Restaurierung Backes & Müller BM 6 (Dieter)

Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

dietert hat geschrieben: Außerdem fände ich einen NTC oder einen Vorwiderstand mit Relais vor dem Ringkerntrafo sinnvoll, sonst kriegen die großen Elkos beim Einschalten jedesmal einen Tritt, bis zu 112 A = (220 V * 1,41 / 8,5 Ohm) * (220 V / 72 V). Für das Netzteilrelais wäre es vielleicht auch besser.
Hallo Dieter
Um eine Vorstellung von den Größenordnungen bei den Netzströmen zu bekommen habe ich in Ermangelung eines Speicheroszillografen meinen damals mit externer Soundkarte gelieferten Macintosh SE30 benutzt. Ein Vorwiderstand 0,1 Ohm im unterbrochenen Nulleiter erlaubte einen sicheren Abgriff mit Erde netzseitig und Signal geräteseits. Fi gab es da noch nicht, dafür Nullung im Altbau.
Das Signal zeigte beim Verstärker einen Verlauf mit 10-facher Amplitude am Anfang, die innerhalb 20 Perioden, also weniger als 1/2 sec auf den Durchschnittswert abfiel. Das Signal war statt Sinusform eine Folge von positivem und negativem Doppelhöcker. Vorne groß, hinten etwa halb so groß, aber der Einbruch beim Scheitelbereich, mit weichen Übergängen, geglättet vermutlich nicht durch das schnelle Schalten der Gleichrichter und nicht durch den niedrigen Innenwiderstand der Elkos (den ich größer als 30 mOhm annehme). Dem Trafokern, Sättigungsverhalten und der Wicklungsinduktivität kommen wohl entscheidende Schlüsselfunktionen zu. Die beiden ersten Schwingungen zeigen die Grenzen des Trafos auf.
Mit dem Oszi habe ich später bei einem Röhrenverstärker aus China das Oszillieren der Gleichrichterdioden im Stromverlauf sehen können, welches den Höcker umgab. Das lag außerhalb des Bereichs der zuerst erwähnten Soundkarte. Erstaunlich, was Trafos an Dreck doch noch so durchlassen...

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Ferrofluid zieht sich in das größte Magnetfeld im Spalt, deshalb ist es schwer zu entfernen, die mechanische Hilfe muss stärker wirken als das Magnetfeld, sonst fallen die Partikel wieder zurück! Welches Öl als Träger der Ferroteilchen diente, lässt sich schwer in Erfahrung bringen. Die Trägerflüssigkeit verspritzt, mit der Bewegung mitgerissen, sie haftet an Schwingspule und Träger, bei höheren Temperaturen verflüchtigt sie sich auch. Als Folge wird die Soße eingedickt, bis am Ende nur noch eine körnige wenig bewegliche Struktur bleibt. Bei Hochtönern konnte ich die FFReste nur durch Aufbrechen und Entfernen des Polkerns entfernen. Da es verschiedene Arten von FF gibt, ist für mich nicht sicher, dass Nachfüllen zu homogener Mischung führt, da die Ferropartikel verblieben sind, lässt sich so die ursprüngliche Konsistenz nicht wiederherstellen.
Da Ferrofluid sowohl Wärme ableitet, Schwingung dämpft und das Magnetfeld besser als Luft leitet, also die Feldlinien in seinem Bereich verdichtet, greift es doch massive in die Abstimmung des Chassis ein.
Bei Hochtönern mit FF und Stromgegenkopplung des Verstärkers wird das zu einem Langzeitproblem.

Mich würde speziell interessieren, womit dur die Zentrierspinne gelöst hast, ohne sie zu zerstören.
Ich habe hier Chassis, die ich gern retten würde, traue mich da noch nicht ran.
Grüße Hans-Martin

P.S. sehe gerade, die Frage ist soeben beantwortet, Nitro habe ich auch schon aufgepinselt, aber der 2-Komponentenkleber blieb leider unbeeindruckt unnachgiebig...
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dietert
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Beitrag von dietert »

Marc fragt, wie ich Ferrofluid aus alten Hochtönern beseitige.

Kalottenhochtöner haben meist eine abnehmbare Frontplatte, die zusammen mit dem Diaphragma und der Schwingspule eine Baugruppe bildet. Mit dem Marker mache ich mir Markierungen, damit später alles wieder in derselben Orientierung zusammenkommt.

Die Schwingspule reinige ich mit Tempotaschentüchern. Man braucht dafür eine ruhige Hand und ein Stereomikroskop. Keine Lösungsmittel! Wenn es fertig ist, bleibt das Papiertaschentuch weiß und es kleben keine Flusen mehr an der Schwingspule, weder außen noch innen.

Den Magnetspalt reinige ich mit Druckerpapier, aus dem ich Streifen schneide und kleine Heftchen falte, die gerade so eben in den Spalt passen, also z.B. 4 oder 6 Lagen. Für einen Hochtöner braucht man etwa 20 bis 30 Heftchen, dann ist das gröbste weg. Am Ende benutze ich einige Heftchen mit Alkohol, um eine saubere Oberfläche zu bekommen.

Dann kommt etwas Fummelei, um Flusen und magnetische Späne aus dem Spalt zu beseitigen. Man muss nun peinlich auf Sauberkeit achten, also frisches Papier als Unterlage usw. Nun kann man auch mal nachsehen, was noch alles innen an der Kalotte klebt, z.B. Flussmittelperlen usw. Auch vorne auf der Sicke kleben manchmal magnetische Späne. Das muss alles weg.

Dann kann man die Frontplatte wieder anbringen (anschrauben). Vorsicht, damit sich die Schwingspule nicht verzieht. Vor dem Festziehen der Schrauben 700 Hz Sinus anlegen und Front so justieren, dass keine Obertöne zu hören sind. Danach eine Klirrmessung bei mäßigem Pegel. Wenn der Klirr bei 2 KHz höher als 0,2 % ist, Justierung wiederholen, bis es passt.

Arbeitsaufwand insgesamt etwa 3 Stunden pro Hochtöner. Solche Hochtöner klingen gut, sind allerdings etwas weniger belastbar. Ich denke wir reden hier vor allem über Heim-Audio, da ist das kein Problem.

Viel Erfolg!
Dieter T.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Dieter.
ich habe Kalottenochtöner mit Ferrofluid, welches den Ölanteil schon verloren hat, und wo die Schwingspulen sich nur noch im Ferroanteil wie in Sand schwer bewegen ließen. Da half nur noch, die Polkernplatte herauszubrechen, FF-Reste nachdrücklich herauszukratzen, dabei half mir ein externer Magnet am Schraubendreher. Sonst ziehen sich die feinen Späne wieder zum HT-Magnet zurück und gerade der Magnetspalt des HT hat die größte Kraft. Herstellerangaben besagten, dass
Die Zentrierung des Magneten beim neuen Verkleben, ebenso der Polkernplatte, waren noch Herausforderungen für sich.
Wie viel einfacher es wohl wäre, wenn man nur das Fluid nachfüllen könnte, welches sich verflüchtigt hat.
Grüße Hans-Martin
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dietert
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Beitrag von dietert »

Hallo Hans-Martin und Marc,

deswegen fülle ich normalerweise kein neues Ferrofluid nach, weil es wirklich eine elende Fummelei ist, das wegzukriegen - und es geht auch ohne. Die mechanische Dämpfung, die damit bewirkt wird, funktioniert sowieso nur am unteren Ende der Nutzbandbreite, wo es zu nennenswertem Membranhub kommt. Bei meinen Aktivboxen mit ihren steilflankigen Digitalweichen hat man ohne Ferrofluid sogar einen günstigeren Phasengang. Die Beseitigung des Fluids bringt dabei mehr als die Stromsteuerung.

Zuletzt habe ich es bei zwei Technics SB RX-50 gemacht, da ist vor der Frontplatte des HT noch ein Grill und es war alles geklebt. Habe auch zwei SEAS Koaxe, bei denen die HT-Schwingspulen festsaßen, wie von Hans-Martin beschrieben. Da bleibt einem dann nichts anderes übrig, als mit Lösungsmitteln dranzugehen, z.B. Alkohol, in diesem Fall mit der Folge, dass sich eine der Schwingspulen samt Wickelkörper von der Membran ablöste.

Das übliche Symptom bei eingedicktem Ferrofluid ist ein Frequenzgang, der erst oberhalb von 4 oder 5 KHz glatt wird. Derselbe Hochtöner zeigt nach der Maßnahme einen glatten Frequenzgang ab der Eigenresonanz, also typischerweise ab 800 bis 1500 Hz.

Ob man heutzutage Ferrofluid bekommt, was besser hält, das weiß ich nicht. Würde allerdings vermuten, dass Ferrofluid grundsätzlich abdampft, wenn die Lautsprecher am Limit laufen, d.h. mit erhöhter Temperatur.

Grüße,
Dieter T.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Dieter,
55°C sollen bei Ferrofluid nicht überschritten werden. Und mechanisch wegschleudern kann es auch. In der Lauthörpraxis sind beide Aspekte nicht gerade ermunternd, auf Ferrofluid zu vertrauen.
Ob das FF das Magnetfeld im Bereich der Schwingspule besser bündelt, also den Wirkungsgrad verbessert, entzieht sich meiner Kenntnis.
Man riet mir, beim Nachfüllen sollte man darauf achten, dass nicht gleich alles magnetisch aus der Flasche gezogen wird. Aber ich habe bisher auf Nachfüllen verzichtet, so fehlt mir diese Erfahrung, mich würde das doch sehr interessieren.
Grüße Hans-Martin
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Beitrag von dietert »

Hallo Thoma, hallo Winfried,

nachdem ich vorhin den Thread über die Arbeiten an BM Omegas und Deltas gelesen habe, möchte ich hier beispielhaft zeigen, wie eine Infrastruktur aussehen kann, um solche Arbeiten durchzuführen. Hier ein Photo einer BM6:

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Ich habe also erstmal solche Stifte aus dem Baumarkt geholt, die an einem Ende Holzschrauben sind, am anderen Ende M4. Diese habe ich mit Ponal in die Spanplatte der BM6 eingeklebt, so dass die Befestigung des Aktivmoduls bzw. erstmal des Deckels nun mit Muttern M4 erfolgt. Das Aktivmodul ist dann mit Langmuttern "aufgebockt". Der Deckel und die Kabeldurchführung (mit einem Steckverbinder in der Box) sind so dicht, dass ich gleich eine Undichtigkeit in der Abteilung des Mitteltöners finden konnte.

Links im Bild sieht man ein Überwachungsmodul, was ich mir für meine Boxen gemacht habe, mit drei Halbleiterrelais und einer Steuerung nach dem Vorbild von Philips Aktivboxen, welche die drei raren Chassis schnell von ihren Verstärkern trennt, falls DC oder AC an den Verstärkerausgängen festgelegte Grenzwerte überschreiten. Es macht auch die übliche Einschaltverzögerung und überwacht die Versorgungsspannungen. Die drei Mosfet-Relais trennen zuverlässig 100 V und 100 A und haben einen (ohmschen!) Restwiderstand von etwa 15 milliOhm. Hier nochmal zwei Fotos davon:

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Ich würde sagen, dass solche Dinge eine Hürde sind, die man nehmen muss, sonst wird es eine endlose Bastelei.
Und dann braucht man natürlich auch ein Messmikrofon und akustische Messungen, wie Winfried wiederholt betont hat.

Grüße,
Dieter T.
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Beitrag von dietert »

Hallo miteinander,
aufgrund der aktuellen Fragen von Mathias:

In den letzten Monaten hatte ich ebenfalls etwas Zeit, um mich weiter mit meinen BM-6 und BM-12 zu befassen. Habe inzwischen sechs solche Mitteltöner, drei für die alten BM-6 passende, zwei aus den Boxen und ein Ersatzchassis, sowie drei eckige mit Gusskorb für die BM-12. Von den sechs Chassis habe ich bei fünfen die Staubschutzkappen abgenommen, vier von diesen hatten Ferrofluid im Antrieb. Drei von den Chassis habe ich bisher selber zerlegt und überarbeitet. Es ist eine enorme Fummelei und das Ergebnis ist keineswegs garantiert.

So musste ich bei der Inbetriebnahme des ersten fertigen BM-6 Mitteltöners feststellen, dass dieser einen Feinschluss zwischen Antriebsspule und dem Alu-Spulenträger hatte. Bei einem der BM-12 Chassis konnte ich dann erkennen, dass so eine Verbindung offenbar gewollt war, vielleicht zum Zweck der Abschirmung. Nun hatte ich bei meinem BM-6 Chassis schon alle Metallteile zu einer Abschirmung verbunden (Korb mit vorderer Polplatte, Membran, Staubschutzkappe, Rückseite der Sensorplatine, Spulenträger und Polkern), das ganze also unbrauchbar, Pechsache. Man hat dann nicht nur keine Abschirmung, sondern auch ein völlig überflüssiges Übersprechen vom Antrieb auf das Sensorsignal. Bei dem genannten BM-12 Chassis konnte ich die gewollte Verbindung (Leitkleber) rechtzeitig vor dem Zusammenbau beseitigen, usw. usw. Die fertigen Chassis haben nun sehr schöne, bis etwa 2 KHz einwandfreie Bode-Plots. Diese Alu-Mitteltöner spielen sehr gut bis etwa 8 KHz.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass von meinen sechs Mitteltönern keiner mehr im Originalzustand war. Bei einem der BM-12 Mitteltöner war die Drahtwicklung des Temperatursensors unterbrochen, bei einem anderen fehlte sie ganz, jemand hatte sie abgewickelt. Und die vielen unterschiedlichen Varianten der Abschirmungen für das Sensorsignal sehen mir doch sehr nach Bastelei aus. Und die hatten wohl alle schon Ersatzsicken, teilweise unrund eingebaut. Fazit: Diese alten Dinger eignen sich ganz gut zum Experimentieren, aber von einer Reparatur im Sinne von "Wiederherstellung des funktionsfähigen Originalzustands" kann man da nicht mehr ausgehen. Hier geht es um antiquarische Produkte aus einer Manufaktur, nicht um Industrieprodukte nach heutigem Maßstab.

Grüße,
Dieter T.
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