Tonträger mit Direct-to-Disc-Recording

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
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Franz
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Tonträger mit Direct-to-Disc-Recording

Beitrag von Franz »

Direct-to-Disc-Recording, englisch für »unmittelbar auf Platte aufnehmen«, auch Direktschnitt-Verfahren genannt, analoges Aufnahmeverfahren, bei dem ohne den Zwischenschritt des Speicherns auf Tonband das Schallereignis direkt auf die Mater geschnitten wird.

Direct-to-Disc-Recording ist das ursprüngliche Verfahren, Musik auf Tonträgern festzuhalten. Seit der Erfindung Thomas A. Edisons bis zur Einführung von Magnetdraht- und Magnetbandgeräten, war dieses Verfahren das einzig Mögliche. Die Konservierung von Schallereignissen auf magnetischen Trägern stellt einen Zwischenschritt dar, dessen Vorteil darin zu sehen ist, dass vor dem Schnitt der Mater noch Korrekturen an der Aufnahme vorgenommen werden können bis hin zur Wiederholung der Aufnahme. Das Verfahren, zunächst auf Wachsplatten aufzunehmen, war noch bis in die 1950er-Jahre üblich.
Die Aufnahme auf magnetischen Trägern, in der Regel Tonbändern, hat aber auch Nachteile, die vor allem in der eingeschränkten Dynamik und im Eigenrauschen des Bandes zu sehen ist. Um diese Nachteile zu umgehen, bietet sich das Direct-to-Disc-Recording an, bei dem die Tonspannung über den Schnittverstärker direkt auf den Schneidkopf wirkt. Das Verfahren stellt hohe Anforderungen an die beteiligten Musiker: Da nachträglich Manipulationen an der Aufnahme, also etwa auch Korrekturen, nicht möglich sind, findet die Aufnahme praktisch in Konzertatmosphäre statt, und seitens der Musiker sollten Fehler möglichst nicht unterlaufen. Da direkt in die Mater – eine Lackfolie oder beim DMM-Verfahren eine dünne Kupferfolie – geschnitten wird, stellt diese ein Unikat dar. Von der Mater werden die Platten direkt gepresst; ist die Mater verschlissen, so können keine weiteren Platten hergestellt werden. Da das Material der Mater sehr weich ist, können nur sehr kleine Auflagen einer Platte gepresst werden. Daraus ergibt sich auch ein recht hoher Preis der im Direktschnitt-Verfahren hergestellten Platten.
Das Direct-to-Disc-Verfahren war vor Einführung der CD vor allem für Jazz-Aufnahmen und für so genannte audiophile Aufnahmen einigermaßen gebräuchlich, wenn auch keineswegs häufig angewendet. Da Rockmusik weniger als Jazz eine Musik der Improvisation und damit des Augenblicks ist, gibt es nur sehr wenige Rock-Aufnahmen, für die dieses Verfahren eingesetzt wurde. Der Übergang zur digitalen Aufnahmetechnik machte das Direct-to-Disc-Verfahren überflüssig, wenn es gelegentlich auch noch angewendet wird.

Hier mal einige Empfehlungen dazu:

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Gruß
Franz
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martino
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Beitrag von martino »

Hallo Franz,

vielen Dank für diese (vielleicht garnicht mal so) historische Zusammenfassung. Ein sehr interessantes Thema und mir bisher unbekannt. Ich könnte mir vorstellen, daß es sehr schwierig und teuer ist an entsprechende Aufnahmen heranzukommen. Wie hast Du Deine Beispiele erstanden? Und weißt Du, ob es auch wieder neue Direct-to-Disc Produktionen gibt?

Grüße aus Trier, Martin
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Ulli,

nicht jede DMM ist ein Direktschnitt. Die Orgelplatte halte ich zunächst mal nicht für einen solchen. Oder sagt das Cover was dazu?

Gruß

Jochen
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Ulli,

wie im Eingangsposting angedeutet, ist der Nachteil der Direktschnittplatten häufig in einer "gespannten" Interpretation zu sehen. Die Interpreten sind häufig zu angespannt, weil ja nichts schiefgehen darf. Denn ein falscher Ton heißt je nach Qualitätsanspruch, dass man bei Null anfangen darf und die bisherige Aufzeichnung für die Mülltonne ist. Das wird dann u.U. teuer für den Produzenten. Also fährt man u.U. als Interpret verständlicherweise nicht volles Risiko.

Langer Rede kurzer Sinn: Nicht jeder Direktschnitt ist automatisch ein musikalisches Schätzchen. ;)

Eine in jeder Hinsicht gelungene Direktschnittplatte kann aber in der Tat ein besonderer Hörgenuss sein.

Gruß

Jochen
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JOE
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Beitrag von JOE »

modmix hat geschrieben:Und DMM heißt nich automatisch "direct-to-disc".
Müsste es aber heissen, Ulli; denn die von Franz abgebildeten Beispiele sind - auch wenn anderes draufsteht oder nahe gelegt worden ist (aber nicht von Franz) - weit gehend normal gepresste Platten, nur dass davor "direct to disc" produziert worden ist; denn für den Verkauf auch in kleinster Serie wurde ja immer ein Lack- oder Metallmaster geschnitten. Davon gibt's bei direct to disc aber nur genau 1.

Das Beispiel
modmix hat geschrieben:Aufnahme und Schnitt: Bruns, Lübeck, 1983; [dann irgendwann später] Überspielung und Pressung: Teldec, Hamburg
zeigt nichts anderes als "Kundenverarsche"; denn dieser Produktionsweg ist zwingend schlechter als der übliche mit einem Masterband, weil hier für die "Überspielung" ein Band verwendet werden musste. Hätte man gleich ein Band zur Aufnahme benutzt, hätte man die bereits erwähnten Nachteile des Direktschnittverfahrens vermeiden können. (Ich vermute mal, dass nur noch die direkt geschnittene Matrize zur Verfügung stand. Diese dürfte an der vorgesehenen Grenze ihrer hochwertigen Verwendbarkeit angekommen und dann Jahre später zur Befriedigung der Nachfrage gleichzeitig verbal tricksend noch mal benutzt worden sein.)

"Direct to disc" hat also immer nur die Bedeutung gehabt, dass die Übertragungsschritte extrem minimiert worden sind: Das direkt geschnittene Master und dann direkt von diesem Master (deshalb auch der klanglich nur nachteilige Schritt vom Lack zum Metall) die Pressung einer stark limitierten Anzahl von LPs für den Verkauf.

Danach war nicht aus Marketinggründen Schluss, sondern die Matrize einfach hin, weshalb seriöserweise jede Platte nummeriert sein müsste. In der Praxis hat man sich darauf beschränkt, die Gesamtzahl der Pressungen anzugeben (meist 10.000-15.000) und implizit zu versichern, dass bis dahin keine gravierenden klangmindernden Abnutzungserscheinungen auf dem Presswerkzeug aufgetreten sind.

Mit DMM ließ sich die Gesamtzahl erhöhen. Ein positives Qualitätsmerkmal war das gegenüber dem bis dahin klassischen Direktschnittverfahren keineswegs, im Gegenteil. Und auch der merkantile Wert der einzelnen LP wurde durch die größere Auflagenhöhe bei DMM nur gemindert.

Man sieht: Die heutigen Tendenzen sind so neu nicht ...

Gruß
Joe


PS: Dass das Thema doch so relativ unbekannt ist, zeigt mir nur, wie alt ich schon geworden bin. :(
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tinnitus
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Beitrag von tinnitus »

Hallo, als Oldie besitze ich auch eine der Direct to Disc Platten
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Die Auflage betrug ca. 15.000LPs wobei mein Exemplar keine "Seriennummer" trägt. :cry:

Directoldiegruß Roland
P.S. Kopf hoch JOE, die wahren Veteranen drehen an der Schelllackfront :mrgreen: mit 78 Touren
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo LP-Mitenthusiasten!

Einige (einst?) berühmte Schätzchen habe ich in meiner LP Sammlung und höre diese immernoch sehr gerne (obwohl convolver addict und HD Audio Fan ... :wink: ):

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Diese dreht gar mit 45 U/Min.:

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Gruss,
Winfried

PS: Zugegebenenermaßen höre ich öfters auch der Einfachheit halber die selbst digitalisierten Versionen von Harddisk. :mrgreen:

2215
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Franz
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Beitrag von Franz »

Hallo Martin,
Wie hast Du Deine Beispiele erstanden? Und weißt Du, ob es auch wieder neue Direct-to-Disc Produktionen gibt?
Das ergab sich alles eher zufällig, man hört bei Freunden oder Bekannten mal die eine oder andere Platte bzw. CD, die auf Grund eines solchen Aufnahmeverfahrens produziert worden ist - und dann sucht man danach, bis man sie findet. Denn es lohnt sich, der Klang ist in der Regel hervorragend, insbesondere die darauf enthaltene Dynamik. Etwas mehr muß man allerdings dann schon bereit sein, dafür hinzulegen. Es gibt kleine Plattenläden, die sowas noch führen, man kann aber auch mal bei größeren Vertrieben, z.B. bei Dacapo wühlen, da findet sich das ein oder andere Schätzchen gelegentlich. Oder einfach googeln: "Direktschnitt" eingeben und sich die Ergebnisse angucken, dann schauen, wo man sie noch bekommt.

Das sind kleine Perlen für mich. Hier eine weitere davon.:

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"Sie haben eine gute Hifi-Anlage, eine wirklich gute? Schön, dann sollten Sie bei „Percussion Direct“ nicht schreckhaft sein oder sich zumindest darauf vorbereiten, dass die Musiker ihre Perkussions manchmal sehr impulsiv bearbeiten! Und genau das übermittelt dieses Album sehr direkt und livehaftig, was auch nicht wundert, denn diese Doppel-LP läuft nicht nur mit 45 Umdrehungen, sondern zählt zur heute sehr seltenen Gattung der Direktschnitte! So fanden sich für diese Session die Musiker im Studio ein, um ohne Unterbrechung ihr Set abzuliefern, das diekt auf Lackfolie mitgeschnitten wurde. Die, die dieses Abenteuer wagten, waren einige altbekannte Meister ihres Faches: The Larry Karush Ensemble, Bill Cunliffe & Paulihno da Costa und The Robin Cox Ensemble. Die musikalische Mischung bewegte sich im Bereich von Jazz und Latin, mal entspannt melodisch und mal sehr vital bis abstrakt, die verwendeten Instrumente reichen vom Piano über Kontrabass und Viola zum Xylophon. Naturgemäß ist diese LP wie jeder Direktschnitt stark limitiert!"
http://www.dacapo-records.com/shop/de/s ... r1LXsAAAAA

Gruß
Franz
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Harmony
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Beitrag von Harmony »

The market for the LP is growing :D

In Haarlem the Netherlands you can find the biggest LP factory of Europe.
They have a production of about 7 million LP's a year.

The quality of these LP's are superior.

http://www.musiconvinyl.com/index.php
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Franz
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Beitrag von Franz »

Thanks for this excellent link. :cheers:

Gruß
Franz
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