bvk hat geschrieben:Hallo Oliver,
der Ripol ist wahrscheinlich weniger "Allrounder" als Box-Subwooferkonstruktionen. Es ging mir im wesentlichen um eine Aussage zu Resonanz- , Trennfrequenz und akustischer Qualität. Qualitäten die mir bei Vorführungen aufgefallen waren, gerade weil diese in akustisch suboptimalen Räumen stattfanden.
Hallo Bernd,
im Grunde teile ich Deine Auffassung. Aber ich sehe hier vermutlich etwas andere Gewichtungen, was die Eigenschaften von Dipolen im Raum ausmacht, wenn sie als Woofer und nicht nur als Subwoofer eingesetzt werden, dabei ist es zunächst nicht entscheidend, um welche Dipol-Bauformen es sich handelt ...
Der erste auditive Endruck einer "trockenen" Basswiedergabe kommt bei Dipolen aber auch bei Kardioiden meist durch den mittleren und oberen Bassbereich zustande, dort wo eine "Richtwirkung" der Schallquelle in einem akustisch kleinen Raum (alle Wohnräume sind de facto "akustisch klein") überhaupt erst erfahrbar wird.
Das ist oberhalb der sog. Schröderfrequenz des Raums. Diese ist individuell verschieden und liegt bei Wohnräumen, welche nicht allzu klein sind - oft um 120Hz als "Hausnummer": Oberhalb Fs kann man tatsächlich sagen, daß sich tendenziell der Direktschallanteil durch das erhöhte Bündelungsmaß des Dipols erhöht. Das Bündelungsmaß für Dipole und Kardioide liegt bei ca. 4.8dB im Vergleich zu 0dB bei einem Monopol (Kugelstrahler) im Bass.
Unterhalb der Schröderfrequenz - im sog. modalen Bereich der Raums - gibt es im Raum jedoch keine freie Schallausbreitung, sondern nur Eigenmoden. Will man nicht ausschließlich im Nahfeld hören, dann bleibt für einen ausgewogenen Frequenzgang am Hörplatz nur eine ausgewogene Anregung der vorhandenen Raummoden. Auch der Dipol kommt hier - entgegen oft vertretener Auffassungen - nicht an der Anregung von Raummoden vorbei(!). Er kann dies nur etwas "selektiver" tun: Ein parallel zur Längsachse der Raums ausgerichteter Dipol regt z.B. Quermoden und solche in Hochrichtung vermindert an. Daraus resultiert aber leider nicht zwingend ein ausgewogener Frequenzgang am Hörplatz.
Jetzt kommt ein Hinweis, den man selbst als Dipol-Befürworter (und ich bin selbst durchaus einer, zumindest für den tiefen und mittleren Bass-Bereich in größeren Wohnräumen) akzeptieren muss:
Im modalen Bereich des Raums unterhalb Fs unterscheiden sich unterschiedliche Einzelschallquellen statistisch kaum hinsichtlich eines ausgewogenen Amplitudenfrequenzgangs: Monopol, Dipol und Kardiod sind bei zufällig ausgewählten Hörplätzen bzw. zufällig ausgewählten Anregungsorten durch die LS im Mittel praktisch gleichauf.
Lediglich der Kardioid hat bei tendenzieller Ausrichtung auf den Hörplatz eine bessere Toleranz gegenüber "suboptimaler" Aufstellung, weil er Raummoden sowohl in Schnellemaximum als auch im Druckmaximum anregen kann: Das Resultat zeigt sich tendenziell weniger vom Ort des LS abhängig.
Doch zum Dipol:
Im modalen Bereich des Raums wird der Dipol keinen Druckkammereffekt erzeugen, seine Tiefbasswiedergabe endet mit der tiefsten Raummode, welche angeregt werden kann. Beim Monopol und auch beim Kardioid ist das anders. Dieser Effekt wird von vielen Hörern beim Dipol als angenehm empfunden, andere mögen sagen: "Ich will auch in einem sehr kleinen Raum Tiefbass unterhalb der tiefsten Raummode". Abschließende Beurteilung: Schwierig !
Ich persönlich tendiere zur Auffassung, daß der Druckkammereffekt nicht benötigt wird und sein Fehlen in größeren Räumen auch kein Verlust bezüglich der Tiefbasswiedergabe darstellt: Man hat ihn weder im Freien noch in Konzertsälen. Dipole funktionieren aber für eine Tiefbasswiedergabe in sehr kleinen Räumen nicht und wären dafür die falsche Wahl:
Für ca. 40 Hz untere Grenzfrequenz sind beim Dipol ca. 4m Raumtiefe minimal erforderlich. Etwas tiefere Räume mit mehr als ca. 20qm sind daher für Dipole leichter zu handhaben.
Eine wirklich ausgewogene Basswiedergabe mit gutem EInschwingverhalten des angeregten Raums ergibt sich für den tiefen und mittleren Bass (im modalen Bereich) aber nur in bestimmten Konfigurationen aus Dipol-LS Aufstellung und Abhörposition.
Eine davon kann beispielsweise sein: Die Dipol-Achse zeigt in Richtung der längsten Achse eines quaderförmigen Raums. Sowohl LS als auch Hörer befinden sich etwa in halber Tiefe des Raums (also ca 2,5m von der Frontwand bei 5m Raumtiefe). Bei einer derartigen Aufstellung von Dipol Subwoofern tritt ein "antagonistischer Effekt" ein:
Raummoden in Längsrichtung, welcher der Dipol von einer Position stark anregen kann (als "Schnellewandler") , werden vom Hörer (als "Druckempfänger") vermindert empfangen und umgekehrt.
So lassen sich einige Konfigurationen finden, mit denen selbst in modenbehafteten Räumen - Räume mit schallharten Wänden haben deutlicher ausgeprägte Eigenmoden als z.B. Räume mit bedämpften Trockenbauwänden - ein nahezu "modenfrei" anmutender Frequenzgang im Bereich der Hörplätze möglich ist.
Diese Möglichkeiten in der Aufstellung einzelner oder weniger Schallquellen treffen nur für Dipol Subwoofer zu, jedoch kann der Subwoofer dafür meist nicht (mit) ins normale Stereodreieick gestellt werden: Es sind 1-2 separat aufstellbare Dipol-Subwoofer zu bevorzugen, die z.B. seitlich neben den Hörplätzen in einer Raumkante verschwinden können.
Als reiner Dipol-Subwoofer jedoch, sind offene Schallwände, unbedämpfte U-Frames und Ripole u.a. aufgund der geringen Dipol-Pfadlänge und des benötigten erheblichen Verschiebevolumens - viel Hub und Membranfläche ist bei tiefen Frequenzen erforderlich - m.E. technisch keine sehr vorteilhaften Konstruktionen.
Für monopolare Schallqellen gibt es die Alternativen "Multisubwoofer System", "Double Bass Array" (DBA), "Single Bass Array" (SBA) mit denen ebenfalls "quasi modenfreie" Raumanregungen realisiert werden können. Allerdings wird hier eine größere Anzahl im Raum jeweils zu verteilender(!) Tieftonquellen erforderlich (mindestens 3 beim "Multisub") und im Falle des SBA zusätzlich eine hohe Absorption an der Rückwand des Raums.
Am Ende ist das Spiel im modalen Bereich eines Hörraums unterhalb der Schröderfrequenz für alle Techniken gleich: Bezüglich jeder Raumode müssen sich zugeführte und entzogene Energie die Waage halten ... Subwoofer und Raum bilden dafür ein Netzwerk, welches dies erfüllen muss.
Mit Dipol Subwoofern sind - meist nicht perfekte - praktisch aber sehr brauchbare Annäherungen an dieses Ideal bereits mit 1-2 Subwoofern möglich.
Grüße aus Reinheim
Oliver
P.S. Bei Interesse kann ich gerne noch ein paar Literatur Links nachliefern ...