Dvořák: Nr. 9 e-Moll mit A. Nelsons & BR-Symphonikern

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
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JOE
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Dvořák: Nr. 9 e-Moll mit A. Nelsons & BR-Symphonikern

Beitrag von JOE »

Als CD, DVD und Blue-ray Disk erhältlich - und auch dann empfehlenswert, wenn man Dvořáks 9. Sinfonie schon x-mal gehört hat.

Nelsons Vertrag mit den Bostonern ist nicht umsonst gleich auf 8 Jahre verlängert worden!

(Ich bin da heute früh um 5:05 Uhr bei Arte eher zufällig drauf gestoßen. Das war aber schon die letzte Wiederholung. In der Videothek wird es weder dort, noch beim BR angeboten. Hier kann man lediglich ins Scherzo reinhören.)

Gruß
JOE
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Gute Musik zum Wachwerden. Dvoraks Aus der neuen Welt hat moderne, dem heutigen Amerika angemessene Tempi angenommen, zumindest, wenn ich vom Scherzo auf den Rest schließen würde. Dvorak ist in der Neuzeit angekommen. Nun passt auch endlich die ganze Sinfonie auf eine Seite einer LP ohne Umdrehen :mrgreen: (nach einem arbeitsreichen Tag erschien mir selbst die alte Libor Pešek Einspielung in Liverpool unter Virgin-Label tempomäßig schon grenzwertig. n.b. Antonín Dvořák kehrte 1895 nach Europa zurück, bevor das Automobil erfunden wurde).
Ich würde das zitierte Werk umbenennen in 9' (Sinfonie Nr. 9 Strich), Untertitel : Aus der ganz neuen Welt. Dann fehlen nur noch lautmalerisch die Geräusche von Autohupen und von Polizeipistolen auf farbige Falschparker in den Rücken. Um dem Grundgeräuschpegel der Neuen Welt gerecht zu werden, wird die Aufnahme nur in komprimierter 8 Bit Technik ausgeliefert, mit 8Bit Dither ohne Noise-Shaping, Wie Dvorak wohl NSA-Handy-Abhöre oder Irak-Krieg nach gefakten Anlässen in Sinfonie-Sätze umgesetzt hätte?
In C-Dur hat er die 9. jedenfalls damals schon nicht geschrieben. [Scherzo Presto Modus off].
Auch wenn keine Götterfunken sprühen, ist Dvoraks Neunte doch eines meiner absoluten Favourites. Böhmische Musik-Meisterklasse, die unter die Haut geht, wenn der Dirigent den Geist des Komponisten verinnerlicht hat.

Was mich besonders interessieren würde, ist, wie unser klassikversiertes Forumsurgestein Sigi diese Einspielung sieht. Ich habe bisher nur den einen Satz gehört, und das muss meine Bewertung relativieren. Du, Joe, giltst hier als Entdecker der zitierten Einspielung, hast sie empfohlen, ohne weiter ins Detail zu gehen. Vielleicht holst du das noch nach, obgleich die emotionale Wirkung eines Stückes schwer in Worte zu fassen ist.

Die Berliner Philharmoniker haben sich bezüglich Nelson anderweitig entschieden, aber das soll hier nicht als rhetorische Geschicklichkeit meinerseits interpretiert werden, denn dieses Geschehen liegt bereits in der Vergangenheit. Boston Music Hall hat eine außergewöhnlich gute Akustik, und das dortige Symphonieorchester genießt einen ebenso exzellenten Ruf - das ist in der Summe so, wie wenn Nelson gut geheiratet hat. Und die geschätzte Ann Sophie Mutter lächeltBild ihm zu, wem sonst? Ein 24-Jähriger, der offenbar der Welt etwas zu sagen hat, erarbeitet sich seinen Respekt. Den hat er auch von mir, trotz meiner Kritik am (vielleicht noch jugendlich ungestümen) Tempo.
Grüße Hans-Martin
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Hans-Martin,

wie bist denn du heute drauf? ;) Wenn die hier verhandelte Anspielung nur pseudo-historisierendes Hochleistungsgeklöppel drauf hat, ab in den Orkus damit. Leider ist mir diese Einspielung (als CD bei jpc) noch zu teuer, also muss eine fundierte Beurteilung meinerseits *hüstel* unterbleiben - und ich lege mir lieber die alte Einspielung mit Ancerl auf...

Gruß

Jochen
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Melomane hat geschrieben:wie bist denn du heute drauf? ;)
Polarisierend, Jochen! :cheers:
Nach über 100 Jahren Abstand wird jeder seine Lieblingsversion gefunden haben, oder nie.

Aber das ist auch das Problem der klassischen Musik, die Tonträger kämpfen gegen ihre Vorgänger, der Konzertbesucher hingegen (ich sprecher hier von mir) ist von der Stimmung der Situation (im positiven Sinne) gefangen und geht mit leuchtenden Augen und gestärkter Seele aus dem Konzertevent heraus.
Auch wenn es nur ein Provinztheater statt explizit Konzertsaal ist, und das Orchester kein Weltklasseniveau hat, und der Platz im Auditorium weder der teuerste noch der beste sein konnte.

Bei der Reproduktion ist die drittbeste Interpretation schnell abgemeldet, die 2 besseren mögen Bestand haben.

Zum Hosenbodenfaktor kommt bei mir bei Klassik Live-Musik oft noch die besondere Entspannung hinzu, die mich gelegentlich einschlafen lässt.
Ich habe das früher der Unverzerrtheit der Musik zugeschrieben, aber inzwischen habe ich moderne Bestuhlung mit Frischluftzufuhr aus der Rückenlehnenrückseite erlebt, und da behält man einen klaren Kopf, hat keinen Sauerstoffmangel.
Ein echter Vorteil gegenüber Dvoraks Ära.
Grüße Hans-Martin
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JOE
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Beitrag von JOE »

Hallo, Hans-Martin!

Du sprichst mich direkt an:
Hans-Martin hat geschrieben:... hast sie empfohlen, ohne weiter ins Detail zu gehen. Vielleicht holst du das noch nach, obgleich die emotionale Wirkung eines Stückes schwer in Worte zu fassen ist.
Ja, es war in besonders ausgeprägter Weise die Wirkung, die mich veranlasst hat, auf die Aufnahme hinzuweisen. Und die individuelle Resonanz ist ja nicht nur schwer zu beschreiben, sondern wird bei anderen eben auch anders auffallen.

Es war somit Absicht, hier wirklich nur einen knappen Hinweis zu geben. (Allerdings hatte ich schon die Hoffnung, vielleicht doch noch eine Sendewiederholung oder einen Mediathekzugang aufzutun, so dass ohne weiteres ein jeweils eigener Eindruck gewonnen werden könnte. Das Ganze wird sich wohl auch nicht so bald ändern, weil ich den Hinweis, die Rechte seien abgelaufen, gefunden habe. Bei der Gelegenheit stelle ich hier mal den Arte-Link zur Beschreibung des Konzerts ein.)

Gruß
JOE
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Guenni
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Beitrag von Guenni »

Ferenc Fricsay ist vorallem auch in der Verbindung mit der Smetana/Moldau auch nicht schlecht. :mrgreen:

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Die Gesamt Einspielung neueren Datums mit Behlolavek ist auch deshalb noch sehr zu empfehlen weil auch das Cellokonzert mit der jungen Alisa Weilerstein als mehr als gelungen genannt werden darf.
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Dvorakfreunde,

mittlerweile gibt es die threadtitelgebende Einspielung mit Nelsons bei Qobuz - mal reinhören...

Gruß

Jochen
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

... und das Rein(-, noch nicht Durch)hören in den mp3-Stream scheint eine wundervolle Aufnahme zu präsentieren:

Keinewegs überhastet, die Einspielung nimmt sich Zeit für die langsamen Passagen, ohne in Kitsch abzugleiten, wirkt kontrolliert im besten Sinne, die Klangfarben sind vorzüglich, auch die räumliche Staffelung scheint sehr schön zu sein. Ich werde mir den Download besorgen.

Gruß

Jochen
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

So, habe die Produktion nunmehr komplett gehört. Ok, im dritten und vor allem auch im vierten Satz mag man das Gefühl haben, dass da denn doch ein wenig zu sehr auf's Tempo gedrückt werde, zumal wenn man von der alten romantischen Tradition her denkt. Aber immerhin wird der schnelle Ansatz konsequent durchgehalten und das Orchester fliegt gefühlt "nicht aus der Kurve", und der Klang bleibt transparent.

Die "Zugabe" war für mich, der ich das Stück nicht kannte, hörenswert, schöne Klangmalerei und keineswegs so aufgeladen, wie der heroische Titel es vermuten lässt.

Gruß

Jochen
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