Entzerrung von Elektrostaten, Dipolen und Linearrays im Raum

Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hi Nils
Hatte deinen Beitrag bereits mit Interesse verfolgt, sehr schön! Lesenswert.

Es ist nicht zuu diffus, keine Angst, ich erwarte nur dass die Bühne 2.5 Meter weit weg ist wenn der Lautsprecher auch 2.5 Meter weg ist. Zumindest getestet an einer mittigen Mono-Stimme hallfrei aufgenommen.

Der übliche Kistenlautsprecher stellt hier auf 1.5-2.0 Meter nah dar. Der rückbedämpfte Elektrostat sogar auf 1 Meter nah ! Sehr extrem.

Als Fehlerquelle beschuldige ich die nicht lineare Diffusfeldentzerrung oder Gesamt-Raum-Energie.
Das ist meine Motivation (unter anderem) den Kugelstrahler vorran zu bringen. Die Räumlichkeit ist schlicht perfekt. Leider nur mit neutralen Aufnahmen (im stark bedämpften Studio einzeln aufgenommene Instrumente und per Paning platziert, ohne Laufzeit und Halleffekte).... Bei allen anderen Aufnahmen ist es etwas falsch aber immernoch geil anzuhören. Nur mit dem Kugelstrahler kann man sogar bei der Orgel jede einzelne Pfeiffe orten. Bei normalen Kisten ist es ein Einheitsbrei. Aber off topic hier...
Weiter mit den MEssungen heute abend.

Grüezi
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

So. Weiter im Text.

2. Die Nahfeldlinearisierung

Wir messen den schönen Bass und Fullrange 1cm Nahfeld vertikal entlang der Membran und Summieren (rot):
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Wir müssen vor der Korrektur den Bafflestep abziehen sonst korrigieren wir falsch.
Dazu legen wir mit zuvor genannter Formel 344/Schallwandbreite= 1039Hz, Q0.5, -6dB Shelving an (grün).
Dann erhalten wir die eigentliche Korrektur (braun) und das wunderschöne Ergebnis (blau).

Das ist eine gute Basis um Schallwandfehler später zusammen mit Membranfehler zu korrigieren.
Membranfehler halten sich beim Elektrostaten erstaunlich in Grenzen. Bei 200 und 400 Hz gibt es Rahmen-Interferenzen. Zwischen 1-2kHz stören die horizontalen Streben der Statoren.
Die Folie selbst scheint keinerlei Eigenleben zu haben.
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Step 3 und 4:

Beschreibt die Nahfeld Entzerrung für Mittel-Hochton inklusive der "Gehäuse"-Fehler.
Dazu brauchen wir etwas Abstand. Bei 1cm werden diese noch ausgeblendet.
Wir nehmen 50cm und ziehen in kleinen Abständen (5-10cm) weiter weg zwecks Beamforming.

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Ab ca. 500Hz aufwärts lässt die Reflektionsfreie Fensterung (5-10ms) eine sinnvolle Korrektur zu.
Zwecks Unterscheidung nach Präzedenzeffekt korrigieren wir maximal genau die erste Wellenfront.
Darunter ist ein Eigenleben der Membran sowie Schallwandresonanzen unwahrscheinlich.
Eher aber OpenBaffle Effekte, welche sich auf Hörabstand noch ändern, deswegen lassen wir diese ersteinmal unangetastet.

Sieht aber schon schön aus. IACC 99,8% ohne Raum.
Hier etwas genauer und unten mit FDW 15-15:
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Zu einer Fehlerabstimmung und merkwürdigem Klang kam es bei der falschen Fernfeld-Abstimmung.
2 Meter auf Achse funktionieren nicht, wenn der Hörplatz 2.5 Meter und 15° außerhalb der Achse liegen.
Besonders die OpenBaffle Fehler variieren stark im Winkel, sogar noch im Hochton 1-4kHz.

Die Freifeld Abstimmung macht auch so wenig Sinn da Dipole extremst mit dem Raum interagieren.
Oft beworbene Vorteile des offenen Prinzips ergeben sich meiner Meinung nach nur in Kombination mit aufwendig geschickter Aufstellung + Hörplatzentzerrung. Wer das nicht kann oder will, bleibt lieber beim geschlossenen oder halb-offenen System!

Nach endlosen Tagen leidvoller Erkenntnisse: Dipole haben Vor und Nachteile.
Die Frontwand Reflektion trägt maßgeblich zur realistischeren Bühne, Distanz, Größen-Darstellung bei.
Eine falsche Aufstellung und keine Raumkorrektur führt zu Diffusität und starker tonaler Fehler.
Dipolkonzepte zu kaufen und unverändert im Raum abzuspielen gehört für mich ab jetzt zur Sünde!
Übliche wohnzimmertaugliche Schallwandbreiten modifizieren Positionsabhängig genau den sensibelsten Präsenzbereich was zu starken Verfärbungen führt.

Hier die vorentzerrte Fernfeldmessung.
Einmal 2 Meter Beamforming mit Schaumkammer, einmal Hörplatz (versetzt):

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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Im letzten Schritt habe ich mir am Hörplatz ein Beamforming aufgenommen.
Dies verringert alle Reflektionen bis auf die Front Wand. Welche mit 1 Meter ca 5ms Verzögerung hat.
Dies passt gut zur Korrektur der ersten Wellenfront. Dahinter markieren wir und fügen über TDf Stille zwischen der Markierung.
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Die Inverse der ersten Wellenfront erfordert lediglich 1/24tel Oktavglättung. Dies reicht bis knapp unter 1kHz.
Darunter verwendete ich das FDW 6-6 mit Mehrfachfaltung. Ohne dabei die Grenzfrequenz bei 43Hz zu verschieben.
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Das Ergebnis schauen wir uns im 20ms Fenster an (grün) und einmal mit Reflektionsdämpfung per FDW 6-6 (braun). Sehr schön.
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Nun wollen wir das ganze mit einem Hochpass versehen, zwecks Paarung mit dem Subwoofer, damit der Elektrostat auch mal laut kann. Erste Testfaltung...
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offenbart dass der Elektrostat (rot) der idealen Frequenzweiche (grün) nicht ganz folgt.
Warum? Der Lautsprecher hat nun mal eine untere Grenzfrequenz und demzufolge minimalphasige Verzerrungen welche den neuen linearen Hochpass stören. Das gibt Vorschwingen später. Nicht gut.
Wir erinnern uns Anfangs: 43Hz Grenzfrequenz...

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Zweite Ordnung? Nein, da kam im Fernfeld ja noch der 6dB Druckabfall unter der Grenzfrequenz dazu. Da sind wir schon bei dritter Ordnung, 12+6 = 18 :)
Wir simulieren das im künstlichen Filter.

Was bedeutet das für die Phase? Die müssen wir auch korrigieren.
Mit einem Frequenzlinearen Impuls der Inverse Gruppenlaufzeit hat, über die TDf Reversion:
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Verglichen mit dem Hochpass fast spiegelbildlich. Hier kann man noch etwas verfeinern.

Wir falten noch einmal den Lautsprecher mit der Phasenkorrektur:
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Amazing :mrgreen:
Erste Wellenfront, Phase, alles perfekt. Die leichte Frequenzgangwelligkeit überlasse ich für später dem Roommakro mit Psycho-Glättung. Hat die auch noch was zu tun. Außerdem kann diese dann minimalphasig in der Über-Alles-Korrektur arbeiten und ich lasse die Phase des Elektrostaten hier unangetastet.

Grüezi
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hier sieht man den Endstand noch einmal pur in rot.
FDW 6 und 15 ... und ein ungeglättetes 5ms Fenster in grün darunter.

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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hörbericht. Das sagt ja auch noch was aus ;)

Ich bin immer wieder erstaunt wie gravierend sich Einwinkelung und Position auf die räumliche Abbildung auswirkt.
Und dann bin ich wieder erstaunt wie der Effekt verschwindet wenn man danach wieder misst und korrigiert.

Eine Sache ist allerdings schwer. Der Lautsprecher bündelt. Auf Achse linear bedeutet zu dumpfer Diffusschall. Das verändert die wahrgenommene Balance.

Ich habe das gegenteilige Extrem jetzt. Stark eingewinkelt muss ich den Höhenverlust fast 6-10dB Ausgleichen. Gemessen linear wird der Diffusschall so wieder "heller". Eine gewissene Einwinkelung wird somit die goldene Mitte sein. Die habe ich wohlt überschritten. Es klingt ein wenig hell.

Alle Bassmoden perfekt zu entzerren und sich danach bekannte Stücke anzuhören (auf die man sein Gehör mit dröhnenden Moden kalibriert hat) ... führt im ersten Moment zu einer sehr dünnen, schwachbrüstigen Darstellung.

Als Konsequenz musste ich erstmal einen 6dB Tilt als Targetcurve einstellen um "das Ganze" zu akzeptieren :)
Für die Balance. Tonale unsauberkeiten hatten wir vorher schon immer ausgeglichen, wenn auch nur grob. Eine +-3dB Welligkeit der 1/3tel Oktav geglätteten Kurve reicht in der Regel aus um Verfärbungen zu vermeiden.

Das bewahrheitet sich und wir hören ähnlich wie vorher ziemlich korrekt. Aber keine Angst, irgendwas ist schon anders:

- Räumlichkeit in der Breite: der IACC scheint sich auszuzahlen. Trotz 700ms RT60 Raum, diffuser Dipole, 2.5 Meter Abstand, die Quellen sind messerscharf auf 5-10cm genau ortbar. Eins schließt das Andere wohl nicht aus. Der IACC scheint wohl maßgeblich (?).

- Räumlichkeit in der Tiefe: Die Phasenkorrektur im Bass durch die invertierte Gruppenlaufzeit zahlt sich ebenfalls aus. Tonal neutral ohne jeden Einfluss, bemerkt man auf geeigneten Aufnahmen plötzlich immense Tiefe des Raumes. Besonders Publikum & Bühne sind weit auseinander. Tritt der Sänger beim Pianosolo einen Meter vom Mikro nach hinten und ruft etwas, wird es genau so projeziert. Einmal erschrak ich mich sogar weil ich dachte es wäre bei mir in der Wohnung.

- Detailauflösung: Speichel des Sängers, Atemgeräusche, Gleiten der Finger über die Saiten, Hammeranschlag des Klaviers, Pinsel streichen über das Drummer-Fell... Details die man sonst kaum wahrnimmt neben den Grundtönen der Instrumente. Manchmal auf übertriebenen "Highend"-Aufnahmen werden sie überzogen. Umso interessanter dass sie nun in "normalen" Stücken auftreten die man zuvor nie bemerkt hat. Ich vermute als Schuldigen die perfekt lineare 5ms Wellenfront und insg. mehr als nur grobe sondern haarkleine Linearisierung. Dies reduziert Verdeckungs/Maskierungs-Effekte. Oder der Hochton ist immer noch zu laut ;) Hat ähnliche Auswirkungen.

Gruß
Josh
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Josh,

erstmal danke für deine Berichte.
Hornguru hat geschrieben:Eine Sache ist allerdings schwer. Der Lautsprecher bündelt. Auf Achse linear bedeutet zu dumpfer Diffusschall. Das verändert die wahrgenommene Balance.
Und wie der bündelt. Durch die extrem breite Membran dürfte der im Hochton stärker als jedes Horn bündeln (bezogen auf die vordere Hemisphäre). Ähnlich wie der hier.
Oder der Hochton ist immer noch zu laut ;) Hat ähnliche Auswirkungen.
Allerdings. Wobei interessanterweise auch Reflexionen etwas zu der Wahrnehmbarkeit von Details beitragen. Vielleicht, weil sie teilweise in einem spitzeren Winkel auf das Ohr treffen und somit heller wahrgenommen werden als der Direktschall. Ich hatte jedenfalls bei horizontal sehr stark bündelnden Lautsprechern schon öfters den Eindruck, es würden Details "verschluckt", obwohl ja der Direktschall deutlich dominanter war als die Reflexionen.

Gruß
Nils
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hi Nils

Ganz so dramatisch wie man es vermutet ist es auch nicht.
Ab 1khz wird die Membran ca 5-6 mal segmentiert, hinter dem Übertrager liegt eine kleine Platine mit pyramidenförmiger MKP Staffelung. Ich nehme an dass intelligenterweise ab 33cm Schallwandbreite ->1kHz jede Oktave die Fläche halbiert wird. Bzw die äußeren Statoren einen Tiefpass erster Ordnung bekommen.
Das Ergebnis bei 30° außerhalb der Achse war ca 3dB / Oct ab 1kHz Abfall. Oberhalb 10kHz dann doppelt so stark.

Unterhalb 600 Hz wirkt dann die Dipol Achterkeule ganz ordentlich. Bei 90° seitlich ist fast der gesamte Frequenzgang linear 24dB leiser. Nur der Bereich 600-1200Hz buckelt im Diffusschall ca 6 dB heraus. Das sieht man auch in der Reverbation.

Versuche den Direkt und Diffusschall gemittelt zu linearisieren waren nicht so geglückt.

Gruß
Josh
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Irgendwie klingt es doch ungewohnt.
Heute nochmal nachgemessen (ja das Fass sollte man nie aufmachen).
Trotzdem überraschend, diesmal das Beamforming enger um die Kopfposition herum gezogen. Also mehr Hörplatzbezogen gemessen und mal verglichen.

Unten meine Korrekturkurve von Freitag.
Darüber die Differenz Simulation Freitag -> Messung heute.
1dB Welligkeit, 0.1dB Schwankung zwischen links und rechts.

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Ein Hoch auf das Beamforming und dessen Wiederholgenauigkeit. :cheers:
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