Guten Morgen,
mein Kurz-Resümee: scheinbar Bekanntes in mitunter ungehörtem Tongewand.
So lautete auch die Überschrift in der Programmankündigung zum Konzert. Was den Orchesterklang betrifft, so war recht deutlich die stark kammermusikalische Ausrichtung des Dirigats von Kent Nagano zu hören. Viele Details wurden hervorgehoben – und ja, vieles habe ich so noch nie zuvor gehört. Wagnertypische Instrumente wie originale Wagnertuben als auch ein Stierhorn kamen zur Geltung. Insgesamt eine ungewohnte Transparenz und Luftigkeit bei weniger „wabernden Wellen“, die sonst öfter mal geboten werden. Ich hatte stellenweise sogar den Eindruck, dass nun viel mehr instrumentale „Solo-Stellen“ in der Walküre vorhanden seien als ich es gewohnt war. Ein anderes Beispiel: beim Auftreten Hundings werden Holzschlegel laut gegen eine harte Kante geschlagen, die sonst nicht zu hören sind. Wo kommen die her und was soll dies bedeuten? Das wird leider nicht beantwortet – auch nicht in dem absolut nicht informierenden Programmheft, in dem nur die übliche Inhaltsangabe und die Werbetexte der Musiker abgedruckt sind. Kein Wort zu den Erkenntnissen der neuesten Forschung – schade!
Das eigentlich „neue“ Alte ist bei dieser historisch-informierten Aufführungspraxis, dass die Sprechmelodie im Vordergrund steht, auch als sprechendes Singen bezeichnet. Das ist allerdings ungewohnt und es dauerte ein wenig, bis es mich nicht mehr irritierte. Dabei ist es weniger die so viel zu lesende unterschiedliche Aussprache des Vokals „G“ (es soll bis zu 6 Varianten davon geben) oder das „Zungenspitzen-R“ (Vibrant) im Gegensatz zum heute benutzten „Reibe-R“. Das kann man durchaus auch bei den hier schon oft zitierten Aufnahmen wie beispielweise Solti vernehmen. Tatsächlich ist es der Sprechgesang und die unterschiedliche Betonung von Silben. Wenn beispielweise Hunding statt „Hau-s“ oder „Hau-us“ nun „Ha-us“ sprechsingt, oder „Ma-hl“ anders betont, lässt das Aufhorchen. Der entstehende Gesamteindruck ist interessant: hier meine ich echte normale Menschen zu hören (
„auch Götter sind nur Menschen, zumindest menschlich“) und nicht wie sonst romantische Helden(verklärung). Allerdings – ich mag die althergebrachte und seit 50 Jahren gewohnte Version (noch) lieber. Bin wohl doch ein Kunstbanause
Die Sängerriege war für mein Empfinden größtenteils ausgezeichnet: Derek Welton als Wotan mit gut gestaltender Bassbariton-Stimme, die Sopranistin Christiane Libor als erfahrene Brünnhilde, die hervorragend disponierte deutsch-britische Sopranistin Sarah Wegener als Sieglinde oder auch die Schweizerin Claude Eichenberger als zänkische Fricka.
Also alles gut? Ja und nein. Ich tat mich wirklich schwer, eine Oper konzertant zu hören (obwohl dass doch dem „Plattenhören“ daheim sehr ähnlich ist). Wenn ich eine Aufführung besuche, dann gehört für mich das Bühnenbild unbedingt zu einer Oper – das habe ich in der Tat schmerzlich vermisst! Obgleich die Sänger sich viel haben einfallen lassen, um dieses Manko zu mildern. So lasen sie nicht einfach vom Blatt ab, sondern sangen opernerfahren auswendig. Oftmals ohne Begleitung – maximale Wortverständlichkeit. Auch standen sie nicht stocksteif am Bühnenrand, sondern sangen entweder hoch oben von der Empore (Brünnhilde), traten sich kämpferisch gegenüber oder drehten sich demonstrativ voneinander weg oder bahnten sich gar als Walküren ihren Weg durchs Parkett (Walkürenritt). Quasi minimal theater.
Fazit: hochinteressant und spannend einerseits, gewöhnungsbedürftig und irritierend andererseits.
PS: eine Anmerkung noch – die Kölner Philharmonie war (fast) ausverkauft. Dennoch dürfte ich den Altersdurchschnitt wohl gesenkt haben
Viele Grüße
Jörg