Aktuator für Körperschall

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Schöngeist
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Aktuator für Körperschall

Beitrag von Schöngeist »

Hallo zusammen,

vielleicht ein neues Lautsprechersystem für Homehifi und Surround!?

Aktuatoren kennt man seit geraumer Zeit aus der Automobiltechnik. Aktuatoren bilden einen wesentlichen Teil elektronischer Regelsysteme in Pkw und Nutzfahrzeugen. Ihre Aufgabe besteht darin, die elektrischen Signale des Steuergerätes in eine Aktion umzusetzen. Bei Aktuatoren handelt es sich meistens um Elektromotoren oder elektromagnetische Ventile.

Es verwundert also nicht, dass sich gerade einer der großen Automobilzulieferer, die Firma Continental mit ihrem Bereich Infotainment&Connectivity, mit der Entwicklung neuer Lautsprecher für den Einsatz in PKW befasst. Hierbei werden gezielt die vorhandenen Karosserieteile und Teile der Innenverkleidung angeregt und zum Schwingen gebracht. Das Auto selbst ist die Membran. Vergleichbar ist die Technik mit dem Bogen einer Geige als Aktuator und den Saiten, dem Steg und dem Korpus als Membran bzw. Klangkörper.

Die ersten Hörergebnisse sollen überwältigend sein und die Qualität einer hochpreisigen Autosurroundanlage erreichen. So etwas kann man sich natürlich auch in den heimischen Vierwänden vorstellen. Neu ist das Ganze allerdings nicht. Bereits die Hersteller von Musiktruhen bezogen den schwingenden Korpus in die Klangerzeugung ein. Das "tote" Lautsprechergehäuse kam erst später.

Grüße Alfons
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Alfons,

natürlich mag das dann ein "überwältigendes" Musikerlebnis sein. Und hat als solches auch seine Existenzberechtigung. Aber wenn es um eine möglichst präzise Wiedergabe einer Aufnahme geht, ist der Ansatz sofort raus. Nun ja, der Trend zur Zweitanlage ist ungebrochen. ;)

Gruß

Jochen
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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

Hallo zusammen,
daß Körperschallwandler, richtig eingesetzt, wirklich nur für Zweitanlagen taugen, möchte ich nicht unbedingt bestätigen. Ich hatte mal die Gelgenheit die AER-BBX Exciter hören zu können. Diese waren an zwei jeweils ca. 5 qm großen Glasscheiben aussermittig angebracht und wurden mit acourate entzerrt.
Die Impulswiedergabe war zwar etwas verschliffen, ansonsten hatte das System durchaus seine Qualitäten.
Mit speziell abgestimmten Paneelen
https://aer-loudspeakers.com/aer-goldy/
kommen die Vorzüge von Körperschallwandlern sicher noch besser zur Geltung.
Eine derart große Abstrahlfläche gibt dem Klang eine Natürlichkeit, die mit den gewöhnlichen nur cm² grossen Membranen nicht erreichbar ist. Das Problem ist nur, daß wir uns längst an gewöhnliche Lautsprecher eben- gewöhnt haben.
Mit Körperschallwandlern können, entsprechende Flächen vorrausgesetzt, irrwitzige Schalldrücke bei niedrigsten Klirrwerten erzeugt werden. Solche Systeme haben m.E. durchaus Potential.
So etwas
https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q= ... gN1OockPUA
habe ich mal an die Fensterscheibe geklebt und war schon erstaunt, wie gut das funktioniert.
Es schadet nie, sich abseits vom Mainstream umzusehen.

viele Grüße

Martin
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Alfons,
1974 habe ich für 20 DM den Echonik Schallwandler von Hobby Elektronik Stuttgart gekauft, der per doppelseitiger Klebeschicht an der Fensterscheibe die Küche beschallte. Das war meine erste Begegnung mit Biegewellenerzeugern.
Für den Bassbereich gab es um 1990 von ACR und später von einer Vielzahl von Anbietern bis heute Bodyshaker, Buttkicker, Bassrocker, Körperschallwandler, usw, begrenzt auf den Bassbereich, je nach angekoppelter schwingfähiger Fläche. Dieser Vergleich unter http://www.körperschallwandler-test.de basiert vermutlich auf Herstellerangaben, wobei ich die Belastbarkeitsangaben für nicht ganz realistisch halte (die haben alle 100Watt). Car-HiFi und Computerspiele bieten vielfältige Ansätze für mehr Spaß.

Eine Firmengruppe "NXT" um Mission und Cyrus sammelte zielstrebig Patente zu Flachlautsprechern und Biegewellenschwingern ein, forschte weiter und vergab Lizenzen an die eigenen Tochterfirmen, auch weltweit u.a. an Elac. Das Grundprinzip lautet DML, distributed mode loudspeaker, wobei die Positionierung auf der anzuregenden Fläche nach komplexen Berechnungen erfolgte, und die Randeinfassung eine besondere Aufmerksamkeit verlangte.

1999 hörte ich auf einer Technologiemesse in London ein NXT-System, welches in die Innenverkleidung eine Multivans integriert war, die Formteile wie Armaturenbretteinfassung und Türverkleidungen stellten die Membranfläche, die Exciter dahinter verborgen. Ein sprechendes LCD-Display wurde im Prototyp gezeigt, und man plante für die EXPO 2000 in Hannover sprechende Fahrpläne bei den Shuttle-Haltestellen (wurde nicht umgesetzt). Deutsche Automarken ließen Musterautos ausrüsten (u.a. Mercedes-Benz).

In professionellen Anwendungen finden sich solche Konzepte auf Trockenbauplatten quasi unsichtbar in öffentlichen Gebäuden, in Theatern zur Verlängerung der Nachhallzeit für Musikdarbietungen, ich vermute, dass auch Ambientone-Flachlautsprecherpanel für Trockenbauwände auf dieser Technologie basiert, gewiss aber https://www.novasonar.de/, wie man an den 2 Excitern sieht, die gleich- oder gegenphasig geschaltet sein können, je nach Frequenzbereich, Positionierung und Materialaufbau, oft Sandwichkonstruktion mit hartem Folienüberzug (für Brillanz) und leichtem Innenaufbau (für Stabilität bei geringem Gewicht).
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(Der Trafo deutet mE eher auf 100V-Technik als auf Aktiv-LS hin).

HiFi-Ansprüche sollte Cyrus Icon erfüllen, erst mit 2, dann mit 4 Excitern, die rückwärtig im Gussrahmen verankert waren. An der Entwicklung des hinteren Gehäuses war W-Vier beteiligt (bekannte Namen: Uwe Kempe, Karl-Heinz Fink), mit einem ovalen vertikalen Schlitz, dessen Schaumstreifenfüllung oben leicht herausgezogen den besten Klang ermöglichte. Auf der High-End im Kempinski konnte man diesen LS auch bei einer W-Vier Präsentation im größeren Raum hören wo er kurioserweise (paradox, weil bei Akustikexperten) klanglich weniger überzeugte als im kleineren Raum bei Cyrus.
Zeitgleich gab es bei ELAC flache Wand-LS neben der Projektionsfläche (im Vergleich nicht ganz so brillant, konnte auch am Filmton liegen).

Bei Intertechnik konnte man Exciter kaufen, die von Peerless gefertigt wurden, geeignet für eigene Experimente mit leichten Materialien.
Wikipedia ist nicht besonders ergiebig zum Thema Biegewellenwandler
Eine Variante ist der BMR - Balanced Mode Radiator - in den Naim Audio Ovator LS, von einem früheren NXT-Entwickler und dem Deutschen Karl-Heinz Fink
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BMR findet man unter http://www.tectonicelements.com/bmr-speakers/
Mit den wirtschaftlichen Niedergang von NXT verlor sich (für mich) die Spur, wer nun die Patentrechte hält, aber mehr Informationen findet man auf der englischsprachigen Wikipedia.
Grüße Hans-Martin
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Schöngeist
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Beitrag von Schöngeist »

Hallo Jochen,

am Anfang einer Entwicklung steht man immer erst am Anfang. Ich würde das Thema nicht unterschätzen. Vielleicht findet sich bald ein findiger Möbelhersteller, vielleicht sogar Ikea, und bietet das klingende Regal, die klingende Schrankwand an. Klang im ganzen Raum, und die Ehefrau freut sich. Als Abhöre für Tonmeister kann ich mir das auch nicht vorstellen.

Alfons
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bvk
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Beitrag von bvk »

Sehr gut, das klingende Regal!
Die Weingläser machen den Hochtöner, die Fächer mit den langweiligen Büchern den Mittelbereich und der Korpus den Kontrabass.
Nur noch ein bisschen forschen, wie bei der Energiewende, wird schon :D
Grüße, BvK
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Zwodoppelvier
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Beitrag von Zwodoppelvier »

Hallo miteinander,

es gab doch vor gut 20 Jahren bereits die NXT-Einheiten, deren Ursprung m.W. auf Beschallungsaktuatoren für Schaufenster zurückgeht. In den letzten Jahren habe ich Ähnliches von der Fa. Goebel noch einmal gesehen, leider nur im Netz und nicht selbst erleben können.

Ich denke, die Klangqualität hängt sehr von den Materialien und den Details der Konstruktion ab.
Ob das sinnvoll und ohne allzu große Verluste in Einrichtungsgegenstände integrierbar ist, ist die andere Frage.

Bildlautsprecher auf NXT-Basis gab es immerhin schon.

Viele Grüße
Eberhard
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freezebox
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Beitrag von freezebox »

Hallo,

Habe gestern erst einen Testbericht über den neuen Sony OLED TV KD-65A1 gelesen, der im Mittel-Hochton das Display als Schwingfläche verwendet - das soll wohl ganz gut funktionieren. Bässe und Grundton werden zur Schonung und Beruhigung des Displays von einem herkömmlichen Lautsprecher im hinteren Standfuß erzeugt.

Grüße,
Jörn
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grobian.gans
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Beitrag von grobian.gans »

Hallo,

ich habe mir vor längerer Zeit mal auf einer HighEnd Lautsprecher der Fa. Podium Sound angehört, die mit diesem Prinzip arbeiteten. Durchaus beeindruckend, was eine schwingende harte Platte wiedergeben kann. Aber so richtig high-endig war das nicht.

Grüße

Hartmut
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Kawumm
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Beitrag von Kawumm »

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