Franz Liszt hat 200ten Geburtstag

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Guenni hat geschrieben:Habt ihr von Andor Földes (meist Foldes hier im Westen geschrieben) Liszt Interpretationen ?

PS: hört euch mal die Bagatelle ohne Tonalität an. Bezüglich Vielseitigkeit mal nebenbei erwähnt.
Hallo Guenni,

von Andor Foldes habe ich nur eine Doppel-CD der DGG "Wizard of the Keybord":

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Da ist von Liszt der Mephisto-Walter Nr. 1 drauf. Foldes ist der Typ des absolut unromantischen, "neusachlichen" Interpreten. Aber sein Liszt und auch der Chopin sind absolut spannend - so geht es also auch! Die Platte ist finde ich eine Anschaffung wirklich wert!

Von Annie Fischer habe ich leider gar nichts in meiner Sammlung, das ist wirklich ein Manko. Die "Bagatelle ohne Tonart" habe ich mit Cyprien Katsaris (von Richter glaube ich auch noch!), auf seiner leider nicht mehr erhältlichen alten Teldec-Aufnahme (das Label ist schon lange verschwunden!) mit sämtlichen Mephisto-Walzern und anderen abgründigen späten Liszt-Stücken wie die perfide Mephisto-Polka, die knallend und böse mit einem falschen Ton endet. Dazu "La Benediction de dieu dans la solitude" - wunderbar gespielt! Lipatti ist ein Phänomen. Bei der EMi scheint leider Inkompetenz der Normalfall zu sein. Sie bringen die Box neu heraus mit sämtl. Einspielungen, aber es fehlt die einzeln veröffentlichte Platte mit dem Liszt-Konzert Nr. 1 (hochspannend, weil er sie in der alten Tradition spielt, nicht so stromlinienförmig wie heute, sondern sehr episch-episodisch!) und dem wunderschönen dritten Konzert von Bartok. Die Platte muß man also nach wie vor einzeln dazu kaufen. In der Lipatti-Box enthalten außerdem das besagte Petrarca-Sonnett, das auch Horowitz zelebriert. Da ist er wirklich ein Horowitz-Konkurrent! Meisterhaft, wie er die Antithesen des Lied-Gedichtes "sprechend" umsetzt - wahrlich ein "Lied ohne Worte".

Beste Grüße
Holger
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hallo zusammen,

ich bin grad unterwegs in Bergheim.
Dabei habe ich erfahren, dass es bei einem Nachbarn gegenüber (der grad mitfeiert) morgen, am 10.07.2011 eine Veranstaltung gibt. Mit Sicherheit sehr interessant und dazu noch kostenfrei ! Ich mache somit nun Werbung.

Also mal näher zum Thema:
In 50127 Bergheim-Ahe, Sindorfer Str. 19 gibt es das Pianomuseum "Haus Eller". Dort gibt es um 18 Uhr ein Konzert
Franz Liszt zum 200. Geburtstag

und zwar
Johann Sebastian Bach: Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542, Klaviertranskription von Franz Liszt,
César Franck (1822-1890): Deux Melodies A Félicité
Franz List: Die Zelle in Nonnenwerth -Elegie (Fassung 1884);
Franz List: Sonate h-Moll (1853)

Gespielt wird von Heribert Koch, Düren, auf einem Konzertflügel Johann Baptist Streicher & Sohn, Wien 1861
(so ein Konzertflügel wurde auch von Brahms verwendet)

Das Pianomuseum (ca. 60 Tasteninstrumente) hat auch eine eigene Webseite. Es ist ein rein privater Träger. Christoph Dohr (Musikverlag Dohr) geht hier seiner Leidenschaft nach und sammelt bzw. pflegt alte Klaviere, Cembali, Clavichorden, Spinetten.

Vielleicht wäre das auch mal was für ein Forentreffen, es gibt dann aber keine Lautsprecher :mrgreen: , dafür jedoch sicher interessantes Hintergrundwissen und Originalklang. Auf jeden Fall steht für interessierte Gruppen einem Besuch nichts im Weg.
Über das Jahr verteil gibt es noch weitere Konzerte, wie gesagt kostenlos (es wird jedoch für einen guten Zweck gesammelt, Info hierzu vor Ort).

Vielleicht ist es ein bisschen kurzfristig, vielleicht aber auch trotzdem machbar für den einen oder anderen im Raum Köln/Bonn.

Grüsse,
Uli

PS: leider bin ich selbst morgen schon nicht mehr hier.
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Hallo Uli,

schön, daß Du darüber berichtest, auch wenn man nicht dabei sein kann! Ein bemerkenswertes Programm, eben nicht nur mit den allbekannten Stücken. Das freut den wahren Liszt-Liebhaber! :D

Beste Grüße
Holger
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Dr. Holger Kaletha hat geschrieben:Hallo Uli,

schön, daß Du darüber berichtest, auch wenn man nicht dabei sein kann! Ein bemerkenswertes Programm, eben nicht nur mit den allbekannten Stücken. Das freut den wahren Liszt-Liebhaber! :D

Beste Grüße
Holger
Hallo Holger,
vermutlich wird aber keiner aus dem Forum hingefahren sein. Meine Meldung war ja zum einen sehr kurzfristig und dann mag es auch noch 1000 weitere gute Gründe geben. Ich habs einfach weitergegeben.

Vielleicht war doch jemand da, der dann auch berichtet. Und es gibt auch weitere Veranstaltungen, siehe deren Webseite.

Grüsse, Uli
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Zwei aktuelle Empfehlungen von mir:

Louis Lortie spielt Liszts Années de Pèlerinage

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Eine wirklich attraktive Doppel-CD zum günstigen Preis. Lobend hervorzuheben: Das außergewöhnliche Beiheft mit einem Text von Jonathan Summers. Da werden sogar die literarischen Texte aus dem Noten übersetzt. Summers Darstellung: Sehr lesenswert, da spricht ein Liszt-Kenner!

Lohnenswert ist diese CD allein deshalb, weil sie auf einem Fazioli-Flügel eingespielt wurde, dem Rolls Royce unter den Flügeln. Das Instrument ist exquisit, hat einen Bass, da kommt kein Steinway mit! Am besten gefällt mir der 2. Band, das 1. Heft Italien, hochromantische Klangpoesie. Da ist Lortie in seinem Element mit seiner Klangkultur – der wunderbare Flügel spielt sich wie von selbst – und er kann singen auf dem Klavier. Beim ersten Heft (der Schweiz) fehlt es dann doch etwas an Tiefgang und Dämonie. Der Beginn von Valée d´Oberman ist viel zu leichgewichtig, keine Schwermut zu erkennen und auch Heimweh will nicht aufkommen. Am dritten Band, (2. Heft Italien), dem abgründigen späten Liszt, scheitern viele. Da gibt es die totale Vereinsamung, Introvertiertheit, Sprachlosigkeit und Wortkargheit, stumme Verzweiflung, eine Abstraktion der Musiksprache auf das Elementare: Dur ist nur noch nacktes Dur im Kontrast zur Schwärze der Chromatik. Eine Entheroisierung der Musik, die an Expressionismus gemahnt: die Auflösung von Romantik und der Beginn der Moderne. Dazu kommt eine tiefe, mystische Religiosität. Lortie spielt das völlig unbedarft, rund, wie einen allzu schönen Chopin. Schon das erste Stück mit dem bezeichnenden Titel „Engel“ ist einfach zu leichtgewichtig. Keine Getragenheit, keine kontemplative Ruhe und Versenkung. Von religiöser Dimension, welche diese Musik nun mal hat, keine Spur. Ebenso das berühmte „Les jeux d´eau à la Villa d´Este“ klingt nach Ravel und nicht nach Liszt. Ein intelligenter Interpret mit Klangkultur, eine insgesamt sehr gute Aufnahme, die zu den besten zählt. Aber nach wie vor gilt: Es gab und gibt bisher keinen besseren Interpreten der Années... als Lazar Berman.

Artur Rubinstein: Liszt

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Rubinsteins Liszt darf in keiner Klaviersammlung fehlen – zum Liszt-Jahr sind seine kompletten RCA-Aufnahmen in einer Box erschienen. Sie stammen teils aus den 50igern und den 60igern. Man erlebt Rubinstein ungemein kraftvoll und wie immer mit seinem wunderbar vollen und homogenen Klavierklang. Die Ungarischen Rhapsodien Nr. 5 und 12 meistert er mit einer beeindruckenden Souveränität und hochvirtuos, dabei ohne Tastengeklingel und Sentimentalitäten, ebenso beim Mephisto-Walzer Nr. 1. Funérailles meisterhaft charakterisiert mit Tragik und Schmerz – ein Musiker, dessen gesamte jüdische Familie durch den Holocaust ausgelöscht wurde weiß schließlich, was Leid bedeutet. Ein Juwel ist der viel gespielte Liebestraum Nr. 3. Niemand verwandelt dieses Stück so in reinen Gesang und gestaltet so stilsicher, verbannt jeden Anflug von Kitsch. Das ist Liszt mit der Noblesse von Chopin. Beim Valse oubliée Nr. 1, ein Stück des späten Liszt, beeindruckt Rubinstein durch seinen Sinn für Klangfarben und die sehr plastisch und präzise gestaltete Rhythmik. Das Klavierkonzert Nr. 1 ist wunderbar und die H-moll-Sonate zeigt alle Stärken von Rubinstein: Klangfülle und Homogenität, ein Klavierklang „wie aus einem Guss“, die orchestrale Kraft auf dem Klavier entfaltet, ohne die Oktaven jemals lärmen zu lassen. Die Interpretation besticht durch ihre Geschlossenheit und die sehr kluge Gestaltung der dynamischen Höhepunkte. :D

Beste Grüße
Holger
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Dr. Holger Kaletha
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Pierre-Laurant Aimard - The Liszt Project

Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

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Von Pierre-Laurant Aimard, der vor allem mit seinen Interpretationen Neuer Musik bekannt wurde und sich erst in den letzten Jahren mit klassisch-romantischem Repertoire einen Namen als universeller Interpret machte, erwartet man kein „normales“ Liszt-Programm und ist beglückt: Da wird Liszt programmatisch gezeigt als der große Innovator und Anreger für die Moderne. Das Programm ist ungemein avanciert, enthalt 2 CDs von jeweils über 70 Minuten Spieldauer zum Preis von einer! Und was für gewichtige „Brocken“ darunter sind: Liszts große H-Moll-Sonate, die Alban-Berg-Sonate, die 9. Sonate von Alexander Sciabin. Eine Platte, die Bezüge herstellen will vorwärts und rückwärts, Musikhören als lebendige Musikgeschichte, der Wandlung und Verwandlung von geistig-musikalischen Ideen. Das ist ihm zweifellos gelungen. Es empfiehlt sich jedoch, das Hören mit der zweiten CD zu beginnen:

Wirklich verblüffend ist die Verwandtschaft der Klagelieder von Liszt („Aux cyprès de la Villa d´Este aus „Anneés de Pèlerinage Heft III) und Bartok (Nénie op. 9a). Der Liszt-Verehrer Bartok sinniert hier gewissermaßen über Liszt und spinnt daraus seine eigenen musikalischen Gedanken weiter. Es folgt eine der Franziskus-Legenden Liszts (fälschlich im Klappentext als zum Zyklus „Anneés de Pèlerinage“ gehörig angegeben!) – das Thema der Vögel findet dann seine Fortsetzung bei Marco Stroppa und Olivier Messiaen: Romantische Naturreligiosität – in Messiaens Frömmigkeit findet sie ihren Widerhall, bei Stroppa wird sie transformiert in eine rein ästhetische Studie über Bewegungen und Klänge. Auch Liszts berühmtes Wasserstück „Les Jeau d´eau à la Villa d´Este“ fand seinen Bewunderer in Maurice Ravel, das ihn zu seinen „Jeux d´eau“ inspirierte. Auch hier vollzieht sich eine Ästhetisierung der ursprünglich religiösen Idee – die Wasserspiele bei Liszt im Garten der Villa d´Este bei Rom, wo Liszt sich aufhielt, sind Symbol der göttlichen Emanation im christlich-neuplatonischen Sinne: Das Wasser fließt von einer Brunnenschale in die nächste wie der Ausfluss des Seins aus dem ursprünglichen Einen in verschiedenen Seinsstufen, so wie es Conrad Ferdinand Meyers Gedicht „Der römische Brunnen“ ausspricht:
  • Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
    Er voll der Marmorschale Rund,
    Die sich verschleiernd, überfließt
    In einer zweiten Schale Grund;
    Die zweite gibt, sie wird zu reich,
    Der dritten wallend ihre Flut,
    Und jede nimmt und gibt zugleich
    Und strömt und ruht.

Die Bewegung, das „Strömen“, ist zugleich Ausdruck von Ruhe, des in sich ruhenden göttlichen Seins. Liszts Wasserspiele sind entsprechend kein naiv-naturalistisches, tonmalerisches Wassergeplätscher: Genau diesen kontemplativen Sinn muss der Interpret dieser Musik treffen, sonst verfehlt er die religiöse Dimension dieser Musik. Liszt ist der Erfinder des religiösen Klavierstücks. An den Schluss seines Programms setzt Aimard Liszts Vallée d´Oberman aus dem ersten Heft der „Anneés de Pèlerinage“ und betont (Klappentext) im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Wolfgang Rathert (den ich letzte Woche in München bei einer Konferenz kennenlernen durfte): Bei Messiaen gehe es „objektivierend“ um die „geordnete“ Natur „als meditatives Erleben der Zeit im Durchschreiten eines Tages, bei Liszt subjektivierend als Ringen des Künstlers mit der Nacht als Symbol des Durchschreitens der menschlichen Zeit.“ Aimard hält hier, was er verspricht. Die Interpretation von Vallée d´Oberman ist der krönende Abschluss des Recitals, eine musikalische Sternstunde! Er verzichtet völlig auf jede Attitüde des Tastenlöwen und bringt die Musik zum „Sprechen“, arbeitet die hochexpressiven Klanggesten heraus. So wird die Musik zum Drama eines Subjekts, das sich zu zerreißen droht zwischen Schwermut und Überschwang. Das ist Liszts Virtuosität in einer Verwandlung in Seriosität, statt dem Rausch zu verfallen bleibt es bei gefasster Innerlichkeit. Bezeichnend wählt er die melodische Ossia-Variante, um den Aufbau des Schlusshymnus nicht allzu prunkend-triumpfal wirken zu lassen. Auch die Interpretationen der Legende wie der Wasserspiele überzeugen durch Aimards Zurückhaltung, der inneren Ruhe, mit der er die atmosphärischen Klänge sich ausbreiten lässt. Dass ihm die „moderne“ Musik des 20. Jahrhunderts liegt, darüber braucht man bei Aimard natürlich kein Wort zu verlieren. Einzig Ravels „Jeux d´eau“ wirkt ein bisschen spröde. Das erlebt man bei der französischen Altmeisterin Monique Haas doch deutlich klangvoller und auch avancierter, „moderner“, was die Herausarbeitung der Bewegungsstrukturen angeht. Aber vielleicht liegt es auch etwas am Flügel?

Ich habe empfohlen, nicht gleich mit der ersten CD zu beginnen. Denn bei den späten Liszt-Stücken lässt Aimard die Expressivität, welche er in Vallée d´Oberman zu zeigen vermag, nahezu völlig vermissen. Die Trauergondel Nr. 1 wirkt wie der vergebliche Versuch, Liszt zu einem verfrühten Debussy zu machen. Alfred Brendel oder auch Maurizio Pollini spüren in der Bassbegleitung die beunruhigenden Pendelbewegungen auf – die Anklänge einer Berceuse, das Wiegen eines Totenschiffes in unruhiger Wasserbewegung, in dem sich ein verzweifeltes Wühlen des Subjektes verbirgt. Das erscheint doch bei Aimard alles sehr indifferent und ausdruckslos. Ähnlich „Unstern! Sinistre!“ Maurizio Pollini versteht es hier, den Wut und den Trotz, die Verkehrung von Herorismus in Verzweiflung hören zu lassen. Dass davon bei Aimard auch gar nichts zu spüren ist, liegt an der Reduktion der Musik auf Klangflächen, welche ihr jegliche Bewegungsdymamik raubt. Nicht gelungen ist auch „Nuages gris“ („trübe Wolken“), vielleicht das radikalste Musikstück, was Liszt komponiert hat: Eine zur Atonalität tendierende Tritonusharmonik und musikalische Abstraktion, welche die Musik „entsprachlicht“, die Phrasen in einen Wechsel von Tonfarben und Bewegungen auflöst. Die Interpretation kann hier den Weg gehen, dieses musikalische Wolkenbild als ein impressionistisches Stimmungsbild, eine Graustudie in Tönen, zu deuten, wie das bei Maurizio Pollini geschieht. Oder es wird zum existenziellen Ausdruck von Trübsinn und Trostlosigkeit, einer Erstarrung der Zeit, welche keine Zukunft kennt, wo alles gleichsam schon zuende gegangen ist, bevor es anfängt, wie dies Svjatoslav Richters eindringlicher Vortrag zu vermitteln vermag. Aimard fehlt hier offenbar ein interpretatorisches Konzept. Schon das eröffnende Pendelmotiv hat weder Atmosphäre, noch hat es Ausdruck: ein positivistischer, geradezu „dinglicher“ Ton ohne jegliche Kraft an Wirkung und Aussage. Und auch von der dramatischen Teleologie des per aspera ad astra (durch das Dunkel zum Licht), welche Liszt hier andeutet, um sie im Keim zu ersticken und unmöglich zu machen, ist rein gar nichts zu spüren. Die Programmauswahl ist auch hier ungemein aufschlussreich: Eine Klaviersonate von Richard Wagner – ausgerechnet Wagner, dem unerbittlichen Kritiker der Sonatenform, der sie musikdramatisch dynamisiert. Spannend! Auch die Berg-Sonate kann man als Antwort auf „Nuages gris“ hören. Aimards ungemein sorgfältige Interpretation bleibt für meinen Geschmack aber letztlich zu akademisch steif. Da ist Maurizio Pollinis dramatischer Zug mitreißender und auch Glenn Goulds Episierung aussagekräftiger. Die Scriabin-Sonate liegt Aimard, da gibt es „Valeurs“ und die Vorbereitung der Apotheose des Themas, seine Entstehung aus Motivsplittern, wird in ihrer Entwicklung vorbildlich vorgeführt. Und die H-moll-Sonate? Klar und sauber ohne jeden Pomp, stets wachsam und intelligent mit einigen wirklich sehr gelungenen, schönen Momenten. Doch insgesamt fehlt auch hier der „große Wurf“, die Geschlossenheit und die Umsetzung einer poetischen Idee wie auch die letzte Überlegenheit im pianistischen Sinne, über diesen Koloss zu jeder Zeit souverän zu gebieten. In der großen Fuge geht ihm doch etwas die „Puste“ aus. Nein, in die allererste Reihe würde ich diese Vorführung von Liszts Monumentalwerk nicht stellen wollen. Das alles ist jedoch kein Grund, Aimards Liszt-Projekt im CD-Regal stehen zu lassen. Es gibt keine bessere Werbung für den Komponisten Liszt, seine musikgeschichtliche Bedeutung aufzuzeigen mit einer Reihe von seinen wahrlich bedeutendsten Kompositionen. „Hut ab“ vor einem solchen Liszt-Projekt von wirklicher musikalischer Intelligenz! :D

Beste Grüße
Holger
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Dr. Holger Kaletha
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Michele Campanella plays Liszt's Bechstein

Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

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Michele Campanella spielt auf Liszts Bechstein-Flügel von 1860. Die CD ist eine Empfehlung wert – trotz des geringen Preises ein liebevoll gemachtes umfangreiches Booklet, Text auf englisch und italienisch, das die Geschichte von Liszts Flügel erzählt eingeschlossen eines Beitrags des Düsseldorfer Pianisten und Klavierpädagogen Ratko Delorko, der die besondere Technik des Flügels erklärt. Die Aufnahmetechnik ist sehr gut, die Interpretationen sehr „fachkundig“ und das Repertoire zeigt die Wege des späten Liszt aus der Tonalität. Im 4. der Valses oubliées löst sich die Dissonanz am Schluß einfach nicht mehr auf!

Bei dem guten Geist, der die schönen Cover-Bilder einsetzt, bedanke ich mich herzlich! :D

Beste Grüße
Holger
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Einen schönen guten Morgen in herbstlicher Stimmung,

gestern Abend sendete 3sat vier Berichte über Franz LIszt zu dessem 200ten Geburtstag.

Sehr interessant gleich der Erste davon:
Zum 200. Geburtstag von Franz Liszt
Igor Levit - Mein Liszt
Film von Andreas Morell
Erstausstrahlung


Für einige Musikkritiker gehört er bereits jetzt zu den großen Pianisten des Jahrhunderts. Den Durchbruch schaffte der 24-jährige Igor Levit auf seiner letzten Musikreise, die ihn durch China führte. Unter denkbar ungünstigen Umständen und auf einem reichlich verstimmten Flügel vermochte der Musiker dennoch, seine Zuhörer zu begeistern.
Igor Levit ist fasziniert von Person und Werk des vor 200 Jahren geborenen Komponisten und Pianisten Franz Liszt. Die schillernde Persönlichkeit und die gewaltige, ungezügelte und auch unheimliche Kraft hinter Liszts Virtuosität fordern den jungen Musiker in jeder Beziehung zu Höchstleistungen heraus.

In der Dokumentation "Igor Levit - Mein Liszt" führt Igor Levit durch das bewegte Leben und das Klavierwerk von Franz Liszt, der in seinem Schaffen eine Vielfalt wie sonst kaum ein anderer Komponist widerspiegelt. Da gibt es Etüden, die zum Teil auf abenteuerlichen Erzählungen beruhen wie "Mazeppa", Bearbeitungen von Werken bewunderter Kollegen wie Guiseppe Verdi und Richard Wagner, sowie wenig bekannte Spätwerke, die durch ihren grüblerischen Charakter und ihre überraschende Modernität in den Bann ziehen.

Igor Levit erschließt jede Werkphase Franz Liszts durch seinen ganz persönlichen Zugang. Seine Interpretationen vermitteln den fast dämonischen Klangzauber der Lisztschen Kompositionskunst. Levit startet seine musikalische Spurensuche in seinem Heimatort Hannover. Von dort aus geht es mit dem Zug nach Zürich, weiter nach Bellagio am Comer See und von dort über Mailand nach Rom - ein kleiner Ausschnitt der ausgedehnten Konzertreisen Franz Liszts durch 20 europäische Länder, auf denen er zwischen 1835 und 1843 knapp 50.000 Kilometer zurücklegte.

Am Sonntag, 9. September, um 10.45 Uhr, ist als letzter Beitrag zu dem Jubiläum die Dokumentation "Franz Liszt - Das Konzert bin ich" zu sehen.
Am Schluß des Filmes folgendes - aus der Erinnerung - Zitat von Richard Wagner über die ihm zur Prüfung zugesandten Kompostitionen aus dem Spätwerk:

"Die Musik gönne ich Dir nicht. Sie ist nicht aus unserer Zeit, daher wird sie von den meisten nicht verstanden werden. Ich verstehe sie. Sie wird die Grundlage zukünftiger Musik darstellen."

Gruß

Bernd Peter
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Emmh,

die Kompostitionen sind dem schnellen Schreiben und der Gartenarbeit geschuldet.

Gruß

Bernd Peter
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Bernd Peter, Dein schöner Tip kommt leider zu spät, denn, verflixt, das Liszt-Programm auf 3SAT habe ich doch komplett verpaßt - vielleicht hat es jemand mitgeschnitten mit dem DVD-Recorder? :cry:

Beste Grüße
Holger
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Holger,

dieser Igor Levit hat einiges aus seinem Werdegang und der Art seines Musikverständnisses erzählt, dabei mußte er auch einen Seitenhieb auf eine besondere Berufssparte loswerden, die manchem Künstler doch arg zusetzen können.

"Laufen zwei Musikkritiker am See entlang und sehen einen Mann übers Wasser wandeln. Sagt der eine zum anderen, schau mal, der kann nicht mal schwimmen!"

Gruß

Bernd Peter
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Dr. Holger Kaletha
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Bernd Peter hat geschrieben:dieser Igor Levit hat einiges aus seinem Werdegang und der Art seines Musikverständnisses erzählt, dabei mußte er auch einen Seitenhieb auf eine besondere Berufssparte loswerden, die manchem Künstler doch arg zusetzen können.

"Laufen zwei Musikkritiker am See entlang und sehen einen Mann übers Wasser wandeln. Sagt der eine zum anderen, schau mal, der kann nicht mal schwimmen!"
Hallo Bernd Peter,

der ist gut! Den speziellen Film kann man sich zum Glück auf der Webseite von 3SAT anschauen, das werde ich machen! :D

Beste Grüße
Holger
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Holger,

wenn Du was genaueres noch über Levit weißt, erzähl.

Der kam im Bericht einfach gut rüber.

Gruß

Bernd Peter
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Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Bernd Peter hat geschrieben:wenn Du was genaueres noch über Levit weißt, erzähl.
Hallo Bernd Peter,

der Name sagt mir bislang leider gar nichts. Ich bin selbst gespannt!

Beste Grüße
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Liszt im TV 21. u. 22. 10.

Beitrag von Dr. Holger Kaletha »

Zwei TV-Sendungen:

Heute abend kommt auf ZDF um 22.30 Uhr nach Aspekte "Lang Lang und Liszt". Morgen dann auf ARTE um 19.15 Boulez und Barenboim mit einem Liszt-Klavierkonzert. Beide Sendungen werde ich aufnehmen und darüber berichten!

Beste Grüße
Holger
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