AcourateDRC

planetti
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Beitrag von planetti »

zur Ergänzung zum oben beschriebenen Workflow meine bescheidenen Erfahrungen:

Vorab:

AcourateDRC ist eine vereinfachte und bedienerfreundliche Version des Windows-Programms Acourate, die ausschließlich fertige .xml-Dateien für den 2-Kanal OpenDRC/miniSHARC (siehe Beitrag "OpenDRC von MiniDSP" unter Raumakustik) erstellt.

Nach einer Registrierung kann man mit dem Programm nur messen, zum Erstellen der Filter braucht es die kostenpflichtige Aktivierung (ca.100€). Die Bedienung ist ähnlich und so einfach wie Dirac beim DDRC. Weitere Infos unter http://www.audiovero.de/acouratedrc.php. In der Hilfe-Datei stehen leicht verständlich die grundsätzlichen Bedienungsschritte.

Da die Auflösung der 6144 FIR-Taps im OpenDRC nur eine gleichmäßige Unterteilung mit 7.8125 Hz/Tap erlaubt, nutzt AcourateDRC klugerweise dessen IIR-Filter (belegt als Advanced Biquadparameter) als Ergänzung des FIR-Filters für die genaue Korrektur im unteren Frequenzband. Weiterhin kann AcourateDRC auch eine Phasenkorrektur ausführen. Wie was automatisch berechnet wird, ist nicht ersichtlich, weiß aber Mr. Acourate Uli Brüggemann. Dafür ist es ohne tiefgreifendes Fachwissen bedienbar.

Vorbereitung:

1) Kalibrierdaten des Mikrofons als Textdatei "miccal48.txt" ins Arbeits-Verzeichnis ...\Dokumente (oder so..)\AcourateDRC legen
2) AcourateDRC starten, im Menü Messen die gesamte Messkette mit dem Testrauschen überprüfen und in den Pegeln/Gain anpassen

Vorgehen:

1) Projektnamen vergeben und ggf. Einstellungen anpassen, wenn man zum wiederholten Mal misst (siehe Tips)
2) Messen des Logsweeps an einem Messpunkt
3) Verlauf der Zielkurve bestimmen und Berechnungsparameter konfigurieren
4) Berechnen und das Ergebnis beurteilen, ggf. und Parameter anpassen (siehe Tips)
5) mit dem miniDSP Plugin die erzeugte .xml-Datei laden und an den OpenDRC senden
6) Probehören und ggf. weitere Parameter oder Zielkurve anpassen oder Musik genießen

Tips:

zu 2) Das Mikrofon kann man an einem Messpunkt ca. 10cm hinter dem Sweet-Spot platzieren, zwischen die zwei Lautsprecher gerichtet, wenn die Kalibrierdatei auf 0° eingemessen wurde. Die gemessenen Werte sollten nicht übersteuern, aber auch nicht einen zu niedrigen Pegel aufweisen. Den Verstärker am besten so weit aufdrehen, wie man laut Musik hören würde (80-85dB).

zu 3) Die Zielkurve (Targetcurve) bestimmt den gewünschten Frequenzverlauf und kann graphisch (oder numerisch in der Acourate.ini) verändert werden. Für Raummessungen ist die ab 1kHz abgesenkte Zielkurve ein guter Beginn. Rolloff kompensiert mitunter die messtechnisch bedingte Schärfe im Hochtonbereich. Shelf kann man dazu nutzen, den Bass etwas kräftiger abzubilden, Quick'n'dip beinhaltet drei frei parametrische Regler für manuelle Korrekturen oder Effekte (z.B. Loudness), Rollon bei empfindlichen Möbeln oder Nachbarn.
Bei der Einstellung "Phase+Amplitude" wird ein Filter erstellt, das auch eine Phasenkorrektur durchführt, aber dafür eine Verzögerung von 64ms zur Folge hat. Bei "Amplitude" werden minimalphasige Filter mit einer wesentlich geringeren Latenz erzeugt aber ohne die (Exzess-)Phasenkorrektur.
Wenn man zweiseitig Weichen betreibt, dann auf 6-IIR; bei einseitigen Weichen (nur Tief- oder Hochpass) kann man 10-IIR Parameter wählen (derzeit muss man manuell in der .xml die Werte für die einseitige Weiche eintragen).

zu 4) Die Glättung so wählen, wie der Hörplatz erfordert: Eine harte, geringe Glättung bewirkt eine ausgeprägtere Korrekturkurve und somit eine stärkere Korrektur, allerdings an der einen gemessenen Position. An einer anderen Hörposition wird diese starke Korrektur nicht mehr passen und sich stärker negativ auswirken.
Die maximale Pegelabsenkung (in den Voreinstellungen) so gering wie nötig wählen, damit die Lautstärkeeinbuße nicht zu groß wird, aber groß genug, um Frequenzgangsenken gerade auszugleichen, wie man im Frequenzverlauf der gemessenen zu der korrigierten Kurve erkennen kann.
Im Graph des Berechnungsergebnisses sollte im Verlauf die korrigierte Kurve von der gemessenen Kurve im tiefsten Punkt fast berührt werden. In der Ansicht der FIR-IIR-Kontrolle sieht man den Verlauf und die Verteilung der Korrektur auf FIR und IIR-Filter. Ein Einstellknopf nach oben (+5) verändert die Verteilung zugunsten der FIR-Filter. Dies könnte hilfreich sein, wenn die IIR-Filter instabil werden oder Ansätze von Preringing durch die FIR-Filter verringert werden sollen. Sind Ausreißer (>ca.5dB) im Verlauf der FIR-Kontroll-Kurve zu sehen, so wird man wahrscheinlich Preringing haben. Ab der Version 2.1.4 sollte man stufenweise die Einstellung für FWD (Frequency Dependent Windowing) verringern können, was gegen diesen unerwünschten Effekt wirkt, indem das Zeitfenster bei der Pulsantwort verkürzt und somit mehr der Direktschall betrachtet wird. Bei meinem schallharten, hallenden Raum musste ich auf FWD=2 runtergehen, um eine "saubere" Korrektur zu bekommen.
Die Graphen der Impuls- bzw. Sprungantwort der Messung geben Auskunft über das Zeitverhalten des Lautsprechers und Reflexionen, der RT60 Verlauf zeigt Informationen über die Halldauer im Raum über die Frequenz.

zu 5) Es wird immer eine neue AcourateDRC.xml erzeugt, also immer die zu sichernde .xml umbenennen. Das .xml-File könnte man manuell bearbeiten, falls notwendig.

zu 6) Zunächst erscheint das Klangbild wahrscheinlich leise und matt. Das ist normal, weil die Korrektur bis zu 10dB Schalldruck kosten kann. Einfach etwas reinhören, dann stellt man allmählich die positiven Veränderungen fest. Es ist zu empfehlen, zuerst auf Preringing zu achten und zu eliminieren (siehe FWD unter 4.). Es hört sich bei z.B. knackiger Basedrum wie ein "Vorpumpgeräusch" an. Später kann man nach und nach die erwünschte Targetkurve anpassen.

Alle Ausführungen beziehen sich zumindest auf die Version 2.1.3., teilweise auf eine Vorabversion 2.1.4.

Was bringt's, wie klingt's:

AcourateDRC holt aus dem OpenDRC eine Menge raus und bewirkt richtig angewandt eine deutlich hörbare Verbesserung dahingehend, wie sie von den Acourate-Usern oft beschrieben wird. Das Gespann kann auch größere Klangmängel in bedürftigen Musikanlagen ausgleichen. Bei einem guten Setup wird das Klangbild ruhiger und entspannter, die Instrumente bleiben an ihrem Platz und sind besser ortbar, der Bass wirkt schneller und tiefer, alles wirkt klarer und echter. Ich höre nicht mehr ohne.
Obwohl das Programm in der Bedienung sehr einfach ist, stellt es keine "One-Button-Lösung" dar, weil man doch an die individuellen Gegebenheiten iterativ optimieren muss bzw. kann. Das bessere Ergebnis rechtfertigt den Aufwand.
Derzeit ist das Programm nur in Verbindung mit dem OpenDRC/Minisharc nutzbar und es fehlen leider gegenüber der Acourate-Vollversion viele Funktionen wie z.B. PRC oder FIR-Weichenfunktionen. Uli Brüggemanns exzellenter Service ist auch für AcourateDRC-Nutzer verfügbar.

Über den Tellerrand:

Als direkte Alternative kann man nur das teurere Bundle von MiniDSP mit dem DDRC und angepassten Dirac als Korrektursoftware sehen. Ein internationaler User gibt diesem System aber keinen Zugewinn. Den OpenDRC kann man auch mit Daten anderer Korrekturfiltersoftware wie PORC oder align2 füttern, jedoch habe ich keinen User gefunden, der damit bessere Ergebnisse erzielte. Rephase ist ein vielseitiges Tool für die manuelle Erstellung von FIR-Filtern, kann aber keine Korrekturfilter für die Raumakustik berechnen.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

planetti hat geschrieben:Tips:
zu 2) Das Mikrofon kann man an einem Messpunkt ca. 10cm hinter dem Sweet-Spot platzieren, zwischen die zwei Lautsprecher gerichtet, wenn die Kalibrierdatei auf 0° eingemessen wurde.
Hallo Uli,

kann man, muss aber nicht. Wenn man den Sweetspot in allen 3 Achsen zentimetergenau durch Hören herausfinden kann, warum sollte man diesen Ort gezielt vermeiden?

Vielleicht, um 1 Mikrofon für 1 Messung am Schnittpunkt der Achsen zwischen jeweiliger Box und entsprechendem Ohr zu platzieren? Was kann an einer Messung gut sein, die an einem anderen Ort vorgenommen wird als wo man hört? Wenn man einen Sweetspot gefunden hat, und Acourate einsetzt, um diesen noch weiter zu optimieren, warum an einem Ort messen, der dafür gar nicht relevant ist? Wenn man Tip 2 folgt und korrigiert, wird dann der Sweetspot 10cm nach hinten wandern? Würde der Sweetspot dorthin verlegt, wo die Messung stattfand, müsste man nach Tip 2 eine neue Messung durchführen, wieder 10cm zurück, usw., es ergibt sich ein Iterationsverfahren, bis man in Absurdistan angelangt ist.
zu 3) Die Zielkurve (Targetcurve) bestimmt den gewünschten Frequenzverlauf und kann graphisch (oder numerisch in der Acourate.ini) verändert werden. Für Raummessungen ist die ab 1kHz abgesenkte Zielkurve ein guter Beginn. Rolloff kompensiert mitunter die messtechnisch bedingte Schärfe im Hochtonbereich.
Messtechnisch bedingt? Wenn die "Schärfe" bei der vollendeten "Korrektur" auftritt, ist das wohl eher auf falschen Umgang mit der Messung und Zielkurve zurückzuführen. Wenn am selben Ort die zitierte Schärfe im unkorrigierten Signal hörbar nicht auftrat, hat man eine Zielkurve vorgegeben, die den am Messplatz natürlichen Roll-off nicht berücksichtigt, und man "korrigiert" etwas, was keiner Korrektur bedarf. Vermutlich aus der Vorstellung heraus, dass ein linearer Frequenzgang am Hörplatz ideal sei.

Auch wäre hilfreich, das Mikrofon und seine Richtcharakteristik genau zu kennen. Schließlich benutzt man ein Mikrofon (Druckempfänger, gebaut für reflexionsfreie Räume) im Diffusfeld und die Kugelcharakteristik gilt nur bis 1kHz, darüber wird es abenteuerlich.

Betreff: Kalibrierung von Messmikrofonen

Betreff: Wer misst, misst Mist?

Grüße Hans-Martin
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Hallo Uli,
planetti hat geschrieben:[...] Das Mikrofon kann man an einem Messpunkt ca. 10cm hinter dem Sweet-Spot platzieren, zwischen die zwei Lautsprecher gerichtet, wenn die Kalibrierdatei auf 0° eingemessen wurde. [...]
Ich bin auch kein Freund von diesem Tipp. Weniger wegen der Position im Raum, sondern wegen der Kombination von der Mikrofonausrichtung und dem Kalibrierfile. Das Kalibrierfile gilt für 0°, d.h. direkte Ausrichtung des Mikrofons auf den Lautsprecher. Im beschriebenen Tipp besteht aber in Realität ein Einfallswinkel von etwa 30°.

Was geschieht dabei: Es wird mit echten 30° Einfallswinkel gemessen. Dies führt üblicherweise zu einer Absenkung im Hochtonbereich gegenüber einem Einfallswinkel von 0°. D.h. nach Anwendung des 0°-Kalibrierfiles sieht Acourate (oder auch jedes andere Meßprogramm) eine Hochtonabsenkung, die real gar nicht vorhanden ist und sich nur aus dem Meßaufbau ergibt. Die Raumkorrektur weiß dies nicht und wird im Ergebnis überkompensieren, d.h. sie fügt zu viel Hochton hinzu. Wie viel "zuviel" hängt von der Richtcharakteristik des benutzten Mikrofons ab.

Wenn schon in so einer Anordnung gemessen werden soll -- das Argument, eine 0°-Grad Messung sei näher am nach vorne orientierten Gehör des Menschen, kann ich nachvollziehen -- sollte auch die richtige Korrekturdatei vorhanden sein.

Viele Grüße,
Andree
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planetti
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Beitrag von planetti »

an alle Foristen:

Bitte Jungs, das sind nur Starter-Tip(p)s, die auf meinen Erfahrungen, Recherchen und Überlegungen beruhen, es soll nicht als akribische und heilige Handlungsvorschrift verstanden werden. Bisher konnte man halt über AcourateDRC nicht viele Informationen finden. Gegenteiliges oder Ergänzendes darf gerne hinzugefügt werden. :wink:

Hallo Hans-Martin und Buschel,

danke für das Feedback. Natürlich ist der pauschale Vorschlag diskutabel:
planetti hat geschrieben:[...] Das Mikrofon kann man an einem Messpunkt ca. 10cm hinter dem Sweet-Spot platzieren, zwischen die zwei Lautsprecher gerichtet, wenn die Kalibrierdatei auf 0° eingemessen wurde. [...]
Eure Kritiken sind auch berechtigt, dessen bin ich mir bewusst und darüber gibt es auch zahllose Ausarbeitungen und Diskussionen. :?

Der Tip(p) versucht nur, aus allen Informationen und Erfahrungen einen einfachen Ausgangspunkt für eine Messung darzustellen, denn es ist doch in der Praxis schwer realisierbar, mit einem Mikrofon (mit irgendeiner Richtungs-Frequenz-Charakteristik und einer 0°-irgendein-Abstand-Kalibrierung) über einen Messketten-Filter dann die 100% wahre Schallinformation (die durch die zwei Ohren an irgendeinem festpositionierten Kopf über die individuelle Ohrmuschel in einen Hörkanal dringen) aufzugreifen. AcourateDRC nimmt die Sweep-Messung für links, für rechts und dann für beide Kanäle ohne Unterbrechungsmöglichkeit auf, somit ist man zusätzlich auf einen Kompromiss angewiesen. Die 90°-Mikrofon-Kalibrierung schließt diesen Effekt zwar aus, gewichtet aber die Reflexionen von Decke und Boden anders, insbesondere bei schallharten Hörräumen. Meine Erfahrung ist, dass der Versatz der Messkapsel ein wenig nach hinten den Sweet-Spot besser abbildet als die Position an der Nasenspitze (und ein sehr geringer Rolloff am Frequenzbandende). Letzendlich muss der AcourateDRC-Anwender etwas messen, das einigermaßen repräsentativ ist, und das durch die Anpassung der Zielkurve ungefähr zu dem führt, was erreicht werden soll. Die Optimierung der gesamten Raummessung am Sweet-Spot füllt gewiss einen eigenen Thread.

Also, nix für ungut :cheers:
Uli (nicht der Brüggemann)
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Uli

Nasenspitze? Wer hört mit der Nase?

Kennst du https://groups.yahoo.com/neo/groups/acourate/info? Eventuell kann Uli B. den Link entsprechend korrigieren oder dich einladen.

Acourate ist ein extrem vielseitiges Tool mit einem hohen Potenzial an Präzision.
planetti hat geschrieben: Letzendlich muss der AcourateDRC-Anwender etwas messen, das einigermaßen repräsentativ ist, und das durch die Anpassung der Zielkurve ungefähr zu dem führt, was erreicht werden soll.
Das hast du schön gesagt, aber was bedeutet das?

Aus meiner Sicht würde ich - ähnlich - so formulieren:
Letzendlich muss der AcourateDRC-Anwender etwas messen und das einigermaßen realistisch interpretieren, und wenn er weiß, was er erreichen möchte, kann er die Zielkurve entsprechend gestalten.
Meine Erfahrung ist, dass der Versatz der Messkapsel ein wenig nach hinten den Sweet-Spot besser abbildet als die Position an der Nasenspitze (und ein sehr geringer Rolloff am Frequenzbandende).
Den Mittelpunkt zwischen den beiden Ohren am Hörplatz erwähnst du nicht. Hast du den (nicht) probiert?

Wenn man den Raum auf der Stereo-Mittelachse abgeht, erfährt man sehr verschiedene Ergebnisse bezüglich Klangfarben und räumlicher Abbildung. Eigentlich müsste man eine Vielzahl von Messungen machen und auswerten in Bezug zum jeweils lokalen Klangeindruck.

Ich vereinfache das, indem ich erst meinen Sweetspot finde und dann dort messe. Der Frequenzgang ist ja nicht allein alles, was man hören kann. Aber vielleicht verstehen wir unter Sweetspot etwas Unterschiedliches.

Grüße Hans-Martin
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Buschel
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Beitrag von Buschel »

Hallo Uli,
planetti hat geschrieben:AcourateDRC nimmt die Sweep-Messung für links, für rechts und dann für beide Kanäle ohne Unterbrechungsmöglichkeit auf, somit ist man zusätzlich auf einen Kompromiss angewiesen.
Ich verwende zwar AcouratePro und nicht -DRC. Aber ließe sich das bei der DRC-Variante nicht auch dadurch lösen, dass man zwei Meßdurchläufe macht ? Einmal Mikro direkt auf den linken, danach einmal auf den rechten Lautsprecher. Als Meßergebnis oder Ergebnis der Filterberechnung nimmt man nur den jeweils linken bzw. rechten Kanal?
planetti hat geschrieben:Also, nix für ungut
Nö, passt schon. :cheers:

Viele Grüße,
Andree
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Zur Mikrofonpositionierung:
Man mache sich doch einfach mal eine Zeichnung mit zwei LS und dem Kopf mit Ohren am Hörplatz. Und zeichne dabei den direkten Schallweg vom linken LS zum linken Ohr bzw. rechten LS zum rechten Ohr ein. Dann kann man den Strahl auch weiter verlängern, es gibt dann einen Schnittpunkt hinter den Ohren. Nun kann man trefflich diskutieren, was der Abstand Ohren zum Schnittpunkt bewirkt. Ist die Änderung des Schalls nicht so groß, dann würde man mit Mikro am Schnittpunkt den Direktschall mit dieser Mikroposition prima aufnehmen. Allerdings ergeben sich dann für Reflektionen andere Schallwege zum Mikro als zu den Ohren.

Verlagert man das Mikro zur Kopfmitte, ergibt sich eine Winkelabweichung zwischen Direktschall zu Mikro bzw. zu den Ohren. Reflektionswege sind ebenfalls unterschiedlich. Mit dem Mikro an der Nasenspitze wird es noch schlechter. Genau genommen müsste man also mit einem Mikrofonpaar aufnehmen, jedes Mikro quasi am Ohr positioniert. Hans-Martin kennt das, er hat schon darüber berichtet.

Allerdings ergibt sich letztlich die Frage, ob man nicht irgendwann übertreibt. Spätestens wenn der Kopf bewegt wird, passt es dann auch nicht mehr. Und wer will schon festgenagelt hören. In der Realität ist es dann ja auch noch so, dass ein Crosstalk vom linken LS zum rechten Ohr bzw. vom rechten LS zum linken Ohr stattfindet.

Drei Sweeps bei AcourateDRC:
Viele miniDSP-Anwender setzen auch gern das UMIK-1 USB-Mikrofon ein. Welches Clockabweichungen gegenüber der DA-Wandler-Clock aufweisen kann. Dazu habe ich hier im Forum schon geschrieben. Mit den drei Sweeps werden Clockabweichungen ermittelt und per SRC korrigiert. Die Qualität leidet m.E. trotzdem dabei.

Grüsse
Uli
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Joerghag
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Beitrag von Joerghag »

Hans-Martin hat geschrieben:... Wenn man den Sweetspot in allen 3 Achsen zentimetergenau durch Hören herausfinden kann, warum sollte man diesen Ort gezielt vermeiden? ...
Hallo Hans-Martin,

man kann auch wirklich jedes Thema akademisch zerreden. Die aufgezeigte Anleitung ist doch erstmal eine gute Richtschnur. Über die Position in cm muß man sich wirklich nicht unterhalten. Uli Brueggemann hat es mir schon vorweggenommen, für die Position 10 cm hinter dem Sitzplatz/Kopfposition (Sweetspott ist hier imho verkehrt) gibt es durchaus einen Grund. Letztlich ist es aber 20cm um den Kopfmittelpunkt völlig egal, wo das Mikrofon steht. Eine Abweichung zur Seite ist möglicherweise durch eine minimal verschobene Mitte noch zu merken, ansonsten ist das im echten Leben echt Latte.

Gruß Jörg
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

uli.brueggemann hat geschrieben:Zur Mikrofonpositionierung:
Man mache sich doch einfach mal eine Zeichnung mit zwei LS und dem Kopf mit Ohren am Hörplatz. Und zeichne dabei den direkten Schallweg vom linken LS zum linken Ohr bzw. rechten LS zum rechten Ohr ein. Dann kann man den Strahl auch weiter verlängern, es gibt dann einen Schnittpunkt hinter den Ohren. Nun kann man trefflich diskutieren, was der Abstand Ohren zum Schnittpunkt bewirkt. Ist die Änderung des Schalls nicht so groß, dann würde man mit Mikro am Schnittpunkt den Direktschall mit dieser Mikroposition prima aufnehmen.
Hallo Uli

die Orientierung nach dem Lautsprecherabstrahlwinkel und dem FG-Unterschied bei gradueller Abweichung von etwa 3° gehört mMn in den Bereich Lautsprecherkorrektur und nicht zur Raumkorrektur. Für die Lautsprecherkorrektur kann man mMn besser eine Freifeldmessung unter diesem Winkel machen und die resultierenden Fehler separat korrigieren, bevor es zur Raumkorrektur kommt. Die Abstandsänderung (Kopfbewegung vor und zurück bezüglich Längsmoden des Raums) zeigt normalerweise ein erkennbares Optimum, und das ist für mich in einem engeren Bereich als 10cm erhörbar.
Allerdings ergeben sich dann für Reflektionen andere Schallwege zum Mikro als zu den Ohren
Bei der Bewegung rein vor/zurück ändern sich unter symmetrischen Bedingungen die Reflexionen ebenfalls spiegelbildlich. Seitliche Bewegungen verschlechtern die Symmetrie und der Focus der Phantomschallquellen verschwimmt.
Verlagert man das Mikro zur Kopfmitte, ergibt sich eine Winkelabweichung zwischen Direktschall zu Mikro bzw. zu den Ohren. Reflektionswege sind ebenfalls unterschiedlich.
Wenn man den Direktschallstrahl des jeweiligen Lautsprecher durch die Ohrposition verlängert, und den an der näheren Seitenwand reflektierten Strahl ebenso, werden diese beiden sich per definitionem kaum woanders relevanter treffen als beim Ohr.

Vergleicht man zum zitierten Messpunkt 10cm, gerät alles mehr aus den Fugen als wenn man die Kopfmitte nimmt oder einen Punkt knapp dahinter, dann entscheide ich mich lieber für den Punkt, den ich als Sweetspot gehört haben, genaugenommen die Ohrenachse in den Raummoden. Dort sehe ich die Hauptaufgabe von Raumkorrektur.
Genaugenommen müsste man also mit einem Mikrofonpaar aufnehmen, jedes Mikro quasi am Ohr positioniert. Hans-Martin kennt das, er hat schon darüber berichtet.
Genaugenommen landet man in einem Dilemma, denn den Kopf kann man kaum stillhalten.
Allerdings ergibt sich letztlich die Frage, ob man nicht irgendwann übertreibt. Spätestens wenn der Kopf bewegt wird, passt es dann auch nicht mehr. Und wer will schon festgenagelt hören.
In der Realität ist es dann ja auch noch so, dass ein Crosstalk vom linken LS zum rechten Ohr bzw. vom rechten LS zum linken Ohr stattfindet.
So sehe ich das auch.

Man darf auch nicht vernachlässigen, dass die Messung geglättet wird. Und an den Punkten im Bereich der gewöhnlichen Kopfbewegungen beim Hörplatz könnte man einzeln messen und nach Mittelwertbildung weiterverarbeiten. 10cm Fehlabstand sind 1/4 Wellenlänge von 857Hz. Ich plädiere nach wie vor dafür, die Raumkorrektur für höhere Frequenzen auszusetzen, es sei denn, Lautsprecherkorrektur ist dort angesagt.

Grüsse Hans-Martin
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Daihedz
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Beitrag von Daihedz »

Hallo Hans-Martin, hallo Uli
Hans-Martin hat geschrieben: ... Genaugenommen landet man in einem Dilemma, denn den Kopf kann man kaum stillhalten. ...
Jawoll. Wir audiophilen Zappelphilippe stossen hier unbarmherzig an eine schmerzhafte Grenze...

... oder glücklicherweise doch noch nicht:

http://www.uke.de/extern/akimrt/Downloa ... 1Pokoj.pdf

Wie wärs denn mit einem Acourate-Kit mit Straps?

Wackelfeste Grüsse
Simon
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planetti
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Beitrag von planetti »

Sehr gut, Simon! :lol:

Vielen Dank für den Exkurs in die Messtechnik, nun zurück zum Threadthema:

Was kann AcourateDRC (derzeit) nicht? (Stand 09/2015)
  • Einzelmessungen
    Dadurch, dass die 3 Sweeps (wegen des USB-Mikrofons UMIK-1) ohne Unterbrechungsmöglichkeit durchgeführt werden, kann man keine 100% angepasste Ausrichtung des Mikrofons durchführen (siehe Diskussion oben). Auch das Korrigieren eines Kopfhörers mit nur einem Mikrofon ist somit nicht möglich.
  • FIR-Weichen und -Funktionen
    AcourateDRC kann selbst keine FIR-Weichen erstellen, und verarbeitet (convolved) leider auch keine externen Filter (wie z.B. von rePhase). Mit dieser Kompatibilität wäre die Vielseitigkeit der FIR-Funktionen unschlagbar und einmalig am Markt.
  • Erstellen von Filtern für den miniSHARC
    AcourateDRC bietet zwar die Möglichkeit, die Anzahl der zu Filter-Taps auf 2048 oder 1024 zu begrenzen, jedoch werden die Werte einfach in die .xml-Datei für das OpenDRC 2x2-Plugin geschrieben. Diese Option habe ich nicht begriffen. Es ist im miniSHARC 4x8 Plugin 48kHz nicht direkt verwendbar, sondern müsste manuell in dessen .xml hineingepfriemelt werden.
    Weiterhin berechnet AcourateDRC auf der Einstellung 2048 oder 1024 Taps nur die Amplituden-Korrektur ohne Phasenkorrektur und ohne Unterstützung der mindestens 10 IIR-Filter pro Kanal. Auch die Erstellung von einem Filter für das miniSHARC 4x8 Plugin 96kHz ist nicht vorgesehen.
  • PRC (Pre Ringing Compensation)
    Dieses sehr sinnvolle Feature von Acourate Vollversion ist nicht vorhanden. Dadurch sind die Filter anfälliger für Preringing. Man muss viele Einstellungen (insbesondere FWD) zurücknehmen und testen, um diesen unerwünschten Effekt möglichst gering zu halten.
  • Filterexport
    AcourateDRC erstellt die Filter ausschließlich mit 6144Taps @ 48kHz im .xml-Format für den OpenDRC. Der FIR-Filter-Export (@ 44.1kHz in einer .wav oder .txt) für die Verwendung in einem anderen System wäre ein nicht zu verachtendes Zuckerl.
Falls für das eine oder andere gesteigerte Interesse vorhanden ist, so könnte man vielleicht Herrn Dr. Brüggemann überzeugen, dies in künftigen Versionen zu integrieren. Vielleicht entsteht mal neben dem großen "Werkzeugkasten Acourate" das einfache, vielseitige "Schweizer Taschenmesser AcourateDRC". ;-)
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