Harald (AGM 5.4; FM 202; BM 8, BM 6; Abacus A-Box 10, C-Box 2)

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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo zusammen,

weiter geht es im Text – diesmal mit den Signalkabeln. Das Herstellen eigener Kabel hat bei mir eine gewaltige Verbesserung gebracht, daher will ich es hier so beschreiben, dass jemand, der an der Sache auch interessiert ist, sich ein solches Kabel selbst bauen könnte. Sicher gibt es sehr viele sehr gute Kabel, die auch ganz unterschiedlich gebaut sind. Die folgende Darstellung beschreibt nur „meinen Weg“, ich behaupte nicht, dass die Verbesserungen, die ich bei mir wahrnehmen konnte, verallgemeinerbar sind.


2. Symmetrische Signalkabel und Masseverbindung

Als Signalkabel verwende ich dreiadrige, selbst hergestellte Kabel ohne äußeren Schirm. In diesem Thread habe ich das ausführlich beschrieben. Hier also nur eine Zusammenfassung zu der Konstruktion, die sich bislang besonders bewährt hat.

5er Big Black
  • Aderleiter: Alpha Wire 2856/1 20AWG
  • Leiterquerschnitt je Ader: 0,52 mm²
  • Leitermaterial: Kupfer, solid core, silberplattiniet
  • Isolator: PTFE (Teflon)
  • Anzahl der Leiter für Hot (+, Pin 2) und Return (-, Pin 3) jeweils: 2
  • Anzahl der Leiter für die Signalmasse (Pin 1): 1
Die zwei Aderleiter für Hot sind von der Quelle aus gesehen gegen den Uhrzeigersinn verdrillt, für Return im Urzeigersinn. Die drei Stränge Hot, Return und Masse werden zu einem vergleichsweise luftigen Zopf verflochten. Hot wird immer an Pin 2, Return immer an Pin 3 in den XLR-Steckern gelötet. Als Lötzinn wird WBT-0800 Silberlot verwendet.

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Leiter für + (Pin 2) verdrillt

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Leiter für – (Pin 3) im anderen Drehsinn als + verdrillt

Nun kommt eine Besonderheit, die wir im Prinzip im Thread zum Thema Schutzerde und Signalmasse diskutiert haben. Ziel ist es, die beiden zu verbindenden Geräte auf ein möglichst gleiches Potential zu bringen. Man kann das über die Stromkabel erreichen und die Verwendung derselben Steckdosenleiste. Man kann auch zusätzliche Verbindungen zwischen den Gehäusen vornehmen (Stichwort Funktionserde), wie es im Forum auch von verschiedenen Kollegen gemacht wird. Ich dagegen verwende dafür die XLR Steckergehäuse, weil damit das Potential an der Stelle gleich gezogen werden kann, an der – je nach Gerätetyp – auch die Signalmasse mit Erde verbunden ist oder verbunden werden kann.

Damit ich die Gehäuse möglichst niederohmig verbinden kann, verwende ich als XLR Stecker-Gehäuse die Gehäuse der Neutrik NC3 FXX-EMC bzw. MXX-EMC, da diese einen besseren Kontakt zum Gehäuse des jeweiligen Audio-Gerätes machen und einen deutlich geringeren Ohmschen Widerstand als die sonst üblichen FXX-B bzw. MXX-B besitzten. Als „Innereien“ für die XLR Stecker dagegen verwende ich Neutrik NC3 FXX-B bzw. MXX-B, da diese vergoldete Kontakte haben.

An die Lötfahne für das XLR-Steckergehäuse löte ich einen kurzen doppelt genommen Aderleiter an, führe diesen durch die Spannhülse aus dem Stecker heraus und löte daran 6mm² Kupferkabel (H07V-K feindrähtig). Das 6mm² Kupferkabel wird parallel zum eigentlichen Signalkabel geführt, mit Teflon-Klebeband von diesem auf ca. 5cm Distanz gehalten mit dem anderen XLR-Steckergehäuse in gleicher Weise verbunden.

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Fertiges Signalkabel, hier für den linken Kanal in der Ausführung braunC → farblosC

Diese niederohmige Verbindung zwingt die beiden verbundenen Audio-Geräte auf ein gemeinsames Potential. In unterschiedlichsten Tests hat sich dieses Verfahren sehr bewährt: die Bühne ist breiter, das Klangbild ist kohärenter und Phantomschallquellen lassen sich präziser orten als ohne diese Maßnahme. Tests mit unterschiedlichen, durchaus auch sehr hochwertigen Stromkabeln haben in meiner Kette keine nennenswerten hörbaren Verbesserungen mehr gebracht, solange die XLR-Steckergehäuse auf diese Weise niederohmig verbunden sind.

Für die Verbindung der Signalmasse des Kabels an die XLR-Stecker gibt es verschiedene Varianten. Um hier eine gewisse Übersicht zu wahren, habe ich mir die Farbvarianten ausgedacht. Damit ich mir das merken kann, verwende ich XXR Codierringe für die jeweilige Variante. Den linken und rechten Kanal unterscheide ich durch farbige Spannhülsen, gelb für links und rot für rechts. Wenn ich das Kabel einmal umlöten muss, kann ich den Codierring gleich mit austauschen, ohne dass ich alles ab und wieder anlöten muss.

Bild
Farbvarianten zur Behandlung von Signalmasse und Gehäusemasse

Bei einem dreiadrigen nicht geschirmten Kabel gibt es für die Signalmasse folgende Varianten: Die Signalmasse kann nur mit Pin1 verbunden sein (blau), nur mit dem Steckergehäuse (braun) oder sowohl mit Pin1 als auch mit dem Gehäuse (violett). Ist die Signalmasse nicht mit Pin1 verbunden, so wäre das die orangene Variante oder die farblose. Bei letzterer ist Pin1 des Steckers über einen kurzen eigenen Aderleiter mit dem Steckergehäuse verbunden.

Ich mache ein Beispiel. Der arfi-dac2 besitzt erdfrei symmetrische XLR-Anschlüsse bei denen Pin1 gar nicht aufgelegt ist. Hier hat sich die braune Verbindungsvariante bewährt. D.h. ich lege den dritten Leiter im Kabel auf das Gehäuse des XLR Steckers auf. Auf der Zielseite, den AGM 5.4 Lautsprechern bleibt der dritte Leiter unverbunden. Hier verwende ich die Variante farblos und stelle im XLR-Stecker eine Verbindung zwischen Pin1 und dem Gehäuse her. Ich nenne das Ganze braunC → farblosC, also Quelle, braun, auf Ziel, farblos. „C“ steht für "Chassis" und deutet die 6mm² Kupferverbindung zwischen den XLR-Steckergehäusen an.

Und warum bietet braunC → farblosC Vorteile gegenüber anderen Varianten? Nun ich habe die unterschiedlichsten Verbindungsoptionen empirisch durchgetestet unter Verwendung eines Testkabels mit Turmsteckern. Beidseitiges Auflegen der Signalmasse hat sich bei ungeschirmten Kabeln nicht bewährt. Zwar habe ich eine gewisse Vorstellung entwickelt, warum das eine besser sein könnte als das andere, aber es ist doch recht spekulativ. Was ich aber genau sagen kann, ist, dass die Kabel mir eine großartige Klangverbesserung bringen. Das Klangbild ist ruhig und klar, genau in den Transienten, breit in der Bühnendarstellung und vor allem präzise bei der Lokalisierungsschärfe der Phantomschallquellen.

Viele Grüße
Harald
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

nihil.sine.causa hat geschrieben: Bild
Fertiges Signalkabel, hier braunC → farblosC

Diese niederohmige Verbindung zwingt die beiden verbundenen Audio-Geräte auf ein gemeinsames Potential.
Hallo Harald,
vielen Dank für deine unermüdliche Weiterentwicklung an diesem Thema!
Allerdings sehe ich bei diesem Bild eine Abweichung zu deinem Text, denn hier sind die Leiter für pos und neg offensichtlich nicht gegensinnig gewendelte Adernpaare.
Für meine alten Augen sieht das nach zwei Linksgewinde aus, die auch links umeinandergeschlagen sind.
Damit nährt sich der Verdacht, dass du verschiedene Varianten ausprobiert haben könntest?:
Linksgewinde für pos und Rechtsgewinde für neg,
Rechtsgewinde für pos und Linksgewinde für neg,
Linksgewinde für pos und Linksgewinde für neg, wie das Bild zeigt,
Rechtsgewinde für pos und Rechtsgewinde für neg,

Dazu die Überlegung, dass ebenso denkbar und vor dem Hörvergleich noch gleichberechtigte alles Vorgenannte pos und neg Paare einmal als Linksgewinde (wie das Bild zeigt) und ebenso als Rechtsgewinde umeinandergewendelt sein könnten.
Somit entstehen 8 Varianten, die meiner Erfahrung nach alle unterschiedlich klingen, und aus denen man eine präferierte Version heraushören kann. Selbstverständlich alle in Stereo, also 8 Doppel=16 Ausführungen.

Beim Erstellen der verdrillten Adernpaare (antiparallel, nehme ich an) würde ich immer von deren V-Knickpunkt ausgehend die Schenkel umeinanderschlagen, während die freien Enden locker hängen und sich nicht in sich verdrehen, also keine Torsion aufbauen. Dann hält am Ende verlötet das Paar stabil zusammen und es bilden sich keine größeren Augen, es will sich nicht entdrillen. Ich meine, es lohnt sich, hier sorgfältig zu arbeiten, auch wenn es spürbar Vorbereitungszeit kostet, länger als die Frühstückseier garen...

Die Masseverbindung mit mindestens 4 qmm hätte ich auf kürzestem Weg über Kabel unter blanken Gehäuseschrauben gemacht, aber nun verstehe ich auch, weshalb du die Neutrik-Gehäuse zugunsten des geringeren Übergangswiderstandes getauscht hast.
Da liegt es nahe, nicht mit einem Kabelrest geringeren Querschnitts einen Übergang zu gestalten, ich möchte anregen, stattdessen das 6qmm Kabel im hinreichenden Abstand abisolieren, die äußeren Litzen nach außen biegen, die inneren herauskürzen (etwa 2/3 der Menge), die äußeren wieder zurückbiegen, im Windungssinn der Leitung verdrillen, Im Schnittbereich mit den inneren per Aderendhülse verquetschen oder zusammenlöten und einen Schrumpfschlauch über das ausgedünnte Ende ziehen und im Stecker auf das Gehäuse löten. Auf diese Weise lässt sich der Gesamtdurchgangswiderstand noch weiter verringern und die Durchgängigkeit der äußeren Leiter sorgt für bessere HF-Ableitung / Ausgleich zwischen den Geräten.
Grüße Hans-Martin
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:Allerdings sehe ich bei diesem Bild eine Abweichung zu deinem Text, denn hier sind die Leiter für pos und neg offensichtlich nicht gegensinnig gewendelte Adernpaare.
erwischt! :oops: Bei dem fertigen Kabel handelt es sich noch um eine Variante, bei der ich + und - im gleichen Drehsinn verdrillt habe. Mittlerweile verwende ich unterschiedlichen Drehsinn für + und - und das macht es einen Tick besser. Aber große Effekte sind das nicht und so verwende ich das mühsam hergestellte Kabel weiter.
Hans-Martin hat geschrieben:Die Masseverbindung mit mindestens 4 qmm hätte ich auf kürzestem Weg über Kabel unter blanken Gehäuseschrauben gemacht, aber nun verstehe ich auch, weshalb du die Neutrik-Gehäuse zugunsten des geringeren Übergangswiderstandes getauscht hast.
Das ist sicher eine gute Alternative. Und es gibt viele Möglichkeiten, Funktionsmasse zwischen den Geräten zu bauen. Schließlich ist es auch kein Problem, zusätzlich zu der XLR-Gehäusekonstruktion weitere Funktionserde-Verbindungen zu schalten. So hatte ich hatte z.B. auch eine Verbindung zwischen Tonbandmaschine und arfi-adc2 über eine zusätzliche 6 mm² Verbindung getestet. Das hat dann aber nicht mehr allzuviel gebracht bei mir.

Hans-Martin hat geschrieben:Da liegt es nahe, nicht mit einem Kabelrest geringeren Querschnitts einen Übergang zu gestalten, ich möchte anregen, stattdessen das 6qmm Kabel im hinreichenden Abstand abisolieren, die äußeren Litzen nach außen biegen, die inneren herauskürzen (etwa 2/3 der Menge), die äußeren wieder zurückbiegen, im Windungssinn der Leitung verdrillen, Im Schnittbereich mit den inneren per Aderendhülse verquetschen oder zusammenlöten und einen Schrumpfschlauch über das ausgedünnte Ende ziehen und im Stecker auf das Gehäuse löten. Auf diese Weise lässt sich der Gesamtdurchgangswiderstand noch weiter verringern und die Durchgängigkeit der äußeren Leiter sorgt für bessere HF-Ableitung / Ausgleich zwischen den Geräten.
Gute Idee, danke. Das werde ich mal testen.

Viele Grüße
Harald
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

nihil.sine.causa hat geschrieben:erwischt! :oops: Bei dem fertigen Kabel handelt es sich noch um eine Variante, bei der ich + und - im gleichen Drehsinn verdrillt habe. Mittlerweile verwende ich unterschiedlichen Drehsinn für + und - und das macht es einen Tick besser. Aber große Effekte sind das nicht und so verwende ich das mühsam hergestellte Kabel weiter.
Hallo Harald,
dem neugierigen Auge entgeht nichts...
Angesichts der Gleichtaktunterdrückung des vollsymmetrischen Eingangs sollte man erwarten, dass die Leitergruppen pos und neg gleichberechtigt aufgebaut sind, also sich nicht unterscheiden.
Meine Erfahrungswelt ist bei symmetrischen Verbindungen recht eingeschränkt, ich bin mehr bei Single-Ended (RCA/Cinch) und da finde ich Linksgewinde für die Masse besser, Rechtsgewinde für das Signal.
Definitiv klingen beide Verseilrichtungen unterschiedlich, offenbar spielt auch geschmackliche Orientierung mit hinein, denn bei vielen kommerziellen Anbietern sind die Kabel nicht erkennbar gleichsinnig, offenbar herrscht keine Einigkeit darüber, was richtig ist. Obwohl es doch eine physikalische Erklärung dazu geben müsste, warum der Wendelsinn einen hörbaren Unterschied bewirkt. Sei es, dass er HF bei der Masseverbindung etwas unterstützt oder beim Signal leicht unterdrückt.

Ich wollte immer schon einmal einen Rolladenmotor (Industrierestposten, langsames Übersetzungsgetriebe, mit Fußschalter für beide Laufrichtungen) für solche Zwecke umbauen, um müheloser Kabel zu verseilen. Damit sollte es möglich sein, diesen Handarbeitsbereich deutlich zu beschleunigen, weil man sich dann auf den Bereich konzentrieren kann, wo die beiden Stränge durch 2 Gardinenringe locker, aber mit der Hand geführt zusammenlaufen. Für eine rein händische Verdrillung braucht man bei 2m schließlich mehr als 10 min.
Grüße Hans-Martin
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h0e
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Beitrag von h0e »

nihil.sine.causa hat geschrieben:An die Lötfahne für das XLR-Steckergehäuse löte ich einen kurzen doppelt genommen Aderleiter an, führe diesen durch die Spannhülse aus dem Stecker heraus und löte daran 6mm² Kupferkabel (H07V-K feindrähtig). Das 6mm² Kupferkabel wird parallel zum eigentlichen Signalkabel geführt, mit Teflon-Klebeband von diesem auf ca. 5cm Distanz gehalten mit dem anderen XLR-Steckergehäuse in gleicher Weise verbunden.
Hallo Harald,

ich habe mich gefragt, warum Du das 6mm² nicht in den Stecker führst?
Einfach nur, weil der Platz in der Spannzange dann nicht reicht?
Mir ist auch nicht klar geworden, wo Du die Verlängerung des 6mm² angelötet hast.
Ein Bild vom Inneren des Steckers wäre erhellend. 8)

Habe ich richtig verstanden, dass Du zwischen Dac und AGM ein Kabel verwendest,
wo die Masse nur auf den Steckergehäusen aufgelegt ist und Pin 1 unbelegt bleibt?

Grüsse Jürgen
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Harry_K
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Beitrag von Harry_K »

Hallo Jürgen,
ich klinke mich mal ungefragt hier ein :)
Der Stecker besitzt oberhalb der eigentlichen Signal-Pins eine zusätzliche Lötaufnahme, um dort bspw. die Abschirmung der verwendeten Signalkabel draufzulöten. Mit Sicherheit wurde hier das dünne Kabel angelötet, weil das Kupferkabel niemals zusammen mit den verdrillten Signalkabeln durch die Spange gepasst hätten. Ich hatte da schon bei meinem normalen Sommer-Kabel Probleme.
Ich habe beispielsweise aufgrund der doppelten Schirmung des Sommer-Kabels die innere Schirmung als Masseleitung benutzt. Die äußere Schirmung liegt bei mir nur einseitig auf der Signalseite des xlr-Kabels auf dem Masseleiter des Steckers (nicht der 3-polige Masseleiter). Am Lautsprecher selbst liegt nichts an. Das hat jetzt aber nichts mit diesem Thema hier zu tun :?
Viele Grüße
Matthias
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Jürgen,
h0e hat geschrieben:ich habe mich gefragt, warum Du das 6mm² nicht in den Stecker führst?
Einfach nur, weil der Platz in der Spannzange dann nicht reicht?
Ja, da hat Matthias Recht, aus Platzgründen. Ich habe mittlerweile aber Hans-Martins Vorschlag umgesetzt. Hierzu isoliere ich das 6mm² Kabel über eine Länge von ca. 10 cm ab, dünne es etwas aus, löte es direkt an die Lötfahne für die Steckerverbindung und isoliere es mit Teflon-Klebeband. Damit vermeide ich das Zwischenstück.


h0e hat geschrieben:Mir ist auch nicht klar geworden, wo Du die Verlängerung des 6mm² angelötet hast.
Ein Bild vom Inneren des Steckers wäre erhellend. 8)
Hierzu gibt es, genau wie Matthias sagt, bei den von mir verwendeten Neutrik-Stecker jeweils eine eigene Lötfahne fürs Gehäuse. Auf dem Bild unten links ist das die zum Betrachter hingewandte Lötfahne.
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h0e hat geschrieben:Habe ich richtig verstanden, dass Du zwischen Dac und AGM ein Kabel verwendest,
wo die Masse nur auf den Steckergehäusen aufgelegt ist und Pin 1 unbelegt bleibt?
„Pin 1 unbelegt“ ist etwas zu kurz gesprungen, denn es ist unklar, worauf sich "Pin 1" bezieht (Da gibt es mehrere Möglichkeiten für "Pin 1": Stecker an der Quelle, Stecker am Ziel und es wäre die Frage „womit unbelegt“? 0V Leiter an der Quelle, 0V Leiter am Ziel, Gehäusemasse an der Quelle, Gehäusemasse am Ziel).

Ich versuche es zu erläutern: Ich habe speziell für die Verbindung arfi-dac2 → AGM 5.4 ein Kabelpaar der Bauart braunC → farblosC. „C“ steht für die 6mm² Verbindung zwischen den Steckergehäusen.

„braun“ an der Quelle, dem arfi-dac2, bedeutet, dass der Pin 1 Anschluss des DACs (der in der XLR-Buchse „eh“ nicht aufgelegt ist) nicht kontaktiert wird, dass aber der 0V Leiter im Kabel auf das Steckergehäuse aufgelegt wird (auch über die oben erwähnte Lötfahne). Warum? Weil es sich als positiv erwiesen hat, den 0V Leiter bei meinen dreiadrigen Kabeln aufzulegen u.z. nur an einer Stelle, hier also an der Quelle. Damit wirkt der 0V Leiter wie ein locker eingeflochtener Schirm, denn an die eigentliche Signalmasse ist er damit nicht kontaktiert.

Auf der Zielseite „farblos“ bedeutet, dass ich das Steckergehäuse und Pin 1 des XLR Steckers miteinander verbinde, also ein „harte“ Erdung der Signalmasse an der Verbindungsstelle vornehme. Der 0V Leiter aus dem dreiadrigen Kabel wird dabei jedoch nicht kontaktiert.

Im Endeffekt ist die eigentliche Signalmasse auf der Quellseite uninteressant, weil der Ausgang symmetrisch erdfrei gebaut ist. Auf der Zielseite "holen" sich die AGMs die Signalmasse von der Gehäusemasse. Alle Gehäuse werden über die 6mm² Verbindung auf das möglichst gleiche Potentialniveau gebracht. Wenn man es so betrachtet, ist die Signalmasse der AGMs (XLR Eingang, Pin 1 Buches) sehr wohl kontaktiert, nämlich über die 6mm² Verbindung.

Ich hoffe, dass es klarer geworden ist.

Viele Grüße
Harald
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SolidCore
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Beitrag von SolidCore »

Hallo Harald

Das war echt ne Menge Text, um zu sagen, das AGM-seitig Pin 1 gegen Steckergehäuse liegt,
diese dann mit 6mm² AFi-seitig nur auf Steckergehäuse.
Oder hab ich da was verdreht ?

Habe eine neue andere Frage. Du schreibst, der AFi ist symetrisch und ungeerdet.
Symetrisch mit nur 2 belegten Adern ? Wäre das nicht Seriell ?

Gruss
Stephan
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Stephan
SolidCore hat geschrieben:Du schreibst, der AFi ist symetrisch und ungeerdet.
Nein, ich habe keinen afi (und darüber auch nicht geschrieben), sondern ich habe einen arfi-dac2. Dieser ist standardmäßig und auch bei mir sehr wohl geerdet über die Stromversorgung.

SolidCore hat geschrieben:Symetrisch mit nur 2 belegten Adern ? Wäre das nicht Seriell ?.
Ich spreche hier ausschließlich über Geräteverbindungen für analoge Signale. In meinem Fall vom Analogausgang des DAC zu den rein analog arbeitenden Aktivlautsprechern. Was meinst Du in diesem Zusammenhang mit seriell?

Viele Grüße
Harald
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h0e
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Beitrag von h0e »

Hallo Harald,

Danke für Deine Erläuterungen, viel Text, aber jetzt wird es klarer.
Das "balanced" Signal wird also ohne Signal - Masse übertragen (soviel zu Stephans Anmerkung).
Beim Arfi-Dac scheinbar ohnehin nicht belegt.

Es freut mich, dass Du uns an Deiner "Grundlagenforschung" so intensiv hast teilhaben lassen,
ich wäre viel zu ungeduldig, soviele Kabel zu erstellen und die Ergbnisse hier so sauber zu dokumentieren.
:cheers:

Grüsse Jürgen
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo zusammen,

nach den ersten Abschnitten zur Beschreibung meiner Audio- Kette(n) ...

1. Stromversorgung, Erdung und LAN
2. Symmetrische Signalkabel und Masseverbindung

… soll es nun weitergehen mit den ...

3. Stereo-Quellen

Da ich mehrere unterschiedliche Quellen habe, die voneinander unabhängig sind, macht es Sinn, sie getrennt zu beschreiben. Sonst würde das sicher etwas unübersichtlich werden. Zum reinen Abhören habe ich zum eine Hauptquelle für Digitalmaterial und eine Analogquelle für Tonbänder. Andererseits betreibe aber auch eine DAW-Abhöre, eine Digitalisierungskette sowie alles was ich für Mikrofonaufnahmen brauche. Mikrofone sind überhaupt die hochwertigsten Analogquellen, die ich kenne. Und deshalb will ich diese Quelle hier auch beschreiben. Dabei beschränke ich mich auch hier auf Stereo und bringe Mehrkanal-Ketten später.

Der Vorteil der modularen Beschreibung liegt vor allem darin, dass ich auf Veränderungen leichter reagieren kann. Denn das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten. Und wenn ich eine finanziell effiziente, substanzielle Verbesserungsmöglichkeit gehört habe, dann setze ich sie auch gerne um. Die Besonderheit meiner derzeitigen Quellen ist, dass ich keine analoge oder digitale Schaltzentrale betreibe. Ich stöpsele also von Quelle zu Quelle immer wieder um. Zu einer Zeit wirkt also immer nur eine Quelle. Das verschlankt das Netzwerk für die Masseverbindungen, zumal meine Signalverbindungen stets mit parallel geführter Funktionserde ausgeführt sind. Von daher stellt die Beschreibung der einzelnen, isolierten Module keine unrealistische Vereinfachung dar. Aber lasst mich einsteigen ...

3.1 Stereo Haupt-Quelle für digitales Material

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Der Linn G-Akourate DS/1 DAC ist seit vielen Jahren meine Haupt-Digitalquelle. Gespeist wird er via Synology NAS, die wie unter 1. beschreiben, vor der Verbindung zur Audio-Kette über Lichtleiter galvanisch vom Haus-LAN getrennt. Angesteuert über Linn Kinsky, Linn Kazoo oder Lumin. Bedient vom PC aus oder per iPhone oder iPad.

Am SPDIF BNC Ausgang des Linn-Streamers ist eine arfi-Adapterbox (SPDIF BNC nach RJ45 Ethercon, „in“-Version) angeschlossen. Daran angeschlossen ein 50cm kurzes Ethercon-Ethercon Kabel zum arfi-dac2.

Der arfi-dac2 wird versorgt über eine arfi-psu (siehe auch diese Diskussion über die „afip“). Diese hatte sich bei meinen Tests gegen diverse Linearnetzteile durchgesetzt, sofern die Masseführung optimiert ist. Dazu verwende die ich an den Verbindungssteckern für die Stromversorgung die EMC-Gehäuse von Neutrik (NC3MXX-EMC bzw. NC3FXX-EMC). Diese stellen im Vergleich zu den schwarzen Standard-Steckergehäusen eine verbesserte Verbindung zum Gehäuse des jeweiligen Gerätes her.

Danach geht es analog weiter. Mit selbst erstellten XLR-Kabeln braunC → orangeC, wie ich es bereits bei 2. Signalkalbel beschrieben hatte. Ziel ist mein Vorverstärker Oppo G-HA-1 von wo es weiter zu den Aktivlautsprechern geht. Der Vorverstärker ist praktisch, weil ich daran bequem die Lautstärke regeln kann. Gert hat ihn vor einigen Wochen nochmals in den Fingern gehabt und seither bin ich noch zufriedener mit dem G-HA.

Die analoge Lautstärkeregelung ist wichtig, weil der Linn Streamer am Digitalausgang immer vollen Pegel (nachweislich bit-identisch) liefert und ich es unpraktisch finde, die Abhörlautstärke durch digitale Pegelreduktion in den Quelldateien einzustellen (Offline-Verfahren). Testweise habe ich dies aber schon getan und war mit der Qualität, die der arfi-dac2 direkt – also ohne Vorverstärker – liefert sehr angetan.
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

3.2 DAW-Abhörquelle

Zum Schneiden, Mischen und Bearbeiten von digitalem Audio-Material verwende ich eine Digital Audio Workstation (DAW). Zum Einsatz kommt ein Standard-Notebook (derzeit Lenovo Y50). Als Software verwende ich vorwiegend WaveLab Pro derzeit in der Version 8.5 für die Bearbeitung von Stereo-Material. Zum Mischen verwende ich Cakewalk Sonnar in der einfachsten Ausführung „Artist“, angereichert durch diverse Plugins. WaveLab und Sonnar verwenden zur internen Verarbeitung 64 Bit float. Bei allerlei Tests haben sich diese Maschinen als sehr genau und robust herausgestellt.

Damit habe ich auf digitaler Ebene also eine gewaltige Spielwiese und natürlich kann ich den Stereo-Downmix bzw. das fertige Resultat abspeichern und über die Haupt-Quelle (Linn-Streamer) abspielen. Aber man möchte ja auch schon während der Bearbeitung den Stereo-Master Ausgang verwenden, um das zu erwartende Ergebnis zu überprüfen. Natürlich könnte ich in der arfi-Familie bleiben und einen afi-USB an das Notebook anschließen. Bei Tests hat sich aber eine andere Methode als klanglich ebenbürtig erwiesen.

Idee dabei ist die folgende. Zum einen mag ich die Möglichkeiten des RME Fireface UC als Standard-USB-Interface. Der Asio-Treiber von RME ist sehr stabil und mit DIGICheck stehen allerlei hoch präzise Werkzeuge zur Verfügung, die ich auch gerne mal bei der Bearbeitung benutze, wie z.B. das Goniometer „Vector Audio Scope“

Bild

Zum anderen ist das Fireface sehr präzise in der Lage, sich auf eine externe Master-Clock zu synchronisieren. Und mit dem arfi-adc2 (dem ADC aus der arfi-Serie) besitze ich bereits eine sehr gute Master-Clock.

Bild

Nun, wie wird das Ganze verbunden? Der arif-adc2 wird versorgt vom Netzteil arfi-psu. An seinem Ethercon-Ausgang ist ein längeres Ethercon-Ethercon Kabel gesteckt, das am Fireface UC in einer arfi-Adapterbox (RJ45 Ethercon nach SPDIF Coax, „out“-Version, mit galvanischer Trennung per Übertrager) endet. Das Notebook ist per Standard-USB-Kabel mit dem Fireface UC verbunden. Vom Fireface geht es dann weiter zum arfi-DAC wiederum mit SPDIF, also per arfi-Adapterbox (SPDIF Coax nach RJ45 Ethercon, „in“-Version, ebenfalls mit galvanischer Trennung per Übertrager). Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass das System Fireface / Notebook vom empfindlichen Teil der Abhörkette zumindest durch Übertrager galvanisch getrennt ist. Fireface und Notbook können daher auch einen komplett anderen Stromkreis verwenden, ohne dass es für die Abhörqualität ungünstigen Ausgleichströmen kommen kann.

Nun kommt ein bisschen der Clou dieser Konstruktion. Die arfi-dac2 soll natürlich auch das hochwertige Clocksignal vom arfi-adc2 erhalten. Hierzu sind die beiden Geräte über eine eSATA Verbindung direkt gekoppelt. Der Master-Clock Schalter am arfi-dac2 steht dann auf Extern. Damit nutzt der arfi-dac2 das Clock-Signal vom arfi-adc2. Von hinten sieht das so aus - und damit ist das kleine Rätsel, das ich im Februar gestellt habe aufgelöst:

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Die Audio-Qualität dieser DAW-Abhörquelle ist insgesamt nicht ganz so gut wie die der Haupt-Digitalquelle mit dem Linn-Streamer, aber doch auf einem sehr hohen Niveau und ermöglicht mir damit, auch Feinheiten bei der digitalen Bearbeitung laufend zu hören.

Viele Grüße
Harald

--
Übersicht:
1. Stromversorgung, Erdung und LAN
2. Symmetrische Signalkabel und Masseverbindung
3. Stereo Quellen
3.1 Stereo Haupt-Quelle für digitales Material
3.2 DAW-Abhörquelle
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Evaluation eines Stereo-Hauptmikrofons

Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo zusammen,

nicht für alle von Euch ist das Thema Aufnahme interessant, aber aus persönlichen Gesprächen und von PNs weiß ich, dass einige von Euch bei solchen Themen mitlesen. Bei meinen Mikrofonen gibt es eine größere Veränderung und daher will ich berichten. Ich habe mich damit jetzt mehrere Monate intensiv beschäftigt. Damit es nicht zu länglich wird, kann ich bestimme Überlegungen nur andeuten.

In erster Linie geht es um mein Stereo-Hauptmikrofon für Flügelaufnahmen im heimischen Wohnzimmer. Stützmikrofone setze ich ab und zu auch ein. Aber meine Tests haben ergeben, dass das Hauptmikrofon primär klangentscheidend ist.


Vorüberlegungen

Warum überhaupt ein verändertes Hauptsystem? Seit ein paar Jahren verwende ich zwei Brauner Phantom Classic. Das sind Großmembran-Mikrofone mit Nierencharakteristik. Vorwiegend verwende ich XY140 als reines Pegeldifferenz-Stereofonie, weil dies die Akustik des für Aufnahmen eigentlich ungeeigneten Wohnzimmers gnädig kaschiert.

Nun muss man für ein XY140 Stereomikrofon die beiden Nieren um 140° gegeneinander schwenken. Das führt insbesondere bei Großmembranmikrofonen zu einer klanglichen Verfärbung, weil die Haupteinfallsrichtung des Schalls je Mikrofon nicht aus 0° sondern eben aus 70° kommt und bei dieser Einsprechrichtung sind die Höhen schon recht stark abgemildert. Hier die für einen solchen Mikrofontyp charakteristische Richtcharakteristik

Bild
Quelle: Neumann

Bei Großmembranmikrofonen kommt neben diesem Effekt noch die Schwierigkeit hinzu, dass die Kapseln aufgrund ihrer Größe nicht besonders nah zusammengebracht werden können, was bei XY zu Phasendrehungen im Bereich der betreffenden Wellenlängen führt.

Und eine dritte Schwierigkeit gibt es: Für eine gute Flügelaufnahme braucht es für meinen Geschmack die differenzierte Übertragung des Bassfundaments. Druckgradientenempfänger, wie es solche Mikrofone mit Nierencharakteristik sind, haben die konstruktive Eigenschaft, in ihrem Amplituden-Frequenzgang zu tiefen Frequenzen hin immer weiter abzufallen. Nun ist ein Flügel zwar keine Orgel mit 32′-Register (Subcontra-C mit etwas über 16Hz), aber mir ist es bislang nicht gelungen, mit Hilfe von Druckgradientenempfängern den Bass des Flügels so aufzunehmen, dass es mir gefallen hätte.

Druckempfänger (Mikrofone mit Kugelcharakteristik) dagegen gehen sehr viel tiefer und können den wunderschönen Klang des Flügelbasses sehr gut differenziert wandeln und auf der Aufnahme hörbar machen.

Es gab für mich noch ein paar andere Überlegungen zu meinem Stereo-Hauptsystem. So musste ich AB-Mikrofonie (Laufzeitdifferenz-Stereofonie mit Verwendung von zwei Druckempfängern) leider ausschließen, weil mein Raum das leider nicht zulässt. Auch mit Äquivalenzsterofonie (Kombination aus Pegeldifferenz- und Laufzeitdifferenz) werde ich nicht warm, weil ich dazu keine Druckempfänger verwenden kann und dann wieder das Problem mit dem fehlenden Bassfundament habe. Dies sei hier nur kurz angedeutet. Vor- und Nachteile der verschiedenen Stereofonie-Verfahren wären sicher einmal eine eigene Diskussion wert. Vielleicht machen wir das ja irgendwann im Rahmen einer Grundsatzdiskussion, um die Frage zu beleuchten, warum Stereofonie überhaupt funktioniert.

Ich fasse meine Aufgabenstellung zusammen. Gesucht wurde ein Hauptmikrofon, das folgende Eigenschaften besitzt:
  • reines Pegeldifferenz-Verfahren (XY oder MS). Grund: Gute Lokalisationsschärfe und reduzierte indirekte Schallanteile, letzteres wegen dem ungünstigen Aufnahmeraum
  • Verwendung eines Druckempfängers (Kugel). Grund: Bassfundament des Flügels soll differenziert aufgezeichnet werden
  • Kleinmembranmikrofone. Grund: Vermeidung von tonalen Verfärbungen, Kapseln für beide Kanäle möglichst nah beieinander zur Vermeidung von Phasendrehungen.
Meine Lösung ist ein MS-System mit M = Monoanteil als Druckempfänger (Kugel) und S = Seitenanteil realisiert durch einen Druckgradientenempfänger mit Achter-Charakteristik. Beides Kleinmembran-Mikrofone.

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Der Test

Es ging also darum, zunächst einen Kleinmembran-Druckempfänger (Kugel) zu finden. Das ist im Prinzip total einfach, denn praktisch jeder Mikrofonhersteller hat einen solchen im Sortiment. Allerdings, sie alle durchzutesten wäre ein ziemlich unmögliches Unterfangen für mich gewesen.

Aber ich war nicht allein. Peter Ruhrberg, Ralf Koschnicke, Frank Vornkahl (Neumann/Sennheiser) und Christian Roos (Digital Audio Service) haben mich durch Tipps und Leihstellungen unterstützt. Dafür nochmals herzlichen Dank! Danke übrigens auch an Gert, Hans-Martin, Fujak, Bernd-Peter und vor allem an Winfried (darwols) für die Hörberichte von einigen Aufnahmen, was mir sehr geholfen hat.

Ich habe also eine gewisse Auswahl von Testkandidaten getroffen. Für die Druckempfänger waren das vor allem folgende: Natürlich habe ich verschiedene Tests gemacht. Für den eigentlichen Vergleich reichen aber Mono-Aufnahmen aus, um die Unterschiede zu hören. Hierzu habe ich von immer derselben Stelle das immer gleiche Stück (aus dem 1.Satz von Beethovens Appassionata) aufgenommen. Meine Frau hat versucht, dieses auf die immer gleicher Weise zu spielen. Das variiert zwar dann schon, aber Feinheiten in der Klangcharakteristik sind so schon sicher zu erkennen. Meine Aufnahmekette ist ziemlich gut und optimiert auf zwei Kanäle: Millennia HV-3C Mikrofonvorverstärker, artistic fidelity adc2 als ADC und arfi-psu als Stromquelle, Übertragung via SPDIF (mit galvanischer Trennung durch Übertrager) auf das Fireface und Aufzeichung auf einem Tablett mit DIGICheck Global Record (Tablett im Akkubetrieb 8) ohne das Schaltnetzteil zu nutzen).

Zunächst aber waren die Unterschiede zwischen den Mikrofonen sehr deutlich. Und das müssen sie auch sein, denn bei einem direkten Vergleich ist das ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. Warum?
Nehmen wir mal das Schoeps mit der MK 2S Kapsel

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Quelle: Schoeps MK 2S

Diese Kapsel ist dafür optimiert, in der Nähe des Hallradius zu arbeiten. Dagegen ist z.B. das Neumann KM 183

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dafür ausgelegt, im Diffusfeld eingesetzt zu werden, das ist weiter von der Schallquelle entfernt, weit außerhalb des Hallradius. Da mit zunehmender Entfernung zur Schallquelle die Höhen durch Absorption in der Luft zunehmend abgeschwächt werden, besitzen solche Diffusfeld-entzerrten Mikrofone eine entsprechende Höhenanhebung.

Die verschiedenen Mikrofone klingen also im direkten Vergleich vor allem deswegen unterschiedlich, weil sie für unterschiedliche Entfernungen zur Schallquelle optimiert sind. Um nun die verschiedenen Typen vergleichen zu können, habe ich alle Aufnahmen auf einen bestimmten Amplituden-Frequenzgang normalisiert. U.z. auf denjenigen eines Schoeps-Mikrofons mit einer MK 2H Kapsel. Das fand ich tonal am angenehmsten für meinen Aufnahmeabstand und Aufnahmezweck.

Diese Entzerrung habe ich Basis der von den Herstellern veröffentlichten Amplituden-Frequenzgängen vorgenommen. Dazu habe ich die Differenz „soll minus ist“ je Frequenz abgelesen, in einer Tabelle notiert, mit Hilfe von Mathematica eine möglichst „glatte“ Funktion berechnet (welche durch die jeweiligen Stützstellen geht), mit Acourate ein minimalphasiges Korrekturfilter berechnet und schließlich durch Faltung auf die jeweilige Aufnahme angewandt.

Ergebnis: Die Mikrofone unterscheiden sich nach der FG-Korrektur nur noch sehr wenig. Sicher mag es noch Unterschiede dadurch geben, dass die realen FGe der getesteten Mikrofone von den veröffentlichten Amplituden-FGe abweichen. Aber andererseits konnte ich auf diese Weise Feinheiten zwischen den Mikrofonen herausfinden. Subjektiv natürlich aber für mich ergeben sich folgende Unterschiede:

Die Schoepse haben eine sehr gute Differenziertheit und erzeugen ein Klangbild mit hoher Plastizität und Feindynamik. Rode und Behringer kommen relativ zum Preis recht nah an diese Qualität heran (erstaunlich, denn da gibt es enorme Preisunterschiede zwischen diesen Mikrofonen), aber in Punkto Transparenz und Genauigkeit spielen Schoeps und Neumann in einer eigenen Liga.

Die Neumänner lösen noch etwas genauer auf als die Schoepse. Sie haben eine unspektakuläre Art von Transparenz, so dass im Vergleich zu den Schoepsen, wo manches Detail mit mehr Charakter daherkommt, schon fast etwas fehlt. Das ist sicher Geschmacks- und Ansichtssache, aber für mich sind die Neumänner klar besser.

Die Neumänner haben so etwas wie einen Familienklang, aber es gibt dennoch Unterschiede zwischen ihnen. Am feinsten und „kohärentesten“ arbeitet in meinen Ohren das historische KM 253 (mit ca. 65 Jahre alten Kapseln und einer Transistor-Verstärkerschaltung von Peter). Nach der FG-Korrektur aber super dicht gefolgt vom KM 183. Mit einem kleinen Abstand dazu liegen für mich die KM A + KK 133. Die Höhen der KK 133 sind super genau, können aber auch etwas spitz wirken (was vermutlich am noch nicht perfekt korrigierten FG liegt). Der Bass der KK 133 dagegen ist einen Tick zu undifferenziert im Vergleich zu den KM 183. Das wiederum kann daran liegen, dass ich die Mikrofone nicht exakt gleich aufstellen konnte zwischen den verschiedenen Sessions. Ein paar cm bewirken da u.U. sehr deutliche Unterschiede. Dennoch, ich möchte schon so weit gehen, dass das KM A + KK 133 für meinen Zweck zumindest nicht wesentlich besser ist, als das sehr viel leichter finanzierbare KM 183.

Letzteres ist ein wenig erstaunlich, denn die KK 133 Kapseln entsprechen denjenigen des M 150, einem Kleinmembran (!) Röhrenmikrofon, bei dem es sich um den Nachfolger des berühmten M 50 handelt (bekannt z.B. vom Decca Tree)

Fazit: Ich habe mich für das KM 183 von Neumann entschieden. Ich werde den individuell durchgemessenen Amplituden-Frequenzgang von Neumann mit dazu erhalten und werde auf dieser Basis eine geeignete FG-Korrektur erstellen.


Die Acht ...

… fehlt noch zu meinem MS-Stereomikrofon. Hier gibt es nicht so viele Möglichkeiten wie bei den Kugeln. Ich suchte eine nicht umschaltbare Acht mit nur einer Membran. Auch sollte die Membran klein und das Mikrofon kompakt gebaut sein (insbesondere Kleinmembran). Getestet habe ich das AKG C 480 B + CK 94 und das Neumann KM A + KK 120. Auch hier bin ich klanglich nach einer FG-Korrektur ganz klar beim Neumann gelandet.

Achten haben konstruktionsbedingt einen heftigen Abfall im Bassbereich. Die FG-Korrigierbarkeit hat hier ihre Grenzen. Aber dafür habe ich in meinem MS-System ja den Druckempfänger mit an Bord. Auch für das KK 120 habe ich den individuellen Amplituden-FG bei Neumann mitbestellt.


Fazit

Damit steht „mein“ Neumann MS-Hauptsystem bestehend aus KM 183 (Kugel) und KM A mit KK 120 (Acht). Die FG-Korrektur auf Basis der individuellen FG-Messungen wird mich noch eine Weile beschäftigen. Mit der Korrektur des S-Anteils lässt sich auch das Thema Lokalisation in „natürlicher“ Weise gleich mitberücksichtigen. Stichworte: Frequenzabhängige Hörereignisrichtung, AcourateFLOW und LoCo. Und wenn ich ein MS-Signal anstelle eines LR-Signals aufzeichne, habe ich beim AD-Wandeln gleich auch das Thema Cleaner mit erschlagen, ohne eine MS-Matrizierung auf analogem Weg realisieren zu müssen.

Viele Grüße
Harald
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Liebe Störquellenvermeider,

vor einiger Zeit hatte ich von einem Audio-PC Vergleich bei Ralf Koschnicke berichtet, bei dem wir u.a. den negativen Klangeinfluss durch ein einfaches Schaltnetzteil ziemlich deutlich hören konnten. Das hat mir keine Ruhe gelassen und ich habe der Infrastruktur in meinem Hörraum …

1. Stromversorgung, Erdung und LAN

… einige wohlfeile aber wirkungsvolle Optimierungsmaßnahmen gegönnt.

1a. Maßnahmen zur Vermeidung von HF-Einflüssen

Kurz und knapp gesagt:
  • Vermeidung von Switches im Hörraum. Ich habe das LAN so umgestellt, dass der Übergang zwischen Cat-Verkabelung und Lichtleiter außerhalb des Hörraums stattfindet und ich auf switches im Hörraum verzichten kann. Gleichzeitig habe ich die Computeranbindung weitestgehend auf WLAN umgestellt.
  • Ich habe sämtliche „einfachen“ Schaltnetzteile aus dem Hörraum verbannt oder trenne sie im Audiobetrieb vom Stromnetz. Das gilt auch für LED-Lampen, die manchmal ja direkt an 230V angeschlossen werden können und dafür in ihrem Sockel ein kleines Schaltnetzteil eingebaut haben.
  • Sofern ich beim Hören künstliches Licht brauche, setze ich klassische Glühlampen aus Altbeständen ein.
So einfach diese Maßnahmen sind, umso erstaunlicher ist m.E. ihre Wirkung. Das Klangbild ist ruhiger und die Bühne erscheint tiefer. Gerade letztes ist für mich ein klares Zeichen, dass sich etwas getan hat.

Viele Grüße
Harald
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Harald,

ich lese hier ziemlich "gebannt" mit und bekomme aus fast allen Deinen Erkenntnissen auch Anregungen für meine eigene, natürlich bei Weitem nicht so ausgefeilte, Musikwiedergabeeinrichtungen.

Herzlichen Dank also für Deine viele, grosse Mühe, das alles so ausführlich, verständlich und nachvollzhiehbar zu dokumentieren!

Grüße,
Winfried

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