen nicht beeinflusst wird.

Für eine solche Zielstellung würden vielmehr LS mit veränderbarem Rundstrahlverhalten benötigt, die schallwandlerseitig hierfür zwingend andere Eigenschaften/Konstruktionsmerkmale als nur eine "über alles Entzerrung" aufweisen müss(t)en.

Grüße Oliver
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Oliver,
O.Mertineit hat geschrieben:für mich eine sehr schöne, aussagefähige und ebenso anschaulich aufgearbeitete Studie zum Thema, es macht mir persönlich viel Freude so etwas zu lesen ...
Danke, das freut mich! :cheers:

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:Bei den üblichen Kisten ist ein Verdrehen eines einzelnen LS weg von der Symmetrieachse (Stereo) meist deutlich hörbar und mit Equalizer kaum korrigierbar. Wie verhalten sich da LS mit konsequent ausgeführten Waveguides?
Lautsprecher ohne Waveguide haben immer (mindestens) das Problem, dass der Hochtöner ab einer gewissen Frequenz anfängt zu bündeln. Je höher die Frequenz, desto stärker die Bündelung. Und je breiter die Membran des Hochtöners, desto früher beginnt die Bündelung.

Ein guter Waveguide ändert dieses Verhalten komplett. Er verstärkt nicht nur die Bündelung im unteren Frequenzbereich des Zweiges, sondern weitet sie im oberen Bereich auch auf. Insgesamt kann man einen Waveguide so entwickeln, dass der Zweig in seinem Einsatzbereich praktisch winkelunabhängig abstrahlt. Das heißt, auch unter Winkeln ist der Klang dann nicht verfärbt. Zumindest längst nicht so stark wie ohne Waveguide.

Hier zwei Beispiele:

- Typischer kleiner 2-Weger (Ascend Acoustics CBM-170 SE)
- Kompaktlautsprecher mit Waveguide (Genelec 8351A)

Hier sieht man schön, wie der Waveguide über 10 kHz das Abstrahlverhalten konstant hält, während der nackte Hochtöner stark bündelt.

Gruß
Nils
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