Reihenfolge raumakustischer Maßnahmen

Joerghag
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Beitrag von Joerghag »

Hallo Simon,

eine Raummode hat zwei unangenehme Eigenschaften; zum einen addiert sich der Pegel,
zum anderen verliert sie nur langsam an Intensität. Im Idealfall sollte ein Tonimpuls nach seinem
abschalten im Tieftonbereich bis ca. 200 Hz nach max. 500ms (etwas kürzer oder länger) darüber
nach max. 400ms abklingen, d.h. um 60db in seiner Intensität fallen.

Am geläufigsten ist der negative Effekt einer zu langen Abklingzeit als Flatterecho in unmöblierten Räumen jedem schon mal begegnet. In den Helmholzresonatoren wird die Schallenergie absorbiert, sodas die - 60 db schneller erreicht werden. Wie FoLLgoTT schon geschrieben hat, ist das aber nicht einfach zu erreichen, da die Resonatoren schon sehr groß sein müssen um eine Wirkung zu zeigen und nur schwer abzustimmen sind. Dabei wirken Plattenresonatoren recht breitbandig und können relativ flach gebaut werden. Bei Helmholzresonatoren kann man gezielter einwirken braucht aber viel Volumen und viel Abstimmarbeit. Gemeinsam haben diese Systeme aber mit einem DBA, daß die Bassenergie "absorbiert" wird, sodaß sich eine Stehende Welle nicht oder wenig ausbilden kann.

Eine elektronische Korrektur bekämpft eigentlich nur eine der Eigenschaften, nämlich die Amplitude und nicht die Ausklingzeit, die aber durch die geringere Intensität im Vergleich zum unkorrigierten Impuls natürlich auch schon schneller abklingt.

Was haben wir also erreich? Der Bass war zwar noch überbetont, aber durch die verkürtzte Ausklingzeit nicht mehr so "schwammig"' sondern deutlich präziser.

Gruß Jörg
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Joerghag
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Beitrag von Joerghag »

... noch ein kleines Beispiel:

ich habe vor zwei Wochen bei einem Freund ein kleines Kellerkino eingerichtet. Typischer Kellerraum
mit 3x5x2,2m. Im Raum stand ein Sofa und ein Kurzflorteppich war gelegt. Der Raum zeigte den typischen
halligen Zustand, den man auch erwarten würde. Eine kurze Einmessung des Receiver zum voher/nacher Vergleich brachte keine Verbesserung des Klangeindrucks und die Nachhall-Ausklingzeiten lagen durchweg
über 1 Sekunde.

Durch 4 schwere Vorhänge sowie vier 100x500x10cm Basotec-Platten an den Hauptspiegelpunkten
drei 75mm Platten unter der Decke und 2 Fatboys als zusätzliche Sitzplätze haben wir die Nachhallzeiten
im Bereich über 200. Hz auf 500ms herunter bekommen. Zusammen mit der erneuten Einmessung ist der Raum
akustisch jetzt für ein einfaches Hk absolut i.O. und der Raum fühlt sich wohnlich an.

Gruß Jörg
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Jörg,
Joerghag hat geschrieben:Eine elektronische Korrektur bekämpft eigentlich nur eine der Eigenschaften, nämlich die Amplitude und nicht die Ausklingzeit, die aber durch die geringere Intensität im Vergleich zum unkorrigierten Impuls natürlich auch schon schneller abklingt.
Außer bei der erwähnten separierten Mode. Da korrigiert ein minimalphasiges Filter auch das Abklingen. Es ist nur ganz wichtig, dass die Güte möglichst genau getroffen wird. Hier auf Seite 11 sieht man die Auswirkungen auf die Gruppenlaufzeit eines solchen Filters. Das sind übrigens Messungen und keine Simulationen. :)

Aber separiert treten Moden praktisch nur dann auf, wenn man die anderen Dimensionen modenfrei bekommt. Typischerweise ist das dann eine Art SBA, bei dem nur Längsmoden übrigbleiben. Das Interessante ist, dass selbst ein unbedämpftes SBA in der Längsmitte des Raumes nur eine Überhöhung bei der 2. Längsmode hat. Es ist kein Einbruch vorhanden und kein langes Abklingen auf der 1. Längsmode. Das heißt, ein einfaches IIR-Filter reicht, um Amplitudengang und Abklingzeit im gesamten Bassbereich zu korrigieren.

Das ist aber natürlich eine Ausnahme und trifft für die meisten Anordnungen nicht zu. Wer in der Längsmitte des Raumes sitzt, hat Glück und kann das machen. ;)

Gruß
Nils
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Joerghag
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Beitrag von Joerghag »

FoLLgoTT hat geschrieben:...
Das Interessante ist, dass selbst ein unbedämpftes SBA in der Längsmitte des Raumes nur eine Überhöhung bei der 2. Längsmode hat. Es ist kein Einbruch vorhanden und kein langes Abklingen auf der 1. Längsmode. Das heißt, ein einfaches IIR-Filter reicht, um Amplitudengang und Abklingzeit im gesamten Bassbereich zu korrigieren.

Gruß
Nils
Hallo Nils,
was wäre denn die Grundvoraussetzung für ein "unbedämpftes" SBA. Ich gehe davon aus, das es dazu
mindestens eine 4 Subwoofer Installation auf der Vorderseite braucht. Da ich bisher 2 Eckwoofer nutze auch die Frage ob man das auch mit einer Installation in den Ecken hinbekommt.

Gruß Jörg
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Jörg,
Joerghag hat geschrieben:was wäre denn die Grundvoraussetzung für ein "unbedämpftes" SBA. Ich gehe davon aus, das es dazu
mindestens eine 4 Subwoofer Installation auf der Vorderseite braucht. Da ich bisher 2 Eckwoofer nutze auch die Frage ob man das auch mit einer Installation in den Ecken hinbekommt.
Im Grunde reichen meist zwei Bassquellen an der Frontwand, die möglichst auf 1/2 der Höhe oder einer auf 1/4 und einer auf 3/4 der Höhe angebracht sind. Diese reduzierte Anordnung funktionert auch bei einem DBA sehr gut. Siehe hier.

Die Eckaufstellung der Subwoofer löscht die 1. Moden auch aus, ist aber im oberen Bassbereich nicht so linear. Das kann man hier schön sehen. Ab Seite 10 findet sich der praktische Versuch eines SBAs mit zwei Subwoofern und ohne Bedämpfung. Die grüne Kurve entspricht der Position in der Längsmitte des Raumes. Wie man sieht, ist nur noch eine einzelne Überhöhung übrig und das Abklingen ist sehr kurz.

Es lohnt sich übrigens auch mit dem Raumsimulator von Room EQ Wizard rumzuspielen. Die Ergebnisse sind zum Großteil mit denen von ABEC vergleichbar. :)

Ach ja, in dem ersten Paper ist auch ein reduziertes DBA mit Bodenaufstellung zu sehen. Selbst das funktioniert im unteren Bereich erstaunlich gut. Ich kenne jemanden, der so eine Aufstellung mit zwei Subwoofern nutzt. Es ist ein sehr guter Kompromiss mit geringem Aufwand.

Gruß
Nils
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mFidelity
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Beitrag von mFidelity »

Hallo,

wie schaut denn eine optimale Aufstellung eines Lautsprecher in Bezug zur Rückwand aus?
Genelec empfiehlt eine wandnahe Aufstellung in kleinen Hörräumen, um die Reflektionsfrequenzen und Auslöschungen im Bass zu reduzieren bzw. in höhere FQ-Bereiche zu schieben, oder alternativ eine sehr freie Aufstellung (>2m).
Siehe http://www.mh-audio.nl/CancellationFreq.asp

Im allgemeinen Hifi-Umfeld wird jedoch häufig empfohlen einen Abstand von ca. mind. 1m zur Rückwand einzuhalten. Macht es nun Sinn den Lautsprecher an die Rückwand zu stellen und dafür zu entzerren?

Viele Grüße,
Maik
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Truesound
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Beitrag von Truesound »

Bei wandnaher Aufstellung muss dann die Verstärkung die eine wandnahe Aufstellung mit sich bringt via DSP wieder heruntergeholt werden.
Bei kleinen Räumen und entsprechendem Sitzabstand zur Genelec kommt der Hörer damit weiter von der Rückwand weg.
Ist also praktikabel.

Grüße Truesound
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

mFidelity hat geschrieben:Im allgemeinen Hifi-Umfeld wird jedoch häufig empfohlen einen Abstand von ca. mind. 1m zur Rückwand einzuhalten. Macht es nun Sinn den Lautsprecher an die Rückwand zu stellen und dafür zu entzerren?
Hallo Maik
Nimm einen geschlossenen oder BR Lautsprecher mit omnipolarer Bassabstrahlung, entferne ihn 1m von der Wand und du bekommst eine Auslöschung bei 86Hz, die bei 65Hz beginnt und bei 115 Hz endet, also fast eine Oktave prägt. So richtig entzerren kann man das kaum, Auslöschung bleibt Auslöschung, da hilft frequenzabhängige Pegelmanipulation nicht weiter. Aus dieser Nummer kommt man mit konventionellen Lautsprechern nicht heraus, wenn alle Chassis in einem Gehäuse auf einer Schallwand montiert, Dipole oder Kardioide sind da anders.
Ich habe mich für ein 2.2 System entschieden, 2 Bässe in den Ecken (auf jeden Fall mit Abstand weniger als 1/8 Wellenlänge bei Übergangsfrequenz) und 2 Hauptlautsprecher, die mehr als 1/2 Wellenlänge bei Übergangsfrequenz Abstand zur Wand haben. Beides lässt Die Bässe kann man dann entzerren und die Hauptlautsprecher müssen verzögert werden, um mit den Bässen nahtlos zusammenzuspielen.
Schön wäre es gewesen, wenn die Entzerrung und Verzögerung im selben Bereich lägen, dann hätte ein DSP-Zusatzgerät für Entzerrung und Verzögerung zugleich gereicht, aber die Realität holt einen schnell ein. :(

Da ein Lautsprecher mit gewisser Größe (z.B. B&W Nautilus 800) nicht ohne größeren Aufwand bündig in der Wand verschwinden kann, kann man bei rückwandengster Platzierung nahe 90Hz eine Auslöschung mit Phasensprung feststellen.
Als ich mit einem geeigneten Bass zeitkompensiert diese Auslöschung auffüllte, stellte sich vorrangig eine bessere räumliche Abbildung ein und außerdem (nachrangig) wirkte der Klang etwas wämer und glaubwürdiger.
Es bestärkte mich darin, bei konventionellen Monopolen auf 2.2 zu setzen.
Die breite Aufstellung der Bässe, besonders wenn der Bereich sich über 400Hz hinaus ausdehnen lässt, kommt dem FLOW-Gedanken nahe, wenn die meisten Aufnahmen in Intensitätsstereofonie geliefert werden, und die für die menschliche Ortung der Grundtöne erforderliche Laufzeit/Phasendifferenz fehlt.

Mein erstes vollaktives System hatte Magnepan MG1 als Dipols BM/T mit Transmissionlinebässen in den Ecken und Ionofane Plasmatweeter. Die Hochtonsektion der Maggies wartet immer noch auf Reparatur, genauso wie bei den Quad ESL57...
Grüße Hans-Martin
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:Nimm einen geschlossenen oder BR Lautsprecher mit omnipolarer Bassabstrahlung, entferne ihn 1m von der Wand und du bekommst eine Auslöschung bei 86Hz, die bei 65Hz beginnt und bei 115 Hz endet, also fast eine Oktave prägt.
So vereinfacht funktioniert das nicht. ;)

Wir haben ja nicht nur die vordere Wand, sondern auch noch Boden, Decke, Seitenwände und Rückwand. Von all diesen entstehen Reflexionen, die sich am Hörplatz überlagern. Es gibt also nicht nur den einen Einbruch, sondern ein "wildes" Gemisch aus Einbrüche und Überhöhungen. Alle Abstände zu den Begrenzungsflächen bestimmen letztendlich den Gesamtamplitudengang am Hörplatz.

Ich halte daher nichts von der vereinfachten Erklärung auf der Genelec-Seite und dem unsäglichen Marketingbegriff "SBIR", der sich inzwischen in den Foren breitgemacht hat. Man muss das Gesamtbild betrachten, sonst wird das nichts.

Gruß
Nils
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

FoLLgoTT hat geschrieben:So vereinfacht funktioniert das nicht. ;)
Hallo Nils
Das habe ich nicht theoretisch hergeleitet, sondern mit TacT RCS2.2X am Hörplatz gemessen, Höhe 90cm über Boden. Die Box hatte 2 Tieftöner, mittlere Höhe 60cm.
Grundsätzlich analysiere ich jede Messung anhand der Dips, denn fast jede Auslöschung ist auf Phasendrehung zurückzuführen, und da sollte mMn der erste Schritt sein, diese durch Änderung der Geometrie zu vermeiden oder bei beiden Kanälen symmetrisches Verhalten zu erreichen.

Die Genelec Anleitung deckt sich in mehreren Punkten nicht mit meinen Erfahrungen.
Hans-Martin
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hans-Martin hat geschrieben:Grundsätzlich analysiere ich jede Messung anhand der Dips, denn fast jede Auslöschung ist auf Phasendrehung zurückzuführen, und da sollte mMn der erste Schritt sein, diese durch Änderung der Geometrie zu vermeiden oder bei beiden Kanälen symmetrisches Verhalten zu erreichen.
Acourate hat genau aus diesem Grund eine Textzeile über dem dargstellten Frequenzgang. In dieser Zeile wird anhand der Cursorposition im Frequenzgang die Frequenz und der zugehörige Abstand lambda/4 dargestellt. So dass man mit dem Cursor bei einer Dip-Position sofort einen möglichen Abstand zu Boden, Seiten- oder Vorderwand ablesen und mit der Realität vergleichen kann. Eine nochmalige Messung mit verschobenem LS zeigt dann auch häufig schön die Wirkung.
Es macht dann z.B. Sinn, sofern möglich, einen Abstand so zu wählen, dass die zugehörige Frequenz mit einer möglichen Überhöhung durch eine Mode zusammenfällt.

Grüsse
Uli
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