Moin,
besinnt euch doch erst mal auf die Basics, wie man Nah von Fern unterscheiden kann. Dazu ist die Auswertung der Anfangszeitlücke (ITDG) erforderlich, die dem noch lauten Direktschall folgt, erst dann trifft der Nachhall (leiser) ein. Der Nachhall ist diffus.
Egal ob das erste Eintreffen Direktschall laut oder leise erfolgt, kann man den Abstand zum Schallereignis abschätzen. Dann folgt zeitverzögert aber abgeschwächt der Rückwurf von der Wand hinter dem Schallereignis (oder von den Seitenwänden). Ist die ITDG kurz und der Pegelunterschied zwischen Direktschall und Nachhall gering, wird das Ereignis als wandnäher und entfernter wahrgenommen.
Bei den diesjährigen Norddeutschen HiFi-Tagen stieß mich eine missratene Vorführung auf einen weiteren Punkt. Supertramp spielte überwiegend in der Ebene hinter den Dipollautsprechern, und alle meine Supertramp-Tonträger gehen auf invertierte Aufnahmen zurück. Beim Dipol ist der rückwärtige Schallanteil invers, bei Supertramp wird also der Rückwurf positiv, was im Gehör als dominant bevorzugt wird.
Meine beiden Dipolkonzepte habe ich einst darauf überprüft, ob, nachdem ich sie um 180°gewendet hatte, auch die bevorzugte Polarität nach entsprechend gewechselter Anschlusspolung wiederhergestellt wurde.
Eine seitenwandnahe LS-Platzierung brachte mich früh um den Verlust an Raumtiefe, aber auch um gute Breitenstaffelung und scharfe Phantomquellenortung des Solisten in der Mitte, Anlass, die LS entweder enger zu positionieren oder/und einzuwinkeln. Davon profitiert die Abbildungsschärfe, aber auch die Tiefenstaffelung - wäre da nicht die Rückwand als begrenzender Faktor. Je schmaler der direktstrahlende LS (moderne Bauform), umso größer ist der durch Beugung nach hinten geratene Schall, der von der Wand reflektiert wird und vorzeitig in die Anfangszeitlücke der Aufnahme gerät.
Bei Dipolen ist der rückwärtige Schall invers, und idR wird er genauso stark rückwärtig abgestrahlt wie der vordere Schallanteil. Bei den gewölbten Dipolen /Flächenstrahlern ist die Symmetrie der Rückwand bei der Aufstellung unverzichtbar, das habe ich schon oft beobachtet.
Hörner lassen die Seitenwandreflexionen sich weniger einmischen, erzeugen weniger Diffusität.
Nach meiner Beobachtung ist ein geringeres Maß an Diffusität ein Merkmal eines vorn positionierten Schallereignis, Diffusität ist mit entfernten Ereignissen verknüpft. Demnach können Hörner den Solisten deutlicher vor die Ebene der LS projizieren als Hallsoßenwerfer, die alles mehr nach hinten entrücken, und das bei Dipolen immer wieder unaufdringlich nach hinten verschobene Ereignis (einschließlich des Solisten) interpretiere ich als fehlerhafte Wiedergabe, speziell bei den vielen Klassikaufnahmen, die in meiner Sammlung zu 90% invertiert geliefert wurden. Viele Jahre habe ich nach der Öffnung des Raums nach hinten gesucht - und dabei die vorderen Instrumente vernachlässigt. Schließlich sitzt man auch im Konzert nicht immer in der ersten Reihe (oder so nah wie zuhause vor der Projektion).
Für mich war es ein sehr langer Weg, bis ich als besonders wichtig die Fähigkeit der Anlage ansah, den Solisten nach vorn - sogar weit nach vorn zu bringen, speziell, wenn das Mikrofon direkt an den Lippen klebte (Live auf der Bühne).
Saubere, klirrarme, gut aufgelöste, rauscharme, dynamisch richtige (in Abgrenzung zur Dynamikkompression) Wiedergabe ist erforderlich.
Die Dynamikkompression bringt
alles nach vorn, denn der leise natürliche Nachhall wird entweder unterdrückt, womit die Größe des Aufnahmeraums verlorengeht oder leise Anteile werden übertrieben betont, was die Erkennbarkeit der Stille in der Anfangszeitlücke überdeckt, womit alles wieder
etwas nach hinten in die Ebene der LS rückt, aber platt klingt.
Natürlich unterscheidet sich eine schlechte von einer guten Aufnahme.
Kann man erwarten, dass das Schlagzeug einige Meter hinter dem Sänger (im Vorderkantenbereich der Bühne) steht, wenn die Mikrofone von Bassdrum und Toms jeweils keine 10cm entfernt sind? Ich gehe davon aus, dass nicht nur die hinteren Instrumente verhallt werden, und schon garnicht individuell nach Aspekten von Vorn/Hintenstaffelung. Leider wissen wir Hörer nicht, welche Bedingungen bei der Aufnahme zugegen waren. Deshalb ist es schwierig, die Anlage zu optimieren, wenn man sich auf ein Genre beschränkt, vielmehr muss man musikalisch vielseitig orientiert sein.*
Grüße
Hans-Martin
*Aus solchen Beweggründen habe ich
hier Aufnahmen gelistet.
Die
5. Symphonie /Mahler von Waterlily ist ein Highlight