Bach - Klavierkonzerte (Murray Perahia)

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Antworten
Fujak
Moderator
Beiträge: 5752
Registriert: 05.05.2009, 21:00
Wohnort: Bayern
Kontaktdaten:

Bach - Klavierkonzerte (Murray Perahia)

Beitrag von Fujak »

Bild

Bach: Klavierkonzerte 1, 2, 4, BWV 1052, 1053, 1055 mit der Academy of St. Martin in the Fields (Leitung M. Perahia)

Hallo zusammen,

eigentlich ist es nicht so meine Sache, Musik-Empfehlungen zu verfassen, aber diesmal wurde es aus Versehen eine, ausgehend von Olivers Thread Was hört ihr gerade, und was macht die Scheibe so toll?. Ich wollte nur kurz begründen, warum dies zur Zeit meine Favoriten-CD ist - und schon wurde es immer mehr:

Angesichts der Tatsache, dass es von diesen Werken Einspielungen wie Sand am Meer gibt bildet diese Aufnahme in mehrerlei Hinsicht eine Ausnahme. Murray Perahia spielt mit dem Orchester absolut perfekt zusammen; in vielen Passagen ein spannungsvoller lebendiger Dialog zwischen Orchester und z.T. auch mit einzelnen Instrumentengruppen, bei dem sich niemand in den Vordergrund drängt und dem anderen die Show streitig macht, sondern beide sich gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen. Hier stellt es sich als Vorteil heraus, dass der Solo-Pianist zugleich auch Dirigent des begleitenden Orchesters ist.

Zudem spielt Murray Perahia Bach in einer Weise, die man eher für Komponisten wie Mozart oder Mendelssohn als angemessener empfinden würde. Deshalb kommt diese Einspielung so leicht, so perlend und tänzerisch daher und löst sich aus der formalen Starre, die so vielen barocken Einspielungen (nicht der Musik selbst!) unangenehm zu eigen ist. Ich kenne einige, die diese Aufnahme von Murray Perahia genau deshalb ablehnen, weil sie nicht der "streng historischen Aufnahmepraxis" (was immer man darunter verstehen mag) entsprechen.

Doch muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass die Menschen damals in den wenigsten Fällen still und andächtig lauschten, wie es durchaus z.B. bei geistlicher Musik der Fall war (und auch da haben die Zuhörer ihren Emotionen Ausdruck verliehen - bei den Aufführungen der Matthäus-Passion z.B. gab es nicht wenige, die weinten).

Bei vielen anderen Werken aber war es üblich, dass die Menschen während der Darbietungen aßen, tranken, tanzten, sich unterhielten u.s.w. - legendär die Tafelmusiken von G.Ph. Telemann. Manches hatte mit heutigen Maßstäben gemessen den Charakter von Hintergrundmusik, anderes wiederum hatte den Charakter eines Dance-Festival oder Pop-Konzerts (z.B. die großen Open-Air Veranstaltungen von G.F. Händel, wie die Feuerwerksmusik).

Die Barockmusik war Ausdruck des damaligen Zeigeistes, seiner tiefen Spiritualität wie auch seiner überbordenden Lebensfreude. Und beides vermittelt diese Einspielung aus meiner Sicht treffend - ersteres in den langsameren Sätzen, die schon fast klassisch-schwelgerisch-sinnlich interpretiert sind, letzteres in den Allegro- und Presto-Sätzen, in denen eine fast an Vivaldi erinnernde italienische Leichtfüßigkeit zum Ausdruck kommt.

Zur Aufnahmequalität: Sie befindet sich in ihrer Tonalität eher auf der warmen, volltönenden Seite. Die Bass-Lagen des Pianos kommen authentisch wuchtig und zugleich konturiert rüber, wie man es auch in natura kennt. Dennoch ist die Aufnahme nicht dumpf. Sie entspricht der natürlichen Tonalität der durch die Luftdämpfung in einem Konzerthaus entstehenden Höhenreduktion. Die Violinen sind seidig mit Korpus aber auch einem deutlichen Bogenanstrich. Celli und Kontrabass kommen kraftvoll und konturiert zum Einsatz.

Die räumliche Abbildung ist leider nicht ganz geglückt: Zwar ist das Orchester gut in Breite und Tiefe gestaffelt, doch das Piano wabert wie auf so vielen Aufnahmen orientierungslos in einer zu breiten Mitte herum. Mit AcourateFlow erfährt es zwar Linderung, doch hier geht es um die räumliche Ausdehung des Pianos im Vergleich zur räumlichen Ausdehnung des Orchesters. Diese Balance ist nicht gut abgemischt - für mich der einzige Wermutstropfen.

Während einiger Piano-Läufe hört man übrigens zwischendurch ein deutliches Klicken, welches ich nicht der Piano-Mechanik zuordnen kann (dazu ist es zu hell), sodass ich vermute, dass es wahrscheinlich von einem Ring oder von den Fingernägeln herrührt. Das empfinde ich aber nicht als störend sondern eher als Zeugnis einer lebendigen Aufnahme.

Von dieser Aufnahme gibt es übrigens noch eine empfehlenswerte zweite CD (Piano-Konzerte 3,5,6,7), die ich ebenfalls besitze und in der exakt das weitergeführt wird, was für die erste CD gilt. Darüberhinaus existiert noch eine Dreier-CD (Sonderedition), in der beide CDs zusammengefasst und noch ein paar weitere Stücke (unter anderem ein Piano-Solo-Stück) enthalten sind (alles von Sony produziert und herausgegeben).

Grüße
Fujak
Bild
ohneA
Aktiver Hörer
Beiträge: 249
Registriert: 11.07.2012, 21:59
Wohnort: CH/ Thurgau

Beitrag von ohneA »

Hallo Fujak.
Sofern Du es noch nicht kennst, Du solltest Dir UNBEDINGT die Golberg Varaitionen von Murray Perahia anhören. Meiner Meinung nach die schönste Einspielung der Goldberg Variationen.

Martin
Bild
Fujak
Moderator
Beiträge: 5752
Registriert: 05.05.2009, 21:00
Wohnort: Bayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Fujak »

Hallo Martin,

danke für Deinen Tipp. Nachdem Du nun schon der zweite bist mit der Empfehlung, werde ich mir die mal zulegen.

Grüße
Fujak
Bild
B. Albert
inaktiv
Beiträge: 216
Registriert: 18.11.2011, 17:56

Beitrag von B. Albert »

Hallo,

vielen Dank für die sehr schöne Beschreibung :cheers: !

Perahia gehört zu meinen Lieblingspianisten. Seinen "schwebenden" Ton würde ich - denke ich - immer heraushören. Er ist einmalig. Vor einiger Zeit durfte ich ihn auch im Konzert erleben. Sein sympathisches, bescheidenes Auftreten haben mich sehr beeindruckt. Kein Vergleich zu anderen Pianisten, die sich spreizen und balzen (ich nenne jetzt mal keine Namen).

Es gab vor nicht allzulanger Zeit eine schöne Dokumentation über ihn im Fernsehen. Sehr sehenswert.

Die Goldbergvariationen kann ich auch nur empfehlen. Es ist sicherlich eine der schönsten Aufnahmen - wenn man nicht - wie ich - das Cembalo oder Clavichord vorzieht (für letzteres ist es je eigentlich geschrieben).

Eigentlich kann man alles von ihm bedenkenlos kaufen, etwa die Englischen und Französischen Suiten oder die Partiten von Bach, Mozarts Klavier Konzerte mit dem English Chamber Orchestra (mit demselben Orchester hat Mitsuko Uchida die Mozart Konzerte ebenfalls aufgenommen) oder auch seine Chopin Einspielungen. Es sind immer intelligente, nicht auf Effekte bedachte Aufnahmen.

Viele Grüße Bernd
Bild
ohneA
Aktiver Hörer
Beiträge: 249
Registriert: 11.07.2012, 21:59
Wohnort: CH/ Thurgau

Beitrag von ohneA »

Hallo Bernd.
GENAU DESWEGEN habe ich eine fette Perahia Sammelbox. :mrgreen:
Deine Aussage bekommt meine volle Unterstützung.
+1

Martin
Bild
Melomane
Aktiver Hörer
Beiträge: 3150
Registriert: 14.10.2011, 18:30

Beitrag von Melomane »

Hallo Martin,

welche Box denn?

Gruß

Jochen
Bild
delorentzi
Aktiver Hörer
Beiträge: 825
Registriert: 15.11.2011, 10:01
Wohnort: Andernach

Beitrag von delorentzi »

Hallo,

was ein Zufall. "Bach" höre ich gerade. Allerdings ein Orgelkonzert. Und weil es so rauscht dachte ich, ich stöbere noch mal im Netz. "Audiophil" + "Bach" + "Toccata" waren allerdings meine Suchbegriffe.
Dabei bin ich auch auf "Murray" gestossen und auf das Label Telarc ... habe mir dann auch eine CD bestellt.
Aber "mein" Murray heißt Michael :oops: ...
Ich dachte Bach wäre eher für Orgel bekannt, nicht für Klavier. Aber da sieht man, ich bin kein großer Klassik-Kenner ...

Grüße,
Thomas
Bild
Melomane
Aktiver Hörer
Beiträge: 3150
Registriert: 14.10.2011, 18:30

Beitrag von Melomane »

Thomas,

du kannst beruhigt sein - am Klavier (nach heutigem Verständnis) hat der alte Bach auch nie gesessen. ;)
Sein Clavier war ein Cembalo.

Gruß

Jochen
Bild
ohneA
Aktiver Hörer
Beiträge: 249
Registriert: 11.07.2012, 21:59
Wohnort: CH/ Thurgau

Beitrag von ohneA »

hahahaha :D
Sehr schön! Wirklich.
Was für ein schöner Beitrag, Jochen.
Aber das ist in der Tat so ein Ding. Mit der historisch korekten Aufführung und dem, was man heute eigentlich als schön oder angenehm im Klang empfindet. Ich habe da so Aufnahmen mit der Musica Antiqua unter Göbel... ähäm... also die gefallen mir einfach nicht. Der ganze Klangkörper mag ja musikalisch korrekt und der Epoche entpsrechend sein... aber ich habe voll klingende Violinen einfach lieber. Nicht so Quäk-DInger. Ist aber jedermans Geschmacksache.

Zu Deiner Frage: Ist ja Sony, nicht Telarc. Also die fette Box. Und es es war eine komplette Zusammenstellung der von ihm bis dato eingespielten Bach Konzerte und Suiten. OK.... sooo fett ist sie doch nicht. Habe gerade mal geguckt. Sind 5 CDs drin. Ich weiss gar nicht, ob es die noch gibt. Habe bei JPC nix mehr davon gesehen. :(

Martin
Bild
B. Albert
inaktiv
Beiträge: 216
Registriert: 18.11.2011, 17:56

Beitrag von B. Albert »

Hallo,

du meinst bestimmt die hier:

Bild

Gibt es bei amazon noch im marketplace: http://www.amazon.de/Murray-Perahia-Pla ... 30&sr=8-10

Ansonsten bekommt man aber die Einzelaufnahmen von Perahia. Lohnenswert.

Viele Grüße
Bernd
Bild
ohneA
Aktiver Hörer
Beiträge: 249
Registriert: 11.07.2012, 21:59
Wohnort: CH/ Thurgau

Beitrag von ohneA »

Hi Bernd.
EXAKT DIE ist es. Super Tip. :cheers:
Also jeder, der was für Klassik bzw. für Barock und Bach im speziellen über hat, der kommt an dieser Box einfach nicht vorbei. Unbedingt zulegen.
Martin
Bild
Melomane
Aktiver Hörer
Beiträge: 3150
Registriert: 14.10.2011, 18:30

Beitrag von Melomane »

Hallo,

ein Hinweis für die Perahia-Freunde und vor allem für die, die es werden wollen:

http://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/ ... um/1696469

Falls es etwas mehr sein darf. ;)

Gruß

Jochen
Bild
B. Albert
inaktiv
Beiträge: 216
Registriert: 18.11.2011, 17:56

Beitrag von B. Albert »

Tach,

sorry, du kommst zu spät. Ich habe sie schon :lol:

Einfach nur klasse. Tolle Austattung, fettes Booklet mit allen Infos für Fans und viele CDs, die ich noch gar nicht kannte. In amazonien gibt es sie auch - marketplace - deutlich günstiger.

VG Bernd
Bild
Antworten