Gil Scott-Heron ist und bleibt mein persönlicher Hero. Im Gegensatz zu „Popsternchen“ wie z.B. Michael Jackson ist sein Ruhm posthum vollkommen zu Recht gestiegen. Inzwischen sind zwei Bücher erschienen, auf die seine Fans schon lange gewartet haben. Es sind dies:
Während Marcus Barams Biografie sämtliche zugänglichen Quellen auswertet und sich zusätzlich auf Interviews mit Familienmitgliedern, Musikerkollegen und Freunde stützt und in einem sachlichen Stil ein umfassendes und objektives Bild zeichnet, sind Gil Scott-Herons Erinnerungen vor allem ein Stück zeitgenössischer Literatur. Er hat sich stets eher als Lyriker denn als Musiker gesehen. „The Last Holiday“ konzentriert sich im Wesentlichen auf Gils Jugend in Jackson, Tennessee, seinen Werdegang als junger Schriftsteller in New York sowie auf die berühmte „Hotter Than July“-Tour mit Stevie Wonder.
Aus den Quellen geht hervor, dass Gil Scott-Heron ein gleichermaßen intellektuell begnadeter wie warmherziger Künstler war, dessen oberstes Anliegen es war, mit seinen Songs auf die Benachteiligung dunkelhäutiger Menschen in den USA (und später auch in Südafrika) hinzuweisen. Die 70er Jahre waren dafür ideal, weil ein entsprechendes politisches Bewusstsein existierte, das in dem darauffolgenden Jahrzehnt rapide nachließ. Dementsprechend war Gil Scott-Heron danach auch nicht mehr so gefragt.
Seine anfangs sehr hohe Produktivität ließ parallel sicherlich auch deshalb nach, weil ihm sein Drogenkonsum immer mehr zu schaffen machte. Zudem blieb er dem Kommerz gegenüber stets verschlossen, was seine Plattenbosse bei Arista schließlich dazu veranlasste, seinen Vertrag aufzulösen.
Die nächsten zwanzig Jahre waren ein Auf und Ab, in der Gil Scott-Heron sehr viel tourte und immer tiefer im Drogensumpf versank. Erschwerend kam hinzu, dass er seine Sucht trotz ihrer Offensichtlichkeit (Abmagerung, Zahnausfall, Unzuverlässigkeit) stets verneinte. Das ist bekanntermaßen kein guter Anfangspunkt für einen Entzug. Selbst staatlich verordnete Entziehungskuren, zu denen er im Rahmen mehrerer Gefängnisaufenthalte verdonnert worden war, ließ Gil platzen. Ein echter Junkie leider. Umso bewundernswerter, wie geistreich und pointiert er sich in seinen gelegentlichen Interviews artikulieren konnte.
Nach seinem letzten Gefängnisaufenthalt gab ihm die Produktion von „I’m New Here“ nochmals einen positiven Kick, aber letztlich war seine Gesundheit infolge des exessiven Drogenkonsums und einer HIV-Erkrankung doch zu stark angegriffen, so dass er kurze Zeit später verstarb.
Gil war nie ein großer Sänger, aber seine Stimme hatte den berühmten Groove. Mit seinem verwitterten Bariton schenkte er seinen Fans Menschlichkeit und Wärme. Hier ist ein schönes Beispiel:
Gil Scott-Heron – We Almost Lost Detroit (live at 98.3 SUPERFLY)
Ich jedenfalls bekomme regelmäßig eine Gänsehaut, wenn ich seine Stimme höre!
Sein Soul unterscheidet ihn auch maßgeblich von den Rappern, die zumindest mir nur mit ihrer Aggressivität auffielen. Gil Scott-Heron vermittelte trotz aller Kritik an Missständen immer auch viel Optimismus und Sanftheit – zumindest in seinen Songs. Er selbst haderte gewiss mit dem Auseinanderklaffen seiner Botschaften und seinem Drogenkonsum. Tragischerweise machte ihn all das zu dem Menschen, den seine Fans so lieben.
Eine wunderschöne, eigenständige Hommage hat jüngst die Jazzsängerin Charenee Wade mit Ihrem Album „Offering“ geschaffen:
Ich bin mir sicher, dass noch viele weitere ihrem Beispiel folgen werden und Gil Scott-Herons Songs in kommenden Jahren fester Bestandteil des Repertoires vieler Interpreten werden, so wie z.B. hier Rumer:
Gil Scott-Heron - Lady Day and John Coltrane (gecovert von Rumer & Friends)
Und wer bis hierhin durchgehalten hat, der mag sich bei einem Glas guten Rotweins ein groovendes Konzert von Gil in intimer Clubatmosphäre gönnen:
Gil Scott-Heron & Amnesia Express 2001
So long,
Rudolf