Nicht-lineare Effekte bei der Lautsprecherwiedergabe

Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Morgen

Die Idee war auch folgende: unterhalb der Resonanzfrequenz hat man kein Feder-Masse-System mehr.
Das Ein- und Ausschwingen sollte ideal sein.
Der Frequenzgang (Freifeld) linear bis nahe 0Hz.
Es sollte einem ideal geregelten System nah kommen.

Bei all der Euphorie scheint der Klirr vergessen worden.
Das Prinzip war aber auch eigentlich nicht als Mono Single Woofer gedacht!
Der Bekannte baute den URPS mit 16 x 25cm Bässen auf. Mit 90mm PeaktoPeak Hub max.
IdR nutzt er nur 1-3 mm bis man um Gnade winselt.
Hier spielt der Klirr (nicht gemessen!) ohrenscheinlich keine Rolle.

Gruß
Josh
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Josh,
Hornguru hat geschrieben:Die Idee war auch folgende: unterhalb der Resonanzfrequenz hat man kein Feder-Masse-System mehr.
Das Ein- und Ausschwingen sollte ideal sein.
Das Ein- und Ausschwingen hängt ausschließlich von der komplexen Übertragungsfunktion ab. Wenn man minimalphasig auf eine Gerade entzerrt oder per FIR die Phase, ist es automatisch perfekt. Das hat aber nichts damit zu tun, dass der Treiber unterhalb der Resonanzfrequenz betrieben wird. Irgendwie scheint mir da jemand in der Vergangenheit das Thema nicht verstanden zu haben. Das war aber nicht ungewöhnlich damals. Die Forenwelt war noch weniger aufgeklärt. :mrgreen:

Jedenfalls wollte mir nie ein echter Vorteil dieses Frequenzbereiches einleuchten. Nachteile allerding zu Hauf (Leistungsbedarf, Klirr, Powerkompression, asymmetrische Luftfeder usw.).
Das Prinzip war aber auch eigentlich nicht als Mono Single Woofer gedacht!
Ja und dann baut man einfach normale geschlossene Volumina und es wird noch besser. Das Argument wirkte auf mich immer wie eine Rechtfertigung für den schlimmen Klirr. "Ja, aber..." ;)

Gruß
Nils
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RS.schanksaudio
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Beitrag von RS.schanksaudio »

Guten morgen zusammen,

mir ging es bei der Nennung des URPSs nicht um die Bewertung dieses Bauprinzips, sondern um die Tatsache, das die Wahrnehmung im Tief(st)tonbereich in Bezug auf Klirr eine andere ist. Auffällig gerade an diesem Beispiel ist, dass der starke Klirranteil mit dem allgemein positivem Feedback korreliert. So etwas kennen wir ja generell aus anderen Bereichen des Soundings.

Ich habe vor über 15 Jahren selbst einen URPS bestehend aus 4x Visaton GF250 gebaut und mit Linkwitz-Poleshifter entzerrt. Es war zugegebenermaßen ein Spaßprojekt, aber trotzdem sehr lehrreich. Das Prinzip kommt aus dem PA-Bereich und wurde in der breiten Öffentlichkeit das erste mal von dem leider inzwischen verstorbenen Finn Hoffmann veröffentlicht – viele kennen vielleicht noch seine in Foren gepflegte markanten Schreibstil.

Weitere Lektüre zum URPS: http://www.hifi-forum.de/index.php?acti ... hread=2031

Viele Grüße
Roland
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

<Der Frequenzgang (Freifeld) linear bis nahe 0Hz.

Die erforderliche Leistung dann nahe unendlich!!

Unterhalb der Resonanzfrequenz fällt der Schalldruck mit 12db/Oktave

Also braucht man für jede Oktave unterhalb der Resonanzfrequenz die 16fache Leistung um auf den gleichen Schalldruck zu kommen.

Was hat diese Urps Geschichte eigentlich noch mit Hifi zu tun?

Sie funktioniert allenfalls hinreichend, wenn man den Lautsprecher aktiv regelt, und dann aber auch nur maximal 1 Oktave unter der Resonanzfrequenz. Sonst muss man die open Loop Verstärkerkung des Regelkreises so groß machen, das die Regelung wieder instabil wird.

Ralph Berres
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

URPSe funktionieren ganz wunderbar und auch ohne übermäßigen Klirr, wenn sie richtig designt wurden. Eigentlich brauch man spezielle Chassis die es von der Stange selten gibt weil sie halt auch für nix anderes zu gebrauchen sind : brutalster Antrieb aber butterweiche Aufhängung, man will auf ein Einbaugüte kleiner als 0.7 kommen, je kleiner desto besser, und man will die Reso nicht durch eine unnotig harte Einspannung hoch treiben. Wenn die Luftfeder dominant ist und damit auch ihre Nichtlinearität (weil Kammervolumen nicht >> Verschiebevolumen), dann kann man den Klirr sogar ganz gut vorausentzerren.
URPSe haben eine großen Vorteil vor allem ggü Bassreflex: sie sind dynamisch selbstzentrierend und damit überlastsicher, dynamischer DC-Offset ensteht gar nicht erst. Das trägt mE wesentlich zum Sound bei, der trotz zuviel Hub niemals unkontrolliert chaotisch wird, so wie bei einer BR. D.h. es klirrt dann halt monentan stärker, aber sonst gibt es keine Dreckeffekte.
Der Wirkungsgrad eines URPS ist definitionsgemäß immer schlechter als bei einer Konstruktion mit einer Resonanz (Impedanzspitze) voll im Passband, aber nicht so schlecht wie immer behauptet, abhängig von der Stärke des Motors. Eine breite und hohe Impedanzspitze ist halt immer von Vorteil für den Wirkungsgrad auch wenn die Spitze nicht voll im Passband liegt.
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Der "Ur-URPS" ist eigentlich der ELF Subwoofer, wie er von Long und Wickersham in den Siebzigern patentiert wurde und welcher von Bad End immer noch hergestellt wird und zwar als Sub sowohl für Home HiFi, Home Cinema, Musikinstrumente, Studio Monitoring und PA (je nach Modell).
Entzerren tun sie je nach dem bis deutlich unter 10 Hz. Und zwar nicht um Erdbeben zu erzeugen, sondern einen linearen Phasengang und damit ein gutes Timing bis ans untere Ende des Hörbereichs zu erreichen. Bezüglich benötigtem Verschiebevolumen und Leistungsbedarf sind die Dinger auch nicht schlechter als geregelte Systeme. Bezüglich Klirr hingegen schon.

Gruss

Charles
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo,
KSTR hat geschrieben:URPSe haben eine großen Vorteil vor allem ggü Bassreflex: sie sind dynamisch selbstzentrierend und damit überlastsicher, dynamischer DC-Offset ensteht gar nicht erst.
Den Vorteil haben aber nicht nur URPSe, sondern auch "herkömmliche" geschlossene Subwoofer (mit einer Einbaureso von z.B. 40 Hz) gegenüber Bassreflex (natürlich in gewissen Grenzen), ohne dass man spezielle Treiber benötigt und Unmengen an Leistung reinsteckten muss. Im Raum passt dann der Druckkammereffekt recht gut zum Abfall und man muss wenig entzerren.

Die Frage ist doch, ob die (minimale?) Verbesserung bezüglich Zentrierung gegenüber normalen Geschlossenen die Nachteile überhaupt aufwiegt. Oder anders: wenn man die Selbstzentrierung zum Großteil schon mit einem herkömmlichen geschlossenen Subwoofer bekommt, wofür dann der URPS?

Gruß
Nils
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RS.schanksaudio
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Beitrag von RS.schanksaudio »

Vielleicht fehlt es auch einfach an einem geregelten URPS :D

Viele Grüße
Roland
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Charles,
phase_accurate hat geschrieben:Entzerren tun sie je nach dem bis deutlich unter 10 Hz. Und zwar nicht um Erdbeben zu erzeugen, sondern einen linearen Phasengang und damit ein gutes Timing bis ans untere Ende des Hörbereichs zu erreichen.
Das ist aber keine spezielle Eigenschaft des URPSes, sondern kann mit jedem geschlossenen System gemacht werden (wenn gewünscht). Daher wundert es mich, dass es immer in dem Zusammenhang genannt wird.

Gruß
Nils
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Das ist aber keine spezielle Eigenschaft des URPSes, sondern kann mit jedem geschlossenen System gemacht werden (wenn gewünscht). Daher wundert es mich, dass es immer in dem Zusammenhang genannt wird.
Stimmt! Man kann es aber noch einmal andersrum betrachten: Ein gewöhnliches, geschlossenes System, das bis unterhalb seiner Grenzfrequenz linear entzerrt wird, wird implizit auch "URPSig" betrieben - oder etwa nicht ?

Gruss

Charles
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Ralph Berres hat geschrieben:Unterhalb der Resonanzfrequenz fällt der Schalldruck mit 12db/Oktave
Zum Glück steigt der Druck im Raum unterhalb der Längsmode wieder mit 12db an :)
Wie KTSR schön schreibt, mit niedriger Güte fällt es recht gemäßigt ab. Uu weniger als 12.
Schon fällt die Entzerrung ggf nur noch <20dB stark aus.

Bzgl Klirr hilft viel viel. 10-20 Stück gestapelt.
Das ermöglicht dann auch jeden Zweiten umgekehrt montiert und in Phase invertiert zu betreiben - was die restliche Asymmetrie im Antrieb nochmals minimal reduziert.

Wie auch schön angemerkt lässt sich das einfach weiter optimieren durch negativen Klirr im Signal eingespeist.

Am Ende wirds doch noch brauchbar mit viel Aufwand, und extreme fetter PA-ClassD Endstufe.
Bleibt eigentlich nur noch die Platzersparnis als echtes Killerfeature.
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Das ermöglicht dann auch jeden Zweiten umgekehrt montiert und in Phase invertiert zu betreiben
Dann könnte man ja auch 2 in ein Gehäuse bauen... einen vorne einen hinten... mit getrennten Volumina... dann bleibt der bass auch auch seiner stelle stehen und wandert nicht :) "Impulskompensation"

Grüße

Christian
KSTR
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Beitrag von KSTR »

FoLLgoTT hat geschrieben:
KSTR hat geschrieben:URPSe haben eine großen Vorteil vor allem ggü Bassreflex: sie sind dynamisch selbstzentrierend und damit überlastsicher, dynamischer DC-Offset ensteht gar nicht erst.
... Den Vorteil haben aber nicht nur URPSe, sondern auch "herkömmliche" geschlossene Subwoofer (mit einer Einbaureso von z.B. 40 Hz) ...
Nee, nicht wirklich, oberhalb von FS besteht auch bei CB immer die Gefahr des DC-Offsets und des gefürchteten "Jump Resonance"-Phänomens wenn zuwenig elektrische Dämpfung wirkt. Am schlimmsten lt. Klippel und meinen eigenen Beobachtungen im Bereich um 2*Fs. Ist im Heimgebrauch vlt. nicht so relevant ausser evtl. bei brachialem Heimkino, aber bei EDM-Mucke (==Vollpegel-Sinusbässe) im PA Betrieb durchaus. Ich kann mich noch gut an die Anfänge der Techno-Welle erinneren, also an das Haareraufen der PA-Verleiher warum immer die Subs so schnell verreckt sind, obwohl sie das leistungsmäßig/thermisch und hubmäßig locker hätten packen müssen.
Ich will URPSe nicht verteidigen, es ist und bleibt halt ein eher unökomisches Prinzip und hat sich deswegen wenig durchsetzen können.
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo,
KSTR hat geschrieben:Nee, nicht wirklich, oberhalb von FS besteht auch bei CB immer die Gefahr des DC-Offsets und des gefürchteten "Jump Resonance"-Phänomens wenn zuwenig elektrische Dämpfung wirkt. Am schlimmsten lt. Klippel und meinen eigenen Beobachtungen im Bereich um 2*Fs.
Ja, das ist mir bekannt. Herauskommende Membranen konnte ich bei geschlossenen Subwoofern allerdings nie in der Stärke beobachten wie bei Bassreflex (was nichts heißen mag).
Ist im Heimgebrauch vlt. nicht so relevant ausser evtl. bei brachialem Heimkino
Der Hub nimmt bei 2*Fs in der Regel schon deutlich ab. Zumindest im Heimkino sind die größten Pegel (und Hübe) bei 25- 40 Hz zu finden (also knapp unterresonant für mein Beispiel). Alles darüber ist eher harmlos. Jedenfalls ist mir in der Vergangenheit noch nie ein Subwoofer im Heimkino deswegen angeschlagen. Das waren immer die 30-Hz-Attacken (oder tiefer).

Für PA ist die Vermeidung des Gleichanteils sicher eine ganz andere Nummer, das denke ich auch. :)

Gruß
Nils
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engineer
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Beitrag von engineer »

Habe jetzt nicht alles gelesen, aber die Thematik "nichtlineare Vorverzerrung" und "Intermodulation" ist ja nicht neu und inzwischen auch mehrfach gelöst. Die Effekte gibt es ja so nicht nur bei Audiowellenerzeugung. Besonders das Intermodulationsproblem (welches je nach Quelle quantitativ betrachtet kein großes ist ), lässt sich mit einfacher Signalverarbeitung lösen - jedenfalls bei aktiven Lautsprechern.
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