Nils Lofgren - Acoustic Live (Blues)

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Fridolin
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Beitrag von Fridolin »

Fujak hat geschrieben: die Kategorie Live-Konzerte ist ein sehr inhomogenes Feld für Tonaufzeichnung. Es wird vor allem durch die Größe des Ambiente und durch die Anzahl der aufzuzeichnenden Instrumente bestimmt. Das von Dir beschriebene Setup bei Sara K. stellt eine Aufzeichnung noch nicht vor solch komplexe Anforderungen wie ein Geschehen mit 10 Instrumenten oder mehr in einer sehr großen Halle (insbes. Klassikaufnahmen).
Das Beispiel mit Sara K. wählte ich, da es vermutlich in einer ähnlich Situation aufgenommen wurde wie das Nils Lofgren Konzert. Mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen, wie man hören kann.
Fujak hat geschrieben: Aus meiner Sicht ist das durchaus zulässig, sofern man es produktionsseitig nicht als besonders originalgetreue oder gar audiophile Aufnahme verkauft, wie dies in den von Dir erwähnten Hifi-Vorführungen fälschlicherweise geschieht.
Sehr richtig. Unbestritten klingt die Aufnahme sehr schön und auch ich höre sie immer wieder gerne.
Ob diese CD überhaupt mit einer audiophilen Absicht produziert wurde wissen wir nicht.
Tatsache ist aber, dass sie landauf, landab von Herstellern audiophiler Gerätschaften eingesetzt wird um dem Hörer audiophile Eigenschaften ihrer Erzeugnisse zu demonstrieren.
Dazu scheint mir die Aufnahme nicht geeignet zu sein.

Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass es sich um eine schöne Aufnahme guter Musik handelt, deren audiophile Qualitäten überschätzt werden? :wink:

Viele Grüße
Fridolin
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Bei Stockfisch wird heute (ich behaupte:) alles amplitudenkomprimiert, zumindest die etwa 20 CDs, die ich untersucht habe. Die bei Stockfisch gemasterte Hörtest 6 CD der Zeitschrift STEREO macht da selbst vor herausragenden Klassikaufnahmen nicht halt, wie der Vergleich mit einem Original zeigt.
Die Musik wird kastriert, sage ich, aufgehübscht, die anderen. Künstlerische Note, vom Mastering/Tonmeister eingebracht, sagen die nächsten, das hat Konzept, ist angewandte Routine, wird nicht mehr hinterfragt, sondern täglich angewandt. Mir gefällts, sagen die Verbraucher, und kaufen Stockfisch, das ist High-End, schreiben die Zeitschriften. Räumliche Tiefe findet man nur mit Einschränkung und es zeugt von bestem Equipment, wenn bei der Stimme die Zischlaute nicht nerven, schließlich haben sie durch die Anhebung bei der Kompression einen übertriebenen Level.
Wenn eine Schülerband beim ersten Auftritt Papas HiFi-Boxen zerschießt, wächst die Erkenntnis, das Live doch erheblich mehr Dynamik da ist, als man von der Konserve gewohnt ist. Eine Sara K. Live on Tour müsste einen deutlich höheren DR-Wert aufweisen, wenn da halbwegs Authentizität im Spiel ist.
Aber wie immer, die visuellen Reize überwiegen und kapern einen, und wer in der 10. Stuhlreihe Live dabei sitzt, fragt nicht nach DR oder Lip-Sync, obwohl der Ton zwangsläufig 40ms später kommt.
Auf der High-End (noch im Kempinski) kam bei einem Fleetwood-Mac-Video im Denon-Raum der Ton zeitlich zuerst, dann das Bild. Auf meinen Einwand 1 Stunde vor Messeende, so bestätigte der Vorführende, hatte das noch niemand bemerkt. Schon lustig, wenn der Anschlag hörbar ist, während der gezeigte Drumstick noch durch die Luft saust. Der Raum war gedrängt voll. Es gefällt. Was beliebt, ist auch erlaubt.

Fällt bei der Tonkonserve der visuelle Anteil weg, so wird jder Tonmeister versuchen, mit zur Verfügung stehenden Mitteln einen Ausgleich zu schaffen, ohne Übertreibung geht es da nicht.

Auch kommt es vor, dass der Solist nachweislich gepatzt hat, der Tonträger hat es festgehalten, das Publikum nicht bemerkt. Erst zuhause, wo nur noch der Ton da ist, spult man zurück und hört bestätigt und verwundert, was man als Zeuge Live dabei nicht bemerkt hat. Wieviel Authentizität brauchen wir, und wie gut ist unsere Wahrnehmung als Zeugen vor Ort? Wirkt ein total neutraler Stream nicht auch langweilig?
Ich gönne Günter Pauler und seinem Team seinen Erfolg bei den Audiovielen.
Der fette Bass und die Kompression machen die Aufnahmen gut geeignet für die Leisehörer. Autofahrer-, Fahrstuhlmusik, man sollte nicht unterschätzen, welch großen Anteil diese am Markt haben.
Wenn der anerkannte High-Ender mit seinem Stockfisch-Label eine Trendwende weg von der Dynamikkompression hin zur Nutzung der außergewöhnlichen Stille in seinen dicken Klosterkirchgewölbemauern wagt, werden Fans des Labels womöglich den Verlust von Vordergründigkeit und Direktheit beklagen.
Grüße Hans-Martin
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Die Live vs. Konserve Diskussion ist zwar hier etwas off-Topic, aber eben doch interessant:

Mir fiel gerade kürzlich beim Ansehen/Anhören der Live Aufzeichnung der Mahler Symphonie Nr. 6 aus der Philharmonie am Gasteig über ARD-Alpha auf, dass in der Aufnahme viel mehr Instrumentendetails hörbar waren als erfahrungsgemäß bei der Livedarbietung im gleichen Konzertsaal. Das fiel mir u.a. besonders bei Harfenbeteiligung am Klangbild (diese also NICHT solo spielend!) auf, eine Harfe "versinkt" im Saal förmlich im Klanggeschehen, so sie nicht (fast) solo spielt. Die Abmischung (wohl über herabhängende Stützmikros) kam meinem Konzertgenuß sehr entgegen! Auf Räumlichkeit habe ich in dem Moment nicht mal so geachtet...

Nicht falsch verstehen: Live finde ich trotzdem ein schön(er)es Erlebnis, weil Natürlichkeit und Impulstreue der Instrumente irgendwie nicht komplett einzufangen sind und ein Konzert ja auch sonst Atmosphäre hat (oder wie Sigi umscheibt: "Das Ding AN-SICH!).

my 2 Cents worth.

Gruß,
Winfried

PS: Sobald PA oder Stützmikrofone in einem Live Konzert ins Spiel kommen, wo soll (echte!) Räumlichkeit herkommen? 8)

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Fujak
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Beitrag von Fujak »

Hallo Winfried,

zu Deinem Beitrag fällt mir das Interview mit dem leider kürzlich verstorbenen Eberhard Sengpiel ein, der genau auf diesen Aspekt eingeht, wonach der Tonschaffende in die Aufnahme vieles zusätzlich (z.B. durch Stützmikrofone) einarbeiten muss, was man bei einer Livedarbietung über die Augen "ergänzt".

Zu lesen hier: http://www.sengpielaudio.com/Sengpiel-Interview.pdf

Grüße
Fujak

P.S.: Bitte gerne hier weiterdiskutieren, auch wenn OT - ich werde die Beiträge später in einen eigenen Thread verfrachten.
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h0e
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Beitrag von h0e »

Hallo,
schöner Artikel Fujak. Schließt auch den Kreis zum Ausgangspunkt, nämlich der schrankwandgroßen Gitarre.
Das ist "natürlich" völlig unnatürlich, klingt aber spektakulär und ist sicher so gewollt.
Ich kenne auch Sarah K. Aufnahmen, habe eine schöne von Cheasky, die kling recht natürlich.
Ob es mit der echten Situation etwas zu tun hat, na wer weiß.
Einer meiner Lieblingsscheiben zum Thema ist Chris Barber - Come Friday, das ist eine Produktion für eine Direktschnittplatte. Ist also definitiv Live und die räumliche Anordnung klngt so, wie ich die Band von der Bühne kenne. Imm Booklet ist aber auch erwähnt, dass viele Stunden notwendig waren, um die Illusion auch aufnehmen zu können.
Gerade wo von der Philharmonie im Münchener Gasteig die Rede war, da ist auch nicht an jedem Platz der Live Eindruck gleich, auch wenn man jetzt mal die "schlechten" Plätze außen vor läst.
Im Raum sind wir natürliich in der Lage, uns z.B. auf eine Instrument zu fokussieren, das gelingt bei einer Aufnahme natürlich nicht mehr so einfach.
Insofern ist alles immer eine Illusion, mal besser, mal schlechter und vor allem immer nach Geschmack und Können des Tonmeisters / -ingeneurs.

Grüße Jürgen
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