Liebe Analogfreunde,
seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Frage, wie unsere Musikkonserven eigentlich produziert werden. Ich habe mir eine Aufnahmekette aufgebaut und mich mit dem Thema Digitalisierung auseinandergesetzt. Schließlich beginnt und endet alles analog. Die naheliegende Vorstellung, man nehme eine exzellente Analogquelle, schicke ihr Signal durch eine ADDA-Wandlerkette und hörte praktisch keinen Unterschied zum Original, hat sich leider als naiv herausgestellt.
Mein (analoges) Klangideal ist die rein analoge Stereo-Übertragungskette auf Basis von Mikrofonen, Mikrofon-Vorverstärker und Aktiv-Lautsprechern. Hier beeindrucken mich die Natürlichkeit, Transientendarstellung, Räumlichkeit, (Fein-)Dynamik, Durchhörbarkeit.
Nun wäre es schön, eine ausgezeichnete*) Analogquelle zur Verfügung zu haben, um meine Digitalisierungskette weiter optimieren zu können, ohne das mit einer Life-Übertragung tun zu müssen. Mit dieser Analogquelle könnte ich – unter immer den gleichen Bedingungen – Digitalisierungstests durchführen und so Konfigurationen vergleichen, die nicht alle zu einer Zeit zur Verfügung stehen.
Wie gut Plattenspieler Analogaufnahmen wiedergeben können, habe ich bei Reiner (easy) und Jürgen (shakti) sowie bei Claus Bücher & Chris Feickert erleben können. Allerdings geht es bei den Drehern auch sehr stark um Klangformung. Durch die mechanische Interaktion vor allem von Tonarm und Tonabnehmer entstehen die unterschiedlichsten klanglichen Färbungen und feinste Unterschiede, wenn man an auch nur kleine Änderungen am Setup vornimmt. Das ist spannend, aber ich persönlich möchte da (momentan) nicht einsteigen, denn es würde doch sehr viel „Arbeit“ bedeuten, die in meinen Ohren „richtige“ Abstimmung zu finden.
Auch machen Platten – im Sinne meines Klangideals – einiges „falsch“. Bitte nicht missverstehen, ich will niemandem den schönen Analoggenuss madig machen (kann ich sowieso nicht ). Aber es gibt ein tieffrequentes Rumpeln und ein charakteristisches Übersprechen bei Vinyl. Man hört es immer ein bisschen Knistern und auch im feindynamischen Verhalten hat Vinyl eine eigene Klangtextur, ich persönlich durchaus mag, die aber artifiziell ist und mich von meinem analogen Klangideal wieder ein Stück entfernt.
Nun kam ich auf folgende Überlegung: Von Direktschnitten abgesehen wurden praktisch alle Analogaufnahmen mit Tonbandmaschinen hergestellt. Die Qualität*) einer adäquaten Studio-Tonbandmaschine muss daher vom Grundsatz her besser sein, als die Qualität, die durch Vinylwiedergabe analoger Aufnahmen erreichbar ist. So kam ich zu dem Schluss: eine amtliche analoge Tonbandmaschine muss her!
*) Mein derzeitiges Qualitätskriterium für eine Analogquelle: wie groß sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Digitalaufnahmen, wenn ich – unter sonst gleich gehaltenen Bedingungen – Digitalisierungen mit unterschiedlichen ADCs von dieser Analogquelle vornehme? Je größer diese Unterschiede, um so besser ist die Qualität der Analogquelle.
2. Auswahl
Die Suche nach einer adäquaten Bandmaschine war und ist mühsam. Die Geräte sind meist weit über 25 Jahre alt. Es gibt verschiedenste Bauarten und man muss viel von diesen Geräten verstehen, um sie richtig einzumessen, in Schuss zu halten und im Fehlerfall zu reparieren. Hier brauchte und brauche ich kompetente Hilfe.
Glücklicherweise habe ich einen sehr hilfsbereiten und super kompetenten Tonmeister und Bandmaschinenexperten kennengelernt, der nicht allzu weit von mir entfernt wohnt und mich entsprechend unterstützt. Die Wahl viel am Ende auf eine sehr alte Maschine, eine Telefunken magnetophon M15A, die aus meiner Sicht folgende Vorteile bietet:
- Die mechanische Behandlung des Bandes ist bandschonend / „state of the art“
- Die Maschinensteuerung erfolgt elektromechanisch und benötigt keine Mikroprozessoren, die ja ihren Geist aufgeben könnten
- Die Maschine ist in Deutschland weit verbreitet. Es gibt noch viele Experten, die sich damit auskennen
- Nahezu alle Ersatzteile können noch erworben werden einschließlich neuer Tonköpfe
- Und Spaß machen soll es ja auch: vom Design her ist sie "aus dem Vollen gefräst"; sie hat keinerlei Schnickschnack eingebaut und ist auch haptisch einfach hinreißend
... ist eine „Standard“-Maschine wie sie in den deutschen Rundfunkanstalten und bei Schallplattengesellschaften verwendet wurde: für ¼ Zoll Tonband, Stereo d.h.Trennspur 0,75mm, Vollspur-Löschkopf, Bandgeschwindigkeiten wahlweise 7,5 und 15 in/s (19,05 und 38,1 cm/s), CCIR Entzerrung und für Bandwickel mit äußerer Schichtlage ausgelegt.
Die Maschine ist eingemessen auf das Studio Master SM900 unter Verwendung des ARD Stereo-Bezugspegels (1kHz Sinus-Signal mit dem Pegel +6dBu entsprechend einem magnetischen Fluss von 514 nWb/m). Von diesem Bezugspegel ausgehend besitzt das SM900 bei meiner M15A eine Aussteuerungsreserve von 11dB (17dBu wäre damit derjenige Pegel, bei dem ein kubischer Klirrfaktor k3 von 3% entsteht). Für meine Anwendungen bleibe ich weit unter diesem Punkt und steuere mit einem Quasi-Spitzenspannungs-Aussteuerungsmesser nach DIN 45406 auf maximal 5 dB über Bezugspegel aus.
3. Proof of Concept
Nun ist meine M15A mit ca. 40 Jahren eine betagte Lady. Die spannende Frage war nun: Würde sie als Analogquelle die Qualität liefern, die ich zur Optimierung meiner Digitalisierungskette brauche? Die beste Analogkette, die ich kenne ist – wie gesagt – auf Basis der Mikrofone. Mit ihrer Qualität kann ich unterschiedliche AD-Wandler sehr deutlich voneinander unterscheiden. Kann ich das auch, wenn ich die M15A als Analogquelle verwende?
Um das zu vergleichen benötige ich lediglich eine eigene Mikrofon-Aufnahme mit der M15A, die ich anschließend abspiele und mit verschiedenen ADCs digitalisiere. Dann müssten sich gewohnt deutliche Unterschiede zwischen den ADCs ergeben. Leider brachte dies kein positives Ergebnis: Ein Unterschied zwischen dem Fireface UC und dem Mytek Stereo 192 G-ADC war nicht festzustellen.
Um systematische Fehler auszuschließen, habe ich weitere Tests durchgeführt mit immer demselben Resultat. Die M15A besitzt nicht annähernd die Auflösung und Transientendarstellung, wie ich sie von einer guten Schallplattenwiedergabe kenne und spielt vergleichsweise müde und verhangen. Und vor allem besitzt sie nicht die Qualität, die ich brauche für meine Digitalisierungstests.
4. Analyse und Konsequenz
Nun ist die Maschine sauber eingemessen und penibel eingestellt. Messtechnisch ist alles tadellos und state-of-the-art (z.B. in Bezug auf Gleichlauf, Frequenzgang, Phasenlage und Verzerrungen). Der Maschinentyp M15A war über ein Jahrzehnt lang bei vielen großen Schallplattenfirmen Aufnahme- und Masteringmaschine für Schallplattenproduktionen. Sie muss also prinzipiell der Qualität der so produzierten Schallplatten überlegen sein. Dass meine M15A nicht an diese Qualität heranreicht, muss also einen Grund haben.
Nun hat Telefunken diese Maschine sehr sauber dokumentiert und servicefreundlich gestaltet. Die Schaltungen sitzen auf Verstärker-Steckeinheiten (kurz Karten genannt), die kinderleicht gewechselt werden können. Sie besitzt zwei Aufnahmeverstärker (für jeden Stereo-Kanal einen) und zwei Wiedergabeverstärker. Bei meiner Maschine sehen diese Karten so aus:
Wiedergabeverstärker
Aufnahmeverstärker
Viele Bauteile (insbesondere Kondensatoren) sind in die Jahre gekommen. Mir drängte sich der Verdacht auf: Diese Lady benötigt eine Frischzellenkur.
Wer kann da helfen? Am besten jemand, der sich mit Analogschaltungen exzellent auskennt, alte Schaltungen zu würdigen und zu verbessern versteht und sich traut, an hochwertige Schaltungen Hand anzulegen. Nun ihr habt es bestimmt erraten: die Verstärkerkarten mussten zu einem im Forum gut bekannten Doc aus Stuttgart.