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Patricia Kopatchinskaja - genial oder verrückt?

Verfasst: 01.02.2016, 22:08
von broesel02
Mein Cellobauer hört in seiner Werkstatt meistens leise Musik,- bevorzugt etwas mit Geige. Bei dieser Scheibe meinte er, die Geigerin ist entweder genial oder verrückt,- auf alle Fälle nicht normal.
Ich habe mir den Tchaikovsky angehört und muß ihm wohl recht geben. Auf alle Fälle nicht normal!
http://www.directupload.net/file/u/5100 ... 76_jpg.htm

Und
Die CD ist auch noch anspruchsvoll aufgenommen :D

Richard

Verfasst: 02.02.2016, 19:56
von Daihedz
Hallo Richard

Für mich entscheidend: Die Musik von Frau K. berührt mich. Frau K. scheint mit dem Instrument derart eins und vertraut, dass ihre virtuose und expressive Musik atmet und lebt. Darüber hinaus wirkt Frau K. auf der Bühne spielerisch, entspannt und pudelwohl, scherzend-anerkennend mit den anderen Mitmusikern.
broesel02 hat geschrieben: ... die Geigerin ist entweder genial oder verrückt,- auf alle Fälle nicht normal ...
Leider ist eine derartige Meisterschaft, eine solche glückliche Assemblage von Qualitäten in der Musikszene durchaus nicht "normal". By the way: Das können "Verrückte" so nicht transportieren. Und ausschliesslich leistungsbeflissen-Fleissige auch nicht. Da braucht es, neben viel Begeisterung und Arbeit, vielleicht in der Tat eine Prise "Genialität" dazu.

Mein Tip:
http://www.amazon.de/Beethoven-Violin-C ... B002JR049E

Eine Einspielung, einfach, ergreifend, schlicht und schön, und ohne weitere Kommentare ad personam.

Beste Grüsse
Simon

Verfasst: 02.02.2016, 22:04
von Jake52
Manchmal schaut sie aber schon genial verrückt! :D

https://www.youtube.com/watch?v=w0ObgSKBqTQ


Schöne Grüße
Jakob

Verfasst: 02.02.2016, 23:24
von frankl
Als ich die von Simon genannte Aufnahme des Beethoven-Violinkonzertes zum ersten Mall gehört habe, war ich sofort in den Bann gezogen. Live habe ich die (barfuß spielende) Geigerin mal "Offertorium" von Sofia Gubaidulina spielen hören - einfach großartig.

Bei ECM new series gibt es mittlerweile etliche (natürlich erstklassig aufgenommene) Alben mit moderner klassischer Musik, auf denen Patricia Kopatchinskaja mitspielt.

Danke für den Tipp, auch wenn ich schon eine Reihe von Aufnahmen des Tchaikovsky-Konzertes habe, werde ich mir die hier angesprochene sicher auch bald besorgen.

(Im Mai werden die Geigerin und der Dirigent mit dem SWR Orchester in Deutschland zu hören sein, ich habe schon eine Karte für das Berg-Violinkonzert und Schostakowitsch 15. Sinfonie.)

Viele Grüße,
Frank

Verfasst: 07.02.2016, 07:47
von Funky
Servus, Simon, Jakob, Frank

absolut faszinierend, vielen Dank für den Tipp.

Funky

Verfasst: 12.02.2016, 18:50
von Amati
Ich durfte diese junge Dame bereits mehrfach im Bremer Konzerthaus "Die Glocke" erleben.
Um die Frage von oben zu beantworten: Beides! genial & verrückt.
Zuletzt habe ich sie beim letzten Bremer Musikfest erlebt. Da hat sie kurzerhand das Programm geändert und Mendelssohns Violinkonzert, statt des im Programm angekündigten Violinkonzertes von Brahms gespielt, weil ihr gerade danach war. Sie spielte wie immer barfuß und es war eines der "irrsten" klassischen Konzerte denen ich beiwohnen durfte. Sehr eigenwillige Soli und ein Liveflirt via Violine mit dem 1. Geiger :mrgreen: Standing ovations danach! Das gibts bei den drögen Bremern nicht so oft.
Wer die Chance hat sie zu erleben, sollte das nicht verpassen.

Peter

Verfasst: 13.02.2016, 09:17
von Fujak
Hallo zusammen,

auch ich würde diese Geigerin sowohl als verückt genial als auch als genial verrückt bezeichnen. Technisch einwandfrei prägt sie den klassischen Violin-Konzerten deutlicher als die meisten ihrer Kollegen und Kolleginnen ihre persönliche Interpretation auf.

Manch einer wirft ihr vor, sich allzusehr in den Vordergrund zu spielen, anstatt sich - gemäß der traditionellen Auffassung - demütig in den Dienst dessen zu stellen, was der Komponist mit seinem Werk aussdrücken wollte. Zu Recht ist m.E. allerdings die Frage erlaubt, was denn der Komponist tatsächlich mit seinem Stück intendiert hat und ob er nicht am Ende gar hingerissen wäre von ihrer Interpretation.

Der Stil von Kopatchinskaja ist ein Generalangriff auf die Hörgewohnheiten; das akzeptiert nicht jeder - und ist durchaus legitim, denn für diesen Teil der Hörer ist das Sortiment breitgefächert in allen Nuancen und Schattierungen. Für diejenigen, die es manchmal über haben, die 100ste Einspielung eines Violinkonzertes zu hören, in welchem alles irgendwie schonmal dagewesen ist, bietet Kopatchinskaja etwas Einzigartiges, pustet in ihrer eigenen Originalität den Staub von so manchem klassischem Werk und gibt einen neuen Blick frei, wie man das Werk auch verstehen könnte. Darin steckt mehr kreative Eigenleistung und Authentizität, als sich auf der sicheren Seite zu bewegen und an irgendeine bereits vorhandene Einspielung anzulehnen.

Als Beispiel nehme ich das Violinkonzert von Beethoven (https://www.youtube.com/watch?v=xr9KmgDFwMc), bei dem gerade in der Kadenz Virtuosität, Genialität und Verücktheit zum Ausdruck kommt. Dass dies kein schnöder egomanischer Selbstverwirklichungstrip ist, kann man auch daran erkennen, wie sie mit den Musikern aktiv kommuniziert und sie einbezieht (auch wenn der ein oder andere Musiker sich erkennbar nur zögerlich in das Spiel hineinziehen lässt).

Zwei Daumen hoch!
Fujak

Verfasst: 13.02.2016, 11:10
von nihil.sine.causa
Hallo Fujak,
Fujak hat geschrieben:Als Beispiel nehme ich das Violinkonzert von Beethoven (https://www.youtube.com/watch?v=xr9KmgDFwMc), bei dem gerade in der Kadenz Virtuosität, Genialität und Verücktheit zum Ausdruck kommt. Dass dies kein schnöder egomanischer Selbstverwirklichungstrip ist, kann man auch daran erkennen, wie sie mit den Musikern aktiv kommuniziert und sie einbezieht (auch wenn der ein oder andere Musiker sich erkennbar nur zögerlich in das Spiel hineinziehen lässt).
Ein sehr gut gewähltes Beispiel, wie ich finde. Wenn ich das so - sagen wir im Radio - hören würde, hätte ich nach wenigen Minuten abgeschaltet, einfach wegen für mich unerträglicher Abweichung vom Beethovenschen Text.

Wenn ich das aber bildlich vor Augen habe, kann ich schon viel besser verstehen, dass man sich von dieser Art des Musizierens verzaubern lassen kann. Live ist das dann sicher nochmals eine Nummer interessanter. Wir "hören" eben doch mit allen Sinnen. :wink:

Viele Grüße
Harald

Verfasst: 13.02.2016, 11:25
von Bernd Peter
Hallo,

Aufnahmen, die gegen den Strich gebürstet sind, erscheinen immer mal wieder.

Diese nach sachlichen Kriterien zu beurteilen, braucht es einen Bezugspunkt, d.h. eine allgemein anerkannte Referenz.

Hat man diese mehrmals gehört und wird damit langsam vertraut, kann es ans Werk gehen.

Eine lohnenswerte Beschäftigung in unserem Hobbybereich.

Gruß

Bernd Peter

Verfasst: 26.02.2016, 17:59
von Bernd Peter
Hallo,

heute kam die CD, dann mal los.

Genial oder verrückt?

Das Orchester spielt hervorragend, Frau K. steht dem nicht nach.

Ein frischer und flotter Klang, gefällt mir.

Aber:

Was macht die gute Frau in den wichtigen Passagen?

Von mir aus könnte sie ruhig mal etwas wilder werden, solange es nicht spieltechnisch schlecht gemacht ist.

Aber gerade da, wo im Stück die Violine das Singen beginnt und der Ton sich hinzieht, streicht sie nur kurz über die Saiten.

Da wo ich ins Genießen komme und schwelge, ist nichts außer einem Biep, biep.

Schade, sehr schade.

Gruß

Bernd Peter

Verfasst: 28.02.2016, 06:47
von B. Albert
Moin,

ich habe mir die Aufnahme heute via Spotify (man muss nach dem Dirigenten suchen, nicht nach der Kopatchinskaja) angehört. Eigentlich ist dieses "Schlachtross" - es gibt ja kaum einen Violinisten, der was auf sich hält und dieses Werk nicht eingespielt hat - eines meiner Lieblingsstücke. Frau K. spielt auch nicht schlecht, aber leider hat es mich nicht gepackt. Zu viel Virtuosentum, zu wenig Gefühl und Romantik.

VG Bernd

Verfasst: 22.03.2016, 18:28
von Amati
Kleiner Programmhinweis:
Im Rahmen des Bremer Musikfestes hat Patricia Kopatchinskaja Mendelsohn Violinkonzert gespielt.
Am 10.04.16 um 18.30 Uhr wird dieses Konzert auf Arte gesendet.
Ich war damals in Reihe 10 bei diesem Konzert dabei und war ziemlich angetan. Ob es als Konserve so rüberkommt? Bin gespannt.
Die hier ansässige Zeitung Weser Kurier hat dazu eine Meldung gebracht, die ich ausschnittsweise mal zitiere:

Bremer Musikfest auf Arte
Auftaktkonzert wird übertragen
TEODOR CURRENTZIS‘ KONZERT VOM BREMER MUSIKFEST AUS DEM VORJAHR IST NUN IM KULTURSENDER ARTE ZU SEHEN.
Bremen. Sie waren die umjubelten Stars des Musikfest-Eröffnungsabends 2015 ­„Eine große Nachtmusik“ in der Glocke: Teodor Currentzis und sein im russischen Perm ansässiges Orchester Music Aeterna. Für eines der drei Konzerte gesellte sich die aus Moldawien stammende Geigerin Patricia Kopatchinskaja als Solistin dazu. Bereits 2006 im Rahmen des Musikfest Bremen mit dem Förderpreis Deutschlandfunk ausgezeichnet, gilt ihr interpretatorischer Zugriff als ebenso kompromisslos wie der von Teodor ­Currentzis. Ihre gemeinsame Interpreta­tion von Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll op. 64 geriet zu einem von Publikum und Presse gefeierten Triumph. Arte hat das Konzert mitgeschnitten und strahlt es mit Interview-Sequenzen von Teodor ­Currentzis und Patricia Kopatchinskaja in seiner Reihe „Maestro“ unter dem Titel „Schönheit ist ein Verbrechen“ am Sonntag, 10. April, um 18.30 Uhr aus.
...

http://www.arte.tv/guide/de/059603-000- ... linkonzert


Peter

Verfasst: 10.04.2016, 17:43
von Lefreck
Hallo,

Besten Dank, Peter, gerade noch rechtzeitig gesehen. Mal gucken ob ich als Klassik-Analphabet diesem Konzert was abgewinnen kann. :cheers:

sonnige Grüße
Thierry

Verfasst: 10.04.2016, 20:45
von RPWG
Hey Thierry,

Vor zwei Wochen war ich bei dir ums Eck :P und habe (wieder mal) Frau Kopatchinskaja gelauscht, zusammen mit Anthony Romaniuk.

Seit der ersten zufälligen "Begegnung" vor 6 oder 7 Jahren gehören Konzerte mit Patricia Kopatchinskaja in der näheren Umgebung für mich zum Pflichtprogramm. Gerade bei neuer(er) Musik leistet sie bei mir immer wieder "Entwicklungshilfe" und Impulse, über den musikalischen Tellerrand zu schauen...

Viele Grüße
Roman

Verfasst: 11.04.2016, 11:13
von Bernd Peter
Hallo,

alles sehr originell.

Die Hauptdarstellerin, keine üblich gestylte Violinistin, schon gestylt, aber eben anders.

Ein Bewegungsdrang, eine Unbekümmertheit und Lebendigkeit, die an ein junges, wildes Mädchen erinnern könnten.

Gezieltes Image oder echt?

Selbst die musikalische Doku war ungewöhnlich, nebenbei auffallend wie K. und der Dirigent dasaßen.

Weiter konnte man auf den beiden Sesseln nicht auseinanderrücken, fast wie ein V.

Gruß

Bernd Peter