FoLLgoTT hat geschrieben:
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Wobei mir bisher nicht klar ist, wie stark die Relevanz der Neutralität einer Reflexion mit der Abschwächung selbiger abnimmt. Oder anders ausgedrückt: wenn der Lautsprecher so stark bündelt, dass die Erstreflexion stärker als 20 dB bedämpft ist, muss sie dann überhaupt noch neutral sein oder hört man das einfach nicht mehr?
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Hallo Nils,
das ist m.E. eine verdammt gute und wichtige Frage, insbesondere dann, wenn man LS entwickelt, die etwas "höhere als übliche" Bündelungsmaße haben.
Hier wird's interessant, denn ich glaube, man findet auf diese Frage, ob das, was "ohnehin schon wenig" ist auch noch besonders "neutral" sein muss, u.a. bei Toole keine direkte oder vollständige Antwort.
Es ist viel eher so, daß LS mit erhöhtem Bündelungsmaß - man hört u.a. von bestimmten ESL - grundsätzlich im "Harman Setting" nicht so gut wegkommen: Teils ist dies aber auch mit nicht ganz astreinem Verhalten mancher Modelle bereits im Direktschalfenster begründbar ...
Für mich ist dies überhaupt kein Grund, LS mit höherem Bündelungsmaß - z.B. bereits im Tiefton oder im unteren Mittelton als - "uninteressant" einzustufen. Dies auch weil die Realität raumakustischer Daten aus aktuellen Wohnräumen - und auch zugehörige publizierte Mittelwerte - m.E. eher nach LS mit höheren Bündelungsmaßen (und dies bereits bei tieferen Frequenzen als üblich) verlangt.
Aus meinen Erfahrungen würde ich jedoch
bezogen auf das Zitat aus Deinem Post sogar "im Zweifel das Gegenteil" schließen:
Das hieße
gerade wenn ein LS "etwas schärfer" in der Richtwirkung ist, dann kommt es für eine durch den Hörer erfahrbare gute Klangqualität im Raum
um so mehr auf qualitativ hochwertigen Indirektschall und ein "gehörmäßig unauffälliges jedoch konstruktiv wirkendes Nachhallfeld" an. Den ersten Reflexionen kommt dabei dieselbe (mit-) entscheidende Rolle zu, wie bei anderen LS auch, die evt. "breiter" abstrahlen.
Aber das kann ich gern vorerst als "meine Auffassung/Hypothese" deklarieren und kann/will es evt. gar nicht im Detail begründen oder beweisen.
Nur als möglichen Denkanstoß dazu von meiner Seite :
Unserem Gehör ist für die pure Entscheidung, was Direktschall und was Reflexion ist, relativ gleichgültig, wie sich die Pegel verhalten: Es können u.U. auch Reflexionen noch als solche "erkannt" werden, die vom Pegel
lauter als der Direktschall sind.
Zwischen den beiden extremen Situationen jedoch, daß Reflexionen aus dem Hörraum "stören" (u.a. weil deren Pegel zu hoch sind) und der gegenteiligen Situation, wo z.B. eine LS-/Raum Interaktion von den allermeisten Hörern (z.B. im "Enjoyment" Modus, noch nicht zwingend für "Regieraum Arbeitsbedingungen") als "viel zu trocken" eingestuft wird, gibt es irgendwo ein denkbares Optimum:
Wie "flach" oder "scharf begrenzt" dieses sei, spare ich hier bewusst aus. Mit diesem (gern als fiktiv beschriebenen) "Optimum" wäre das Hören mit "der geringsten Anstrengung" bzw. "dem größten Vergnügen" verbunden ...
Es erscheint mir nicht plausibel, daß ausgerechnet in der Nähe eines solchen "gedachten Optimums", u.a. die
Anforderungen an die spektrale Konsistenz von Erstreflexionen und auch späteren Reflexionen am geringsten sein sollen.
Das Gegenteil wäre m.E. eher plausibel:
Wenn das "Optimum" nicht "beliebig flach u. breit" (z.B. für Pegel von Erstreflexionen aus best. Richtungen , Nachhallzeiten etc.) und auch zwischen versch. Frequenzbereichen nicht "beliebig dehnbar" wäre(*), dann könnte man es ohne eine gewisse "Konstanz" bzw. "Konsistenz" (über der Frequenz) bei Bündelungsmaßen von LS einerseits und dem Absorptionsspektrum des Raums (insbesondere auch für Erstreflexionen) andererseits
doch gar nicht erreichen. Oder ?
Das ist m.E. fast schon eine Frage der Logik, und die Entwicklungstrends im Industriebereich (Du hast u.a. Genelec und Neumann genannt ...) zeigen, daß diese Hypothese zumindest als "sehr plausibel" und "von Bedeutung für praktische Entwicklung" angesehen wird.
D.h. man steht damit auch nicht "ganz allein" da (was im Zweifel nicht von Belang für "Richtigkeit" wäre ...), und die Gesellschaft, in der man sich diesbezüglich befindet, ist m.E. "gut ausgewählt".
Die Frage ist andererseits auf der techn. Ebene, ob tatsächlich ein einzelner Rückwurf aus dem Raum, oder ein einzelner "außer Achse" Frequenzgang z.B. bei "60 Grad horizontal und 20 Grad vertikal" immer ein perfekt ausgewogenes und glattes Spektrum haben muss: M.E. sind es eher statistische Maße und Aussagen, die hier sinnvoll anwendbar sind. Aber das dürfte hier etwas zu weit "ausufern" ...
Grüße Oliver
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(*) Wie es bei toleriertem stark frequenzabhängigem Bündelungsmaß der LS und/oder tolerierten stark frequenzabhängigen Nachhallzeiten des Raums implizit zu fordern wäre.