Hallo Andreas,
erstmal herzlich willkommen hier im Forum. Ich finde das ganz prima, dass Du Dich hier der Diskussion stellst.
geeprombolo hat geschrieben:Das nur die binauralen Impulsantworten der sechs HT bewertet werden und nicht die HT selber, stellt im Versuchsaufbau kein Problem dar, dieser wurde schon bei anderen Forschungsthemen so verwendet, wenn es um die Untersuchung des Einfluss von Amplituden- und Phasengang geht.
Den Anspruch einer Untersuchung des Klirrverhaltens etc. hatte ich mit dieser Arbeit nicht.
Das ist nun eigentlich mein zentraler Kritikpunkt und ich will versuchen zu erklären, warum.
Du gehst von linearem Betrieb der HT aus - dann wird das Übertragungsverhalten komplett durch eine aufgenommene Impulsantwort beschrieben. Soweit einverstanden. Das, was meiner Meinung nach den Eigenklang eines Lautsprechers ausmacht, sind Dinge, die sich in einer Impulsantwort üblicherweise nur im Ansatz finden lassen. Klirr, der durch Eigenschwingungen der Membran zustande kommt. Auf einer Kalotten- oder Konusmembran bildet sich eine Vielzahl an Partial-, Glocken- und Longitudinalschwingungen aus. Diese werden von der Impulsantwort teilweise nicht erfasst - weil das Chassis eben nur bei einer Amplitude gemessen wird. Je nachdem, wie die Impulsantwort gewonnen wird, werden die Teilschwingungen auch nicht erfasst, weil sie zu kurz angeregt werden.
Man mag nun mein Rumgemecker als untergeordneten Effekt rein akademischer Natur abtun. Ich will aber erklären, warum mir das wichtig ist - ich habe da ein paar Erfahrungen gesammelt. Wenn man aktive Lautsprecher baut, kann man bekanntlich verschiedene Wege beschreiten, um von einem Chassis ein amplituden- und phasentreues Verhalten zu erhalten:
- 1. Das Chassis kriegt eine Endstufe und wird ansonsten sich selbst überlassen. Damit zumindest der Amplidenfrequenzgang einigermaßen befriedigend ausfällt, muss man das Verhalten des Masse-Feder-Pendels Lautsprecher mit vielerlei Tricks mechanischer Natur beeinflussen. Luftkämmerlein hier, Wirbelstrombremse da, Ventilationsöffnung dort, Dämpfungsschicht und was noch alles der Fantasie des Chassisbauers entspringt. So kriegt man vielleicht den Amplitudenfrequenzgang einigermaßen hin, aber die Phase macht, was sie will. Und zum geraden Frequenzgang tragen auch allerlei Teilschwingungen bei, die man eigentlich nach der reiner Lehre gar nicht möchte, aber geschickt zum gewünschten Schalldruck beitragen. Diese Art, einen aktiven Lautsprecher zu konstruieren, ist nach meinem Verständnis nicht viel besser als einen passiven zu bauen.
2. Man nimmt ein Lautsprecherchassis wie unter 1. beschrieben. Man misst seine Impulsantwort und bügelt digital mit der Inversen seine Amplituden- und Phasenfehler aus. Dabei stellt man dann fest, wie unwichtig eigentlich der vorher so wichtige Amplitudenfrequenzgang ist. Viel wichtiger ist es, dass sich das Chassis linear verhält, also möglichst wenig Klirr und Teilschwingungen produziert. Leider sind die meisten käuflichen Lautsprecherchassis dafür gar nicht gebaut - weil der Hersteller zu Recht fürchten muss, dass eine solche "Gurke" aus Sicht des Amplitudenfrequenzgangs niemand haben will. Also nimmt man halt, was sich messtechnisch einigermaßen gut eignet und bügelt das digital.
3. Man spendiert dem Chassis einen Sensor und versucht, seine Bewegung zu regeln. Entgegen der landläufigen Meinung, das man damit das Chassis zu allem zwingen kann, was man will, fangen hier die Probleme erst richtig an. Nun bekommt man nämlich all die Glocken- und Longitudinalschwingungen der Membran und Sicke auf dem Präsentierteller angeliefert, viel stärker, als dies je in einer Messung der Impulsantwort auffallen würde. Für ein geregeltes Chassis hätte man am liebsten eine ideal kolbenförmig schwingende Membran, die meinetwegen einen noch so dürftigen Frequenzgang haben kann - das lässt sich spielend ausregeln nachher. Wichtig ist aber zunächst, dass man all die Resonanzen und Teilschwingungen wegkriegt - denn die verhindern eine wirksame Regelung. Das System wird einfach auf der untersten Teilschwingungsfrequenz (meist der ersten Longitudinalmode) hemmungslos schwingen (pfeifen), wenn man die Gegenkopplung in der Verstärkung hochzieht.
Ein Lautsprecherbauer, der sich dem 3. Prinzip verschreibt, muss also zunächst einmal ein Chassis wählen, das von Haus aus möglichst wenig Eigenschwingungen abseits der Kolbenbewegung erzeugt. Und dann in akribischer Feinarbeit eine Resonanz nach der anderen bekämpfen. Du ahnst wahrscheinlich gar nicht, was Friedrich Müller auf der Rückseite seiner Membranen und dem Übergang zur Sicke alles macht, um die Eigenschwingungen wegzukriegen. Erst dann kann man sich um eine straffe Regelungsschleife bemühen, die dann diese nahezu ideal kolbenförmig schwingende Membran zu allem zwingt, was an Signal anliegt. Aber erst dann.
Damit kennt ein Konstrukteur geregelter Lautsprecher das Verhalten des Chassis bzw. seiner Membran meist viel besser als der Hersteller des Chassis selbst. Die kleinen Resonanzspitzen und Eigenheiten eines Chassis muss man genau kennen und bekämpfen. Dann kriegt man mit hochgezogener Regelverstärkung eine wirklich saubere Reproduktion des Musiksignals. Friedrich Müller, unser Schirmherr, nennt das deshalb "das Signal putzen". Und spricht im Gegensatz dazu von "parfümieren", wenn man dem Chassis seine Eigenarten lässt, aber digital darüber wegbügelt. Wohlbemerkt: Auch 2. lässt eine sehr saubere Art der Reproduktion zu, wenn man genauso akribisch die Eigenarten des Chassis vorher bekämpft. Man wird dazu aber nicht durch die Methode selbst gezwungen.
...Fazit für mich ist:
Das Membranmaterial ist nicht so klangbestimmend, wie es oftmals beschriebend wird (siehe Zitate in der Einleitung). Eher haben alle Membranmaterialien eine Vielzahl von physikalischen Parametern, in denen sie sich zwar unterscheiden. Deswegen kann jedoch noch nicht behauptet werden, dass man die Unterschiede zwischen diesen Parametern im normalen, linearen Betriebs eines Lautsprechers auch wahrnehmen kann.
Nun weißt Du, warum ich als Liebhaber und Konstrukteur von geregelten Chassis so genau auf diese kleinen material- und geometrieabhängigen Eigenarten der Chassis schauen muss und sie mir wichtig sind.
Viele Grüße
Gert