Vorverstärker - symmetrisch oder nicht?

emma
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Beitrag von emma »

Hallo Hans-Martin,

Danke für die Infos.

Ist zwar OT, deshalb nur kurz der Vollständigkeit halber:

Der Stax 717 (den ich selbst betreibe) ist ein reiner Class A Transistoramp (vollsymmisch, 4 Verstärkerzüge)

Innenansicht des 717 mit (bypass-baren) 4-fach Alps

http://farm4.static.flickr.com/3227/229 ... 68dc2b.jpg


Die vollsymm. HybridAmps mit Röhren, welche Du wahrscheinlich meintest, heißen 006t (2 Röhren) bzw. 007t (4 Röhren).

Grüße
Marco


PS
Habe mich vor kurzem übrigens mit Deinem Lieblingsthema "invertierte Aufnahme" beschäftigt und hatte angenommen, da der Stax ja wie Du schreibst auf Druck und Zug arbeitet, man dürfte hier eher nix mit Unterschieden hören! Kurzum.... man hört es,
.....dies Ist jetzt aber definitiv eine andere Baustelle!
Bild
Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Marco,
es geht von einer Baustelle zur nächsten, nach der B. ist vor der B., gerade, wenn man sich HiFi-mäßig gewissermaßen auf der Autobahn befindet. Im Laufe der Jahre fand ich zunehmend Beispiele, dass bei Audio irgendwie alles mit allem zusammenhängt. Hat man eine Unsymmetrie in der Wiedergabekette, wie z.B. bei einer einzelnen Röhre und ihrer [bJ][/b]-förmigen Kennlinie, entsteht k2. Nach Hiraga, dem japanischen High-Ender sollen die Obertöne in steigender Ordnung fallende Werte haben, als k2 stärker als k3, k4 schwächer, weniger k5 usw. Liest man zum Thema Polarität einschlägige Artikel, begegnet einem wiederholt die Aussage, dass mehr k2 die Hörbarkeit begünstigt, zurückzuführen auf einen Vortrag bei der AES, von namhaften Persönlichkeiten - ich vermute ungeprüft - weitergegeben. Strikte Symmetrie und letztlich Gleichtaktunterdrückung für gemeinsame Fehler scheint ein Ausweg aus dem Klirr-Dilemma, welches Keith Howard in seinem Artikel Euphonic Distortion: Naughty but Nice? beschreibt und letztlich Hirage widerspricht, und ich finde nach selbst nachvollzogenen Experimenten, auch widerlegt.
Der direkte Anschluss des Stax Verstärkers, der symmetrische Aufbau des Dipol-Hörers und des Varstärkers sollte k2 besonders gering halten können (alle neueren Stax Verstärker basieren auf dem selben Stromspiegelschaltungsprinzip, Röhre wie Transistor, ich hatte in meiner Schaltbildsammlung einen Beschriftungsfehler bei einem Querverweis selbst eingebaut, der SRM 007 wich nur wenig vom 006 ab, der 717 Transistor kann lauter und verblüffte mich mit einem volleren Bass, dass ich im Blindtest mit demselben Kophörer die beiden Verstärker gehörmäßig dem falschen Prinzip zuordnete, also die Klischeevorstellung korrigieren musste).

In der Kette von der Digitalaufnahme mit gereuzten Bändchen (Blumlein)Mikrofonen über hochwertige Vorverstärker in den ADC kommt eine hoffentlich klirrarme Information zu unserer Wiedergabe, die im symmetrischen DAC, symmetrischen Verstärker und symmetrischen Wandler recht neutral übrtragen wird - und doch zeigt sich ein Unterschied in der Polarität - wobei ich persönlich finde, dass beim Kopfhörer das invertierte Signal als freier, offener, weiträumiger, also vorteilhaft trotz Diffiusität wahrgenommen wird, während das positive Signal mit der weniger beliebten Imkopflokalisation einhergeht. Wenn eine Sängerin auf der Bühne mit ihren Lippen am Mikrofon klebt, dann ist es nicht verwunderlich, wenn sie meine beiden Ohren zugleich knutscht, alles andere wäre ja aufnahmetechnisch Verfremdung. Auch ein anderer Aspekt verhält sich gegenüber Lautsprecherwiedergabe konträr: das Crossfeed beim KH, wo im Bass die Kanaltrennung herab, die Hochtontrennung heraufgesetzt wird, während FLOW für LS entgegengesetzt wirkt, Bässe breiter, Höhen enger.

Die symmetrische Signalverarbeitung bietet also - und auch hier ist wieder ein Verknüpfungspunkt mit dem Netzwerk der vielen Zusammenhänge - die enfache Möglichkeit, die Polarität nach Bedarf umzuschalten, indem positiver und invertierter Signalweg ihre Pfade tauschen, also ein einfacher Adapter, der über Kreuz konnektiert, pos zu neg und neg zu pos.
Sie hat wegen der spiegelbildlichen Verarbeitung eine bestmögliche Chance, Nichtlinearitäten, die zu Klirr führen, zu kompensieren, und es resultiert ebenfalls eine bestmögliche Versorgungsspannungsunterdrückung. Bei vielen Class-D Verstärkern kommt noch eine Systemtaktunterdrückung hinzu, was die Filterung vereinfacht.

Wenn man (mehr oder wenig deutliche) Unterschiede zwischen symmetrischen Kabeln hören kann, legt das nahe, dass auch bei Elektronik das symmetrische Prinzip allein nicht ausreicht, Perfektion zu erreichen. So wie mit jedem Kabelzentimeter die dielektrische Absorption steigt, eine unkontrollierbare Unwägbarkeit, so sind bei vielen Bauteilen nebst Lötstellen die Eigenschaften individuell, will sagen, großflächige Schaltungen, im symmetrischen Stereo-VV 4-fach vorhanden, werden bei entsprechender räumlicher Ausdehnung auch unterschiedliche mechansische Vibrationen aus Körperschall in Mikrofonieeffekte umsetzen, und individuelle Rauschkomponenten bei den Baugruppen bleiben dekorreliert und lassen sich durch Differenzbildung nicht wegzaubern, denn bei statistischer Verteilung auch der Phasenlage bleibt Rauschen das, was es ist. Aber immerhin wird das Nutzsignal verdoppelt, ein echter Vorteil.
Wenn also ein VV single ended RCA und symmetrische XLR Ausgänge anbietet, rate ich, ein gekreuztes XLR-Kabel für den Stax und ein RCA-Kabel parallel anzuschließen, damit hätte man die Wahl der Polarität durch Eingangswahl.
Dasselbe gilt für den VV, wenn man ein Kabel von einer symmetrischen Quelle hat, könnte man mit 2 dünnen Drahten aus dem Stecker beide Signale eines Kanals heraus und in einen weiteren Stecker überkreuzt verbinden, wieder per Eingangswahl, vermutlich sogar fernbedienbar vom Sitzplatz aus, die Polarität umschalten.

Bei SPDIF-Übertragung (auch AES/EBU und Toslink) spielt die Polarität keine Rolle, weil das Biphase-Signal dagegen immun ist. Eine interessante Frage wäre, ob ein Gerät mit digitaler Signalbearbeitung einem vollsymmetrisch arbeitenden Gerät gleichzusetzen ist, wo der Datenstrom doch nicht kanalgetrennt durchläuft.
Grüße Hans-Martin
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