Beethoven: Klaviersonaten 1-32

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Horse Tea
Aktiver Hörer
Beiträge: 1734
Registriert: 19.03.2016, 20:22
Wohnort: Unterfranken

Beitrag von Horse Tea »

Hallo Jörg,

hier ein schon ein paar Jahre alter Artikel aus der NZZ:

https://www.nzz.ch/feuilleton/andras-sc ... val=E-mail

Viele Grüße
Horst-Dieter
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1959
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Hallo,

nur der Vollständigkeit halber sei hier ein Link zu einer beginnenden Gesamteinspielung der Sonaten durch Marlo Thinnes erwähnt.
Soeben ist das erste (vielversprechende!) Album erschienen: viewtopic.php?p=234414#p234414

Viele Grüße
Jörg
Bild
Falko
Aktiver Hörer
Beiträge: 72
Registriert: 12.01.2022, 12:52
Wohnort: Hamburg

Beitrag von Falko »

Lieber Jörg,
vielen Dank für deine hervorragende Besprechung der Beethoven-Sonaten. :D
Ich habe mir, sozusagen als "Lebensabendprojekt" das Gesamtwerk von Beethoven vorgeknöpft und da konnte ich einiges von dir profitieren.
Von den Sonaten gefallen mir am besten die von Brautigam und die 96er von Brendel. Brautigam spielt gut und der klare Klang des "modernen" Fortepianos ist genau mein Ding. Brendel spielt mit noch mehr Emotionen und Kraft.
Es geht jetzt aber einmal um die Einspielung der Klaviersonaten von Levit. Ja, doch, die Interpretation ist wirklich gut. Nicht so, wie er gehypt wird, finde ich, aber gut. Ich wundere mich nur, warum noch niemand - oder habe ich es übersehen? - die furchtbar hallige Klangqualität bemängelt hat. Akustisch ist der Eindruck, als wären die Mikrofone weit vom Instrument plaziert gewesen, in der Abbildung steht es aber von links nach rechts groß vor dem Hörer. Die gehörte Entfernung und die Grösse der Abbildung des Instruments machen mich ganz wuschig beim Zuhören. Und gut klingen tut's dann eben auch nicht :x
Da das Klavier aber groß abgebildet wird, kann es nur aus der Nähe, wie immer, aufgenommen sein und entweder in einem großen Rohbaukeller gestanden haben(was aber nicht der Fall war) oder der Hall wurde beim Mastering hinzugefügt. Was denkst du? Ist dir das nicht auch aufgefallen?
So ist zwar Levit ein toller Interpret aber der Tonmeister oder der Mixer haben da was falsch verstanden bei der Arbeit. Wenn ich mir was wünschen dürfte: Nochmal neu! Die Aufnahmen sind ja da :cheers:
LG
Falko
Bild
Horse Tea
Aktiver Hörer
Beiträge: 1734
Registriert: 19.03.2016, 20:22
Wohnort: Unterfranken

Igor Levit

Beitrag von Horse Tea »

Hallo Falko,

auch wenn ich nicht angesprochen bin, möchte ich gerne zum Thema beitragen.

Beim Klang bemängelt Du zwei Aspekte, nämlich Hall und die Abbildung des Flügels. Zunächst die Rückfrage von welcher Aufnahme sprichst Du? Ich habe das Album mit den späten Sonaten (graues Cover) von 2013 auf Festplatte und die Gesamtaufnahme (rotdominiertes Cover) von 2019 als CD-Box. Leider kann ich erstere nicht mehr aktuell nachhören, da ich nach dem gerade beendeten Urlaub die NAS umbauen will und noch nicht wieder angeschaltet habe. Aber aus ziemlich sicherer Erinnerung erscheint mir die Aufnahme von 2013 auch recht hallig und insgesamt nicht so gut aufgenommen. Dagegen haben wir gerade noch einmal die Sonaten Nr. 28 und 29 aus der Gesamtaufnahme gehört und momentan läuft die frühe Nr. 4. Der Klangqualität würde ich jetzt keine 1+ geben, sie aber schon in den obersten 5% lokalisieren. Hall höre ich keinen und auch die Lokalisation des Flügels ist für mich o.k., obwohl ich nachvollziehen kann, dass er Dir etwas viel Breite einnimmt und dass, obwohl meine Anlage (DAC und Flächenstrahler) eher dazu neigt, zu breit bzw. kathedral (Zitat: Gert, Fortepianus) abzubilden.

Mein Bauchgefühl sagt mir daher, dass wir hier auch den Charakter der Anlage in den Kreis der Erklärungen einbeziehen müssen oder, dass es eine Fraktion Hörer gibt, denen Klang wichtiger als die Interpretation ist. Bei der anderen Fraktion, ist es vielleicht umgekehrt. Ich habe mich nämlich auch schon bei einigen Empfehlungen, genau wie Du hier, gewundert, dass auf die Klangqualität nicht eingegangen wurde. Eine gute Interpretation ohne gute Klangqualität geht auch nicht an mich heran.

Noch etwas zur Interpretation von Igor Levit aus meiner Sicht und der meiner Frau, die sich viel mit den Interpretationen dieser Sonaten beschäftigt hat. Wir haben häufig, aber nicht immer, Schwierigkeiten mit den Tempi. Bei den frühen Sonaten (aber nicht bei der Nr. 4!) dominiert ein sehr hohes Tempo, bei den späten Sonaten kann man bei den Tempowechseln zumindest geteilter Meinung sein. Levit kostet die kostbaren Stellen häufig nicht aus. Ob aber Schönheit immer Wahrheit bzw. die Absicht des Komponisten ist, darüber kann man trefflich streiten. Dass Levit sich mit der Frage des Tempos bei Beethoven (Stichwort: Beethovens Metronom) hinreichend beschäftigt hat, davon muss ich 100%ig ausgehen, habe ich ihn doch bei einem Meisterkurs über Dynamik und Tempi bei Beethoven sprechen hören. Wenn ich die Diskussion richtig zusammenfasse, geht man heute tatsächlich von der Richtigkeit der hohen Tempoangaben bei Beethoven aus. Früher wurden sie als unspielbar schnell bewertet. Im Internet habe ich auf die Schnelle in der Partitur keine exakte Tempoangabe gefunden und weiß auch nicht, woraus man diese hohen Tempi abgeleitet hat. Bin ja auch kein Pianist. Und dennoch...

Insgesamt würde ich die Interpretation von Levit ebenfalls unter den top 5% platzieren und, obwohl bereits wieder 5 Jahre alt, als eine aktuelle, zeitgemäße. Meine Frau bevorzugt aber Daniel Barenboim.

Viele Grüße
Horst-Dieter
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1959
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Gugten Morgen, Falko und Horst-Dieter

meinen Kommentar zu den Levit-Aufnahmen habe ich ja bereits weiter vorne abgegeben - und daran hat sich bislang nichts geändert. Um Falkos Anmerkungen nachzuvollziehen, habe ich gestern in einige Sonaten reingehört. Ich kann ähnlich wie auch Horst-Dieter dies so nicht nachempfinden. Ja, Hall ist hörbar. Für mich wirkt dies allerdings stimmig. Sehr präsenter Flügel, als Zuhörer nah am Geschehen.

Heutzutage wird (vermutlich) mit so vielen Mikrophonen aufgenommen, dass mich desöfteren (die Levit-Aufnahme ist damit allerdings nicht gemeint!) mal die verstärkt zu hörenden Nebengeräusche wie quietschender Hocker, Schaben von Manschettenknöpfen/ Schmuck (?) an der Tastatur u.ä. irrtieren. Dies sind jedoch nur meine Interpretationen - was diese Nebengeräusche tatsächlich veruracht, weiß ich nicht. An mitbrummende/summende Pianisten habe ich mich inzwischen allerdings schon gewöhnt ;-)

@Gesamtausgabe von Levit: in der Box gibt es keine Neuaufnahmen der Sonaten Nr.28-32. Diese sind identisch mit der bereits 2013 veröffentlichten Box "The late piano sonatas". Der Mastering Engineer ist jedoch 2013 wie auch 2019 der gleiche: Andreas Neubronner.

Viele Grüße
Jörg
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1959
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Hallo

2 kurze Nachträge noch
Falko hat geschrieben: 18.03.2024, 11:25 Akustisch ist der Eindruck, als wären die Mikrofone weit vom Instrument plaziert gewesen, in der Abbildung steht es aber von links nach rechts groß vor dem Hörer. Die gehörte Entfernung und die Grösse der Abbildung des Instruments machen mich ganz wuschig beim Zuhören. Und gut klingen tut's dann eben auch nicht :x
Da das Klavier aber groß abgebildet wird, kann es nur aus der Nähe, wie immer, aufgenommen sein
Ich habe gerade gelesen, dass du (Falko) Acourate und einen AudioPC benutzt. Wenn du auch den AC Convolver benutzen solltest, sind möglicherweise deine Flow-Werte sehr hoch. Damit kann man auch einen gefühlt 10m großen Flügel erzeugen ;-) Ich hatte das beim Rumspielen mit dieser Funktion mal erlebt.
Horse Tea hat geschrieben: 18.03.2024, 21:05 Bei der anderen Fraktion, ist es vielleicht umgekehrt. Ich habe mich nämlich auch schon bei einigen Empfehlungen, genau wie Du hier, gewundert, dass auf die Klangqualität nicht eingegangen wurde. Eine gute Interpretation ohne gute Klangqualität geht auch nicht an mich heran.
Sollte ich hiermit gemeint gewesen sein, dann kann ich nur betonen, dass für mich tatsächlich die Interpretation über alles steht. Klar freue auch ich mich, wenn zusätzlich noch die Klangqualität hervorragend ist und bemühe mich, dies dann auch zu erwähnen. In der Vinylzeit akustisch "erzogen" und mit Aufnahmen aus den 30er bis 50er Jahren groß geworden, ist dies vielleicht verzeihlich. Ich wünschte, es gäbe (um ein Beispiel zu nennen) Beethovens Klaviersonaten mit Artur Schnabel in hervorragender Klangqualität. So muss ich die "Nebengeräsuche" leider in Kauf nehmen - aber um nichts in der Welt würde ich diese Aufnahmen missen wollen!

Viele Grüße
Jörg
Bild
Horse Tea
Aktiver Hörer
Beiträge: 1734
Registriert: 19.03.2016, 20:22
Wohnort: Unterfranken

Beitrag von Horse Tea »

Hallo Jörg,

nein, ich meinte Dich nicht. Aber Du bestätigt meine Vermutung, ganz allgemein gesprochen, dass die unterschiedliche Gewichtung von Interpretations- und Klangqualität dazu führen kann, dass auf die Klangqualität in einer Empfehlung nicht weiter eingegangen wird. Es ging mir eher um eine Erklärung für Falkos Verwunderung. Ich schließe mich da nachdrücklich ein, selbst im umgekehrten Fall einer hohen Klangqualität. Jedenfalls interessieren mich historische Aufnahmen/Interpretationen, die älter als 60 Jahre sind, nur in seltenen Fällen.

Viele Grüße
Horst-Dieter
Bild
Falko
Aktiver Hörer
Beiträge: 72
Registriert: 12.01.2022, 12:52
Wohnort: Hamburg

Beitrag von Falko »

Lieber Jörg,
Ich habe gerade gelesen, dass du (Falko) Acourate und einen AudioPC benutzt. Wenn du auch den AC Convolver benutzen solltest, sind möglicherweise deine Flow-Werte sehr hoch. Damit kann man auch einen gefühlt 10m großen Flügel erzeugen Ich hatte das beim Rumspielen mit dieser Funktion mal erlebt.
Danke, dass du dich immer noch meines "Falles" annimmst.
Es ist tatsächlich so, dass FLOW abgeschaltet ist. Ich hab mir gestern noch mal Levit und Brendel(96) im Vergleich angehört. Brendel: sehr klarer, trockener Klang. Levit: Auch guter Klang aber deutlich verhallt. Im Vergleich. Meine Kette hebt allerdings Unterschiede zwischen unterschiedlichen Aufnahmen extrem deutlich hervor.
Im Vergleich einmal gehört an den schmalen Standlautsprechern am Fernseher. Da klang Levit "schöner" als die Brendelaufnahme, die dagegen etwas langweilig rüberkam. Die Halligkeit der Levitaufnahme ist viel weniger hörbar.
Kann es sein, dass die Aufnahme von Levit so gemastert ist, dass sie über eine grosse Qualitätsrange von Wiedergabeketten gut klingt?

LG Falko
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1959
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Hallo Falko
Falko hat geschrieben: 25.03.2024, 18:22 Meine Kette hebt allerdings Unterschiede zwischen unterschiedlichen Aufnahmen extrem deutlich hervor.
Das mag schon sein, dass deine Anlage Unterschiede deutlicher hervorhebt als meine/andere. Die Frage ist jedoch, wie einem das gefällt.
Meines Erfahrung nach kann ich wahrgenommene Unterschiede für mich meist gut durch Kopfhörervergleich validieren.
Falko hat geschrieben: 25.03.2024, 18:22 Kann es sein, dass die Aufnahme von Levit so gemastert ist, dass sie über eine grosse Qualitätsrange von Wiedergabeketten gut klingt?
Nun, das hoffe ich doch ;-)
Schlimm wäre, wenn sie nur auf die mp3-Hörerschaft mittels Handy und Knopf im Ohr gemastert werden würde.

Viele Grüße
Jörg
Bild
Falko
Aktiver Hörer
Beiträge: 72
Registriert: 12.01.2022, 12:52
Wohnort: Hamburg

Beitrag von Falko »

Moin Jörg,
Nun, das hoffe ich doch
grundsätzlich hoffe ich auch, dass die Ingenieure alles geben, um ein gutes Produkt abzuliefern.
Ich meinte allerdings hier, dass zu viel des Guten, nämlich Hall, zugegeben wurde, um schönzufärben. Das würde ich nicht gern akzeptieren wollen :D

Ist ja auch nun insofern wurscht, da ich Aufnahmen gefunden habe, die ich genießen kann. Darum geht es hauptsächlich, stimmt's?
LG Falko
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1959
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

👍
... und es gibt jede Menge sehr guter Aufnahmen :cheers:

VG
Jörg
Bild
Purist
Aktiver Hörer
Beiträge: 40
Registriert: 02.02.2020, 08:22
Wohnort: 70839 Gerlingen

Igor Levit

Beitrag von Purist »

Hallo zusammen,
ich bin bei diesem Thread schon länger stiller Mitleser und freue mich über stets neue Anregungen und auch über die oft sehr unterschiedlichen Einschätzungen. Der Post von Falko vom 18.03. hat mich jetzt dazu veranlasst, doch auch mal aktiv teilzunehmen. Und ich möchte ihm gerne vollumfänglich beipflichten, die Levit-Einspielungen sind spannend, sie gefallen mir musikalisch / interpretatorisch meist sehr gut. Dennoch führen sie bei mir ein Schattendasein, weil die Aufnahmen im Musikzimmer und auch mit dem Stax hallig und überbreit klingen, nur im Wohnzimmer wäre es erträglich (bitte die Anlagenkomponenten ggf. in meinem Profil ansehen). Ich habe gestern mal wieder reingehört und genau Falkos Beschreibung wahrgenommen, wobei wohl auch ein Mikro schwach den Direktschall im Flügel beiträgt.
Die Brautigam-Einspielung ist toll, manchmal wünsch ich mir da aber einen Flügel statt des Fortepianos ...
Einen Hörtipp möchte ich noch beitragen: Lilja Zilberstein live im Schloss Bad Homburg:
https://www.discogs.com/de/release/1631 ... passionata
Gibt es auch bei den Streaming-Diensten. Damit ihr Bechstein D280 Flügel mehr nach Steinway klingt, habe ich +4 dB Bass und -2 dB Höhen eingerechnet ...
Viele Grüße und schöne Ostern - Stefan
Bild
Antworten