cornoalto hat geschrieben: ↑15.12.2021, 23:16
Zur Messung der Nachhallzeit finde ich, dass für unsere Zwecke nur die Messung am Hörplatz zählt und nicht eine gemittelte aus verschiedenen Orten im Raum. Ausserdem messen wir ja mit unseren Lautsprechern und nicht mit einem Omnidirektionallautsprecher- da sähe die Kurve sowieso ganz anders aus.
Grüße
Martin
Hallo Martin,
wenn Du einen expliziten Hörplatz hast, an dem Du allein sitzt und nicht mit vielen anderen zusammen hören und ein ähnliches Klangbild für alle Zuhörer haben möchtest, stimme ich Dir absolut zu. So verfahre ich auch.
Der enorme Aufwand für eine
korrekte und damit auch allgemein vergleichbare Messung zur Bestimmung der Nachhallzeit nach EBU Tech 3276 ist auch mir in den meisten Fällen zu groß, wohl aber sinnvoll, wenn aufwendige raumakustische Maßnahmen erfolgen sollen oder bereits erfolgt sind, um das Ergebnis zu verifizieren. Außerdem kenne ich etliche Acourate-Anwender, die andere Zielvorstellungen haben, die eben bewusst nicht auf einen sehr schmalen Hörkorridor aus sind und immer wieder anführen, dass sie im ganzen Raum "gleichmäßig" Musik hören möchten. Für diese Hörergruppe macht selbstverständlich eine Mittelung Sinn (neben der Möglichkeit, in Acourate andere Parameter mit besserer Fokussierung scharf zu stellen oder eben das ganze Geschehen eher relaxter anzugehen).
Außerdem nutzt Sigi meines Wissens nach, wenn auch in milder Form, für seine eigenen Messungen das Beamforming-Measurement, d.h. er misst an verschiedenen Stellen im Raum, um Reflexionen (leichter) herauszurechnen, was nebenbei den IACC verbessert. - Vergleichbar sind Messungen mit Acourate aber ohnehin nur, wenn die gemessenen, sozusagen nackten "Rohpulse" ohne vorherige Bearbeitung der Weichen z.B. in Form von Linearisierungen der Weichen zur Verfügung stehen und wenn sie auf die gleiche Art gewonnen wurden. Also, einmal einmalige Messung am Hörplatz und einmal Beamforming-Measurement am Hörplatz mit mehreren Messungen innerhalb weniger Zentimeter mit anschließender Mittelung sind definitiv nicht vergleichbar. - Acourate bietet bekanntermaßen einen enormen Fundus von Möglichkeiten, diese Messungen auch anderweitig unterschiedlich zu bearbeiten und damit zu verändern, so dass eine interindividuelle Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist.
Ich wollte mit meinen Beiträgen auch nur auf die Schwierigkeiten hinweisen, wenn u.a. in unserem Forum Nachhallzeiten etc. miteinander verglichen werden, die Bedingungen für eine einwandfreie Messung und damit die raumübergreifende Vergleichbarkeit nicht gegeben sind. In Analogie sind Körpergewichte auch nur dann vergleichbar, wenn die Waagen geeicht und damit sehr ähnliche Messbedingungen geschaffen worden sind. In Acourate kann beim Auswählen des Normbereiches der Nachhallzeit zwischen zwei DIN-Normen und der EBU Norm ausgewählt werden. Wer Uli kennt, weiß, dass diese Bereiche sicher absolut korrekt in sein Programm implementiert sind. Wenn man dann aber vergleichend unterwegs ist, ist es ein Widerspruch, die Voraussetzungen für eine korrekte Messung nach DIN oder EBU nicht zu erfüllen. Dazu gehört streng genommen natürlich auch die Auswahl des "richtigen, in der EBU Norm festgelegten Lautsprechers, auch wenn wir alle wohl ausnahmslos mit unseren eigenen Lautsprechern messen.
Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität und die Sensibilierung für den Kontext gewonnener Daten und nichts anderes wollte ich zum Ausdruck bringen. Ich will mich auch nicht zum Gralshüter irgendwelcher DIN - oder EBU Normen aufspielen, zumal ich sie selber zumindest beim Messen fast nie beachte oder sie auf Grund meines Lautsprechersystems gar nicht erfüllen kann. Andererseits achte ich sehr auf einen absolut standardisierten Ablauf der Messungen, damit meine eigenen Messungen auch über die Jahre gesehen vergleichbar sind. Mir persönlich hat es jedenfalls nicht geschadet, mich einmal sehr genau mit der EBU Tech 3276 zu beschäftigen, ich fand es sogar spannend und es hat mich in meinem Wissen bereichert.
Viele Grüße
Holger