Klangliche Eigenschaften von Lautsprechern
Verfasst: 16.04.2008, 22:42
4.4 – Aspekte der Klangverfälschung
Wahrscheinlich wird es niemals einen fehlerlosen Lautsprecher geben. Musikwiedergabe über Lautsprecher ist folglich immer nur mehr oder weniger dem „natürlichen Klang“ angenähert, nur näherungsweise „naturgetreu“. Genau gesehen beruht also High-fideles Musikerlebnis auf einer spezifischen Sinnestäuschung.
Bekannte Ursachen
Über die meisten Ursachen von Klangverfälschungen durch Lautsprecher herrscht weithin Übereinstimmung:
Beschränkte Messungen
Zumindest „Praktiker“ der High-Fidelity sind der Auffassung, dass die üblichen Methoden der Objektivierung (Impedanzverhalten, Amplitudenfrequenzgang, Klirrverhalten – nur erste und zweite Oberwelle! – und Richtcharakteristik) keine hinreichende Auskunft geben über Klangqualität oder Klangcharakter (Sound) eines Wandlers. Beispielsweise wird nur in seltenen Fällen das Einschwingverhalten untersucht; und sollte es einmal geschehen, so kann diese aufschlussreiche Untersuchung durchaus eine Eintagsfliege bleiben.
Ein Klang (Kurve 5) besteht aus einem Grundton (Kurve 1) und seinen Oberwellen (Kurven 2 bis 4)
Wer Lautsprecher nicht ausschließlich unter physikalisch-technischem Aspekt betrachtet sondern interdisziplinär angeht, dem eröffnet sich das Problem der Klangverfälschung unter mehreren, zum Teil neuen Aspekten. Sie können wertvolle Hinweise geben auf weitere Ursachen der Klangverfälschung, die eventuell bei einer technizistisehen Sichtweise unerkannt bleiben. Unter Umständen können sie verstehen helfen, warum sogar Lautsprecher mit weithin gleichen Daten sehr unterschiedlich „klingen“.
Was ein interdisziplinärer Ansatz bedeuten kann, wird im Folgenden am Beispiel einer Betrachtungsweise erläutert, die nicht ausschließlich technologisch orientiert ist, sondern auch hörphysiologisehe Gesichtspunkte berücksichtigt.
Vielfach wird die These vertreten, bei der Lautsprecherwiedergabe von Musik wirkten sich Oberwellen des Bassbereichs, also ein verklirrter Bass, nicht nachteilig aus, vielmehr führten sie zu einer verstärkten Basswiedergabe. Das ist in der Tat ein bekanntes Phänomen, welches mit dem Residuum-Hören zusammenhängt (siehe unten!). Aber es ist offenbar nur eine, und zwar die gute Seite einer komplexen Angelegenheit.
Noch einmal: Impulstreue
Die Verklirrung des untersten Frequenzbereichs führt nämlich zu einer Veränderung der Impulsstruktur des abgestrahlten Schalls. Ein Impuls lässt sich beschreiben mittels Anzahl, Amplitude und Phasenlage von Schwingungen (ungleicher Frequenz). Genau gesehen kann also von impulstreuer Wiedergabe nicht mehr gesprochen werden, wenn im Bassbereich Oberwellen, also Klirrverzerrungen auftreten, und mag das auch zu einer noch so „angenehmen“ Substanzvergrößerung im Bassbereich führen. Tatsächlich sind die Klirrprodukte, die ein Basschassis bei Anregung in den beiden untersten Oktaven (seines Übertragungsbereichs) erzeugt, mit ein Grund für die unzureichende (impulsmäßige und) dynamische Prägnanz der Wiedergabe solcher „virtueller Bässe“.
Zugleich werden durch die Oberwellen und durch Teilschwingungen (Partialresonanzen) der Bassmembran, wenn das Basschassis bis etwa 800 Hz arbeitet, auch die musikalischen Mitten sozusagen von unten her aufgeschwemmt, verdickt und umwölkt. Die Wiedergabe ist verhangen, verschmiert, zu sonor, wenig transparent, nicht „frei“, Im Prinzip kann dieser Effekt natürlich auch als Impulsverfälschung gedeutet werden. So viel zum physikalisch-technischen Aspekt der beschriebenen Klangverfälschungen.
Das Residuum
Unter hörphysiologischem Aspekt muss das Residuumhören mit berücksichtigt werden. Unter Residuum bezeichnet man den „subjektiven Eindruck eines scharfen“, deutlich und prägnant wahrnehmbaren „Tones, der durch die gemeinsame Wahrnehmung von mehreren ganzzahligen Harmonischen im Ohr in der Höhe der Grundschwingung dieser Harmonischen entsteht, auch wenn die Grundschwingung als objektive Frequenz im Klanggemisch nicht vorhanden ist“. Wird beispielsweise ein Lautsprecher mit dem elektrischen Signal eines bestimmten Klangs gespeist, so kann der Grundton dieses Klangs auch dann empfunden werden, wenn der Lautsprecher ihn überhaupt nicht erzeugt: Im Gegensatz zu reinen Tönen bestehen Klänge (z.B. von Musikinstrumenten) aus einem Grundton und einer bestimmten Anzahl von Oberwellen, die in für diesen Klang(charakter) typischen Amplituden („Stärken“) auftreten. In einem Klang mit dem Grundton von 32 Hz (das könnte ein Orgelbass sein) sind also auch die Frequenzen k2 = 64 Hz, k3 = 96 Hz, k4 = 128 Hz usw. enthalten. Damit die Grundschwingung wahrgenommen werden kann, reicht es aus, wenn der Lautsprecher ab 60 Hz „arbeitet“, sofern er nur hinreichend klirrt, also Oberwellen erzeugt - was er dann auch tut. Dann nämlich kommt ein Residuum-Ton von 32 Hz zustande. Über die Impulstreue der Wiedergabe schweigt sich eine derartige Betrachtung natürlich aus.
Der Klangcharakter eines Instruments hängt von seinen Formanten, das sind „charakteristische Oberwellen“, ab.
Subjektive Tonhöhenempfindung
„Das Residuum bestimmt ... die Tonhöhenempfindung für Klänge mit Harmonischen“ (das sind die Oberwellen) „ohne Berücksichtigung des Grundtones, wobei ihre Deutlichkeit und Schärfe des Klanges von der Zahl der angebotenen Frequenzen abhängt. Ebenso ist die Wichtigkeit der Phasenlage der Komponenten ... auffallend, da der Residualeindruck mit der Ausprägung der Grundfrequenzrhythmik im Zeitverlauf des Schalls eng gekoppelt ist ... Die Tonhöhenempfindung bleibt unverändert, wenn mehrere niedrige Ordnungen der Harmonischen im Tonkomplex fehlen, aber sie wird immer verwaschener je mehr Komponenten von hohen Frequenzen her weggenommen werden.“ Gerade das geschieht beim Klirren. „Auf der anderen Seite hat die Schärfe der Wahrnehmung auch bei nach oben verschobener Mittenfrequenz eine Grenze, in der sie dann in ein hohes Summen übergehr.“ Die frequenzmäßige Erhöhung oder Erniedrigung der subjektiven Tonempfindung beträgt aber nur „Bruchteile der eingestellten objektiven Größen“. Gerade das ist für die klanglich-ästhetische Wirkung des Effekts bei der Lautsprecherwiedergabe von besonderer Bedeutung.
Bis hierher werden drei wesentliche Phänomene bzw. Auswirkungen des Residuumeffekts deutlich:
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass der Residuumeffekt gerade nicht die hörphysiologische Einortstheorie (Frequenzanalyse eines Klangs auf der Basiliarmembran) zu bestätigen scheint, sondern die Periodizitätstheorie (Hüllkurvenerkennung bzw. den Zusammenhang des „Schalldrucks und nervöser Aktivität der Nervenfasern über die Zeit als Erkennungsweg“.
Im Hinblick auf den Residuumeffekt können bei der Musikwiedergabe über Lautsprecher einige Gegebenheiten und Zusammenhänge in neuem Licht erscheinen:
... und ihre klangliche Auswirkungen
Diese technischen Gegebenheiten und hörphysiologischen Zusammenhänge legen einen weiteren Ansatz zur Erklärung der Klangverfälschung bei Lautsprecherwiedergabe nahe. Sie scheinen auch die Ansicht zu stützen, dass die Phasenverhältnisse eines vom Lautsprecher erzeugten Schalls nicht zweitrangig sind. Gemäß diesem Ansatz lassen sich beispielsweise folgende Phänomene betrachten bzw. zu ergründen versuchen:
Eine Reihe von Lautsprecherkonstrukteuren hat sich darauf kapriziert, Modelle zu entwickeln, die „bis 20 Hz herunter arbeiten“, und zwar (möglichst) ohne Pegelabfall (gegenüber 1 kHz). Das ist ebenso löblich wie (derzeit noch) unrealistisch.
Löblich, weil der Entwickler offenbar weiß, dass zur Erzeugung eines „originalgetreuen“ Musikerlebnisses die uneingeschränkte Übertragung der Tiefstbässe notwendig ist, da sie in hohem Maße die emotionale Qualität des Musikerlebens bestimmen. Sicherlich wird auch die Werbeabteilung des Herstellers ein solches Vorhaben als lobenswert qualifizieren.
Unrealistisch ist eine solche Zielsetzung insofern, als sich in der Studiotechnik üblicherweise unter 40 Hz „nichts mehr tut“. Unrealistisch aber auch, weil in der Regel der Versuch, die beiden untersten Oktaven (unverklirrt und resonanzfrei) zu wandeln, zu technisch und finanziell derart aufwendigen Ergebnissen führt, dass ein sinnvolles Verhältnis zum klanglichen Ergebnis (und zum Programmangebot) nicht mehr gewährleistet ist. Eine Ausnahme bilden gegebenenfalls geregelte Aktivlautsprecher. Unrealistisch schließlich, weil es physikalisch, technisch und wahrnehmungspsychologisch zweifelhaft erscheint, in „normalen“ Wohnräumen diesen Bereich (mit dem notwendigen Pegel sauber) wiedergeben zu können. In welchem Wohnraum kann sich wohl ein Ton von 40 Hz (mit rund 8 Meter Wellenlänge!) „ungestört“ ausbreiten?
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Wahrscheinlich wird es niemals einen fehlerlosen Lautsprecher geben. Musikwiedergabe über Lautsprecher ist folglich immer nur mehr oder weniger dem „natürlichen Klang“ angenähert, nur näherungsweise „naturgetreu“. Genau gesehen beruht also High-fideles Musikerlebnis auf einer spezifischen Sinnestäuschung.
Bekannte Ursachen
Über die meisten Ursachen von Klangverfälschungen durch Lautsprecher herrscht weithin Übereinstimmung:
- Der Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz soll möglichst linear, also ohne erhebliche(?) Einbrüche oder Anhebungen übertragen werden. Ob er im Obertonbereich mit gleichem oder mit leicht abfallendem(?) Pegel übertragen werden soll, darüber sind sich die Experten schon nicht mehr einig.
- Der Phasenfrequenzgang soll innerhalb gewisser(?) Grenzen bleiben.
- Es sollen keine Interferenzen (Einbau- oder Aufstellungsresonanzen) auftreten.
- Die Ein- und Ausschwingvorgänge von Lautsprechern sollen möglichst „kurzlebig“ sein.
- Es sollen keinerlei Resonanzen oder Teilschwingungen (Membran, Einspannung, Gehäuse, eingeschlossenes Luftvolumen etc.) auftreten.
- Es sollen keinerlei Verzerrungen auftreten (Klirrprodukte, verschiedenartige Modulationsverzerrungen, z.B, Dopplereffekt).
- Der Lautsprecher soll eine gute(??) Richtcharakteristik haben.
Beschränkte Messungen
Zumindest „Praktiker“ der High-Fidelity sind der Auffassung, dass die üblichen Methoden der Objektivierung (Impedanzverhalten, Amplitudenfrequenzgang, Klirrverhalten – nur erste und zweite Oberwelle! – und Richtcharakteristik) keine hinreichende Auskunft geben über Klangqualität oder Klangcharakter (Sound) eines Wandlers. Beispielsweise wird nur in seltenen Fällen das Einschwingverhalten untersucht; und sollte es einmal geschehen, so kann diese aufschlussreiche Untersuchung durchaus eine Eintagsfliege bleiben.
Ein Klang (Kurve 5) besteht aus einem Grundton (Kurve 1) und seinen Oberwellen (Kurven 2 bis 4)
Wer Lautsprecher nicht ausschließlich unter physikalisch-technischem Aspekt betrachtet sondern interdisziplinär angeht, dem eröffnet sich das Problem der Klangverfälschung unter mehreren, zum Teil neuen Aspekten. Sie können wertvolle Hinweise geben auf weitere Ursachen der Klangverfälschung, die eventuell bei einer technizistisehen Sichtweise unerkannt bleiben. Unter Umständen können sie verstehen helfen, warum sogar Lautsprecher mit weithin gleichen Daten sehr unterschiedlich „klingen“.
Was ein interdisziplinärer Ansatz bedeuten kann, wird im Folgenden am Beispiel einer Betrachtungsweise erläutert, die nicht ausschließlich technologisch orientiert ist, sondern auch hörphysiologisehe Gesichtspunkte berücksichtigt.
Vielfach wird die These vertreten, bei der Lautsprecherwiedergabe von Musik wirkten sich Oberwellen des Bassbereichs, also ein verklirrter Bass, nicht nachteilig aus, vielmehr führten sie zu einer verstärkten Basswiedergabe. Das ist in der Tat ein bekanntes Phänomen, welches mit dem Residuum-Hören zusammenhängt (siehe unten!). Aber es ist offenbar nur eine, und zwar die gute Seite einer komplexen Angelegenheit.
Noch einmal: Impulstreue
Die Verklirrung des untersten Frequenzbereichs führt nämlich zu einer Veränderung der Impulsstruktur des abgestrahlten Schalls. Ein Impuls lässt sich beschreiben mittels Anzahl, Amplitude und Phasenlage von Schwingungen (ungleicher Frequenz). Genau gesehen kann also von impulstreuer Wiedergabe nicht mehr gesprochen werden, wenn im Bassbereich Oberwellen, also Klirrverzerrungen auftreten, und mag das auch zu einer noch so „angenehmen“ Substanzvergrößerung im Bassbereich führen. Tatsächlich sind die Klirrprodukte, die ein Basschassis bei Anregung in den beiden untersten Oktaven (seines Übertragungsbereichs) erzeugt, mit ein Grund für die unzureichende (impulsmäßige und) dynamische Prägnanz der Wiedergabe solcher „virtueller Bässe“.
Zugleich werden durch die Oberwellen und durch Teilschwingungen (Partialresonanzen) der Bassmembran, wenn das Basschassis bis etwa 800 Hz arbeitet, auch die musikalischen Mitten sozusagen von unten her aufgeschwemmt, verdickt und umwölkt. Die Wiedergabe ist verhangen, verschmiert, zu sonor, wenig transparent, nicht „frei“, Im Prinzip kann dieser Effekt natürlich auch als Impulsverfälschung gedeutet werden. So viel zum physikalisch-technischen Aspekt der beschriebenen Klangverfälschungen.
Das Residuum
Unter hörphysiologischem Aspekt muss das Residuumhören mit berücksichtigt werden. Unter Residuum bezeichnet man den „subjektiven Eindruck eines scharfen“, deutlich und prägnant wahrnehmbaren „Tones, der durch die gemeinsame Wahrnehmung von mehreren ganzzahligen Harmonischen im Ohr in der Höhe der Grundschwingung dieser Harmonischen entsteht, auch wenn die Grundschwingung als objektive Frequenz im Klanggemisch nicht vorhanden ist“. Wird beispielsweise ein Lautsprecher mit dem elektrischen Signal eines bestimmten Klangs gespeist, so kann der Grundton dieses Klangs auch dann empfunden werden, wenn der Lautsprecher ihn überhaupt nicht erzeugt: Im Gegensatz zu reinen Tönen bestehen Klänge (z.B. von Musikinstrumenten) aus einem Grundton und einer bestimmten Anzahl von Oberwellen, die in für diesen Klang(charakter) typischen Amplituden („Stärken“) auftreten. In einem Klang mit dem Grundton von 32 Hz (das könnte ein Orgelbass sein) sind also auch die Frequenzen k2 = 64 Hz, k3 = 96 Hz, k4 = 128 Hz usw. enthalten. Damit die Grundschwingung wahrgenommen werden kann, reicht es aus, wenn der Lautsprecher ab 60 Hz „arbeitet“, sofern er nur hinreichend klirrt, also Oberwellen erzeugt - was er dann auch tut. Dann nämlich kommt ein Residuum-Ton von 32 Hz zustande. Über die Impulstreue der Wiedergabe schweigt sich eine derartige Betrachtung natürlich aus.
Der Klangcharakter eines Instruments hängt von seinen Formanten, das sind „charakteristische Oberwellen“, ab.
Subjektive Tonhöhenempfindung
„Das Residuum bestimmt ... die Tonhöhenempfindung für Klänge mit Harmonischen“ (das sind die Oberwellen) „ohne Berücksichtigung des Grundtones, wobei ihre Deutlichkeit und Schärfe des Klanges von der Zahl der angebotenen Frequenzen abhängt. Ebenso ist die Wichtigkeit der Phasenlage der Komponenten ... auffallend, da der Residualeindruck mit der Ausprägung der Grundfrequenzrhythmik im Zeitverlauf des Schalls eng gekoppelt ist ... Die Tonhöhenempfindung bleibt unverändert, wenn mehrere niedrige Ordnungen der Harmonischen im Tonkomplex fehlen, aber sie wird immer verwaschener je mehr Komponenten von hohen Frequenzen her weggenommen werden.“ Gerade das geschieht beim Klirren. „Auf der anderen Seite hat die Schärfe der Wahrnehmung auch bei nach oben verschobener Mittenfrequenz eine Grenze, in der sie dann in ein hohes Summen übergehr.“ Die frequenzmäßige Erhöhung oder Erniedrigung der subjektiven Tonempfindung beträgt aber nur „Bruchteile der eingestellten objektiven Größen“. Gerade das ist für die klanglich-ästhetische Wirkung des Effekts bei der Lautsprecherwiedergabe von besonderer Bedeutung.
Bis hierher werden drei wesentliche Phänomene bzw. Auswirkungen des Residuumeffekts deutlich:
- Es kann zur Wahrnehmung eines nicht vorhandenen Tons kommen.
- Es kann zur Veränderung des Klangs bzw. der Klangstruktur kommen,
die objektiv nicht gegeben ist. - Es kann zur minimalen Erhöhung oder Erniedrigung von Tonempfindun-
gen kommen.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass der Residuumeffekt gerade nicht die hörphysiologische Einortstheorie (Frequenzanalyse eines Klangs auf der Basiliarmembran) zu bestätigen scheint, sondern die Periodizitätstheorie (Hüllkurvenerkennung bzw. den Zusammenhang des „Schalldrucks und nervöser Aktivität der Nervenfasern über die Zeit als Erkennungsweg“.
Im Hinblick auf den Residuumeffekt können bei der Musikwiedergabe über Lautsprecher einige Gegebenheiten und Zusammenhänge in neuem Licht erscheinen:
- Gerade die niedrigen Ordnungen der Harmonischen (Oberwellen) sind relativ stark ausgeprägt, während die höheren nur schwach vorhanden sind.*
- Die Phasenverhältnisse zwischen den jeweiligen Grundtönen und ihren klirrbedingten Oberwellen sind relativ unübersichtlich. Ähnliches gilt auch für Partialresonanzen von Membranen, Membraneinspannungen, Kalotten etc.
- Der Bereich der Mitten ist vielfach stark von Oberwellen aus dem Bassbereich (Klirr und Partialresonanzen) durchsetzt. Das gilt sowohl für ihre Zahl als auch für ihre Amplitude.
- Analog dazu ist der Präsenzbereich durch Oberwellen des Mitteltonbereichs „aufgefüllt“.
... und ihre klangliche Auswirkungen
Diese technischen Gegebenheiten und hörphysiologischen Zusammenhänge legen einen weiteren Ansatz zur Erklärung der Klangverfälschung bei Lautsprecherwiedergabe nahe. Sie scheinen auch die Ansicht zu stützen, dass die Phasenverhältnisse eines vom Lautsprecher erzeugten Schalls nicht zweitrangig sind. Gemäß diesem Ansatz lassen sich beispielsweise folgende Phänomene betrachten bzw. zu ergründen versuchen:
- Die scheinbare Bassfülle auch kleiner Boxen bzw. Kompaktboxen.
- Die Verdickung, Umwölkung und mangelhafte Prägnanz und Transparenz im Bereich des Basses bis hinauf zu den musikalischen Mitten.
- Die oft harte, drahtige Wiedergabe insbesondere von Streichinstrumenten, die den Eindruck erweckt, als hätten die Musiker Schwierigkeiten mit der Intonation.
- Bei klirrarmen und impulstreuen Wandlern (einige elektrostatische Systeme und geregelte Aktivboxen beispielsweise) bleibt das Klanggeschehen auch dann transparent und prägnant, wenn ihr Rundstrahlverhalten „zu wünschen übrig lässt“ oder wenn man sich in ausgesprochen „höhenschwache“ Hörpositionen begibt.
- Durch Anhebung der Mitten und des Präsenz bereichs lässt sich die (residuumbedingte?) Umwölkung bzw. ungenügende Klarheit der Wiedergabe in gewissen Grenzen (und unter Inkaufnahme anderer Verfälschungen) kompensieren. Senkt man bei solchen Lautsprechern die Höhen (z.B. am Verstärker) ab, so ist die Transparenz verschwunden.
- Im Bassbereich impulstreue, klirrarme Lautsprecher erzeugen ein (vor allem auch) in den Mitten transparentes, klares und prägnantes Klangbild. Insgesamt gesehen ist es deutlich schlank. Dass die Bässe tatsächlich nicht „unterrepräsentiert“ sind, wird spürbar, wenn sie einmal kräftig „gefordert“ sind, ohne dass gleichzeitig untere Mitten im Gesamtklang dominieren.
Eine Reihe von Lautsprecherkonstrukteuren hat sich darauf kapriziert, Modelle zu entwickeln, die „bis 20 Hz herunter arbeiten“, und zwar (möglichst) ohne Pegelabfall (gegenüber 1 kHz). Das ist ebenso löblich wie (derzeit noch) unrealistisch.
Löblich, weil der Entwickler offenbar weiß, dass zur Erzeugung eines „originalgetreuen“ Musikerlebnisses die uneingeschränkte Übertragung der Tiefstbässe notwendig ist, da sie in hohem Maße die emotionale Qualität des Musikerlebens bestimmen. Sicherlich wird auch die Werbeabteilung des Herstellers ein solches Vorhaben als lobenswert qualifizieren.
Unrealistisch ist eine solche Zielsetzung insofern, als sich in der Studiotechnik üblicherweise unter 40 Hz „nichts mehr tut“. Unrealistisch aber auch, weil in der Regel der Versuch, die beiden untersten Oktaven (unverklirrt und resonanzfrei) zu wandeln, zu technisch und finanziell derart aufwendigen Ergebnissen führt, dass ein sinnvolles Verhältnis zum klanglichen Ergebnis (und zum Programmangebot) nicht mehr gewährleistet ist. Eine Ausnahme bilden gegebenenfalls geregelte Aktivlautsprecher. Unrealistisch schließlich, weil es physikalisch, technisch und wahrnehmungspsychologisch zweifelhaft erscheint, in „normalen“ Wohnräumen diesen Bereich (mit dem notwendigen Pegel sauber) wiedergeben zu können. In welchem Wohnraum kann sich wohl ein Ton von 40 Hz (mit rund 8 Meter Wellenlänge!) „ungestört“ ausbreiten?
-> zur Gliederung