Lipshitz-Vanderkooy-Weiche in Analogtechnik

phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Cool wäre wenn man die miniDSP Dinger mit den Entwicklungstools programmieren könnte, welche ursprünglich für die verwendeten DSP gebaut wurden. Dann wären subtractive delay und komplexe Filterstrukturen auch mit den miniDSP ein Kinderspiel (abgesehen von den Bugs):

https://ez.analog.com/message/31313

Gruss

Charles
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

miniDSP hat den miniSHARC Kit im Programm. Wenn man sich ein bisschen durch die Links liest, findet man, dass Acourate und rePhase auch FIR Implementierungen mit über I²S angeschlossenen DACs zulassen. Ich kaue das selbst gerade etwas durch, weil mein DEQX "nur" 3-Wege FIR Weichen kann und ich vier Wege brauche.

Nur so als Anreiz zum recherchieren.

Gruß,
Winfried

3317
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Hallo Hermann

Das ist schon ein ziemlich aufwendiges Projekt.

Bitte beachte die Unterschiede zwischen einer echten Vanderkoyweiche und einer Subtraktionsweiche mit Allpassglieder à la Elektor Silbersand AGM usw.

Die Subtraktionsweiche (welche ja auch schon analog ist) hat exakt deckungsgleiche Phasengangverläufe in allen Wegen, und ist somit vorteilhaft für ein konstantes Abstrahlverhalten der Box, weil sich die Richtcharakteristik nicht auffächert (zumindest trägt die Weiche nicht dazu bei). Sie hat aber eine miserable Gruppenlaufzeit und ist was die Addition der Signale am Ausgang aller Wege betrifft, nicht zeitrichtig.

Anders die echte Vanderkooy-Weiche mit echten Zeitverzögerungsglieder. Diese ist gruppenlaufzeitrichtig bzw. zeitrichtig. Wenn man alle Ausgänge der Wege addiert, kommt exakt das Signal raus wie man am Eingang der Weiche reinschickt. Aber die Phasengänge der Ausgänge fallen total auseinander.

Es ist jetzt eine Glaubensfrage, was man eher hört. Beide Vorteile zu vereinen geht meines Wissens nur mit echten FIR Filtern. Diese analog zu realisieren dürfte dann eine echte Herausforderung sein. Vielleicht einen 2m hoher 19 Zoll Schrank neben den Lautsprecher stellen, in welcher sich die Weiche befindet?

In meiner BM76 werkelt eine digitale echte Vanderkoyweiche, bei welcher sich die Phasengänge der einzelnen Wege nicht decken, dafür aber gruppenlaufzeitrichtig ist.

Ich persönlich bin zu dem Schluss gekommen, das dies der bessere Weg ist. Aber das ist meine persöhnliche Meinung und muss sich nicht mit dem Hörempfinden anderer decken.

Aber noch viel Erfolg

Ralph
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Die Lösung ist eigentlich einfach:

- Man konstruiert analog -- passiv oder aktiv -- eine 0° phasenstarre (und damit zwangsweise nicht linearphasige) Trennung, z.B. Linkwitz-Riley, z.B. als (Implementations-)Subtraktionsweiche (eine der beliebig vielen technische Möglichkeiten das zu tun).
- Will man ein linearphasiges Gesamtresultat, entzerrt man vorher die Phase im Sendesignal mit einem FIR-Filter, dessen Kernel die zeitinvertierte Impulsantwort der Allpassfunktion der Trennung ist. Wenn man von PC aus digital zuspielt, ist das praktisch trivial einfach, und für (fast) Null Euro, zu realisieren.

Subtractive-Delayed ist zwar linearphasig aber nicht 0° phasenstarr und keult entprechend off-axis. Dito, bzw. noch schlimmer (da hoher Phasen-Offset und entprechend viel Peaking der Wege), ist eine analoge (Funktions-)Subtraktive-Weiche (HP = 1 - TP, oder umgekehrt), speziell wenn sie höhere Ordnung ist.

Ich wiederhole mich, hier nochmal das Ganze: http://trinaural.de/vb3/showpost.php?p= ... stcount=46

Die Mühe eine rein analoge Subtractive-Delayed-Weiche zu bauen halte ich für dringend zu vermeiden, bzw komplett sinnlos wenn ich ehrlich bin. Komplette Resourcenverschwendung in allen Aspekten.
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

KSTR hat geschrieben:- Will man ein linearphasiges Gesamtresultat, entzerrt man vorher die Phase im Sendesignal mit einem FIR-Filter, dessen Kernel die zeitinvertierte Impulsantwort der Allpassfunktion der Trennung ist. Wenn man von PC aus digital zuspielt, ist das praktisch trivial einfach, und für (fast) Null Euro, zu realisieren.
Klaus,

klar kann man mit einem FIR-Filter einen Allpass machen, der zeitinvertiert das Verhalten der Weiche korrigiert. Dann könnte man doch auch gleich die ganze Weiche per FIR realisieren. Ok, man braucht dann mehrere Kanäle, während man bei der Kombi analoge Weiche + digitale Zeitkorrektur mit den beiden Stereokanälen auskommt.

Grüsse
Uli
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Ja, aber der beschriebene Weg ist extrem einfach (zB bei bereits vorhandener Aktivbox) und hat den Vorteil, nicht auf das FIR-Gedöns und dessen Hardware (welche auch immer) angewiesen zu sein, im Notfall.
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Schon klaro.
Es ist eine nette Aufgabe, bei einer vorhandenen Weiche dann das Summenverhalten zu messen und entsprechend ein FIR-Filter zu erstellen :D Also dann ohne Chassis und Raum. Wobei auch klar ein sollte, dass dann weitere Delays durch unterschiedliche Anordnung der akustischen Zentren damit auch noch nicht erfasst sind.

Grüsse
Uli
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dietert
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Beitrag von dietert »

Hallo in die Runde,

die Idee, solche Weichen als Analogrechner zu bauen, passt im Jahr 2015 nicht mehr so richtig. Analogrechner waren im Vergleich mit der heutigen Digitaltechnik nie mehr als ein Behelf.

Für mich als Audio-Entwickler hat sich noch eine Anordnung bewährt, die hier noch nicht genannt wurde. Sie besteht aus einem lautlosen Windows-PC mit Foobar2000, Visual Studio, externer Soundkarte, z.B. Motu. Damit kann man recht effektiv experimentieren, der Einstieg war vom Aufwand vergleichbar mit Beschaffung und Einstieg in eine DSP-Entwicklungsumgebung. Für Foobar2000 gibt es für den Einsteiger Convolver- und Weichen-Plugins mit Quelltexten. Wenn man das einmal stehen hat, sind Änderungen an den Filtern oder A-B-Vergleiche recht gut zu machen. Das ist halt der ganz große Vorteil der Digitaltechnik, dass man letzlich mit einem Mausklick die ganze Konfiguration ändern kann, während einer Hörprobe.

Für Embedded-Implementierungen sehe ich vor allem XMOS und Cortex M7 auf mich zu kommen. Beide Architekturen sind leistungsfähig, und man kann damit ähnlich aufwendige Filteranordnungen wie mit einem PC rechnen, wenn es nicht gerade Fließkomma sein muss.

Dieter T.
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madherm
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Beitrag von madherm »

Vielen Dank an alle fuer die konstruktiven Vorschlaege.

Ich moechte noch einmal klarstellen, ich habe nicht vor diese Art von Weiche in analog zu realisieren, sondern ich wollte nur mir selbst (und aber auch dem Forum) vorstellen, um welchen Aufwand es sich wirklich handeln wuerde. Der Grund: Die Hemmschwelle in die DIgitaltechnik einzusteigen ist fuer viele immer noch hoch.
Wenn also mit vertretbarem Aufwand eine solche Weiche moeglich waere, so koennten auch solche Leute experimentel aktiv werden.

In diesem Sinn fand ich die Anregung von Dieter interessant zuerst einmal digitale Loesungen in mehr oder weniger Homestudio Umgebung auszuprobieren, und dann erst mit DSP Entwicklungskits zu beginnen. Sobald ich erste vorzeigbare Ergebnisse habe, melde ich mich wieder.

Als naechsten Beitrag werde ich ein anderes Thema anregen: Bei all den Experimenten mit verschiedenen Weichen: Kann man sich auf nachvollziehbare Messverfahren einigen, um die Qualitaet eines jedweden Produkts zu bestimmen, oder sind wir fuer immer und ewig auf "leicht und luftig, unangestrengt spielende Streicher und genaue rauemliche Zeichnung" angwiesen? Welche Messparameter, ausser Energiezerfallspektrum, Winkelverteilung, Klirrfaktor ... sind aussagekraeftig? Ohren und damit verbundenen SInneseindruecke sind halt so sehr subjektiv ...
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Hallo Hermann

Für mich ist eines der größten Probleme der analogen Weichen die darin auftretende Gruppenlaufzeitverzerrungen.

Für mich ist es erst mal das!! Qualitätsmerkmal.

Gib mal ein Rechtecksignal von 2KHz auf den Eingang einer analogen Weiche, summiere alle Ausgänge der Weiche mit Hilfe eines mit einen Operationsverstärker aufgebauten Summierverstärkers, und hänge am Ausgang des Summierverstärkers einen Oszillografen. Was da rauskommt hat nur entfernt Ähnlichkeit mit dem Rechtecksignal am Eingang.

Da macht auch die analoge aufgebaute "Vanderkoy" ?? -Weiche keine Ausnahme, weil diese Phasenschieber verwendet, und keine echten Verzögerungsglieder.

Andere Qualitätsmerkmale wie Klirrfaktor IM-Verzerrungen usw. treten dabei unter diesem Gesichtspunkt für mich vollkommen in den Hintergrund.

Auch LR Weichen oder die vielgerühmte Z-Weichen benehmen sich diesbezüglich nicht anders.

Diese Nachteile sind analog nur mit einer 6db Weiche oder eben digital zu umgehen.

Ralph
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Ralph Berres hat geschrieben:Gib mal ein Rechtecksignal von 2KHz auf den Eingang einer analogen Weiche, summiere alle Ausgänge der Weiche mit Hilfe eines mit einen Operationsverstärker aufgebauten Summierverstärkers, und hänge am Ausgang des Summierverstärkers einen Oszillografen. Was da rauskommt hat nur entfernt Ähnlichkeit mit dem Rechtecksignal am Eingang.
Das geht doch sowieso NIE ausser wenn man das Verhalten der Chassis explizit mit reinnimmt, weil immer gilt: Weiche != Trennung. Chassis sind nicht beliebig breitbandig als dass man ihren Amplituden- und Phasengang vernachlässigen darf und einfach 1 einsetzen könnte.
Da macht auch die analoge aufgebaute "Vanderkoy" ?? -Weiche keine Ausnahme, weil diese Phasenschieber verwendet, und keine echten Verzögerungsglieder.
Wenn ein Allpass-Delaykette ein Butterworth-Verhalten (maximal flach bis Punkt des Wegbrechens) der Gruppenlaufzeit einhält, sagen wir bis 25kHz (GLZ-Änderung zB -10% als Kriterium für diese Eckfrequenz), dann ist das innerhalb der Audiobandbreite betrachtet identisch mit einem echten Delay weil mit nichts von einem solchen zu unterschieden (auch auf einem Oszi nicht, wenn es eben richtig bandbegrenzt ist, nehmen wir also eine 44.1kHz-Soundkarte als Oszi). Eine Unterscheidung echte Totzeit vs Gruppenlaufzeit ist ein Frage der Bandbreite in der man das betrachtet.
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

KSTR hat geschrieben:Das geht doch sowieso NIE ausser wenn man das Verhalten der Chassis explizit mit reinnimmt, weil immer gilt: Weiche != Trennung. Chassis sind nicht beliebig breitbandig als dass man ihren Amplituden- und Phasengang vernachlässigen darf und einfach 1 einsetzen könnte.
Ich gehe immer von einen aktiv geregelten System aus. Der verhält sich was Gruppenlaufzeit betrifft, schon recht ordentlich.
Wenn ein Allpass-Delaykette ein Butterworth-Verhalten (maximal flach bis Punkt des Wegbrechens) der Gruppenlaufzeit einhält, sagen wir bis 25kHz (GLZ-Änderung zB -10% als Kriterium für diese Eckfrequenz), ...

Tut es aber bei der analogen Subtraktionsweiche nicht.


Ralph
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Doch, hast du denn Hermanns Dokument nicht gelesen? Er kaskadiert ein ganzes Rudel Allpässe mit jeweils 80uS GLZ sauber bis 20kHz, wie in dem Plot zu erkennen. Zu Sicherheit würde man zwar etwas höher gehen in der Frequenz, aber das spielt keine entschiedende Rolle.

Denn sowieso ist in den einschlägigen Papers (von Lipshitz&Vanderkooy, und von Kreskovsky) sowohl im Formelwerk wie im Text von einem Time-Delay die Rede und nicht von einem Phasenschieber.

Es handelt sich hier um eine linearphaseige delayed-subtractive Weiche (ein Konzept), das hat nix mit hier im AH generell (und mE fälschlicherweise) als Subtraktionsweiche bezeichneten ganz normalen nicht-linearphasigem Konstrukt zu tun (auch wenn es per Subtraktion von einen Allpass implementiert ist).
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Ralph Berres hat geschrieben:Diese Nachteile sind analog nur mit einer 6db Weiche oder eben digital zu umgehen.
Es gibt auch linearphasige analoge Trennungen höherer Ordnung, die ohne Delay auskommen. Oder eben welche mit Delay (per Delay-Allpass).
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Ralph Berres hat geschrieben:Da macht auch die analoge aufgebaute "Vanderkoy" ?? -Weiche keine Ausnahme, weil diese Phasenschieber verwendet, und keine echten Verzögerungsglieder.
Was nun, wie ich erläuterte, nachweislich falsch ist.
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