Stromkonzept, 1. Teil
Liebe Forumsfreunde,
seit etwa einem Jahr trage ich mich mit dem Gedanken, meine Stromversorgung zu verbessern. Nun signalisierte mir der Elektriker meiner Wahl, er hätte kurzfristig Zeit und so habe ich das Konzept von ihm umsetzen lassen.
Wer jetzt einen Artikel erwartet, der nur mal kurz überflogen werden kann, den muss ich enttäuschen. Für meinen Geschmack sind in letzter Zeit nämlich so manche Darstellungen hier im Forum viel zu kurz geraten. Gerade bei der Stromversorgung ist schnell mal etwas geschrieben. Aber welche infrastrukturelle Gegebenheiten liegen eigentlich vor? Welches Versorgungsproblem möchte man eigentlich lösen? Welche Präferenzen hat derjenige, der die Entscheidungen trifft? Das möchte ich Euch gerne auch darstellen, damit Ihr meine Problemstellung verstehen und meine Lösung für Euch einordnen könnt.
A. Ausgangslage
In meinem kleinen Hörraum hängt die Haupt-Hörkette bislang zusammen mit vielen anderen Verbrauchern (Lampen, Computer nebst Peripherie) an einer Leitung und damit an einem 16A Automaten. Für die Stromversorgung selbst reichen die wenigen Steckdosen in der Wand nicht aus und so habe ich einen Baum von aneinander hängenden Mehrfachsteckdosen. Das Material dafür ist sehr einfach. Standard Qualität aus der Baumarkt Wühlkiste und auf den letzten Metern Beipackstrippen mit meist nur 0,75^2 mm Leiterquerschnitt. Hier dürfte kein größerer Verbraucher mehr dazu kommen, um den 16A Automaten auszulösen. Und ich will in der Zukunft weitere Aktiv-Lautsprecher im Hörraum aufstellen können, also ist Handlungsbedarf gegeben.
Andererseits befindet sich – aus historischen Gründen – in relativer Nähe zu meinem Hörraum eine gut ausgestattete, wenig belastete Unterverteilung. Mit 3x50 A abgesichert und einer sehr dick ausgeführten Zuleitung versehen. "Kraftstrom" steht auf der Abzweigung und dieser ließe sich – mit überschaubarem Aufwand – für den Hörraum nutzen. Mehr noch, die Unterverteilung besitzt eine eigene Erdung mit Potentialausgleichsschiene, welche ihrerseits mit der zentralen Hauserde sehr niederohmig verbunden ist. Also fast eine eigene Erdung für den Hörraum. Das hat mich gereizt, etwas daraus zu machen.
B. Vorüberlegungen
Ohne Strom geht nix (bis auf live-Darbietung akustischer Instrumente und unverstärkten Gesangs). Soweit klar. Aber wie wichtig ist die Stromquelle? Da gehen die Meinungen auseinander. Wir haben einen Standard 230+ V und klare Regeln, was wie abgesichert sein muss. Da wird kein Kabel wirklich warm. Andererseits lassen sich locker 4-5 stellige Summen in Stromzubehör versenken. Ich persönlich – und jetzt komme ich zu meinen Präferenzen – bin davon überzeugt, dass ich bei einer Hörkette vor allem in die Wandler investieren sollte (Schallwandler und DA-Wandler in meinem Fall). Wenn etwas "übrig" ist, investiere ich auch gerne noch in (Vor-)Verstärkerstufen. Bei Kabeln und anderen Bestandteilen der Kette gehe ich dagegen lieber auf einen guten bis sehr guten Studio- oder Industriestandard, greife aber lieber nicht so gerne in die High-End-Kiste. So komme ich zu meiner ersten Regel für meine Stromversorgung:
1. Nimm guten bis sehr guten Industriestandard. Vermeide den Einsatz von „übertrieben“ wertvollem Material.
Lasst mich hier bitte noch eine Vorbemerkung anführen: Die meisten Überlegungen, die ich angestellt habe, basieren auf Vermutungen und auf dem, was ich hier und da aufgeschnappt habe. A-B-Vergleiche sind bei der Stromversorgung nur in Ausnahmefällen möglich und wenn dann meist nicht unter den realen Bedingungen, wie sie herrschen, wenn mal alles verbaut ist.
Hätte ich mir einen höheren Einfluss auf die Gesamtqualität vermutet, wäre ich in etwa so vorgegangen: Festes Verbauen mehrer, unterschiedlicher Leitungen und gezieltes hin- und herschalten im Sinne von A-B-Vergleichen. Das habe ich nicht getan, denn es widerspricht meiner Regel Nr. 1. Wäre aber möglich gewesen.
Was hier also folgt, ist nicht sauber abgeleitet und/oder überprüft sondern lediglich ein "best guess"!
Nun zum nächsten Aspekt. Wir hatten auch mal eine Drehstromdiskussion im Forum. Ich habe das für mich verworfen, denn ich will keine Phasendrehungen zwischen den Stromphasen. Wahrscheinlich passiert da nicht viel, aber besser scheint mir, dass alles im Gleichtakt schwingt. Also eine Phase. Nun habe ich
von Gert gelernt, dass es nicht schaden kann, sich mit der Belastung der einzelnen Phasen auseinanderzusetzen. Bei mir ist eine Phase kaum verwendet (außer für Drehstromanbindungen wie bei Herd und Sauna) und diese Phase hat darüber hinaus auch noch eine um 1-3V höhere Spannung als die anderen zwei Phasen bei der Einspeisung ins Haus. Sie wird also auch in der Nachbarschaft nicht so stark belastet. Das war damit mein Kandidat. Also:
2. Nimm eine möglichst unbelastete Phase.
Dann habe ich mir überlegt, dass die beste Basis für eine gute Stromversorgung ein "0-Ohm-Konzept" wäre (idealisiert natürlich). Ich liefere den Netzteilen meiner Geräte im Idealfall eine konstante Spannung. Und die sollen dann das machen, wofür sie gebaut sind. Mit der Spannungsversorgung will ich sie jedenfalls nicht ausbremsen. Also habe ich beschlossen, zwischen der Unterverteilung un dem Hörraum möglichst dicke Leitungen zu verlegen, die noch handhabbar sind. Ich habe mich auf 4mm^2 festgelegt:
3. Binde den Hörraum möglichst niederohmig an die Unterverteilung an (4 mm² waren in meinem Fall gerade noch handhabbar).
Nun könnte ich alles an eine – sagen wir 25A abgesicherte – mit 4 mm² ausgeführte Phase hängen (zur weiteren Verteilung kommen wir später). Von der Leistungskapazität her, wären das ca. 5,8 kW – das müsste eigentlich ausreichen.
Ich will aber – auch aus praktischen Gründen – verschiedene schaltbare Stromkreise haben. Vor allem möchte ich Quellgeräte und Lautsprecher trennen können. Und da die Lautsprecher mit ihren Endstufen sowieso viel mehr Leistung benötigen, gönne ich auch den LS zwei verschiedene Stromkreise:
4. Verteile die Last auf mehrere Stromkreise:
- Grau: Lautsprecher vorne
- Gelb: Lautsprecher hinten
- Grün: Quellgeräte und andere Kettenglieder
Mit 3 x 4 mm² steht also die Leitungskapazität fest. Nun etwas ganz praktisches. Ich möchte im Hörraum an zentraler Stelle alles ein- und ausschalten können. Bei längeren Hörpausen oder Gewittergefahr schalte ich einfach alles ab. Den grünen Stromkreis kann ich zuerst einschalten und nach einer Weile die Laustprecher mit dem grauen und gelben Stromkreis. (Dann gibt es auch keine Knacken mehr, wenn der Behringer eingeschaltet wird.)
5. Zentrale Leistungsschalter für die drei Stromkreise im Hörraum
Nun kommt die spannende Frage, welche Kabel verwenden? Das ist für mich unmöglich zu beurteilen. Unglaublich was es da für eine Auswahl und Vielfalt gibt. Bauarten, Verwendungszwecke, Materialien, Preise. Hier bin ich dem Rat vieler von Euch gefolgt und habe mich für geschirmte Kabel entschieden. Der Schirm müsste einige elektromagnetische Einstreuungen abfangen und von den stromführenden Andern fernhalten können. Um den über den Schirm eingefangenen "Müll" nicht weiterzuleiten, wird der Schirm immer nur an einer Seite auf die Erde aufgelegt, nämlich auf der Quellseite.
6. Nimm geschirmte Stromkabel und lege den Schirm immer (nur) an der Quellseite auf die Schutzerde auf.
Nun zum Thema Erdung. Irgendwie setzt man sich damit zwangsläufig auseinander, wenn man mal eine Brummschleife hat. Oder wenn man Geräte vergleicht, die unterschiedliche Erdungskonzepte haben (Stichwort: Ground-Lift-Schalter). Das kann am Ende den entscheidenden Unterschied ausmachen. Natürlich sprechen wir da über die Signalmasse. Aber irgendwo muss diese mit der Schutzerde verbunden werden. Dazu gibt es viele Konzepte, die hier jetzt keine Rolle spielen. Für mich aber ist die Konsequenz:
7. Sorge für eine möglichst gute Verbindung zur Erde!
Damit ist nicht nur das Kabel zwischen Hörraum und Unterverteiler gemeint. Auch die Fundamentalerde hat immer nur eine endliche Qualität. Das kann man messen und optimieren. Ziel sollte ein möglichst niederohmige Verbindung zur Erde sein, damit Spannungsdifferenzen an den Erdungspunkten (Gerätemassen, Signalmasse) schnellstmöglich ausgeglichen werden können. Hier sehe ich persönlich einen sehr wichtigen Optimierungspunkt.
Nun verfügt meine Hörraum-nahe Unterverteilung über eine eigene Fundamentalerde. Diese ist ihrerseits mit der zentralen Fundamentalerde verbunden. Und das muss so sein. Ich habe das ausführlich mit Gert diskutiert. Wenn es nämlich zu einem Blitzeinschlag kommt, können zwischen den verschiedenen Erdverbindungspunkten gewaltige Potentialdifferenzen auftreten. Das würde – ohne Verbindung dieser Erdungspunkte – zu enormen Strömen auf den Schutzleitern führen mit imponderablen Auswirkungen für unsere Elektronik.
Auch die Alternative, eine eigene Erdung für die Hörkette auszuführen und von dem Rest der Hauselektrik galvanisch zu trennen, haben wir diskutiert. Das würde bedeuten: keine Verbindung zwischen den Schutzleitern der Hörkette und dem Rest der Hauselektrik. Da Wasserleitungen, Heizkörper e.t.c. Immer geerdet sein müssen, wäre hier äußerste Vorsicht geboten. Aber durchdenken kann man es ja mal. Das Problem dann: der Nullleiter. Denn Nulleiter und Schutzerde sind an der zentralen Hauseinspeisung mit der Fundamentalerde des Hauses verbunden. Potentialdifferenzen bei Blitzeinwirkung zwischen zentraler Fundamentalerde und Hörraum-Erde würden dann als Potentialdifferenzen zwischen Nulleiter und Schutzleiter in den Stromkreisen des den Hörraum einschlagen. Also: Entweder eine eigene Stromeinspeisung für den Hörraum (ausgeführt wie eine Hauseinspeisung, setzt ein eigenes Gebäude voraus) oder: galvanische Trennung zwischen Hörraumerde und Hauserde vergessen.
Soweit dieser Exkurs. Wohl-geerdet weiter: Jetzt müssen wir unsere Zuleitungen ab Unterverteilung noch absichern.
8. Verwende je eine Schmelzsicherung für die drei Stromkreise.
Warum keine der üblichen Automaten? Weil mir schon als Kind die Schmelzsicherungen besser gefallen haben.
9. Verwende je einen FI Schutzschalter für die drei Stromkreise.
Dies dient hauptsächlich dem Personenschutz. Aber dem FI Schutzschalter wird auch eine gewisse HF Filterwirkung zugeschrieben, insbesondere gegen
PowerLAN.
Nun haben wir also drei Leitungen von der Unterverteilung in den Hörraum konzipiert. Was nun fehlt: Wie im Hörraum verteilen? Oh je, die Zubehörindustrie hat hier so viele Möglichkeiten im Angebot. Vermutlich, weil man im Hörraum nicht nur mit den Ohren sondern auch mit Herz und Augen hört. Ich will aber auch hier von Regel 1 (guter Industriestandard) nicht abweichen. Und Regel 3 (möglichst niederohmige Anbindungen) möchte ich auch nicht über Bord werfen. Was für mich kein Argument ist, ist die Optik. Andererseits möchte ich bei normalen Steckern bleiben.
10. Verwende Schukosteckdosen. Anbindung der Endgeräte über Schukostecker und Kaltgerätebuchsen.
Die Alternative wäre eine direkte Verkabelung zu den einzelnen Geräten hin. Das wäre mir zu unflexibel und – nach meinem Verständnis – auch nicht vereinbar mit den Vorschriften.
Wie also nun eine möglichst niederohmige Anbindung realisieren?
11. Versorgung der Endgeräte aus Schaltschranksteckdosen eingebaut in fest montierten Haubenverteilern. Vier solcher Haubenverteiler verteilt im Hörraum.
Der Vorteil der Haubenverteiler mit Hutschiene ist, dass man im Verteiler alle Verbindung sternförmig über solide Stromschienen und Stromklemmen ausführen kann, ohne dabei allzu große Kompromisse bei den Querschnitten (mindestens 2,5 mm²) zu machen. Und das Ganze ist wenigstens etwas flexibel, wenn mal Änderungen anstehen sollten.
Soweit der erste Teil meiner Darstellung zum Stromkonzept. Weiter geht es dann mit den gewählten Materialien zur Umsetzung und der Realisierung selbst mit anschließender Bewertung.
Beste Grüße
Harald