martino hat geschrieben:z.Zt. spiele ich mit dem Gedanken, neben Streaming über Linn Majik DS auch eine LP-Wiedergabe zu ermöglichen. Weil mir die großen Alben + Artwork besser gefallen (weshalb ich meine Lieblingsmusik durchaus auch nochmal kaufen würde), es Spaß macht, auf Flohmärkten nach alten Platten-Schätzen zu suchen. Weil es manche Aufnahmen nur auf Platte gibt. Weil es teils auch garnicht schlecht klingt.
Hallo Martin
Du hast nicht geschrieben, welche Musikgattung hauptsächlich gespielt werden soll.
Wenn es dynamisch zugeht und die volle Bandbreite von Jazz einschließlich späte 1950er Jahre dabei ist, wenn viele gebrauchte Platten gespielt werden, über deren Verschleiß nichts bekannt ist, spricht vieles für eine sphärische Nadel, die gutmütige abtastet, trotz unterschiedlichem Schneidwinkel über die Jahrzehnte, die verschlissene Platten nebengeräuscharm spielt, wo hingegen eine vandenHul Nadel keinen kleinen Staubstörer auslässt und den Spaß verdirbt.. dazwischen ist elliptisch, superelliptisch, Shibata/Fineline/Microridge und wie sie alle heißen. Ziel dieser "schärferen" Nadelschliffe ist, in Details tiefer einzusteigen, zum Ausgleich muss sich die Nadel in der Höhe stärker an die Rille anpassen, weshalb bei verschlissenen Platten mit Längskratzern in den Flanken wirklich kein Spass mehr übrig bleibt.
Beim Kauf der Platten nicht auf die Hülle achten, sondern darauf, ob die Platte wellig, verzogen "dishy" ider zerkratzt ist. Und, ob unter Sonnenlicht die Rillen noch schillern wie bei neuen Platten. Da kann man einen Blick für entwickeln und so manches ungespieltes Vinyl erwerben.
Ein kraftvoller Vertreter seiner Zunft ist Denon DL103, kostet unter 200 Euro neu. Ein Studio-MC-System, seit vielen Jahren bewährt. Mit gebrauchten Tonabnehmern würde ich nicht anfangen, da weiß man nie, was man bekommt (Nadelverschleiß)oder Nachbeschaffung. Man muss bedenken, dass eine abgenutzte Nadel bei MC-Systemen nur mit Systemtausch erneuert werden kann, bei MM gibt es Ersatznadeln vom Originalhersteller
oder Nachbaunadeln
Der Tonarm folgt den Anforderungen des Systems, beim MC-System sind geringes Lagerspiel und Festigkeit des Arms gefragt. Bei den gebrauchten Massenmarktplattenspielern halte ich die Thorens noch für akzeptabel, ansonsten gibt es Massen von Einzeltonarmen, die aber inzwischen teilweise über dem damaligen Neupreis gehandelt werden.
Bei einem Thorens TD160S oder 147 (dasselbe mit Endabschaltung) hat man um 200-250 Euro eine solide Grundlage, die durch einen neuen Tonarm später aufgewertet werden können, dafür gab es immer Tonarmmontageboards, kann man auch selbst schnitzen. Die Spiralfedern kann man wie beim Linn LP12 nachjustieren, davon hängt viel ab, den das Chassis darf nur strikt vertikal nachschwingen, sonst macht der Tonarm zuviel unerwünschte Effekte mit dem System.
Prinzip Riemen oder Direktantrieb? Der Riemenantrieb erreicht mit geringem Aufwand sehr gute Ergebnisse, allerdings muss man gelegentlich (4-20Jahre) einen passenden Riemen nachkaufen. Die Laufruhe des Laufwerks sollte man nicht unterschätzen, schließlich ist ein ruhiger Tonarmsockel Voraussetzung für präzises Abtasten. Die Motorregelung/Steuerung kann durchaus die Lebendigkeit und räumliche Abbildungspräzision mitbestimmen. Auch wenn ich mit dem Tonabnehmer angefangen habe, halte ich die Laufwerksruhe für wichtiger, gefolgt von einem guten Tonarm. Ein teurer Tonbnehmer, schlecht geführt, kostet viel, macht aber keinen Spaß.
Der Tisch, auf dem der Plattendreher steht ist auch ein wichtiger Punkt, den man nicht unterschätzen darf, ebenso der Standort im Raum (->Raummoden ->Rückkopplung). Preiswert ist der Ikea Lack-Tisch, den Ikea Axamo weiß gibt es nicht mehr, beide sind bewährte und bezahlbare Untertische mit ausgewogenem Verhalten. Das soll keine Werbung sein, Ikea ist für mich ein 4-letter-word, Ingvar Kamprad hat sein steuerflüchtiges Unternehmen erfolgreich vor dem Fiskus und somit vor seiner sozialen Verpflichtungen verschoben. Kein Smiley hier....
Das Kabel vom Tonarm zum VV ist qualitativ recht wichtig und sollte getauscht werden, wenn PVC das bisherige Kabel dominierte.
Bei MM-Systemen sollte die richtige Abschlusskapazität erreicht werden, Summe von Tonarmkabelkapazität, Verbindungskabelkapazität, VV-Eingangskapazität. Leider gibt es darüber keine Aussagen mehr, früher in den Zeitschriften empfohlen, muss heute Jeder für sich den richtigen Wert finden.
Es gibt Unterschiede bei den Phonostufen, da halte ich mich lieber raus.
Da macht es eher Sinn, sich bei einem Vinylforum anzumelden, z.B. AAA
Da gibt es auch Tuning Tips und Insidereinschätzungen.
Kais Tip mit dem ReVox kann ich gar nicht unterstützen. Der Stummel von Tonarm hat sehr geringe Masse, er ändert bei welligen Platten gravierend den Stylus-Rake-Winkel, also den Winkel, unter dem die Nadel in die Rille eintaucht. Ein kardanisch gelagerter Arm hat 2 Freiheitsgrade, ein Tangentialarm hat ein drittes Lager zur parallelen Führung, jedes Lager hat ein Spiel. Da ist im Hörvergleich der heute eher unbeliebte Thorens TD115 für einen Bruchteil des Revox-Gebrauchtpreises sauberer, räumlicher und genauer. Ich halte viel von ReVox Tonbandgeräten und Tunern, aber die Plattenspieler zeigten neben dem spektakulären Prinzip kaum überzeugende Performance. Ein Tangentialarm, der so extrem kurz ist, hat schließlich auch ständig Fehlwinkel, die dann zwar durch Regelung reduziert werden, aber genauso unbrauchbar sind wie eine Uhr, die man ständig nachstellen muss. Über den Verlauf der Schallplatte hat ein kardanisch gelagerter Arm 2 Nulldurchgänge, vergleichbar mit einer stehengebliebenen Uhr, die immerhin zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt. Zugegeben, während die Uhr nicht mehr als 6 Stunden Fehler zeigen kann, bleibt der Winkelfehler des konventionellen Arms im Bereich unter 2-1-0,5° in seinen Maximalabweichungen, die man aber auf den Radius beziehen sollte, um einen Bezug zum Klirr herzustellen.
Dynamik baut sich mangels Masse bei einem Leichtestgewichtarm auch nicht auf. Ich schlage mal derbe Töne an und nenne das Ding eine Fehlkonstruktion, die wesentlichen Anforderungen von heute erhältlichen Tonabnehmern nicht gerecht wird und selbst damaligen nicht gerecht wurde.
Plattenspieler gibt es prinzipiell schon über 100 Jahre, da darf man sich über Vielfalt nicht wundern, auch nicht über Vielfalt der Erfahrungen und Meinungen.
Grüße Hans-Martin