Binaurales Kopfhörer-Hören

Hans-Martin
Aktiver Hörer
Beiträge: 9118
Registriert: 14.06.2009, 15:45

Beitrag von Hans-Martin »

Alles witzlos, wenn man bedenkt, wie viele Mikrofonpostitionierungen bei den Aufnahmen zum Einsatz kommen, angefangen bei den Mono-Pickups und Instrumenten Mikrofonen, wo am panoramaregler die Position im Mix bestimmt wird, über Blumlein/XY/MS zu ORTF und Varianten, OSS/Jecklinscheibe, Trennkörpermikrofone, DeccaTree, AB, Grenzflächenmikros
Jeweils mit Stützmikros und/oder hinzugemischtem Hall (synthetisch oder von Hilfsmikros.

Da müsste man nach Kenntnis der einzelnen Mikrofonpositionen und ihren Eigenschaften in den Aufnahmen die Filter jeweils optimieren und dann die abzuspielenden Aufnahmen mit entsprechend gewähltem Filter behandeln.
Für den Anfang reichen 2 bis 3: für XY, ORTF und AB
XY ist für den Anfang besonders interessant, weil prinzipiell reine Intensitätsstereofonie, also noch überschaubar, keine Phasendrehungen.
ORTF kommt hinsichtlich Intensität und Laufzeit dem natürlichen Hören recht nahe.
Bei AB ist Intensität und Phase sehr unterschiedlich. Chaos.
Grüße Hans-Martin
Bild
Hans-Martin
Aktiver Hörer
Beiträge: 9118
Registriert: 14.06.2009, 15:45

Beitrag von Hans-Martin »

Hier einige Beispiele für Labels mit Angaben über deren Mikrofonplatzierung, damit man weiß, woran man ist hinsichtlich Frequenzgang der Mikros und Phasenbeziehung.

Blumlein/XY/MS Mikrofonaufstellung
audioquest Aufnahmen von Kavi Alexander
Chesky
EMI in den frühen 1960ern
Opus3 AKG-C24
Reference Recordings
Sheffield AKG-C24
Waterlily Records Pearl Bändchen
HiFiVisionen Klassik CD3 XY mit MB KA-30
++++++++++++
Delos (ORTF)
Stereoplay CD4 (ORTF Schoeps)
Naim True Stereo (ORTF 2 AKG 414EB)
Denon Deutschland OnePoint Recordings (Brüel&Kjaer4007 diffusfeldentzerrt 40cm Abstand)
+++++++++++++
Aufnahmen mit Trennkörper
Klangräume Aachen Kunstkopf
Raumklang Kugel
Stax Neumann Kunstkopf
++++++++++++++
AB (Kugelmikrofone mit Abstand)
Telarc AB

Hyperion Records (Tony Faulkner wechselte angeblich von Blumlein zu AB)
Clarity Recordings wurden alle pur mit nur 2 Mikrofonen aufgenommen, leider keine Details über deren Abstand
Grüße Hans-Martin
Bild
nihil.sine.causa
Aktiver Hörer
Beiträge: 1506
Registriert: 28.07.2011, 12:31
Wohnort: Bonn

Beitrag von nihil.sine.causa »

uli.brueggemann hat geschrieben:PS: es wäre evtl. interessant, zu analysieren was sich hinter dem crossfeed von J.Meier versteckt. Harald kann das ja z.B. so einstellen, wie ihm am besten gefällt. Dann ein Testsignal abspielen und dieses aufzeichnen. Da sollte sich die Filterfunktion als Ausgangspunkt für weitere Verfeinerungen ermitteln lassen.
Hallo zusammen,

vorab möchte ich klarstellen, dass die Anwendung des Crossfeed nach J. Meier bei mir die IKL nicht vermeidet. Im open-end-musik Foren habe ich gelesen, dass es dem einen oder anderen gelungen sei, durch ein bestimmtes Training IKL zu vermeiden. In diesem Zusammenhang helfen bestimmte Aufnahmen und andere berichten auch davon, dass Crossfeed ihnen geholfen habe. In jedem Fall muss man sich dabei vorstellen, dass die Schallquelle außerhalb des Kopfes ist und das Gehirn muss dann lernen, die Signale entsprechend zu deuten. Mein Ziel ist es aber, dass ich die Schallquelle außerhalb meines Kopfes lokalisiere auch wenn ich "ehrlich hinhöre". Ich will gewissermaßen entspannt hören können ohne dabei "schielen" zu müssen. Dazu bin ich andererseits bereit, den Frequenzgang zu verunstalten etc. Das vielleicht zur Einordnung.

Trotzdem hat Uli natürlich Recht mit dem Vorschlag, sich den J. Meierschen crossfeed mal in der Praxis anzusehen. Dabei kann man sicher etwas dazulernen. Ich habe also mit meinen Soundman OKM Mikrofonen bewaffnet die Kopfhörer aufgesetzt und tapfer Aufzeichnungen von LogSweeps gemacht. (Natürlich nicht allzu laut, ich bin zwar neugierig aber kein Masochist. :D ). Zwei Szenarien habe ich dabei verglichen:
A. LogSweep ohne Beeinflussung
B. LogSweep mit der J.Meier Einstellung (Crossfeed-Level 9,5 dB; 650 Hz; 0,0280 ms)

Zum Vergleich habe ich die Audacity Dateien mit (((acourate))) bearbeitet und folgende Darstellung generiert:

Bild

Alle Kurven betreffen mein linkes Ohr. Die rote Kurve stammt aus dem Szenario A. Die grüne und blaue Kuve aus Szenario B. Die grüne Kurve entspricht dem Pfad L --> O_L, die blaue dem Übersprech-Effekt R --> O_L. Soweit ich damit sehen kann, macht der J. Meiersche Crossfeed folgendes:

1. Das Übersprechen findet mit einem bestimmten Pegel statt. Ich vermute 9,5 dB. Ob das stimmt, kann ich so nicht messen. Die blaue Kurve fällt gegenüber der grünen zwar zu höheren Frequenzen hin ab, ich führe das aber auf Verzerrungen meines Mikros bei einem solch kleinen Pegel zurück. (Diese Pegel waren bei der Aufnahme sehr niedrig. Schließlich habe ich bei der LogSweep Convolution normiert und ich wollte ja auch nicht taub werden bei dem Experiment.)

2. Oberhalb von 650 Hz wird der Frequenzgang beim direkten Pfad leicht angehoben. Was der Grund dafür ist, weiß ich nicht. Ich kann nur spekulieren. Vielleicht ist es ein frequenzabhängiger Dämpfungseffekt, der berücksichtigt werden soll. Vielleicht macht es das dirkete Signal brillianter.

3. Der indirekte Pfad ist zeitlich verzögert gegenüber dem dirketen u.z. vermutlich um 0,028 ms. Diesen Effekt kann man in dem Bild oben nicht sehen. Wenn ich die von mir aufgezeichneten Aufnahmen vergleiche ist die zeitliche Differenz gerade mal 1 Sample (bei einer Samplingrate von 48.000 pro s dauert ein Sample gerade mal 0,0208 ms). Meine Messgenauigkeit ist also nicht ausreichend um 0,028 ms nachzweisen. Ich komme bei dem einen Ohr auf 1 Sample und bei dem anderen Ohr auf 4. Aber 0,028 ms kann es also sein im Rahmen der Messgenauigkeit.

Der Effekt 3 irritiert mich allerdings. Durch elmentare geometrische Überlegungen (Laufzeiteffekt / Parallaxe von einem Ohr zum anderen) komme ich bei ca. 12 cm Ohrabstand auf den zehnfachen Wert ca. 0,2 ms. Auch meine Messungen hatten mit 9-11 zeitlicher Verzögerung haben das bestätigt. Mir ist unklar, was der J.Meiersche Crossfeed mit so einer kurzen zeitlichen Verzögerung erreichen will.

Viele Grüße
Harald
Bild
nihil.sine.causa
Aktiver Hörer
Beiträge: 1506
Registriert: 28.07.2011, 12:31
Wohnort: Bonn

Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Hans-Martin,

danke für diese Hinweise.
Hans-Martin hat geschrieben: XY ist für den Anfang besonders interessant, weil prinzipiell reine Intensitätsstereofonie, also noch überschaubar, keine Phasendrehungen.
Wenn ich Dich richtig verstehe, macht es Sinn, sich bei den (Stereo-) IKL-Vermeidungsexperimenten zuerst um Aufnahmen mit XY Mikrofonplatzierung zu kümmern.
Hans-Martin hat geschrieben:Hier einige Beispiele für Labels mit Angaben über deren Mikrofonplatzierung, damit man weiß, woran man ist hinsichtlich Frequenzgang der Mikros und Phasenbeziehung.
Wie kann man denn diese Mikrofonplatzierung aus den Aufnahmen herauslesen? Ich habe aufgeschnappt, dass XY-Mikrofonpositionierung mit positiver Phasenkorrelation verbunden ist. Wäre es für meinen Zweck ausreichend, auf eine positiven Phasenkorrelationsgrad zu achten?

Gruß
Harald
Bild
uli.brueggemann
Aktiver Hersteller
Beiträge: 4658
Registriert: 23.03.2009, 15:58
Wohnort: 33649
Kontaktdaten:

Beitrag von uli.brueggemann »

Hallo Harald,

1. um etwas mehr über die crossfeed-Funktion zu erfhren, empfiehlt es sich, dass Du z.B. mit Acourate einen Testtrack @ 48 kHz erzeugst. Z.B. Generate - Test signal - Länge 504000 (=10.5 sek) - Set to one at sample 24000 length 1. Z.B. als Kurve 1.

Nun per Strg-C nach Kurve 2 kopieren. Diese mit TD-Function - Rotate um 48000 Samples rechts rotieren.
Per TD-Function - Addition 1+2 nach 3 addieren. Kurve 2 wieder um 48000 Samples rechts rotieren. Addition 3+2 nach 1. 2 um 48000 Samples rotieren, zu 1 nach 3 addieren. Immer wechselseitig, bis eben 10 Pulse entstanden in einer Kurve entstanden sind. Das Ergebnis mit Strg-M nach Kurve 1 bewegen. Mit Strg-C nach Kurve 2 kopieren. Dann mit Save as Stereo-wav mit 24 bit abspeichern.

2. Mit Audacity diesen Testtrack abspielen und dabei über die Ohrmikros aufnehmen. Da der Puls sehr kurz ist (es macht eben jede Sekunde mal klick), musst Du auch die Lautstärke viel weniger runterdrehen. Wieweit, merkst Du dann schon selbst.

3. Aufnahme anschauen. Es sollte nun jede Sekunde auf jdem Kanal jeweils ein Puls gefolgt von einem kleineren zu sehen sein. Der Abstand ist das Delay in Samples und der kleinere Puls ist das Crossfeed des anderen Kanals. Mit Acourate kannst Du dann kleinere Stücke rausschneiden und den Frequenzgang für Hauptpuls, Crossfeed-Puls und auch beide zusammen anschauen.

Im Prinzip erhältst Du mit einer solchen Messung direkt die Filterantwoten. Im übrigen müsste auch die aus dem Logsweepsignal errechnete Pulsantwort so ein Verhalten aufzeigen.

Grüsse,
Uli
Bild
Hans-Martin
Aktiver Hörer
Beiträge: 9118
Registriert: 14.06.2009, 15:45

Beitrag von Hans-Martin »

nihil.sine.causa hat geschrieben: Wie kann man denn diese Mikrofonplatzierung aus den Aufnahmen herauslesen? Ich habe aufgeschnappt, dass XY-Mikrofonpositionierung mit positiver Phasenkorrelation verbunden ist. Wäre es für meinen Zweck ausreichend, auf eine positiven Phasenkorrelationsgrad zu achten?
Hallo Harald
Lesen aus den Beiheften, Hören aus der Musik.
Es spielt sich kaum etwas ausserhalb der Boxen ab, dafdür ist die Abbildung dazwischen relativ scharf.
Wenn man auf Mono schaltet, hat man keinen Höhenverlust.
Aufnahmen mit breit aufgestellten Kugelmikros haben den Höhenverlust recht auffällig, machen viel "Räumlichkeit" in Stereo. Bei denen ist es schwer, die richtige Polarität festzustellen, alle Phasengeschichten sind zufällig und überlagert. Deshalb würde ich z.B. Telarc meiden, auch wenn deren Wiedergabe mit der abgrundtiefen Wiedergabe verlockt, für Experimente im Mittel-Hochtonbereich ist das eher nix.
Bei ORTF ist der Ohrabstand bei den Mikros schon drin, bei XY nicht. XY nehmen quasi aus einem Punkt auf und das bringt auf dem Oszillogramm XY eine entsprechende schräge Balkendarstellung mit seitlichen Gekrissel, mehr als man theoretisch erwartet. Ich würde mir nicht zutrauen, aus der grafischen Darstellung anhand des Korrellationsgrads auf XY zu schließen und es von ORTF zu unterscheiden. Zeitliche Abläufe spielen auch ein Rolle, so verlasse ich mich schließlich auf mein Gehör und auf die LinerNotes, bzw Hinweise aus Artikeln oder Interviews.
Grüße Hans-Martin
Bild
Antworten