Senkt eine Regelung (hörbar) den Klirr?

O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Klaus,

in der Umgebung von Fb eines BR-Gehäuse hat die Membrangeschwindigkeit (auch der Membranhub) eines Treibers die Charakteristik einer Bandsperre, so wie es in meinem Post illustriert ist.

Mir ist nicht ganz klar, wie oder wo dies bei Deinem Ansatz zur Erzeugung der Führungsgröße modelliert wird ?

Grüße Oliver
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Aus meiner Sicht kommt die Diskussion mittlerweile etwas vom Thema ab. Natürlich ist es interessant über andere Möglichkeiten zu diskutieren, aber hier geht es um die Hörbarkeit von Klirr an geregelten Systemen.

Ich könnte sagen, ja, denn wenn sich einige von Euch an meine Experimente mit einer Rückkopplung von Doppelschwingspulenchassis erinnern, dann kann ich auf meine Messung vom Klirr im Bereich von 10 - 100Hz verweisen. Ich beschrieb, dass bei 10 Hz, aber auch bei 20Hz ein deutliches "Schäppern" ohne Regelung wahrzunehmen war. Sobald ich den Regelkreis dazu schaltete war das praktisch nicht mehr zu hören, obwohl ich beide Versionen mit und ohne Regelung identisch im Bass entzerrt hatte.

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Ich denke aber, dass das nicht der wichtigste Punkt bei der Betrachtung ist, sondern die Tatsache, dass eine Regelung auch andere Bereiche erfasst, wie Temperatureinfüße ( die Auswirkungen darüber habe ich bereits auch hören können ), oder dass sich die Einbauparameter ( Thielle & Small ) mit zunehmender Auslenkung auch ändern.

Letztendlich wird es wie immer eine Frage sein in wie fern das für Hörer und Entwickler relevant ist, denn wie schon oft festgestellt wird das mal mehr oder weniger für den jeweiligen Kreis wichtig sein.
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

OK, Cay-Uwe hat recht, dennoch noch die kurze Antwort : Die Sollgröße, d.h. die Übertragungsfunktion des Sensors, wird vorab einfach am Objekt gemessen statt modelliert, wie beschrieben. Später wird damit das Musiksignal gefaltet (statt das Original zu senden) und ich habe damit direkt mein 'modelliertes' (d.h. idealsiertes) Geschwindigkeits-Signal was der Sensor liefern sollte, aber nicht exakt tun wird, und die Differenz biegt die Regelung hin. Ist jetzt nicht High-End bzgl Signal-to-Noise vom DAC, aber für ein Experiment reichts.
Und die zusätzliche normale Entzerrung (FIR) kommt einfach wie sonst obendrauf (praktisch : wird mit in den Faltungskern hinein gerechnet, dann ist's nur ein einziger solcher).

Was ich nicht getan habe (was aber uU sinnvoll wäre), ist die elektrische Dämpfung einzustellen bei der Messung. Da der Treiber und das Gehäuse bereits auf BR ordentlich parametriert sind, ist das auch nicht zwingend nötig, d.h. normaler Spannungsantrieb. Würde man ein Chassis mit zu hohem oder zu niedrigem Qts nehmen, würde es aber Sinn machen... bzw kommt drauf an was halt will (uU eben ein absichtlich fehlabgestimmtes BR).
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Klaus,

bei Deinem beschriebenen Versuch/Ansatz wurde - so stelle ich es mir vor - das System, so wie es in einem moderaten Auslenkungszustand gemessen wurde, als "Ideal seiner selbst" verwendet. Dieser Grundgedanke hat sicher einen gewissen Charme, den ich auch erkennen kann ...

Im Bereich direkt um Fb herum hat man es jedoch bei üblichen Abstimmungen mit einem recht schmalbandigen Hubminimum zu tun und sowohl die Chassisparameter als auch Fb (durch die Gehäuseabstimmung) sind nicht perfekt unabhängig von der Auslenkung.

Es ist daher m.E. bei dieser Vorgehensweise nahezu unvermeidlich, daß es im Bereich um Fb herum im realen Betrieb durch die Regelung sowohl zu Gegen- als auch zu Mitkopplungen kommen kann.

Das "Führungssystem" und das "zu führende" Realsystem müssen daher sehr wahrscheinlich anders aufeinander abgestimmt werden, um ein gut regelbares bzw. geregeltes BR-System zu erreichen:

- hervorragende Linearität von Gehäusekammer und Port im geplanten Auslenkungsberereich

- moderate Güte Qb (z.B. <6) des "Realsystems", um auslenkungsabhängige "Verstimmungseffekte" von vornherein abzumildern.

- das Führungssystem (die Führungsgröße) repräsentiert eben nicht das "Realsystem", sondern eine Version mit merklich erhöhter Bandbreite des Hubminimums und etwas flacherer Gruppenlaufzeit.

Auf die Art kann m.E. breitbandig um Fb herum eine stabile Gegenkoplung auch dann noch erreicht werden, wenn das Realsystem sich (z.B. durch leichte Turbulenzen im Port oder andere Effekte) geringfügig (auch auslenkungsabhängig) verstimmt.

Ich war in meinem Post http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 75#p105081
auf alle drei Punkte - die letzten beiden können m.E. in Deinem Ansatz aus prinzipiellen Gründen noch nicht berücksichtigt sein, denn Du hast das Originalsystem zur Generierung der Führungsgröße verwendet - bereits eingegangen, d.h. ich hatte die von Dir angesprochenen Probleme bereits mit "im Hinterkopf".

Auch die Hubkurven blau (Soll) und orange (Beispiel für IST) der Grafik des Posts zeigen - evt. nicht deutlich genug - daß mein angedachtes Führungssystem sich ganz bewusst anders als das Originalsystem verhält und daher breitbandig um Fb herum eine Gegenkopplung selbst dann bereitstellt, wenn es zu geringfügigen Verstimmungen des zu regelnden Realsystems kommen sollte.

Das war zumindest mein Ansatz ... ein Test steht aus :wink:


Grüße Oliver
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Hallo Oliver,

das Problem liegt nicht in der Regelung des Chassis auf welches Soll auch immer (funktioniert ganz prima), sondern allein in der nicht mehr vorhandene Dämpfung des Helmholtz-Resonators durch das Chassis, weil das Chassis nicht mehr auf die Luftlast reagiert. Selbst wenn ich es dann trotzdem so bewege wie es das auch täte im natürlichen Fall (was meine Methode direkt ermöglicht) habe ich dennoch nur eine 'emulierte Dämpfung' für den absolut linearen und störungsfreien Fall des Verhaltens des Luftvolumens. Diffentiell ist die Dämpfung aber für jede noch so kleine Störung (des Verhaltens der Luft, nicht der Chassisbewegung weil die ist ja hart geregelt) nicht mehr vorhanden und genau das ist eben das Problem, ausser man mach den Helmi für sich allein ausreichend verlustbehaftet... was natürlich geht, aber seine Tücken hat. Oder man reduziert die Regelwirkung so drastisch, dass das (z.B. per Stromantrieb entdämpfte) Chassis eine sinnvolle effektive Güte erreicht.
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

KSTR hat geschrieben: Diffentiell ist die Dämpfung aber für jede noch so kleine Störung (des Verhaltens der Luft, nicht der Chassisbewegung weil die ist ja hart geregelt) nicht mehr vorhanden und genau das ist eben das Problem, ...
Hallo Klaus,

ich denke, wir schreiben vom selben Pferd ... nur aus anderen Perspektiven. Denn was heißt "Störung" in diesem Zusammenhang ?

Klar kann man das Chassis recht streng nach "Soll" führen, aber u.U. passt die Bewegung des realen Helmholtz Resonators nicht in allen Auslenkungen (für alle Pegel) exakt dazu:
U.a. kann sich Fb (real) durch leichte Turbulenzen im Port (verursacht effektive Querschnittsvererengung) "nach tiefer" verstimmen.

Ein anschauliches Beispiel dazu:

Geringfügig unterhalb Fb(ideal), also dem Hubminimum "des idealen" (Führungs-) Systems soll der Membranhub wieder zunehmen.

Wenn sich jedoch Fb(real) auf eine tiefere Frequenz Fb(real) < Fb(ideal) verstimmt hat, dann zwingt die Regelung das Chassis nun, genau bei Fb(real) (wo jetzt das Hubminimum "hingehören" würde ...) mehr Hub zu machen und auf diese Weise Energie in den Resonator zu pumpen: Dumm gelaufen !

Meine Vorschläge sind m.E. durchaus geeignet, diese Probleme vollständig(?) zu umgehen. Denn das Hubminimum des "Realsystems" liegt bei meiner Variante wie in einer "Badewanne" als "Toleranzmulde" stets breitbandig oberhalb des Hubminimums des Führungssystems.

Mein Gesamtsystem verhält sich stets so, daß der Membranhub in der Umgebung von Fb (real) (a) durch die Regelung reduziert wird, und daß dies (b) auch "die richtige" Maßnahme selbst bei kleinen Verstimmungen von Fb (real) gegnüber Fb(ideal) ist.

Eine solche Toleranz gegenüber Verstimmung war in Deinem Versuch/Ansatz nicht vorgesehen und sie fällt auch nicht vom Himmel: Das Führungssystem muß dazu entsprechend konstruiert werden. Das schließt m.E. ein, "den realen Resonator" nicht als Störfaktor zu sehen, sondern ihn in einer "hinreichend toleranten" Variante im Führungssystem abzubilden. Dazu muß sein (Großsignal-)Verhalten möglichst vollständig bekannt sein und ggf. zu diesem Zweck auch "gezähmt" werden (*).

Du "regelst" m.E. bei Deinem Ansatz das Chassis "sehr korrekt" für ein Gehäusesystem, in das es für die meiste Zeit gar nicht mehr eingebaut ist: Denn Gehäuse und Port verhalten sich meist merklich anders, als es Grundlage für den Entwurf des Führungssystems war. Dies macht Dein System "intolerant" und es kann sich in der Umgebung von Fb nicht mehr korrekt zw. Gegenkopplung und Mitkopplung entscheiden:

Dem Chassis wird zwar weiterhin die Hubkurve des "Idealsystems" aufgezwungen (d.h. es "funktioniert" scheinbar ...), aber der Resonator hat sich unterdessen evt. verstimmt und würde ein anderes Verhalten erfordern.

Um dies Problem zu vermeiden, muss das Führungssystem gegenüber dem Realsystem jedoch modifizierte Parameter aufweisen (das "Zahmere" regelt das "Wildere" ... ). Um eine solche "Einbettung" der realen "Hubkurvenschar" in die Hubkurve des Führungssystems zu unterstützen, sind m.E. auch weitere Maßnahmen potentiell hilfreich

- Umgebung des Hubminimums des Führungssystems breitbandiger und auf etwas niedrigerem Level halten als beim Realsystem

- Gehäusegüte Qb des realen Gehäuses sinnvoll begrenzen

- Gehäuse und Port (Querschnitt) für hohe Linearität auslegen

- Gegenkopplung in der Regelung des Treibers nicht "beliebig hart" machen, insbesondere dann nicht, wenn die anderen Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt werden können.

Vgl. hierzu auch das Bild im Post:
http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 75#p105081


Wie gesagt, ich spreche nur von einem Ansatz, der Test steht aus ... :wink:

Aber um eine Regelung "um Fb herum" scheinen sich manche gern "herumzumogeln": Auch B&M hat dies bei der BM 30 getan und regelt den Hub offenbar merklich oberhalb Fb ab, also gerade da, wo es doch (eigentlich) erst "interessant" würde ... 8)

Denn wer BR-Systeme einsetzt, der will mit deutlich weniger Membranfläche und/oder weniger Hub auskommen als bei CB. Da lässt man m.E. (nach Möglichkeit) nicht "die halbe Mahlzeit" stehen und man verbaut sich m.E. auch nicht die Möglichkeit für Abstimmungen mit einen "sanften" Rolloff-Verhalten: Dann kann man es nämlich auch ganz bleiben lassen mit der Regelung ...


Grüße Oliver

__________
(*) Wir scheinen in diesem Punkt übereinzustimmen, aber ich bin ziemlich sicher, daß man Qb dazu noch auf "interessant hohen" Werten belassen kann.
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Einigen wir uns einfach auf : Degenerieren wir die Abstimmung und Regelung solange bis es annehmbar funktioniert. :)
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Es gab einmal im JAES einen Artikel wo ein geregeltes Reflex-System beschrieben wurde. Falls ich über den Artikel stolpere, melde ich mich diesebezügich wieder.

Ein anderes System, welches BR mit Regelung darstellt, ist das System von Meyersound (X-10). Bei diesem wird aber nicht die Membranbeschleunigung als Regelgrösse genommen, sondern der effektive akustische Output.

Gruss

Charles
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Ja, die X-10 ist ein Klassiker. Allerdings dürfte die Regelwirkung nicht so besonders hoch sein.

Moderne, innovative flexible Variante : Powersoft IPAL. Arbeitet mit einem Differenz-Drucksensor (aussen/innen) und eignet sich auch perfekt für Reflex, weil *keine* Membranregelung, sondern eine Druckregelung ... zusammen mit einer konfigurierbarer Endstufe bzgl. ihrer Ausgangsimpedanz, von der Stromquelle bis negativen Replika der statischen Schwingspulenimpedanz. Klirrreduktion steht aber ganz weit unten auf der Agenda dieses Systems für PA-Subwoofer-Anwendungen.
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

@Klaus

Zur Ergänzung IPAL:

"Practical applications of a Closed Feedback Loop Transducer system equipped with
Differential Pressure Control", Fabio Blasizzo, Paolo Desii, Mario Di Cola, Claudio Lastrucci,
Convention Paper Presented at the 131st Convention 2011 October 20–23 New York, NY, USA

Das AES Paper findet sich ab S.11 dieses PDFs:
http://www.assitec-audio.com/Powersoft+ ... uction.pdf


Grüße Oliver
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blueolymp
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Beitrag von blueolymp »

Martin Audio (London) baut seit einiger Zeit Bässe, die sie als "Hybrid-Subs" bezeichnen und deren Gehäuse als eine Kombination von Horn und Reflex ausgelegt sind.

Der MLX Sub des sehr innovativen MLA PA-Systems von Martin Audio ist ein solcher Hybrid Bass. Es ist ein doppel 18" mit IPAL Regelung und Amp.

https://martin-audio.com/mla/mlxsub/mlx-subbass

Gruß Schorse
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Rein subjektiv betrachtet sollte das Meyer System wohl die bessere Tonqualität liefern können. Es benutzt immerhin den Abgestrahlten Schall als regelgrösse. Das IPAL System arbeitet mit Differenzdruck. D.h. die eine Seite des Sensors ist einer Grösse ausgesetzt, welche selbst bei einem theoretisch linearen Schallwandler nichtlinear werden kann alleine durch die Nichtlinearität der Luft. Schon in einer HiFi Box kann der Schalldruck Pegel erreichen, bei denen die Luft nichtlineares Verhalten zeigt.

Gruss

Charles
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