S-Laute - Problematik und Gegenmittel

Hans-Martin
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S-Laute - Problematik und Gegenmittel

Beitrag von Hans-Martin »

Die gegenwärtige Diskussion um S-Laute*, die nicht von dem Lautsprecher direkt ausgehen, sondern nur bei betimmter Aufstellungssituation lästig werden, veranlasst mich, einen neuen Thread zu starten.

* siehe hier http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic.php?f=40&t=3827

Ich werde hier verschiedene Aspekte aus meinem Blickwinkel darstellen und freue mich über konstruktive Beiträge zu diesem Thema.

Da das Thema besonders krass seit Einführung der Metallkalottenhochtöner mit etwa zeitgleicher Markteinführung der CD-Player nervt, sind viele Einflussgrößen im Spiel, die es zu analysieren gilt. Wenn es gelingt, Gegenmittel zu entwickeln, Auswege zu finden, können wir alle profitieren. Kürzlich schlugen Doug Sax und Stan Ricker unabhängig voneinander mir per E-Mail vor, doch einfach Vinyl zu hören... auf solche Antworten hatte ich, ehrlich gesagt, nicht gewartet.

Dass einige Aspekte in diesem Forum schon angesprochen und dokumentiert waren, und von Späteinsteigern nicht erkennbar im Archiv schlummern, ist vielleicht von den alten Hasen mit entsprechenden Links beizutragen.

Ich beginne zunächst mit Spektralanalysen verschiedener Musikbeispiele, die nach dem Kriterium acapella ausgesucht wurden, also unter Ausschluss von Begleitinstrumenten. Es wird also ausschließlich die spektrale Verteilung der Gesangsstimme dargestellt, allerdings nicht ohne den technischen Einfluss der Mikrofone und der nachfolgenden Tontechnik nach Gusto der Aufnahme- und Masteringtechniker.

Als erstes Männerstimmen Jonathan Livinston Taylor: Grandmas Hands.

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Die auffällige tieffrequente Komponente ist auf das rhythmische Fußstampfen hinten links bedingt. Der Bereich um 6kHz ist deutlich betont, liegt aber immer noch -24dB unter dem Rest.

The Persuasions sing The Beatles: Imagine

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Die dunkleren Männerstimmen haben sichtlich weniger Anteil bei 6kHz als das vorstehende Stück, beide bei Chesky Records.

Janis Joplin: Mercedes Benz

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Sara K.: Stars

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Ein Mix The Swingle Singers: Hungarian-Dance-No5

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Ob das Signal unverfälscht auf die CD kam oder durch De-Esser behandelt, kann ich nicht beurteilen. hier wollte ich zunächst das Spektrum menschlicher Stimmen darstellen.

Grüße Hans-Martin
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Jahresprogramm
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Beitrag von Jahresprogramm »

Hallo Hans-Martin,

ich finde es super durch solche Threads immer wieder für neue Aspekte sensibilisiert zu werden. Vielen Dank.
Hans-Martin hat geschrieben:Da das Thema besonders krass seit Einführung der Metallkalottenhochtöner mit etwa zeitgleicher Markteinführung der CD-Player nervt, sind viele Einflussgrößen im Spiel, die es zu analysieren gilt.
We
Wenn man die Anfänge der digitalen Aufnahme allgemein der Digitaltechnik betrachtet, stößt man unumgänglich mit dem Thema Preemphasis-codierte CD`s zusammen. Von diesen CD`s schwirren immer noch einige im Umlauf. Preemphasis wurde u.a. gerne auch bei Denon Classic in den frühen mit DDD gekennzeichneten Einspielungen verwendet. So will ich mit diesem Beitrag auch eine Brücke zum Thema "Hans-Martins Referenzaufnahmen zu Mikrofonierungstechniken" schlagen und hinterfragen, ob diese Codierung bei den S-Lauten ein Einfluss hat und ob unter den Referenzaufnahmen zu Mikrofonierungstechniken die eine oder andere Preemphasis CD dabei ist.

Grüße
Alex
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Alex

Heute ist Pre-/Deemphasis wohl aus der Mode gekommen aber in der Anfangszeit war es ein wichtiges Thema. Man gleubte wohl, die Hochtondynamik reichte nicht aus, deshalb wurde bei der Aufnahme angehoben, um bei der Wiedergabe abgesenkt zu werden. Blieb die Absenkung (heutige CD-Player) aus, hatte man das Problem:

10dB zuviel haben über 10kHz ist auch eine Hausnummer, es geht ja schon bei 500Hz los...

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Ich habe Denon CDs mit Preemphasis, darunter Die Rückkehr der Königin von Saba, das weiß ich, ansonsten muss ich suchen. Auch Stereoplay hat Preemphasis eingesetzt, bei Highlight CD4, wenn ich mich richtig erinnere. EAC zeigt es an, korrigiert es aber nicht. Bei Foobar scheint es ein Tool zu geben, was offenbar nicht ganz korrekt arbeitet.

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Hier ein zuverlässigen Bild von sengpielaudio.com

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Mangelnde Deemphasis ist gewiss ein Thema. Ich habe für gerippte Dateien ein Equalizer-Tool programmiert und gespeichert.

Grüße Hans-Martin
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Acourate Generate - RIAA/Deemphasis erzeugt für das Deemphasis ein Filter, das Sengpiel/SoX entspricht. Das könnte dann auch so verwendet werden. Wobei mir bis heute kein Anwender bekannt wäre.

Grüsse
Uli
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Jahresprogramm
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Beitrag von Jahresprogramm »

Hallo Hans-Martin,

für Foobar gibt es für Deemphasis ein neues DSP-PlugIn: foo_dsp_deemph.zip. Ich weiß zwar nicht wo die Grafik zum foo_dsp_effect her kommt, scheint aber nicht korrekt zu sein.

Hier ist eine andere Grafik:
hydrogenaudio hat geschrieben: original sweep = green
foo_dsp_effect = red
SoX deemph = yellow
WaveEmph = blue
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Augenscheinlich unterscheiden sich aber alle ziemlich zu der Grafik von Spenpielaudio.

Grüße
Alex
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Alex

...von HydrogenAudio

Grüße Hans-Martin
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Jahresprogramm
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Beitrag von Jahresprogramm »

Hallo,

dort in "HydrogenAudio" war ich auch - nur eine Seite weiter...

Es ist aber immer noch so, dass die Filter sich von der Grafik von Spengpielaudio augenscheinlich unterscheiden.

Grüße
Alex
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Jahresprogramm hat geschrieben: Es ist aber immer noch so, dass die Filter sich von der Grafik von Spengpielaudio augenscheinlich unterscheiden.
Alex,

worin? Weil Sengpielaudio eine Präemphasis anstelle einer Deemphasis darstellt?

Grüsse
Uli
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Jahresprogramm
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Beitrag von Jahresprogramm »

Hallo Uli,
uli.brueggemann hat geschrieben:worin? Weil Sengpielaudio eine Präemphasis anstelle einer Deemphasis darstellt?
Prä-/Deemphasis ist mir soweit klar.
Unterschiede sehe ich in Folgendem:
1. Verstärkung laut Spengpiel +10dB zur Absenkung laut Filter um ca. 7,7dB
2. Laut Spengpiel hat das Filter ab ca. 3kHz eine Steigung mit 6dB/Oktav bis +10dB. Das sollte wie in Hans-Martins 1. Grafik bis 1kHz eine Gerade ergeben. Die Filter zeigen ein etwas anderes Verhalten. Leider ist es nicht sehr deutlich erkennbar, weil nicht alle Grafiken log. Achsen haben.

Wahrscheinlich ist die Erklärung ganz einfach, wenn man die RIAA Empfehlung kennt.

Grüße
Alex

PS: Das Acourate Filter RIAA/Deemphasis ist bestimmt minimalphasig. Ob es das foo_dsp_deemph.zip auch ist....
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Alex,

die Absenkung ist ca. -9.5 dB.
Das Sengpiel-Bild ist eher qualitativ zu sehen.

Acourate rechnet beliebig minimalphasig oder linearphasig.
Nochmal dargestellt inkl. der Hilfslinien a la Sengpiel:
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Grüsse
Uli
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wgh52
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CD vs. akustisches Spektrum

Beitrag von wgh52 »

Hallo liebe De-eßßßer,

die Problematik der CD pre-/de-emphasis ist sicher vorhanden, aber durch das seltene Auftreten empfinde zumindest ich diese als Nebensache im Lichte der s-Schärfe-Problematik, die dieser Thread doch eigentlich behandeln soll....

Darum erlaube ich mir zum eigentlichen Thema eine Frage an Euch zu stellen, denn Hans-Martin hat ja im Startbeitrag bereits recht interessante Gesangsspektren eingestellt:
Nehmen wir also an, daß jemand ein (z.B. möglicherweise aufstellungs- oder raumreflektionsbedingtes) "ßßß"-Problem feststellt. Könnte man (als einen der ersten Schritte) nicht das direkt von CD aufgenommene Spektrum (s.o.) mit dem vergleichen, welches am Hörplatz per Mikrofon aufgenommen wurde (dargestellt mit der gleichen SW...) und auf Auffälligkeiten untersuchen? Ich könnte mir vorstellen, daß man den "gestörten" Frequenzbereich dadurch vielleicht besser eingrenzen könnte, um dann weitere, gezieltere Untersuchungen zu machen und evtl. geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Gruß,
Winfried

2593
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Beitrag von Jahresprogramm »

Uli,

danke. Jetzt ist es klarer. Ob jetzt -9,5dB, -8,5dB oder die von mir falsch abgelesenen-7,7dB da stehen ist wohl nicht entscheidend.
uli.brueggemann hat geschrieben:Acourate rechnet beliebig minimalphasig oder linearphasig.
Wie ich mit Acourate eindrucksvoll lernen dürfte, ist eine konstante Gruppenlauftzeit entscheidend für die S-Laute. So finde ich den Aspekt mit der minimalphasigen bzw. linearphasigen Berechnung an dieser Stelle ebenfalls sehr interessant.

Nun kommen wieder ein Paar Anfängerfragen: :roll:
Wenn das Filter für das Präemphasis minimaphasig (einfacher EQ) war, sollte auch das Deemphasis Filter minimalphasig (so wie im CD-Playern) sein. Wozu dann ein linearphasiges Deemphasis Filter? Oder wurden für das Präemphasis auch linearphasige Filter benutzt?

Grüße
Alex
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

wgh52 hat geschrieben: Nehmen wir also an, daß jemand ein (z.B. möglicherweise aufstellungs- oder raumreflektionsbedingtes) "ßßß"-Problem feststellt. Könnte man (als einen der ersten Schritte) nicht das direkt von CD aufgenommene Spektrum (s.o.) mit dem vergleichen, welches am Hörplatz per Mikrofon aufgenommen wurde (dargestellt mit der gleichen SW...) und auf Auffälligkeiten untersuchen?
Hallo Winfried
Es gibt ein einfaches Signal, genannt Haversine, halb Rechteck (untere Hälfte), halb Sinus (obere Hälfte).
Das sollte überschaubar sein.
Wenn man mit einem Mikrofon sich vom Lautsprecher entfernt und den Signalverlauf mit dem Oszillogramm des Originalsignals vergleicht, bekommt man den Eindruck, man könnte genausogut das Mikrofon an die Straße hängen, so wenig gibt das her. Das Messmikrofon macht keinen Richtungsunterschied, was also erwartet man angesichts der vielen Raumreflexionen?
Mit Ulis Logsweep und dem ständig wechselnden Signal mag es deutlich besser gehen, wenn ich Ulis vielfältige Auswertungen sehe. Zumindest denke ich das, aber speziell Erwins Problematik der S-Laute bei bestimmter Boxenaufstellung, bei andere Konstellation nicht, hat mich bewogen, hier das Thema S-Laute generell anzusprechen, während in Erwins Thread ein sehr spezieller Fall vorliegt, vielleicht ein Einzelfall. Auf jeden Fall ungewöhnlich. Da war ja der Vergleich Logsweep Messung gegen Originallogsweep als Methode eingesetzt.
Grüße Hans-Martin
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audiotools
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Beitrag von audiotools »

Hallo,
Ursache und Wirkung. Tatsächlich sind viele S -Laute nicht gut aufgenommen. Je besser der Abhörlautsprecher umso scheußlicher die Verzerrungen. Und umgekehrt. In den meisten Tonstudios wird mit Lautsprechern abgehört, daß der Toningenieur diplomatisch sagt: Ich kenne meine Lautsprecher.
Ich habe das Problem mit den S -Lauten in einem glücklichen Fall gelöst.
Erst U 87 - Amek 9098 -SPL DeEsser -Tubetech Kompressor. Dann MicPre für 3 TE, Mono.
Sofort DeEsser raus. Dann Kompressor raus. Die S -Laute wie in Natur, auch im Küchenradio.
So gehts. Und alles was hinterherkommt ist das Prinzip der Fehlerkorrektur durch Fehleraddition.
So gehts auch.
Wirklich, stehende Wellen bei S -Lauten ist schon etwas weit hergeholt...
Genausogut könnte Erwin den Hörplatz wechseln und damit die Wiedergabe der S -Laute in den Griff bekommen.
Ich gebe zu, nicht alles zu wissen. Aber ein S mit Kuß bekomme ich hin.
Vorausgesetzt, der Wandler kann die schmalbandige hohe Lautstärke sauber verarbeiten.

Nette Grüße
Berndt
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

audiotools hat geschrieben: Wirklich, stehende Wellen bei S -Lauten ist schon etwas weit hergeholt...
Genausogut könnte Erwin den Hörplatz wechseln und damit die Wiedergabe der S -Laute in den Griff bekommen.
Hallo Berndt
Ich habe für einen befreundeten Madrigalchor bei 3 Konzerten Aufnahmen gemacht. Beim Abhören der ersten Aufnahme hörte ich deutliche Verzerrungen, die ich beim zweiten Konzert durch geringere Aussteuerung zu vermeiden versuchte. Aber auch am Kopfhörer waren sie schon wahrnehmbar. Da bin ich nach vorn zu den Mikrofonen gegangen und habe festgestellt, dass schon das akustische Signal diese Schärfe in den Höhen enthielt. Das hohe Gewölbe im Altarraum der Kirche in Verbindung mit dem Steinboden war wohl die Ursache. Von den beiden Sopranistinnen ging viel Hochtonenergie aus.
Bei der 3. Aufnahme in einem Saal mit Akustikplatten an der Decke und Teppichboden waren diese "Verzerrungen" bei gleicher Mikrofon/Choraufstellung nicht mehr so auffällig vorhanden.

Es gibt Räume, da empfindet man seine eigene Stimme schon als unangenehm, wenn in den Höhen zuwenig Dämpfung vorhanden ist, und schallharte Flächen Flatterechos ermöglichen. Gerade die Ecken sind kritisch.
Ich denke, da liegt der Grund, weshalb in manchen Altbauten mit hohen Wänden Stuckleisten und Verzierungen nahe den Ecken, teilweise auch abgerundete Übergänge von Wand/Decke zu finden sind.
Heute gibt es Raumrunder
Grüße Hans-Martin
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