Wie stelle ich meine Lautsprecher am besten auf?

Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Aus Image Hifi 1/2000
Mario Murace, Tonmeister u. Chefentwickler Chario hat geschrieben:Denken Sie sich ein Quadrat von 2-3, Seitenlänge und mit ausreichendem Abstand von den Wänden. Inder Mitte einer Seite positionieren Sie den Hörplatz, das gedachte Quadrat breitet sich vor Ihren Füßen aus. Die Lautsprecherstellen Sie jetzt in den beiden Ihnen rechts und links gegenüberliegenden Ecken auf, und zwar so, dass sich ihre Achsen genau in der Mitte des Quadrats kreuzen. Daher auch der Name RLX-Geometrie, was "Right-Left-Crossing" bedeutet.
Murace erwähnt dann, von deutscher Forschung inspiriert worden zu sein (Haas-Effekt).
Mario Murace hat geschrieben: Es geht darum, die unvermeidlichen Reflexionen an den Seitenwänden richtig zu nutzen. Wir alle leben in normalen Wohnungen, nicht in schalltoten Experimentalräumen. Bei der üblichen Lautsprecheraufstellung, dem typischen Stereo-Dreieck eben, gibt es viele Ungleichzeitigkeiten zwischen Direktschall und reflektiertem Schall - das Klangbild zerfällt gewissermaßen. dadurch, dass die Lautsprecher nicht direkt auf das Ohr gerichtet sind, sondern sich vor ihm kreuzen, wird bei der RLX-Aufstellung der gerichtete Schall auf den gedachten Lautsprecherachsen abgeschwächt. Gleichzeitig wird bei dieser Aufstellung genauso viel Schallenergie auf die reflektierenden Wände gelenkt wie auf das Ohr, sodass das Klangbild quasi "einrastet" -Informationen, die das Ohr erreichen, erreichen es jetzt gleichzeitig.
Frage: Gelten diese Überlegungen grundsätzlich, kann man sie jedem Lautsprecherbesitzer empfehlen?
Mario Murace hat geschrieben: Wir haben unsere Lautsprecher auf die RLX-Geometrie hin optimiert. Andere Entwicklungen orientieren sich eher am klassischen Stereo-Dreieck.
Was ich hier herausinterpretiere, ist die zu erwartende Ähnlichkeit von Direktschall und dem angeregten Nachhall im Raum.
Floyd E. Toole weist hier The Acoustics and Psychoacoustics of Loudspeakers and Roomsdarauf hin, dass am Hörplatz der Direktschall und die frühen Reflexionen sich mischen, ist das Rundstrahlverhalten der LS inhomogen, hat das bei der Summierung deutlichen Einfluss auf den FG am Hörplatz.
Grüße Hans-Martin
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Hans Martin,

ich kann mit der Argumentaion von Murace nicht viel anfangen.

Ein bisschen kommt es mir so vor, als würde er eine hohe Korrelation von Direktschall und
(auch frühen) Reflexionen anstreben.

Genau das ist aber m.E. abträglich: Deutliche Interferenzeffekte zwischen Direktschall und
frühen Reflexionen sollten eher vermieden werden.

Dazu sind entweder Diffusoren an - oder nahe den - den Spiegelflächen der Lautsprecher aus
"Sicht des Hörplatzes" gut und/oder Lautsprecher, die selbst eine diffuse Abstrahlung in Winkeln weit außerhalb der Achse haben.

"Ähnlichkeit" der Reflexionen zum Direktschall sollte sich auf eine statistisch betrachtete spektrale Ähnlichkeit beziehen (im Sinne eines ausgewogenenen Raumfrequenzgangs) aber es ist dazu nicht notwendig - und sogar kontraproduktiv - daß Reflexionen jeweils als "Kopien" des Direktschalls beim Hörer eintreffen und das auch noch aus definierten Richtungen.

Der Hörraum soll als Raum "unhörbar" quasi "unbestimmt" bleiben, dazu muss er im Idealfall diffus agieren und nicht wie ein "Spiegelsaal" mit einzelnen diskreten "kopieartigen" Rückwürfen.

Die raumakustischen "Spuren" auf der Aufnahme sollen nicht unnötig "übertüncht" werden, sondern erhalten bleiben.

Wenn das gelingt, dann bleibt u.a. auch "räumliche Tiefe" erhalten, sofern derartige Spuren auf der Aufnahme eingefangen sind.

Das Erreichen eines ausgewogenen Energiefrequenzgangs im Raum wird durch Lautsprecher mit kontinuierlich verlaufendem Bündelungmaß - also gleichmäßigem Rundstrahlverhalten über der Frequenz - natürlich erleichtert.

Trotzdem will man einen flachen Frequenzgang im Direktschall, aber einen Raumfrequenzgang am Hörplatz - inklusive Raumanteil - der u.a. nach den von Bruel&Kjaer bzw. Harman gehandelten Raumkurven leicht zum Hochton hin abfallen soll.

Hier müssen also Verlauf des Bündelungsmaßes der LS und die frequenzabhängige Absorbtion des Raums und seiner Ausstattung zusammenpassen. Sonst muss man am Hochtonfrequenzgang auch im Direktschall drehen, um etwa Raumabsorption auszugleichen, das trifft aber nie die Ursache und wird bestenfalls "in kleinen Dosen" ein akzeptables Ergebnis liefern.


Grüße Oliver
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

O.Mertineit hat geschrieben: Die raumakustischen "Spuren" auf der Aufnahme sollen nicht unnötig "übertüncht" werden, sondern erhalten bleiben.

Zeit abgelaufen ...

diese raumakustischen Spuren auf der Aufnahme sind im Hörraum jedoch zunächst auch als "Lautsprecher Direktschall" repräsentiert, der LS kann ja nicht unterscheiden, ob er gerade "aufnahmeseitigen Direktschall" oder "aufnahmeseitigen Raumanteil" wiedergibt. Und bei Sterophonie kommt beides über dieselben beiden Kanäle.

Es gilt, u.a. diese aufnahmeseitigen Spuren - so vorhanden - dem Hörer erfahrbar zu machen. Der Hörraum agiert dabei m.E auf 2 Ebenen

- Artefakte der Stereofonie selbst "abmildern" u.a. z.B. durch räumliches Auffüllen von Interferenzen der Stereo LS

- durch Präsentation von Lautsprecher Direktschall als Reflexionen unter zusätzlichen für ein Räumlichkeitsempfinden relevanten Einfallswinkeln. Jedoch muss dies stets subtil (diffus, reduzierter Pegel etc.) vonstatten gehen und die Reflexionen des Hörraums dürfen nicht relevant für die Lokalisation von Phantomschallquellen werden oder diese stören.

- Ein "aufnahmeseitiger Raumanteil" wird auf diese Art "verräumlicht" ("wiederverräumlicht", was aber nie eine "Reproduktion" sein kann, denn die Information über exakte räumliche Reflexionsmuster ist bei Stereophonie nicht vorhanden ...was m.E. weniger schlimm ist, als viele meinen), obwohl er als "LS Direktschall" vom LS im Hörraum "angeliefert" wird.

Selbst wenn der Direktschall der LS am Hörplatz deutlich dominiert, kann der Raumanteil des Hörraums die Wiedergabe m.E. verbessern, solange der Hörraum nicht bewusst in Erscheinung tritt. Dazu reicht "wenig" Raumanteil aus dem Hörraum, und dieser sollte auch gewissen "Wohlgeformtheitsbedingungen" genügen, die hier bereits genannt wurden.


Auch die Arbeiten u.a. von Floyd Toole über das Rundstrahlverhalten von LS in Bezug auf die Hörerpräferenz, zielen genau auf solche "Wohlgeformtheitsbedingungen" von Reflexionen ab, für deren (ungefähre) Einhaltung Lautsprecher und Raum die Voraussetzung gemeinsam schaffen müssen.


Grüße Oliver
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