Doctor Gradus ad Parnassum - Gehörtes und Unerhörtes

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

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Daraus gehört: Die Chopin-Preludes. Eine der großartigsten Aufnahmen der wunderbaren Alicia de Larrocha. Typischer baßbetonter Decca-Klavierklang! Das in meinem musikalischen Gedächtnis eingebrannt muß der "neue" Pollini aber gewaltig beeindrucken, um bei mir zu bestehen!

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Es gibt sie doch noch, die einmaligen Konzertmomente! Barenboim in Warschau 2010 u.a. mit der b-moll Sonate. Ich habe ihn ja mal vor sehr langer Zeit im Konzert erlebt - das einzige mal, wo ich wirklich "sauer" wurde im Konzertsaal bei einem unglaublich schlampig gespielten Schumann. Damals wußte man zwar um seine außergewöhnliche Musikalität, aber er blieb immer unter seinen Möglichkeiten - der immensen Arbeitsbelastung als "Tausendsassa" (Pianist, Dirigent) Tribut zollend. Im Alter ist er nun, wo er sich offenbar Zeit nimmt für die Dinge, die er machen möchte, so gut wie nie zuvor. Das ist reine Poesie, ein musikalischer Hochgenuß - die Inspiration des Moments. Einfach traumhaft schön!

Beste Grüße
Holger
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Truesound
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Beitrag von Truesound »

Hallo Holger!

Auf jeden Fall ein sehr schöne CD.....

Grüße Truesound
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Funky
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Beitrag von Funky »

Hallo Holger,

die Decca Scheibe von ihr kannte ich gar nicht - und ich dachte ich habe das wichtigste von ihr.

Es scheint von Decca eine Zusammenstellung verschiedener Komponisten zu sein. Zumindest entnehme ich das dem Titel "the Art of...".

So etwas ähnliches habe ich auch vorliegen - Piano Personalities - Alica.... des Kanadischen Labels Vox Box von 1978 - ein Potpouri von Couperin, Liszt, Rachmaninoff und eben Chopin, aber nur die Nocturnes, Polonaisse und einen Teil der Waltzer - und das noch auf jeder LP Seite wild gemischt.
Eingespielt auf einem Steinway - als nettes product placement.

Klingt sehr natürlich, eher weich, was zu Chopin passt, aber bei Liszt mir nicht ganz so mundet. Auch Rachmaninoffs Preludes habe ich schon mal anders gehoert, wogegen debuesy Clair de Lune von ihr superintensiv rüberkommt.

Insofern Danke fuer den Verweis auf diese CD, so habe ich meinen Plattenschrank durchforstet und bin auf dieses VoxBox gestossen.

Viele Gruesse

Rainer (funky)
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Funky hat geschrieben:die Decca Scheibe von ihr kannte ich gar nicht - und ich dachte ich habe das wichtigste von ihr.

Es scheint von Decca eine Zusammenstellung verschiedener Komponisten zu sein. Zumindest entnehme ich das dem Titel "the Art of...".

So etwas ähnliches habe ich auch vorliegen - Piano Personalities - Alica.... des Kanadischen Labels Vox Box von 1978 - ein Potpouri von Couperin, Liszt, Rachmaninoff und eben Chopin, aber nur die Nocturnes, Polonaisse und einen Teil der Waltzer - und das noch auf jeder LP Seite wild gemischt.
Eingespielt auf einem Steinway - als nettes product placement.

Klingt sehr natürlich, eher weich, was zu Chopin passt, aber bei Liszt mir nicht ganz so mundet. Auch Rachmaninoffs Preludes habe ich schon mal anders gehoert, wogegen debuesy Clair de Lune von ihr superintensiv rüberkommt.

Insofern Danke fuer den Verweis auf diese CD, so habe ich meinen Plattenschrank durchforstet und bin auf dieses VoxBox gestossen.
Hallo Rainer,

die Larrocha-Box gibt es z Zt. sehr günstig bei jpc für 25 Euro! Da sollte man zugreifen, solange es sie noch gibt. Darin sind einige ungreifbare Aufnahmen wie die Schubert Sonate D 960 und die Liszt-Sonate h-moll. Auch ihr wirklich aufregender Bach ist dabei! Leider fehlt der Rachmaninow komplett (das 2. und 3. Klavierkonzert) und auch Debussy ist nicht drin. Albeniz "Iberia" hat sie ja dreimal aufgenommen, einmal bei EMI und zweimal bei Decca. Hier sind Auszüge aus der 2. Decca-Einspielung drin. Die EMI-Aufnahmen gibt es (mit tollem Booklet-Beitrag ihrer Tochter) komplett günstig in der Icon-Serie!

Beste Grüße
Holger
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

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Kurzbewertung der b-moll Sonate op. 35:

Daniel Barenboim (Aufn. Warschau 28.2.2010, EMI 1974): Zwischen Barenboims Studioeinspielung und dem bewegenden Mitschnitt aus Warschau liegen fast 40 Jahre. Die Aufnahme des jungen Barenboim ist wohldurchdacht und kraftvoll, entbehrt in ihrer untadeligen Gediegenheit jedoch jeglicher erotischer Ausstrahlung. Ganz anders das Warschauer Konzert: Das ist lebendiges Musizieren aus der Inspiration des Moments, kein aristokratisch zurückhaltender Chopin, sondern versetzt auf eine große Opernbühne, ohne jedoch jemals theatralisch zu wirken. Barenboim zieht alle Register eines souveränen Dirigenten am Klavier: Chopin tonmalerisch und monumental-kraftvoll, in atmosphärischen Stimmungsbildern, immer besonnen und klug durchdacht, dabei psychologisch sehr einfühlsam und emotional reichhaltig gestaltet – Richard Wagner ist nicht weit. Gegenüber der Studioaufnahme ein Quantensprung. Nachhaltig beeindruckend. Wertung: 4 Sterne (Warschau 2010), 3 Sterne (EMI 1974)

Beste Grüße
Holger
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Dr. Holger Kaletha
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Maurizio Pollini: Chopin 24 Préludes op. 28, 2 Nocturnes op.

Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

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Die Chopin-Préludes liegen Pollini offenbar am Herzen: In den letzten Jahren gehören sie zu seinem bevorzugten Konzertprogramm (Youtube Videos auf Japan 2002 und Amsterdam 204) und so wählte er Chopins „Haikus“ auch für seine Jubiläums-CD zum 70. Geburtstag. Der Abstand zur Studio-Aufnahme der DGG sind 38 Jahre – ein halbes Leben! Wie sieht also Pollinis Spätstil aus? Wenn nicht der Schluß von Nr. 24 wäre – Pollini oktaviert den finalen Basshammer und erzeugt damit eine dämonisch-gespenstische Wirkung – so könnte man sagen: absolut unauffällig. Immer flüssig, wahrlich sehr organisch, so, als wolle er jede überflüssige Aufmerksamkeit auf das Einzelne vermeiden. Das klingt wie aus einem Guss – das Werk als Zyklus, wo sich die einzelnen Stücke wie die unzähligen Fenster in einer Glasfassade unauffällig zurücknehmen. Das ist ein volltönender Klavierton mit sattem Pedal, sehr ästhetisch, nie scharf. Keine Kraftanstrengungen, die Kontraste abgemildert. Das Konzept ist der durchgehende „Puls“, eine Bewegung, die nie zum Stillstand kommt. Alles schön und gut. Aber Haikus sind Präziosen, die wollen jede für sich liebevoll behandelt werden. Diese Aufmerksamkeit wird ihnen aber nicht zuteil. Bezeichnend, dass Pollini Chopins Tempovorschriften der einzelnen Nummern, Lento, Largo, Lento assai... sehr moderat angleicht. Der Vergleich mit seiner alten – nach wie vor maßstabsetzenden – Aufnahme ist hier sprechend. Nr. 2 und Nr. 13 sind geradezu signifikant – zweimal Lento. 1974 zeigt sich Pollini in Nr. 2 als ein Feingeist, feinste Abstufungen, eine hintersinnige Expressivität, welche die Phrase „leben“ lässt, die „Atem“ hat. Dagegen ist die neue Einspielung einfach nur großflächlich. Man hat das Gefühl, Pollini folgt im Alter nur noch einem seiner Vorbilder, Artur Rubinstein: das Bemühen um organisches, natürliches Spiel. (Barenboim sagte mal zu Rubinstein: „Bei ihm geht alles durch einen Natürlichkeitsfilter.“). Die Feinheit von ABM dagegen, die man 1974 noch deutlich spürt, sie ist einfach nicht mehr da. In Nr. 13 ist es das Tempo, das alles verändert. Wiederum „Lento“ schreibt Chopin vor, das Pollini 1974 noch spielt – 2012 kann man das Lento wahrlich nicht mehr nennen. Die Phrasierungen sind noch da, aber im viel zu flüssigen Tempo verlieren sie ihre Eindringlichkeit und Nachdrücklichkeit. Und weil es viel zu flüssig ist, geht im „piu lento“ des klangschönen Mittelteils das sostenu verloren, das wirkt fast ein bisschen harsch. In der alten Aufnahme sehr wirkungsvoll der etwas flüssigere Gang in der Wiederholung des A-Teils „Tempo I“ – das hat etwas von einem gelösten lieto fine. Genau diese Wirkung kann es nun 2012 nicht mehr haben, wo es weder ein „Lento“ noch ein „Piu lento“ gibt. Nein, irgendwie rauscht diese Musik an einem vorbei, es fehlt die Versenkung in den Moment, besonders in den letzten Nummern wartet man förmlich auf das Finale, wo alles vorüber ist. Das ist so etwas wie eine große musikalische Symphonie, aber kein Kaleidoskop musikalischer Miniaturen. Mein Favorit bleibt deshalb die alte Aufnahme!

Sehr schön die Mazurken in ihrem beschwingten, dabei doch zurückhaltenden und trefflich charakterisierenden Vortrag. In den Nocturnes geht dieser Interpretationsansatz des späten Pollini am besten auf: der durchgehende dramatische Puls, der sich nie im Schwelgen des Moments verliert. Das Scherzi b-moll ist wahrlich ein gelungener Abschluss. Hier zeigt Pollini, dass er zu sich selbst gefunden hat. In der Studioaufnahme spürt man noch die Nähe zu ABM in dem Bemühen um Klassizität. Nun klingt dieses Scherzo wie eine Ballade für Klavier, mit dramatischen Zügen. Hier ziehe ich die neue Aufnahme vor!

Eine schöne Platte – aber eigentlich hätte man doch ein bisschen mehr erwartet. Aber das will der altersweise Pollini offenbar nicht: Klavierspiel, das so wenig wie nötig „aufwendig“ sein will in jeder Hinsicht nach dem Motto: Das Nötigste ist das Beste.

Beste Grüße
Holger
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Danke, Holger,

für die Besprechung der neuen Pollini-Einspielung der Préludes. Die alte war auch für mich immer die Meßlatte, die zu erreichen es in meinen Augen keine andere von mir gehörte Einspielung der Chopin-Préludes geschafft hat. Aber vielleicht trotzdem eine Anschaffung wert, wenn ich das hier lese:
Dr. Holger Kaletha hat geschrieben:Das Scherzi b-moll ist wahrlich ein gelungener Abschluss. Hier zeigt Pollini, dass er zu sich selbst gefunden hat.
Viele Grüße
Gert
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Fortepianus hat geschrieben:Danke, Holger,

für die Besprechung der neuen Pollini-Einspielung der Préludes. Die alte war auch für mich immer die Meßlatte, die zu erreichen es in meinen Augen keine andere von mir gehörte Einspielung der Chopin-Préludes geschafft hat.
Hallo Gert,

die "alte" Aufnahme der Prelude ist wirklich eine Meßlatte! :D Den Pollini-Chopin muß man einfach haben - und es ist natürlich spannend, wie ein so großer Chopin-Interpret nach einem ganzen Leben mit dieser Musik darüber denkt. Die alte Studioaufnahme des Scherzo b-moll ist so ein bisschen der vergebliche Versuch, seinen Lehrmeister ABM zu erreichen. Bei der neuen Aufnahme hat er sich davon freigemacht. Naja, ein paar kleine Schwächen gibt es auch - das Trio ist nicht wirklich sostenuto und klaviertechnisch ist das auch nicht gerade überprefekt. Aber das stört mich letztlich nicht - das doch eine neue Sicht auf das Scherzo, sehr engagiert interpretiert und wunderbar geschlossen und stimmig.

Beste Grüße
Holger
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Weiter geht es mit Chopin op. 35:

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Andrei Gawrilow (Aufn. EMI 1984/85 u. DGG 1991): Klaviertechnisch natürlich ungemein souverän. Ein harter Klavierklang und zumeist überhastet wirkender Gestus des Vortrags. Was dieser Interpretation völlig abgeht, ist emotionale Tiefe: es bleibt beim Ausdrucksniveau eines naiven Naturkindes. Das Tor zur geistigen Welt dieser Sonate öffnet sich für Gawrilow nicht. Die beiden Aufnahmen unterscheiden sich kaum – die spätere bei der DGG ist lediglich in den Härten ein wenig abgemildert aber nicht weniger einfalls- und ausdruckslos. Total enttäuschend! Wertung: 2 Sterne

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Louis Lortie (Aufn. Chandos 2009) : Eine einzige Enttäuschung. Plastisch und emotional völlig flach, interpretatorisch ungeschickt mit wenig Einfühlungsvermögen. Der Trauermarsch ist nicht nur ausdruckslos, sondern völlig ausdrucksleer, das Presto-Finale pianistisch routiniert einfach runtergespielt. Wertung: 2 Sterne

Die Nocturne auf der Platte sind übrigens sehr gut anhörbar und durchaus emotional vielschichtig. Warum er bei der Sonate so abfällt, keine Ahnung!

Beste Grüße
Holgert
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Heute habe ich mir ABM zu Gemüte geführt:

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Die Rundfunk-Mitschnitte aus Tokyo (Ravel- und Liszt-Konzert) sind wirklich ganz hervorragend (auch klangtechnisch sehr gut!) und ABM ist in absoluter Top-Form. Merkwürdig nur, daß beim Ravel-Konzert die Kastanietten so in den Vordergrund treten (1. Satz). Das liegt wohl an der Aufstellung der Mikros - ein Live-Rundfunkmitschnitt eben. Das Klavier ist ausgezeichnet aufgenommen. Leider ist bei dieser Japan-Import-Doppel-CD der Klappentext komplett nur mit japanischen Zeichen - noch nicht mal die Aufnahmedaten ist zu erkennen. Es steht bei jpc 1965-69. Den Gulda höre ich beim nächsten Mal.

Und:

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Diese SACD enthält den wirklich atemberaubend temperamtvollen Prager Mitschnitt von Ravels Gaspard de la nuit von 1960, dazu Valses nobles et sentimental - den sagenhaften Mitschnitt aus Arezzo von 1952. Klavierspiel von einem anderen Stern. Die Aufnahmen sind mit modernster Technik überspielt, ein deutlicher Zugewinn! Das Ravel-Konzert ist identisch mit der EMI-Aufnahme von 1957. Die Hybrid-Spur dieser SACD klingt etwas weiträumiger, das EMI-Original dafür stofflicher und trockener. Neu in meiner Diskographie: Der Mitschnitt von Debussys Childrens Corner aus Prag 1960. Einfach alles nur eine beglückende musikalische Superlative! :D

Beste Grüße
Holger
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