Analoge Regelung und digitale Steuerung

wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Christian hat geschrieben:Ich möchte aus Anlaß der Vorstellung der BM25 nochmal das Thema "Vorausregelung" bzw. Wegfall der Regelung im MH/HT-Bereich anschneiden.
Ich hab's schonmal angeschnitten:

Die Bezeichnung "Vorausregelung" ist ein Terminus, den Herr Pfleiderer (Pfleid Akustik) geprägt hat, als er (ich glaube in den späten 80ern) einen Analogrechner (ich hab so ein Teil noch!) vor aktiv angesteuerte Lautsprecherchassis schaltete um deren Amplituden und Phaseverhalten zu begradigen. Realisiert wurde das durch das Einstellen von 8 Filterpolynom-Koeffizienten, die im Zusammenspiel mit den unverändeten LS ein entsprechend "richtiges" Ton-Signal produzierten. Die so behandelten LS konnten respektable Rechteckwiedergabe! Extrem diffizil in der justage, brrrrrbah.... Aber: Eine Steuerung!

Das was BM als Vorausregelung bezeichnet hat mit Regelung aber auch überhaupt null und gar nichts zu tun, es ist eine lupenreine Steuerung!!!!!

Die digitale "Vorausregelung" ist eine Steuerung, die den LS mit einem geeigneten, in Phasen- und Amplitudengang vorverzerrten Signal so ansteuert, dass das akustische Ergebis linear in Amplitude und Phase ist. Mein Verdacht: Pfleiderers Patent ist ausgelaufen... :wink:

Keine Rückkopplung - keine Regelung! Punkt-Um und Steusand drauf! 8)

Problematisch bei der DSP Sache sind u.a. Chassis/LS-Steuungen, Einspielzeit, Alterungserscheinungen der LS/Elektronik/Chassis, Temperaturunterschiede usw.
Man muss für optimale Ergebnisse eigentlich jedes Chassis individuell entzerren und nach einiger Zeit mal wieder nachstellen (tja, man hat hald keine Rückkopplung / Regelung mehr, die das in weiten Grenzen übernimmt :P ).

Solange digitale Signalverarbeitung mit DSP nicht in Echtzeit, also ohne geringste Totzeit (sprich ohne Zeitverzögerung), realisierbar ist, gibt's auch keine Regelung, die das abgetastete Ist-Signal rechtzeitig in den DSP einspeisen kann (nämlich in der Vergangenheit). Heutige analoge Regelungen haben prinzipiell keine Totzeit (zumindest nicht im Tonfrequenz-relevanten Bereich). Darin liegt ja gerade das Funktionsprinzip, dass die Regelung jeden Momentansignalwert regelt. Wenn der DSP schon 100 oder 10 oder nur 1 Millisekunden zum Rechnen braucht (1 ms entspricht einer 1kHz Schwingungsdauer), ist der Ton längst "von der Membran weg" und es ist zu spät zum Nachregeln!

Tja, tut mir Leid. Entweder Steuern oder Regeln, Freunde! :cry:

Gruss,
Winfried
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Winfried,

die Latenzzeit (oder "Totzeit") dürfte im Übrigen auch der Hauptgrund dafür sein, weshalb Backes & Müller im Bassbereich immer noch auf eine Regelung setzt. Schlüssig wäre ja ansonsten, auch diese Chassis digital vorzuentzerren, also zu steuern.

Es ist in der Tat spannend, ob es bei B&M künftig eine "voll geregelte" (Classic Line) und eine "voll gesteuerte" (Digital Line) Modellreihe nebeneinander geben wird.

Viele Grüße,
Rudolf
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Rudolf,

Analoge Regelung und digitale Vorentzerrung schliessen sich eigentlich (wenn hintereinandergeschaltet) gar nicht aus! Siehe den BM Plan auch für Classic Line LS einen Phasenbegradigungs DSP anzubieten. Interessanterweise hilft die Regelung mit, dass der LS dem phasenbegradigend vorentzerrten Signal folgt!

Ich hätte es übrigens konsequent gefunden, die (analogen) Frequenzweichen gleich mit digital zu realisieren und einen DA Wandler pro Weg zu spendieren. Dann wären alle Filterfunktionen im besten Wortsinn "integriert". Heutige DSPs können das, und vielleicht ist das bei BM ja in der "Pipeline"...

Gruss,
Winfried
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Winfried,

der Sinn der Kombination der Technologien erschleißt sich mir allerdings nicht so recht. Das Ziel ist nämlich dasselbe: Alle störenden Einflüsse vom Musiksignal fernzuhalten. Die Steuerung als "Vorab-Berechnung", die Regelung als "Online-Berechnung", wobei im Falle der Regelung der Begriff "Berechnung" nicht ganz zutreffend ist.

Anders sieht es hingegen bei der gezielten Beeinflussung des Musiksignals im Falle der elektronischen Raumkorrektur aus. Für diese Funktionalität könnte ich mir in der Tat eine Kombination aus Steuerung und Regelung vorstellen.

Herr Siegler und Herr Müller sollten unbedingt mal zusammen ein Bierchen trinken gehen - am besten hier in Köln (damit ich Mäuslein spielen kann). :D

Viele Grüße,
Rudolf
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Christian
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Beitrag von Christian »

wgh52 hat geschrieben:Problematisch bei der DSP Sache sind u.a. Chassis/LS-Steuungen, Einspielzeit, Alterungserscheinungen der LS/Elektronik/Chassis, Temperaturunterschiede usw.
Man muss für optimale Ergebnisse eigentlich jedes Chassis individuell entzerren und nach einiger Zeit mal wieder nachstellen (tja, man hat hald keine Rückkopplung / Regelung mehr, die das in weiten Grenzen übernimmt :P ).
So ist mein laienhaftes Verständnis auch, deshalb habe ich ja meine Zweifel an der "Vorausregelung" (man beachte die Gänsefüsse ;-) ) . Und wie man per DSP die aus Überlagerungen von verschiedenen Frequenzen evtl. am Chassis entstehenden Überschwinger überhaupt vorab berechnen will ist mir auch schleierhaft.
Deine Bemerkung zur Latenz finde ich sehr erhellend, bisher habe ich mir nämlich immer gedacht, "was soll das mit der Latenz? Ist mir doch egal, wenn die Musik erst nach x Millisekunden anfängt zu spielen" :oops:
Dann warte ich also mal auf die "sagenumwobene" Phasenentzerrung und darauf, ob ich meine alten 12er nicht doch dafür aufrüsten kann....
Gruß
Christian
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Christian
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Beitrag von Christian »

Rudolf hat geschrieben:der Sinn der Kombination der Technologien erschleißt sich mir allerdings nicht so recht. Das Ziel ist nämlich dasselbe: Alle störenden Einflüsse vom Musiksignal fernzuhalten. Die Steuerung als "Vorab-Berechnung", die Regelung als "Online-Berechnung", wobei im Falle der Regelung der Begriff "Berechnung" nicht ganz zutreffend ist.
Ich verstehe das so:
Die Regelung zur exakten Kontrolle der Chassis, bieten FM und BM mit den alten Modellen der Classic Line
DSP und Zylinderwellenstrahler/Bändchen für Phasenkorrektur und besseren Schalldruckverlauf.

Ich habe die beiden Verfahren nicht gegeneinander hören können, schlecht scheinen sie für sich genommen nicht zu sein, also warum nicht kombinieren? Die separate Phasenkorrektur wäre ja ein erster Schritt in die Richtung für die alte Classic Line.

Gruß
Christian
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

..wobei zur Phasenkorrektur gesagt werden muss, dass sie selbstverständlich auch analog erfolgen kann und Standard ist z.B. bei Silbersand.

Viele Grüße,
Rudolf
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Rudolf hat geschrieben:..wobei zur Phasenkorrektur gesagt werden muss, dass sie selbstverständlich auch analog erfolgen kann und Standard ist z.B. bei Silbersand.
Rudolf,
tut mir Leid, nein, das stimmt so einfach nicht. Phasendrehungen in analogen Implementierungen sind immer "positiv", man kann sie nur durch digitale FIR Filter "zurückdrehen".

Ich glaube Peter versteht mehr davon und kann's vielleicht besser erklären...

Gruss,
Winfried
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OpenEnd
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Beitrag von OpenEnd »

Hallo Mitforisten,

die "Vorausregelung" ist nichts anderes als eine Vorverzerung des Signales. Die Parameter für die Vorverzerrung, einschließlich Alterungsparameter kann man empirisch ermitteln, muß dann aber auch einen Timer mitlaufen lassen, der die Veränderung zeitabhängig initialisiert.

Die definierte Vorverzerrung der Signale wird übrigens auch bei Herrn Müller verwendet. Dadurch wird der Regelungsaufwand verringert und somit die durch die Regelung verursachten Störungen auf ein Minimum reduziert.

Grüßle vom Charly
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Winfried,

ich bin mir nicht sicher, ob wir dasselbe meinen: Ich meine die Unterschiede in den Gruppenlaufzeiten, die z.B. dadurch entstehen, dass die einzelnen Lautsprecher-Chassis nicht gleich weit von unserem Ohr entfernt sind mit der Konsequenz, dass uns die verschiedenen Frequenzbereiche zeitversetzt erreichen. Diese Phasenunterschiede können nach meinem Kenntnisstand auch über analoge Filter korrigiert werden. Ist dies nicht einer der großen Vorteile einer aktiven Frequenzweiche? :?

Viele Grüße,
Rudolf
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Michael
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Beitrag von Michael »

Leider kann ich dieser interessanten Diskussion als technische Laie nur bedingt folgen, möchte aber nun ein Frage in die Diskussion bringen, die mich schon immer bei den Silbersands beschäftigt hat und sich auf die Silbersand HT-Regelung mit Mikrofon bezieht.
Doch die bisherigen Antworten seitens Herrn Krings und auch Herrn Müller blieben für mich nicht ganz nachvollziehbar:

Für mich Fakt, zumindest bei den Abhörbedingungen beim Herrn Krings:
Für mein Hörempfinden bringen die Silbersands noch mehr Details rüber als alle BM's.
Der Klang löst sich noch mehr von den LS und die Ortung der Silbersands ist für mich damit noch schwieriger als bei den BM's.
Zusammengefasst scheinen für mich die Silbersands Signale noch exakter widerzugeben als die BM's.

Möglicherweise empfinden das die Silbersandbesitzer ähnlich, und ich habe den Eindruck, es sind mehr von der BM-Technik auf die Silbersand-Technik umgestiegen als umgekehrt.

U.a. Franz, dem ich eine sehr hohe Kompetenz im "Hören" unterstelle, beschreibt in diesem Thread, dass er insbesondere im MT-HT Bereich die Regelung als enorm wichtig und hilfreich einstuft.

Nun lese ich jedoch im selben Thread von Winfried, den ich wiederum im technischen Bereich für sehr beschlagen halte, in einem Beitrag vom 29.4 abends, dass ein DSP nicht nachregeln kann, und speziell im HT-Bereich selbst eine Rechenzeit von 1ms bei einem Ton von 1KHz bedeuten würde, dass der Ton schon "weg "ist von der Membran.
Ist aber nicht auch bei dem aufgeklebten Mikrofon der Silbersands auf dem Gitter vor der HT-Membran der Ton nicht schon längstens weg, bevor evtl. Fehler durch das Mikro erkannt werden können und dann natürlich noch verarbeitet werden müssten?

Ergo kann eine berührungslose Regelung wie diese zumindest im Hochtonbereich gar nicht funktionieren?!?

Spricht nicht dafür auch, dass Franz ja auch der Meinung ist, dass die neue HT-Regelung bei den großen Birchers mit aufgeklebter Spule nochmal exakter klingt als der identische HT, aber mit dem Mikrofon berührungslosvor der Kalotte? Auch Herr Müller ist ja extrem begeistert von diesem neuen HT.
Und Oliver von den Bahamas hört zwischen seiner damaligen der 303 und seiner jetzigen, im HT nicht geregellten Emo 2 im Hochton nicht wirklich Unterschiede.

Ist also bei den FM 202 bis 601 die Regelung im HT Bereich also nur ein Gag, oder aber zumindest keine sehr efektive Regelung???.

Und trotzdem klingen die Silbersanderr für mich extrem präzise!!

Ist es vielleicht die von Müller entwickelte Subtraktionsweiche, die er für erheblich besser hält als alle anderen Weichenkonzepte??

Was meint Ihr?

Gruß Michael (aus Bonn)
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Franz
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Beitrag von Franz »

Für mathematisch Begabte sei diese Arbeit zur Lektüre empfohlen:

http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus ... arbeit.pdf

Gruß
Franz
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Franz
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Beitrag von Franz »

Hallo Michael,

zur Regelung hier mal ein statement von Herrn Zingel, das ich für richtig ansehe:

www.christophzingel.de/aktivlautsprecher/zu-spaet/

Zum Vergleich BM/Silbersand: Ja, aus meiner Sicht ist die Präzision bei den Silbersands unerreicht. Die Detailfülle, die Auflösung und Ablösung des Klanges von den LS selber ist anders als bei BM. Was wem wie warum besser gefällt, ist jedermanns eigener Geschmack.

Und ja, es ist wohl immer die Summe aller Maßnahmen, die einen Klangeindruck ausmachen.

Gruß
Franz
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Ralph
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Beitrag von Ralph »

Franz hat geschrieben:Für mathematisch Begabte sei diese Arbeit zur Lektüre empfohlen:
http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus ... arbeit.pdf
Hallo Franz,

das ist starker Tobak aber am Ende mit einer schönen Zusammenfassung versehen. Der geschilderte Ausblick spiegelt sich in den am Markt verfügbaren Konstruktionen leider noch nicht wieder. Den vollständig digital-geregelten Lautsprecher möchte ich dann auch mal hören... :mrgreen:

Gruß,
Ralph
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Franz
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Beitrag von Franz »

Naja, Meridian macht ja sowas Ähnliches mit den DSP-Lautsprechern schon. Ich hab sie mal hören können - fand das aber nicht gut. :?

Gruß
Franz
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