Was ist eine Sensorregelung? (Friedrich Müller)

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Was ist eine Sensorregelung? (Friedrich Müller)

Beitrag von Aktives Hören »

Der nachfolgende Beitrag stammt von Friedrich Müller (Silbersand):
Friedrich Müller hat geschrieben:
Im Alltag sprechen wir davon, die Helligkeit mit einem Dimmer oder die Lautstärke am Verstärker zu „regeln“. In der Technik heißt es aber nur dann „Regelung“, wenn ein Vorgang automatisch und mit Hilfe eines Sensors eingestellt wird. Einen Heizkörper auf- und zuzudrehen wäre hier also keine Regelung; auch nicht die Einstellung der Wassertemperatur über eine Zeitschaltuhr im Keller (das würden Techniker eine „Steuerung“ nennen). Eine „Regelung“ im technischen Sprachgebrauch ist dagegen der Einsatz eines Thermostaten im Wohnzimmer.

Anforderungen an eine Regelung

Der Unterschied zwischen einer Heizung und einen Lautsprecher ist vor allem die Geschwindigkeit, mit der ein bestimmter Wert erreicht werden soll. Bei der Raumtemperatur kann man eine halbe Stunde warten, bis sich der richtige Wert eingependelt hat. Eine Lautsprechermembran muss aber jede vorgeschriebene Position innerhalb von Mikrosekunden erreichen.

Kann das überhaupt funktionieren?

Wenn wir die Bewegung einer Lautsprechermembran beobachten, dann kommt uns das ziemlich schnell vor. Die Elektronik ist aber so viel schneller, dass die Bewegung selbst einer Hochtonmembran dagegen fast statisch wirkt. Hinzu kommt, dass sich die „Sollwerte“ (also die vom Musiksignal vorgeschriebene Position einer Membran oder die gewünschte Zimmertemperatur) nicht sprunghaft ändern, sondern in einem kontinuierlichen Ablauf.

Das kann man nicht nur anschaulich, sondern auch mathematisch beschreiben: Da ist das Modell einer Membranbewegung eine Differentialgleichung, die sogenannte Schwingungsgleichnung. Dort gibt es der Geschwindigkeit proportionale Kräfte, integrale und differentiale Anteile (mit den mechanischen Entsprechungen „Dämpfung“, „Federkonstante“ - oder Kehrwert „Compliance“ - und „Masse“). Wann immer diese drei Komponenten im Spiel sind, wird das auch PID-Regelung genannt.

Es handelt sich also nicht darum, dass zu den mechanischen Bewegungsgrößen „nachträglich" oder „verspätet“ irgendwelche Korrekturen eingeführt werden. Das klingt kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach: Ein geregeltes System verhält sich im Idealfall so, als hätte der Lautsprecher ein unendlich großes Volumen, keine Masse und so viel Dämpfung, dass es kein Überschwingen mehr gibt.

Praktische Ausführung

An der schematischen Darstellung des Signalverlaufs kann man sehen, dass das Lautsprecherchassis nicht etwa zwei verschiedene Signale bekommt, sondern von der Endstufe nur mit dem Strom angesteuert wird, der jeweils notwendig ist, um die Sollbewegung zu erreichen. Dieses Signal enthält also gleichzeitig die Informationen des Musik- und des Korrektursignals.

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Wie funktioniert ein Sensor?

Bei Lautsprechern wurden schon ganz unterschiedliche Sensoren verwendet:
  • Die einfachste Methode ist, die Spannung auszuwerten, die in der Antriebsspule des Lautsprechers bei Bewegung induziert wird.
  • Eigene Sensorspule, die mechanisch fest mit der Membran verbunden ist und ein separates Magnetsystem hat, das vom Antriebssystem magnetisch entkoppelt ist.
  • Gitter parallel zur Membran (die dann elektrisch leitfähig sein muss) und Messung der Kapazität zwischen Membran und Gitter (Hochfrequenz oder statisch).
  • Optische Abtastung nach dem Prinzip der Lichtschranke (mit LED oder Laserdiode)
  • Mikrofonkapsel, die entweder mit der Membran bewegt wird (und so angeordnet sein muss, dass sie immun ist gegen Beschleunigungskräfte) oder extrem nahe an der Membran steht, so dass kein Umgebungsschall empfangen wird.
  • Beschleunigungssensor, der mit der Membran bewegt wird und die Kraft misst, die eine kleine („seismische“) Masse auf ein kraftempfindliches Material ausübt.
Und welcher ist nun der beste Sensor?

Das ist eine schwierige Frage. Zur Veranschaulichung kann man sich ein Lautsprecherchassis mit Sensor vorstellen als eine „black box“ mit einem Eingang und zwei Ausgängen:

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Am Eingang wird die Energie vom Endverstärker eingespeist, ein Ausgang ist der abgestrahlte Schall, der andere Ausgang ist das Sensorsignal, das dann in der Vergleichsschaltung ausgewertet wird und die Energiezufuhr regelt. (Auch an diesem Modell kann man wieder schön sehen, dass Schallabstrahlung und Regelung nicht nacheinander, sondern gleichzeitig ablaufen, wobei die elektronische Strecke ungleich schneller ist als die vergleichsweise träge Schallabstrahlung.)

Die einzig wichtige Frage ist nun, dass das Sensorsignal so genau wie möglich mit dem Eingangssignal und mit dem Schall übereinstimmt, dass also der Durchgang durch die gesamte „black box“ zu beiden Ausgängen möglichst exakt verläuft. Und da sind Lautsprecherchassis, Sensor und deren Zusammenspiel gleichermaßen wichtig.

Wenn wir ein Chassis beurteilen, experimentieren wir tatsächlich ganz frei mit unterschiedlichen Sensoren. Meist setzt sich am Ende aber ein dynamisches System durch (also MC, moving coil) und das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass auch bei der Abtastung einer LP-Rille die dynamische Abtastung die wichtigen Klangdetails besonders gut abbildet.

Friedrich Müller, im Januar 2008
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