Hallo in die Runde,
ich will einfach mal wieder ein Lebenszeichen meiner Optimierungsansätze geben, nicht zuletzt um ein wenig Appetit zu machen. Das Thema beackere ich noch in einem andern Profi-Forum, es doppelt sich zwar deshalb etwas, aber die Welten sollten schon auseinander gehalten werden. Wer nur mal mitschauen mag, zu finden ist das Thema bei den PA-Leutchen hier:
http://www.paforum.de/phpBB/viewtopic.php?f=27&t=91411
Gehört habe ich schon eine Menge, inzwischen auch mit hoher Tap-Anzahl, Basis die alten Messungen, welche hier dokumentiert wurden. Erster Eindruck, ja, kommt noch etwas mehr auf den Punkt, aber keine echte Offenbarung. Aber alle Optimierungen nur vorsichtig, also stets mit Glättungen im gemessenen Frequenzgang. Daß dies eher falsch sein wird, dies zeigt sich unten.
Nun habe mich aktuell etwas in der Schallbude vergraben und durfte schnell feststellen, dass ich mich da wohl für die nächste Zeit häuslich einrichten muss. Die bisherigen Erkenntnisse und Vorgehensweisen/Empfehlungen sind für eine halbwegs umfassende Darstellung hier im Forum bereits zu umfangreich. Und es sind noch lang nicht alle Möglichkeiten, Aspekte sowie Hintergründe abgearbeitet bzw. erklärbar. Deshalb werde ich das in eine eigene Abhandlung gießen und natürlich zur Verfügung stellen, aber natürlich nicht gleich "morgen". Feedback dazu dann selbstverständlich erwünscht.
So, nun vor den Appetithappen ein paar ganz kurze Erläuterungen.
Ich habe bisher stets mit hoher FIR-Koeffizientenzahl gearbeitet (meist 4096 bei 48kHz Verarbeitungssampling), um zunächst Überdeckungseffekte aufgrund ungenügender Frequenzauflösung weitgehend zu vermeiden. Frequenzauflösung somit ca 11,7Hz, korrigierter Bereich, so nicht anders angegeben, 440Hz- 15kHz. Eingangsdaten wurden aus einer 16kfft gewonnen, bei 48kHz Messsamplingrate.
Nur mäßiger Pegel am Treiber ohne jede Korrektur 1V, die FIR-Koeffizienten bewirkten eine Dämpfung von bis zu 4dB, aber Anhebungen bis max. ca 15dB! Es wurde zur Kontrolle immer mal wieder mit +-10dB Pegeländerung des Speisesignal des FIR-Controller (openDRC-DI) gearbeitet, in dem Bereich ergaben sich keine Auswirkungen aufgrund eventueller Kompressionseffekte.
Speisesignal war voll digital, aus dem S/P-Diff des FireWire-Frontends Alesis io26.
Trennung MT/HT in der Weiche nur bei 6,43kHz, Butt 24dB/Okt, HT 12mm Delay-Versatz gegenüber MT.
FIR-Koeffizienten wurden mit FilterHose generiert. Allerdings musste an einigen Stellen von der Anleitung deutlich abgewichen werden, um sinnige und vor allem verträgliche Übergänge erreichen zu können.
Nu aber endlich mal ein Bild und schon wird’s etwas komisch, denn um später überhaupt vernünftig vergleichen zu können, ergab sich die Notwendigkeit einen linealglatten Frequenzgang zu generieren (es ist sonst unmöglich konkrete Vergleiche in Bezug auf das Ausschwingverhalten gegenüber keiner Korrektur abzulesen). Was wir sehen ist ein mit hoher FIR-Auflösung nur amplitudengeglätteter Frequenzgang.
Bild 1: lineare Amplitude, Phase unangetastet
Zunächst habe ich so angefangen, wie immer empfohlen wird:
Keine extreme Korrektur, Eingangsfrequenzgang 1/12tel Oktave geglättet, Phase nur minimalphasig, das sieht dann so aus:
Bild 2: lineare Ampl., minimalphasig, Glättung 1/12tel Oktave
Hmm, fand ich nun nicht den Hammer, im Mittelton bringt das teilweise was, aber sonst …
Was nun? Vielleicht hilft es ja, wenn auf eine echte Nullphase gezwungen wird. Schaun wir mal:
Bild 3: lineare Ampl., lineare Phase, Glättung 1/12tel Oktave
Also bestenfalls haben wir marginale Verbesserungen, aber das ist auch kein Durchbruch!
Da waren jetzt aber paar ???? auf der Stirn. Die Hornkombi hat nunmal ganz gepflegte enge Frequenzeinbrüche/Resonanzen, wenn diese nicht wirklich sauber getroffen werden (und z.B. mit angehoben), führt dies zu einem stärkeren Durchschlagen dieser im Abklingspektrum. Nächster Versuch, in der Theorie sollte eine exakte Nachbildung der Strecke und „Invertierung“ zu einer sauberen Korrektur führen.
Somit alle Glättungen raus, zunächst noch vorsichtig eine minimalphasige Korrektur versucht:
Bild 4: lineare Ampl., minimalphasig, KEINE Glättung!
Schon eher so wie man sich das denkt.
Jetzt einmal streng der Theorie folgen, sprich Amplitude und Phase auf „Null“ ziehen. Im Grunde bedeutet dies, dass das komplette Zeitverhalten des Systems erfaßt und nachgebildet wird, eine Korrektur müsste nun zwingend ein sauberes Verhalten im zu korrigierenden Bereich zu Folge haben.
Bild 5: lineare Amplitude und Phase, KEINE Glättung!
Jo, das ist doch perfekt.
Jedoch, wie schaut es unter anderen Winkeln aus. Schauen wir uns 5° horizontal off axis an:
Bild 6: 5° off axis, lin. Ampl., lin. Phase, keine Glättung.
Wie zu erwarten, hier treten Schmutzeffekte auf, das FIR-Filter korrigiert ja u.a. Reflektionen innerhalb des Horns, die aber unter verschiedenen Winkeln unterschiedlich sind. Folglich gibt es hier „Artefakte“.
Unter 10° sehen die dann so aus:
Bild 7: 10° off axis, lin. Ampl., lin. Phase, keine Glättung.
So weit, so gut / schlecht.
Unangenehm an dem Spiel, vor allen in Sachen Pegel/Belastung, die extremen Pegelanhebungen von 15dB im Hochton (nur eine Stelle). Da es kein Problem ist, den Korrekturbereich auch amplitudenbezogen einzuschränken, alles wie zuvor, jedoch nur maximal 10dB Anhebung zugelassen. Dies wirkt sich auf einen sehr engen Einbruch bei 10kHz aus. Das Resultat sehen wir hier:
Bild 8: wieder 0°, lin. Ampl., lin. Phase, keine Glättung, Anhebung max 10dB zugelassen.
Dies führt zunächst paradox erscheinend zu einer ab einem gewissen Zeitpunkt halbwegs anhaltenden "Nachresonanz" bei 10kHz. Wäre im Burst-Decay nur ein Bereich von 30dB dargestellt worden, wäre dieser Schmutzeffekt gänzlich untergegangen. Wird die Korrektur bei 10kHz noch stärker eingeschränkt, so bleibt hier eine lang und konstant stehende "Resonanz".
Die Problemstelle ist sehr gut im fft-Spektrum bei 10kHz zu erkennen. Eine weitere üble liegt bei 7kHz und führt auch immer wieder zu schönen Artekfakten.
Bild 9: Spektrum des BMS_JBL Kombi auf Achse
Den extremen Einbrüchen muß ich nochmal auf den Grund gehen, in älteren Messungen hatte ich die auch so extrem, aber in einer Messreihe nicht so hart. Die vertikale Position ist nochmals zu prüfen.
Bis hierher kann zumindest folgendes festgehalten werden:
- FIR-Korrektur nur mit Frequenz-/Phasenganganalyse ist Munkeln im Dunkeln, es muss zwingend das Zeitverhalten analysiert werden können.
- Grad die etwas „anspruchsvolleren“ Lautsprecher zeigen sehr deutlich die Möglichkeiten und auch Grenzen einer elektronischen Korrektur auf (Langzeitdrift oder durch Umweltparameter hervorgerufene Drift birgt Risiken)
- Auf den Punkt (räumlich gesehen) ist eine sehr gute Korrektur bei gewissen Einschränkungen im Pegel erreichbar, sprich Heimanwendungen auch mit kritischen Systemen machbar
- Abweichend zu PA kann mit so einer on axis Korrektur für "Ein-Personen-Hifi" gearbeitet werden
- Abweichend zu PA dürfte bei Kalotten und ähnlichen Systemen das entspannter sein und Glättung funktionieren, da hier selten extreme Einbrüche/Resos auftreten
- Werden größere Abstrahlwinkel in gleichmäßiger Qualität erforderlich, so müssen die Einzelsysteme bereits hohe Anforderungen erfüllen.
- Auf den BMS4590 sind nur bedingt einige Probleme zurück zu führen, eine Nachkontrolle der Messungen mit dem JBL 2445 (hier nicht dokumentiert) gibt bei fast exakt den gleichen Frequenzen ähnliche Probleme. Hier scheint das Diffraktionshorn den wesentlichen Anteil zu haben.
- Ob mit In-Raum-Messungen wirklich eine "saubere" Korrektur einzelner Systeme erreichbar ist, daran zweifle ich nach den Erkenntnissen, insbesondere in Sachen der sich u.U. einstellenden Artefakte über die Zeit. Um so mehr reizt es, dies einmal nachzuvollziehen.
Es stehen noch weitere Messungen an, ferner wurde schon experimentiert, den Tief-Mitteltonbereich der Weiche mit einzubeziehen. U.a. fiel dabei auf, daß ein geschicktes Plazieren des Peakmaximums im FIR-Koeffizientensatz hier Vorteile hinsichtlich entstehender Artefakte bietet. Dies wurde jedoch rein zufällig beim Test auf möglichst kurze Latenz entdeckt.
Und natürlich muß das Ganze auch noch angehört weden.
Wie gesagt, da dies alles sehr umfangreich / komplex ist, werde ich eine ausführliche Beschreibung erstellen, die ebenfalls Tipps zum Umgang bei der FIR-Koeffizientenerzeugung enthalten wird. Hier kann bereits viel verspielt werden.
Grüße
Mattias