Hallo Hans-Martin,
danke für die nette Begrüßung.
Doch doch, Kabel benutze ich schon (streame derzeit nicht), aber ich finde die einfach nicht erwähnenswert und verwende konsequent vernünftige "Chinaqualität". Für Mikros und die Gitarre greife ich dann schon tiefer in die Tasche und kaufe Studioqualität wie Klotz-Kabel und Neutrik-Stecker. Nicht dass ich keinen Spaß an schönen fetten Kabeln hätte, nur gebe ich mein Geld lieber für andere Sachen aus, und für mich spielt da einfach nicht die Musik. Außerdem reagiere ich, vorsichtig ausgedrückt, etwas ... nun ja ... aversiv auf die professionelle Verlogenheit vieler Hifi-Verkäufer (o.k. oft ist es nur Inkompetenz, aber ist das viel besser?).
Mit nur 84,4dB/W/m fällt der FR35/8 etwas aus dem Rahmen, merkt man das der Kombination nicht an (z.B. weichere, zurückhaltendere Mitten)?
Wie ich dich verstehe, ist der MT nach hinten offen, hat das keine störenden Nebenwirkungen?
Ich habe vor, ein ähnliches Konzept zu bauen, allerdings mit niedrigerer Trennfrequenz.
Ich war selbst überrascht, wie gut alles passt. Es gibt keine weichen, zurückhaltenden Mitten. Als Mitteltöner sind die einfach großartig und gehören ja auch bekanntermaßen zum klirrärmsten, was es als Konus auf diesem Planeten in dieser Größe zu kaufen gibt. Hatte vor ein paar Jahren schonmal einen Tangband-Breitbänder TB871 mit ähnlichem Setting ausprobiert, der war einfach nur nervig (Klirr viel zu hoch für mich, wie bei den meisten Chassis).
Ich habe die Vifas intensiv mit den Seas H304 3'' MT-Kalotten verglichen, und zwar habe ich beide abwechselnd (ohne HT und TT) mit mittenbetonter Musik gehört (vorher per Acourate auf dieselbe Zielkurve gebracht) und versucht herauszufinden, ob die Vifas mehr nerven oder weniger dynamisch spielen. Die Chassis klangen tatsächlich nahezu identisch bei meinen Tests, rein emotional fand ich die H304 etwas besser, irgendwie "runder" / "dunkler" und minimal natürlicher. Bei den H304 könnte man übrigens den Koppelvolumen-Behälter entfernen bzw. verkleinern und man könnte sie dann auch als Pseudokoax oder mit extravaganten Gehäuseformen einsetzen, allerdings weiß ich nicht, wie tief die dann noch runterspielen. Die Vifas gehen offen nicht viel tiefer als 800-900 Hz; ich hätte die auch lieber bei 300 Hz angekoppelt, aber solange es gut klingt ...
Offener MT: naja, Geithain setzt sowas ja schon lange ein. Ich hatte jedenfalls bei der Acourate-Filtererstellung mit Preringing keine Probleme. Dabei hab ich nicht mal eine Fein-Zeitkorrektur nach Messung durchgeführt, sondern nur eine Pi-Mal-Daumen-Korrektur nach gemessenem cm-Abstand, weil ich wenig Zeit hatte. Außerdem glaube ich, dass ein offener MT prinzipiell die Bühne etwas vergrößert und man nicht so schnell diese "Micky-Maus-Bühne" mit Mini-Sängern und Mini-Musikern wahrnimmt, was mich bei den Jordan 2'' Breitbändern richtig gestört hat.
Es gibt bei so einer Pseudo-Koax-Konstruktion immer Auslöschungseffekte, für mich sind diese jedoch nicht offensichtlich oder störend, und Rosa Rauschen klingt wie weich fließendes Wasser (zumindest mit Exzessphasenfilter). Ich glaube, dass die Diskussion eher akademisch ist, und man sollte es selbst mal ausprobieren. Bei den Messungen haben sich Auslöschungen kaum bemerkbar gemacht, allerdings habe ich auch etwas mit den Übergangsfrequenzen und Zeitversatz herumgespielt. Ich hatte mich auf einen Abstimmungsmarathon vorbereitet, aber es ging wirklich schnell. Ich habe (ist erst ein paar Monate her) sogar auf ein sorgfältiges EQing per DSP verzichtet, wie man an der Zielkurve sieht:
Die Simulation sieht dann so aus (leider auch 2017 nur 1000 px Breite möglich):
Eine ähnliche 75mm Mitteltonkalotte kenne ich aus den 1980er Jahren von Vifa (Vivace Bausatz von Karl-Heinz Fink), jetzt unter Peerless wieder aufgelegt. Aber bringt die nicht das Bündelungsverhalten zwischen TT und AMT völlig durcheinander und ergänzt sich besser mit Hochtonkalotten als mit dem wiederum bündelnden AMT?
Für eine Nahfeld-Abhöre gelten m.E. deutlich andere Regeln als für einen Lautsprecher, der mit größerem Hallanteil gehört wird. Mal abgesehen davon, dass bei einem steilflankigen Filter (ich verwende 24dB/8ve) TT und AMT keine gemeinsamen Frequenzbereiche mehr abdecken, halte ich die Bündelung des AMT bei einer Abhördistanz von 1,10 m für irrelevant. Du sitzt auf jeden Fall im Sweetspot, und der Raum spielt keine große Rolle (auch wenn es natürlich Auslöschungen und eine Reflexion von der Tischplatte gibt, letzteres kann aber ganz gut korrigiert werden). Ich habe z.B. mit einem EQ und steilflankigen +30dB-Filtern auf Rosa Rauschen nach Resonanzen und Verfärbungen gesucht, aber es gibt da einfach nicht viel zu Mäkeln.
Das ist ein ganz heißes Thema für mich, welche In-Ear Mikrofone benutzt du da?
Wie weit gehen die in den Gehörgang hinein?
Sehr einfach: WM-61a omnidirektionale Kapseln mit 6 mm Durchmesser für ein paar EUR das Stück (werden auch für Selbstbau-Messmikros verwendet), dann Draht von einer Spule anlöten und ergonomisch richtig formen (links und rechts spiegelverkehrt). Für die Messung von In-Ear-Kopfhörern muss man das Mikro so weit in den Gehörgang schieben, dass der In-Ear-Kopfhörer gerade nicht mehr berührt wird (bei mir ca. 2 cm tiefer als der Gehörgangsanfang in Höhe des Tragus). Wenn man aufliegende Kopfhörer messen will, wäre eine gute Position am Eingang das Gehörgangs, also ungefähr in Tragus-Höhe (so macht es z.B. Smyth mit dem Realizer). Der Draht, den ich verwendet habe, ist etwas zu dick, zumindest behält er die Form und das Mikro bleibt recht gut positioniert. So sieht meine "ergonomisch angepasste" Verdrahtung aus:
Ich bin so vorgegangen:
- Referenzkopfhörer per EQ (FabFilter Pro-Q2) so angepasst, dass er nahezu so klingt wie Referenz-Lautsprecher
- im Ohr den Frequenzgang von KH1, des Referenzkopfhörers gemessen
- sofort im Anschluss KH2 gemessen mit möglichst identischer Mikro-Position
- Differenz aus beiden Messungen gebildet
- diese Differenz per EQ ausgeglichen mit dem Ergebnis einer EQ-Korrektur für den KH2, die den Klang von KH1 erzeugt
>> Ergebnis: beide Kopfhörer klingen praktisch gleich
Das größte Problem ist, die Referenz für die eigene HRTF zu bekommen, also den EQ für KH1. Prinzipiell geht dies in 2 Schritten:
1. Messung des Amplitudenfrequenzgangs eines Referenz-Lautsprechers im individuellen Ohr und
2. anschließende Messung des Kopfhörers (mit demselben Mikro in derselben Position)
Danach wird das Kopfhörer-Signal derart korrigiert, dass es denselben Amplitudengang produziert wie der Referenz-Lautsprecher. Smyth geht mit dem Realizer genau diesen Weg, aber dann bis zum bitteren Ende (d.h., sie simulieren noch den kompletten Raum mit und rechnen alle Reflexionen in Echtzeit mit rein ... wie schon oben beschrieben für mich eine geniale Meisterleistung, ich war aufgeregt wie ein kleines Kind
).
Ich selbst habe mit dem EQing der KH auf Basis einer Lautsprechermessung ein paar Stunden lang experimentiert, es aber nicht hinbekommen. Wenn ich mal etwas mehr Zeit habe, werde ich das systematischer angehen, um den Weg zur Referenz zu verkürzen. Auch wäre es phantastisch, wenn Uli Brüggemann Acourate für diesen Anwendungszweck aufbohren könnte, ich werde in Kürze was zu einer Diskussion zu diesem Thema schreiben.
Letztlich habe ich meine Referenz bekommen, indem ich eine schon recht gute Dirac-Korrektur für Apple Earpods (enthalten im Dirac-Player aus dem Apple Store) auditiv noch weiter verfeinert habe, danach habe ich mit dem Wave Arts Panorama Plugin noch eine Raumsimulation und Crossfeed hinzugefügt, um die außer-Kopf-Lokalisation zu verbessern. Die reine EQ-Korrektur für Apple Earpods für meine HRTF sieht so aus (die Unregelmäßigkeiten sind Kammfilter-Effekte durch die Raumsimulation des Plugins):
Ja genau, Apple Earpods für 30 EUR sind meine KH-Referenz
). Sie klingen für mich neutraler als der 5000 EUR Audeze, den ich auf der High End gehört habe. Damit behaupte ich NICHT, dass die Earpods genau so gut bis ins letzte Detail auflösen (habs nicht verglichen). Es geht hier ausschließlich um die Korrektur von klanglichen Verfärbungen, und das kann man mit jedem Kopfhörer erledigen, der keine groben Fehler wie Verzerrungen produziert und die untere und obere Hörgrenze wiedergeben kann. Das behauptet übrigens Sean Olive seit vielen Jahren, und es stimmt wirklich.
Mit dieser Referenz ist es dann ziemlich einfach, "Referenzkopfhörer-Klone" herzustellen. Vorausgesetzt, man kann einen EQ einschleifen, siehe oben. Natürlich kann man auch den EQ in die Dateien einer Playlist reinrechnen, um diese an KH X angpassten Dateien z.B. auf ein Smartphone zu laden. Für einen Bose QuietComfort 20 (geniale Rauschunterdrückung, aber übel verfärbend) sieht das dann so aus, wenn er auf die Amplitudenwiedergabe der Apple EarPads korrigiert wird:
Kleine Warnung: die KH-Referenz zu finden hat bei mir bestimmt 20-30 h gedauert mit allen Recherchen. Aber WENN man so eine KH-Referenz für seine individuelle HRTF hat, ist der Qualitätssprung enorm. Übrigens sind viele HRTFs gar nicht so unähnlich lt. Smyth. Ich hatte bei der Realizer-Vorführung die Gelegenheit, die Korrektur des Typen, der nach mir dran war, zu testen. Das war nicht sehr viel anders als meine individuell vermessene Korrektur (allerdings ist die Lokalisierung von Mitte-Seite schneller zusammengebrochen, und er hatte auch eine ähnliche Kopfgröße wie ich). Vielleicht klingen viele Kopfhörer einfach deshalb so verfärbt, weil sie objektiv für nahezu alle Menschen stark verfärben – und nicht etwa, weil die HRTFs der Hörer so extrem unterschiedlich sind?