Wie funktioniert eigentlich Beamforming?

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bvk
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Wie funktioniert eigentlich Beamforming?

Beitrag von bvk »

Diese Frage stellte sich mir wieder einmal als ich über die neue Beolab 50 hier im Forum gelesen habe.

Eigentlich sollte es ja „ Beeinflussung von Schallfeldern“ heißen, aber „Beamforming“ klingt halt Science-fiction-mäßiger. Bei solchen Konzepten werden ja die Einzel- oder Gruppenchassis mit eigenen Verstärkerkanälen betrieben und auch kanalweise digital bearbeitet. Das kann auch mit mehreren 100 Kanälen zeitgleich gemacht werden, so z.B. bei großen Beschallungsanlagen.

Damit das funktioniert muss doch ein theoretisches Modell zugrunde liegen, wie Schallfelder auch kleinräumig gezielt gestaltbar sind. Ich konnte selbst erleben wie mit diesen Methoden einem absolut unterirdischen Raum für 500 Personen, trotz schallharter Begrenzungen, fehlender Diffusoren und ungünstiger Raumform eine hohe akustische Qualität verpasst wurde. Faszinierend.

Konkret: Nach welchem Regelwerk werden die zahlreichen Kanäle solcher Anlagen gehörrichtig optimiert und die große Kakophonie vermieden?

Grüße, Bernd
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

siehe z.B. https://www.google.com/patents/US8396233 und http://www.google.al/patents/US5233664
Oder auch https://referencehometheater.com/review ... ar-review/

Generell taucht in diesem Zusammenhang immer wieder das Huygensche Prinzip auf, siehe auch http://www.sengpielaudio.com/DasPrinzipVonHuygens.pdf

Grüsse
Uli
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Bernd,

"Beamforming" ist im Grunde nur ein anderes Wort für das Erzeugen einer kontrollierten Richtwirkung durch Interferenz. Die Grundprinzipien, eine Richtwirkung zu erzeugen, habe ich vor einiger Zeit mal hier zusammengefasst. Da ist auch die Interferenz kohärenter und inkohärenter Schallquellen dabei.

Es gibt einige Freiheitsgrade, mit denen man spielen kann:

- Abstand der Schallquellen
- Pegel
- Verzögerung
- Überlappung der Zweige

Hinzu kommt, dass sich die Wirkprinzipien der Richtwirkung überlagern. Die Form der Schallwand, Schallführungen usw. müssen auch berücksichtigt werden. Genauso wie die Größe der Schallquellen, die auch eine Richtwirkung erzeugt (und z.B. Nebenkeulen abschwächen/verstärken kann). Das ganze ist also relativ komplex. Eine theoretische Betrachtung mit idealen Punktschallquellen (wie Horbach/Keele es gemacht haben) ist zwar hilfreich, lässt sich aber nicht 1:1 auf die Realität übertragen.

Und noch was: bisher sind von B&O nur Messungen des horizontalen Abstrahlverhaltens veröffentlicht. Ich wette, dass das vertikale und diagonale deutlich schlechter aussieht.

Gruß
Nils
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Heule
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Beitrag von Heule »

Hallo Nils,

wenn der Klang aber so gut wie jeden begeistert, was sagt dann deine Aussage aus?
FoLLgoTT hat geschrieben:Und noch was: bisher sind von B&O nur Messungen des horizontalen Abstrahlverhaltens veröffentlicht. Ich wette, dass das vertikale und diagonale deutlich schlechter aussieht
Ich habe die Boxen aber noch nicht gehört, und kann zum Klang nichts eigenes sagen/schreiben.
Anscheinend hat B&O aber einen guten Job gemacht, wenn es so klingt wie viele schreiben.


Gruß Oliver
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Oliver,
Heule hat geschrieben:wenn der Klang aber so gut wie jeden begeistert, was sagt dann deine Aussage aus?
Genau das, was da steht. Du vermischst technische Parameter mit subjektiver Wahrnehmung. Ich habe über ersteres geschrieben und mit keinem Wort über zweites. Und das werde ich auch nicht tun. ;)

Gruß
Nils
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bvk
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Beitrag von bvk »

Bei der Frage ging es auch mir um das technisch / physikalische Prinzip. Die BeoLab oder die bekannten Sounbars sind nur "kleine" Beispiele für diese Techniken. Es gibt in Realität weitaus komplexere Systeme. zB in Hörsälen oder Konzerthallen.

Nils, deine Installation ist mir bekannt, hat mich auch schon beeindruckt, aber auch da habe ich nicht verstanden wie es möglich ist bei der Vielzahl heterogener Schallquellen und unterschiedlicher Chassis die über eine ganze Wand verteilt sind, Auslöschungen zu vermeiden. Es ist ja nicht einmal trivial nur 2 Chassis auf einer Schallwand zum optimalen Zusammenspiel zu überreden.

Das Verhalten von Wellen und Feldern ist faszinierend, wenn auch leider nicht intuitiv verständlich.

Bernd
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Bernd,
bvk hat geschrieben:Nils, deine Installation ist mir bekannt, hat mich auch schon beeindruckt, aber auch da habe ich nicht verstanden wie es möglich ist bei der Vielzahl heterogener Schallquellen und unterschiedlicher Chassis die über eine ganze Wand verteilt sind, Auslöschungen zu vermeiden.
Du meinst mein DBA? Da sind pro Gitter nur identische Treiber verbaut, das macht es relativ einfach. Der Trick ist, dass die Abstände der Treiber untereinander kleiner sind als die Hälfte der kleinsten Wellenlänge, die wiedergegeben werden soll. 100 Hz besitzt eine Wellenlänge von 3,4 m, deshalb kann man im Bassbereich die Abstände noch relativ groß halten.

Auslöschungen unter Winkeln sind auch gar nicht das Problem. Man möchte ja eine Bündelung erzeugen. Ein Problem sind vielmehr Nebenkeulen, die auftreten, wenn der Abstand größer ist als die halbe Wellenlänge. Denn dann addieren sich die Signale zweier Schallquellen unter größeren Winkeln konstruktiv. Das heißt, die Laufzeit beider Schallquellen beträgt bei der Frequenz genau die einer Wellenlänge.

Beim SBA/DBA kommt aber noch etwas anderes hinzu: die (Quer- und Vertikal-) Moden der einzelnen Treiber löschen sich gegenseitig aus. Übrig bleibt nur die Längsmode, die durch das hintere Gitter ausgelöscht wird.
Es ist ja nicht einmal trivial nur 2 Chassis auf einer Schallwand zum optimalen Zusammenspiel zu überreden.
Zwei Treiber auf einer realen Schallwand sind in der Tat schwieriger und komplexer. Bei einem DBA gibt es nämlich folgende Vereinfachung: die Wände erzeugen Spiegelschallquellen, so dass sich das Konstrukt nahezu so verhält wie auf einer unendlichen Schallwand. Ein freistehender Lautsprecher ist in dieser Hinsicht weitaus schwieriger zu beherrschen.
Das Verhalten von Wellen und Feldern ist faszinierend, wenn auch leider nicht intuitiv verständlich.
Ja, ich habe auch Jahre gebraucht, um das Verständnis aufzubauen. Extrem viel hat mir die BEM-Simulation geholfen. Denn damit kann man zum einen Sachen ausprobieren, die in der Wirklichkeit nicht gehen und zum anderen kann man Wirkprinzipien erforschen, ohne dass sie von anderen überlagert werden (z.B. Punktschallquellen im "Nichts" oder beliebige Gehäusegeometrien). Wenn man diese Wirkprinzipien erst mal voneinander separiert hat, wird vieles klarer. Das habe ich versucht, in dem Dokument oben zu beschreiben. :)

Gruß
Nils
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

bvk hat geschrieben:Konkret: Nach welchem Regelwerk werden die zahlreichen Kanäle solcher Anlagen gehörrichtig optimiert und die große Kakophonie vermieden?
Dazu noch ein Literaturhinweis: http://iem.kug.ac.at/fileadmin/media/ie ... siller.pdf um zumindest erste Vorstellungen zu bekommen.

Grüsse
Uli
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bvk
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Beitrag von bvk »

Ja, dann werde ich mir mal die Literatur etwas zu Gemüte führen.
Besten Dank für die Erklärungen und Links.
Bernd
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