Hallo Rainer,
zu Deinen Fragen hat uns Hr. Müller ausführliche Antworten zukommen lassen.
Rudergänger hat geschrieben:Warum hat sich Silbersand für den Wandlerchip Wolfson WM8741 entschieden?
Gert hatte bei dem G-ADS-DAC Umbau anschaulich erklärt, warum wegen der integrierten - mit OP realisierten - I/V-Wandlung gerade dieser Chip klanglich nicht die beste Wahl ist. Wäre bei einem so sorgsam entwickelten Streamer der Spitzenklasse nicht eine angemessen ausgeführte I/V-Wandlung vorzusehen?
Vermutlich beziehst Du Dich dabei insbesondere auf
diesen Beitrag von Gert.
Silbersand hat geschrieben:Natürlich haben wir uns auch gefragt, welcher Wandler in so einen Streamer kommen soll. Diese Frage war bereits in der Konzeptphase zu untersuchen, da wir auch den Streamer „deduktiv“, also in der Richtung von der Idee zu den Einzelfragen entwickelt haben, einfach weil ein Gesamtwerk mehr ist als die Ansammlung von Teilaspekten.
Ein paar der Gedanken zur Wandlerfrage:
Zur Wahl standen der PCM1792 (entspricht PCM1794 aber mit I²C Interface) von Burr Brown und der WM8741 von Wolfson. Diese sind vom internen Aufbau unterschiedlich, in den theoretischen Leistungswerten aber sehr ähnlich. Die PCM Dokumentation führt leicht bessere Dynamikwerte auf (+/- ein paar dB im Bereich von insgesamt 130dB).
Dazu haben wir nicht nur die einschlägige Literatur gelesen, sondern auch die von den Herstellern bereitgestellten Evaluations-Boards getestet. Das liefert eine belastbare Aussage darüber, ob die angegebenen Leistungsdaten in realen Schaltungen erreichbar sind, und wie sich externe Faktoren auf die gewünschte Performance auswirken (Stromversorgung, Filter, Jitter,...). Bei diesen Boards war es auch möglich, kleinere Änderungen an den Schaltungen vorzunehmen. (Die I²S Audio Daten und die Clock wurden dabei von einer Labor-Version des Silbersand Streamers bereitgestellt.)
Die meisten Messergebnisse der beiden Evaluations-Boards liegen so nahe beieinander, dass die Unterschiede der Messungenauigkeit zuzuordnen sind (und die Messgenauigkeit des verwendeten Prism dscope ist sehr hoch). Bei der Jitter-Immunität hatte der Wolfson leichte Vorteile, beim Rauschabstand der PCM - die Werte hier schwankten aber im Bereich einiger dB und der PCM Aufbau war auch allgemein etwas empfindlicher als der von Wolfson. Der PCM erzeugte erkennbar mehr HF Störungen, die aber oberhalb des Audio Bandes lagen. Durch kleinere Änderungen an der I/V Stufe (aus der einschlägigen OPV Literatur) und am Tiefpass Filter konnten diese aber stark vermindert werden.
Der Aufbau mit den Evaluations-Boards hatte den weiteren Vorteil, dass wir selbst kleine Änderungen immer sofort im Hörtest verifizieren (manchmal auch falsifizieren) konnten. Wir haben wieder einmal viel gelernt.
Die Schnittstelle zu den nachfolgenden Stufen ist bei diesen beiden Wandlern unterschiedlich konzipiert:
Der Burr Brown hat einen DAC mit Stromausgang. Dieser muss mit einer sehr niedrigen Impedanz belastet werden, da er nur eine geringe Spannungscompliance aufweist - die Linearität leidet bereits bei z.B. 100 mV Ausgangsspannung. Damit scheiden alle Vorschläge, die den DAC nicht mit einem invertierenden Verstärker verbinden, für uns grundsätzlich aus (z.B. FET in Gateschaltung) - hier leidet die Linearität. Aussagen, dass OPV keine hohen Quellimpedanzen sehen wollen, sind schlicht falsch. Zum Impedanzverhalten und Rauschen in OPV-Schaltungen hat Dr. Lutz bei der Entwicklung der Z-Weiche alles Grundlegende gesagt. Es kommt ausschließlich auf das Impedanzniveau der Schaltung an, auf das hin der OPV ausgewählt werden muss. Nicht umsonst wurde dort das Impedanzniveau auf den OPV abgestimmt.
Ein Transformator zur Impedanzanpassung ist grundsätzlich in Ordnung. Als bei Tonabnehmern die MC-Systeme (sehr kleine Spannungen, sehr niedrige Impedanz und keine HF-Anteile) aufkamen, haben Trafos gegenüber aktiven Lösungen klanglich und messtechnisch sehr gut abgeschnitten. Ein Stromausgang ist jedoch hochohmig, sieht bei Hochfrequenz aber keinen Übertrager mehr, sondern nur noch eine Induktivität und versucht, einen eingeprägten Strom dort „durchzutreiben“. Da kann es Induktionsspitzen geben, die bis in den Digitalteil zurückschlagen.
Bei der aktiven Lösung können Intermodulationen auftreten, wenn der (invertierende) Eingang des OPV mit hochfrequenten Signalen beaufschlagt wird, denen er mit seiner Slew-Rate nicht folgen kann. Dann übersteuert der OPV intern, was zu beliebig unschönen nicht-harmonischen Mischprodukten führt. Das ist jedoch dann schlicht falsche Schaltungsauslegung.
Zum Wolfson: Die benutzen nach aufwändiger digitaler Filterung und einem hohen internen Oversampling einen Sigma-Delta Modulator, um das Digitalwort in einen seriellen Bitstrom zu wandeln. Dieser wird via MUX auf den 1-Bit DAC gegeben. Dieser DAC ist vermutlich sehr niederohmig aufgebaut- im einfachsten Fall schaltet man zwischen einer positiven und einer negativen analogen Referenzspannung um oder im unsymmetrischen Fall zwischen Analogmasse und der analogen Referenzspannung. Der Sigma-Delta Modulator mit dem DAC erzeugt bei Digitalwort Null eine symmetrische hochfrequente Rechteckspannung mit der halben internen Oversampling-Frequenz. Deshalb muss anschließend sorgfältig gefiltert werden. Zudem muss die Analogbandbreite so begrenzt werden, dass keine Aliasing-Signale, die es nach dem Digitalfilter durchaus noch gibt, am Ausgang auftreten. Auch die Rauschbandbreite muss möglichst gering gehalten werden, um die Signal-Rauschabstände nicht zu verschlechtern.
Kurz: Dieser DAC hat einen Spannungsausgang, dessen Signale niederohmig weiterverarbeitet werden müssen um das SNR zu bewahren. Der Ausgang des DAC ist also nicht ein OPV sondern vermutlich der Summationspunkt zweier FET-Schalter oder Bipolar-Schalter.
Silbersand hat geschrieben:Die genaue Schaltung kennen nur die Entwickler des ICs, das sind aber meist sehr kompetente Fachleute. Der WM8741 ist aber keineswegs ein PCM1792 mit falsch beschalteten OPVs, sondern ein hochkarätiger Wandler mit Spannungsausgang, was sich auch mit unseren Messungen und Hörtests deckt. Andere Ergebnisse haben möglicherweise nicht direkt etwas mit dem Wandler-IC zu tun.
Rudergänger hat geschrieben:Interessant fände ich noch ein paar Informationen bzgl. der analogen Ausgangsstufe z.B. diskreter Aufbau oder OP, Art und Umfang der Gegenkopplung, Verwendung von Übertragern oder Koppelkondensatoren und wie bei dem Gerät die Masseführung gelöst wird.
Silbersand hat geschrieben:Fragen wie Masseführung und Stromversorgung (was bei OPVs das gleiche Thema ist) haben wir nicht weiter ausgebreitet, sondern als Selbstverständlichkeit einfach subsummiert unter der Anmerkung „ ... Design nach den klassischen Regeln der audiophilen Technik“. Dafür hatten wir z.B bereits für die Z-Weiche einlötbare Stromschienen stanzen lassen und hier haben wir zusätzlich das DAC-Board vierlagig mit einer eigenen Groundplane ausgeführt.
Zur DC-Entkopplung setzen wir Kondensatoren ein. Diese gibt es für jede Anwendung in sehr guten Ausführungen und da DC vom NF-Signal sehr weit entfernt ist, können sie so dimensioniert werden, dass es keine Beeinträchtigung des Signals ergibt.
Die Fragen nach „diskret oder integriert“ und Gegenkopplung sind so grundlegend, dass eine detaillierte Abhandlung den Rahmen hier sprengen würde. Da sie aber wichtig sind und oft verwirrend dargestellt werden, trotzdem ein paar Anmerkungen:
Man kann diskret oder integriert gute oder schlechte Schaltungen bauen. Vorteil der Diskreten ist, dass man da sehr sorgfältig, sensibel und liebevoll bauen kann. Vorteil der Integrierten ist, dass die direkt in Silizium Eigenschaften erzeugen können, die diskret nicht gehen. Wenn nun die Integriert-Designer audiophile Technik ernst nehmen und Ihre Kompetenz voll einsetzen, dann erzielen sie Spitzenergebnisse. Und zum Glück gibt es das.
Kritik an „negative feedback“ (das ist auch Gegenkopplung und Regelung) kennen wir seit vielen Jahren zum Thema Lautsprecher. Dabei ist Gegenkopplung keine Schaltungstechnik, sondern ein universelles Prinzip in unserer gesamten Umwelt. Von Planetenbewegungen über den aufrechten Gang bis zu Frequenzweichen beruht alles auf Gegenkopplung. Die Alternative „positive Rückkopplung“ klingt zwar sprachlich gut, ist aber nichts anderes als der unberechenbare chaotische Zustand. Wenn man Schaltungen „ohne Gegenkopplung“ genauer anschaut, findet man, dass dort die Gegenkopplung lediglich anders verteilt, aber sehr wohl vorhanden ist. Der ernsthafte Teil dieser Diskussion bezieht sich meist nicht auf Gegenkopplung an sich, sondern nur auf die jeweilige technische Umsetzung, vor allem in Bezug auf Transientenverzerrungen oder HF-Effekte. Das sind aber dann genau die Zustände, in denen die Gegenkopplung durch Nebeneffekte in Mitkopplung umschlägt. Da sollte man lieber diese Nebeneffekte betrachten und nicht das Prinzip Gegenkopplung in Frage stellen.
Wir setzen Ausgangstreiber mit Gegenkopplung ein. Diese machen keine Verstärkung, sollen also ein Übertragungsverhalten haben wie ein Stück Draht. Und weil das so einfach ist, kann man das aussagekräftig messen und hören. Auch an dieser Stelle freuen wir uns, dass Messen und Hören korrelieren und fänden es unbefriedigend, zur Erklärung seltsamer Messergebnisse den Klang als „deus ex machina“ einsetzen zu müssen. Natürlich zählt nur das klangliche Ergebnis und es kann Widersprüche geben zwischen Klang und Messungen. Wir sehen das aber nur als Ansporn, nach den Hintergründen zu suchen weil wir glauben, dass nur so eine zielgerichtete Weiterentwicklung möglich ist, ohne in suggestive, rhetorische oder gar kommerzielle Fallen zu geraten.
Beste Grüße
Harald