Verfasst: 10.03.2009, 12:38
Hallo Rudolf,
ganz so einfach ist es dann doch nicht, wie Winfried schon geschrieben hat. Die Flankensteilheit, mit der ein Chassis den Stab an das nächste übergibt, wird natürlich nicht beeinflusst. Und wenn die Weiche, die Endstufe oder das Chassis vor sich hin klirren oder sonstige Nichtlinearitäten aufweisen, hilft natürlich auch keine externe Black Box. Die linearen Fehler, wie Amplitudenfrequenzgang und Frequenzgang der Gruppenlaufzeit (=Signallaufzeit) dagegen kann der Audiovolver beseitigen, wenn ich das richtig verstanden habe.
Übrigens: Ein Subtraktionsfilter, zumindest eines mit mehr als 6dB Flankensteilheit wie z. B. mit dem Allpasstrick à la Lipshitz/Vanderkooy, dreht durchaus die Phase vom Eingang zum Ausgang. Das macht übrigens sogar ein zeitrichtiges FIR-Filter - denn jede Zeitverzögerung ist auch eine Phasendrehung.
Erlaube mir deshalb einen kurzen Ausflug zu den Begriffen Phase und Gruppenlaufzeit. Betrachten wir mal eine Sinusschwingung mit einer Frequenz von 100Hz. Die hat eine Schwingungsdauer von 10ms (das ist der Kehrwert von 100Hz). Die Schwingungsdauer ist die Zeit, bis der Sinus wieder von vorn anfängt. Wird das Signal irgendwo um sagen wir 1ms verzögert, ist das das Gleiche wie eine Phasenverschiebung um 36 Grad - nämlich ein Zehntel von 360 Grad, was gerade die volle Sinuswelle darstellt und ja in unserem Beispiel 10ms dauert. Nimm nun einen Sinus mit 200Hz. Da dauert's nur 5ms, bis die Schwingung wieder von vorn anfängt. Wenn diese 200Hz auch um 1ms verzögert werden, gibt das eine Phasendrehung von 72 Grad (ein Fünftel von 360 Grad). Au, höre ich da jemanden aufstöhnen? Die Phase ist ja gar nicht konstant? Das ist völlig wurscht, es ändert ja auch nichts am Klang, wenn man den CD-Player 1ms oder auch 10min später startet. Entscheidend ist die Laufzeit des Signals, die sog. Gruppenlaufzeit. Am oben gewählten Beispiel sieht man, dass bei konstanter Laufzeit des Signals von 1ms sich die Phase linear mit der Frequenz ändert. Genau so ist die Gruppenlaufzeit definiert: Es ist die Änderung der Phase über der Frequenz. Mit einem Minus davor, weil sich die Phase mit steigender Frequenz nach hinten verschiebt, wenn das Signal verzögert ist. Mathematisch korrekter ausgedrückt: Die Gruppenlaufzeit ist minus Ableitung der Phase nach der Frequenz. t_gr=-dPhi/dt. Die Gruppenlaufzeit wird also nur aus der ÄNDERUNG der Phase bestimmt. Fällt die Phase konstant - ist also die Phase über der Frequenz eine fallende Gerade - ist die Gruppenlaufzeit eine Konstante. Weil die Ableitung einer Geraden eine Konstante ist, nämlich die Steigung der Geraden. Besitzt die Gerade noch eine Konstante, also wenn Du z. B. einfach bei allen Frequenzen 90 Grad dazu addierst oder subtrahierst, ist das egal. Denn die Ableitung einer Konstanten ist Null. Soweit zu den Begriffen.
Eine FIR-Weiche à la BM25/35/50 hat eine konstante Gruppenlaufzeit für alle Frequenzen. Genauer gesagt ist es eigentlich nicht die Weiche, sondern Weiche plus Verstärker plus Chassis plus Einbauversatz der Chassis, aber der Einfachkeit halber habe ich das mal auf die Weiche reduziert. Bei einem Lautsprecher, bei dem alle Zweige geregelt sind, ist die Weiche der Hauptübeltäter, was die Frequenzabhängigkeit der Gruppenlaufzeit angeht. Was man landläufig als Phasenverzerrung bezeichnet, und was nach obiger Erklärung nicht ganz korrekt ist - es müsste eigentlich "Gruppenlaufzeitverzerrung" heißen. Ist kein schönes Wort, also bleiben wir bei Phasenverzerrung.
Eine analoge Weiche hat immer eine frequenzabhängige Gruppenlaufzeit, wenn sie steiler als 6dB/Oktave ist. Ok, es gibt spezielle Subtraktionsweichen, die eine konstante Gruppenlaufzeit haben. Das erkauft man sich aber mit einer enormen Überhöhung der Amplitude im Übernahmebereich und einer weiten Überlappung der Übernahmefrequenzbereiche, das lassen wir jetzt mal außen vor. Das Besondere an einer Subtraktionsweiche à la Lipshitz/Vanderkooy oder Hawksford ist, dass alle Chassis die GLEICHE frequenzabhängige Gruppenlaufzeit haben. Und ich vermute, dass das das Entscheidende ist. Mein Hörerlebnis mit der FM701 stützt diese These.
Nun zurück zum Audiovolver: Nehmen wir mal stellvertretend für den ganzen kontinuierlichen Frequenzgang an, es ginge nur um die Frequenzen 100Hz, 1khz und 10kHz. Nun werde z. B. gemessen, dass die Box am Hörplatz bei 100Hz eine Gruppenlaufzeit von 10ms habe. Bei 1kHz meinetwegen 1ms. Und bei 10kHz von mir aus 0,1ms. Und das bei Amplituden (bezogen auf diejenige bei 1kHz) von sagen wir: 0,5 bei 100Hz, 1 bei 1kHz (so hatten wir das ja gerade definiert) und sagen wir 2 bei 10kHz. Was muss dann der Audiovolver machen? Grob gesagt bei 100Hz keine Verzögerung des Signals und die Amplitude um Faktor 2 verstärken. Bei 1kHz das Signal um 9ms verzögern und die Amplitude lassen, wie sie ist. Und bei 10kHz das Signal um 9,9ms verzögern und die Amplitude auf 0,5 absenken. Dann kommen alle drei Frequenzen gleichzeitig und mit gleicher Amplitude an.
Da das Gerät selbst natürlich Rechenzeit und prinzipbedingt eine Signallaufzeit in Abhängigkeit der verwendeten FIR-Filter besitzt, kann die Signallaufzeit anstelle der im Beispiel genannten 0 - 9ms - 9,9ms auch z. B. 10ms - 19ms - 19,9ms lauten, das macht ja nichts, wenn das Signal bei allen Frequenzen etwas später kommt. Und nun macht man das ganze Spiel nicht bei drei Frequenzen, wie in meinem Beispiel, sondern bei 32000.
Viele Grüße
Gert
ganz so einfach ist es dann doch nicht, wie Winfried schon geschrieben hat. Die Flankensteilheit, mit der ein Chassis den Stab an das nächste übergibt, wird natürlich nicht beeinflusst. Und wenn die Weiche, die Endstufe oder das Chassis vor sich hin klirren oder sonstige Nichtlinearitäten aufweisen, hilft natürlich auch keine externe Black Box. Die linearen Fehler, wie Amplitudenfrequenzgang und Frequenzgang der Gruppenlaufzeit (=Signallaufzeit) dagegen kann der Audiovolver beseitigen, wenn ich das richtig verstanden habe.
Übrigens: Ein Subtraktionsfilter, zumindest eines mit mehr als 6dB Flankensteilheit wie z. B. mit dem Allpasstrick à la Lipshitz/Vanderkooy, dreht durchaus die Phase vom Eingang zum Ausgang. Das macht übrigens sogar ein zeitrichtiges FIR-Filter - denn jede Zeitverzögerung ist auch eine Phasendrehung.
Erlaube mir deshalb einen kurzen Ausflug zu den Begriffen Phase und Gruppenlaufzeit. Betrachten wir mal eine Sinusschwingung mit einer Frequenz von 100Hz. Die hat eine Schwingungsdauer von 10ms (das ist der Kehrwert von 100Hz). Die Schwingungsdauer ist die Zeit, bis der Sinus wieder von vorn anfängt. Wird das Signal irgendwo um sagen wir 1ms verzögert, ist das das Gleiche wie eine Phasenverschiebung um 36 Grad - nämlich ein Zehntel von 360 Grad, was gerade die volle Sinuswelle darstellt und ja in unserem Beispiel 10ms dauert. Nimm nun einen Sinus mit 200Hz. Da dauert's nur 5ms, bis die Schwingung wieder von vorn anfängt. Wenn diese 200Hz auch um 1ms verzögert werden, gibt das eine Phasendrehung von 72 Grad (ein Fünftel von 360 Grad). Au, höre ich da jemanden aufstöhnen? Die Phase ist ja gar nicht konstant? Das ist völlig wurscht, es ändert ja auch nichts am Klang, wenn man den CD-Player 1ms oder auch 10min später startet. Entscheidend ist die Laufzeit des Signals, die sog. Gruppenlaufzeit. Am oben gewählten Beispiel sieht man, dass bei konstanter Laufzeit des Signals von 1ms sich die Phase linear mit der Frequenz ändert. Genau so ist die Gruppenlaufzeit definiert: Es ist die Änderung der Phase über der Frequenz. Mit einem Minus davor, weil sich die Phase mit steigender Frequenz nach hinten verschiebt, wenn das Signal verzögert ist. Mathematisch korrekter ausgedrückt: Die Gruppenlaufzeit ist minus Ableitung der Phase nach der Frequenz. t_gr=-dPhi/dt. Die Gruppenlaufzeit wird also nur aus der ÄNDERUNG der Phase bestimmt. Fällt die Phase konstant - ist also die Phase über der Frequenz eine fallende Gerade - ist die Gruppenlaufzeit eine Konstante. Weil die Ableitung einer Geraden eine Konstante ist, nämlich die Steigung der Geraden. Besitzt die Gerade noch eine Konstante, also wenn Du z. B. einfach bei allen Frequenzen 90 Grad dazu addierst oder subtrahierst, ist das egal. Denn die Ableitung einer Konstanten ist Null. Soweit zu den Begriffen.
Eine FIR-Weiche à la BM25/35/50 hat eine konstante Gruppenlaufzeit für alle Frequenzen. Genauer gesagt ist es eigentlich nicht die Weiche, sondern Weiche plus Verstärker plus Chassis plus Einbauversatz der Chassis, aber der Einfachkeit halber habe ich das mal auf die Weiche reduziert. Bei einem Lautsprecher, bei dem alle Zweige geregelt sind, ist die Weiche der Hauptübeltäter, was die Frequenzabhängigkeit der Gruppenlaufzeit angeht. Was man landläufig als Phasenverzerrung bezeichnet, und was nach obiger Erklärung nicht ganz korrekt ist - es müsste eigentlich "Gruppenlaufzeitverzerrung" heißen. Ist kein schönes Wort, also bleiben wir bei Phasenverzerrung.
Eine analoge Weiche hat immer eine frequenzabhängige Gruppenlaufzeit, wenn sie steiler als 6dB/Oktave ist. Ok, es gibt spezielle Subtraktionsweichen, die eine konstante Gruppenlaufzeit haben. Das erkauft man sich aber mit einer enormen Überhöhung der Amplitude im Übernahmebereich und einer weiten Überlappung der Übernahmefrequenzbereiche, das lassen wir jetzt mal außen vor. Das Besondere an einer Subtraktionsweiche à la Lipshitz/Vanderkooy oder Hawksford ist, dass alle Chassis die GLEICHE frequenzabhängige Gruppenlaufzeit haben. Und ich vermute, dass das das Entscheidende ist. Mein Hörerlebnis mit der FM701 stützt diese These.
Nun zurück zum Audiovolver: Nehmen wir mal stellvertretend für den ganzen kontinuierlichen Frequenzgang an, es ginge nur um die Frequenzen 100Hz, 1khz und 10kHz. Nun werde z. B. gemessen, dass die Box am Hörplatz bei 100Hz eine Gruppenlaufzeit von 10ms habe. Bei 1kHz meinetwegen 1ms. Und bei 10kHz von mir aus 0,1ms. Und das bei Amplituden (bezogen auf diejenige bei 1kHz) von sagen wir: 0,5 bei 100Hz, 1 bei 1kHz (so hatten wir das ja gerade definiert) und sagen wir 2 bei 10kHz. Was muss dann der Audiovolver machen? Grob gesagt bei 100Hz keine Verzögerung des Signals und die Amplitude um Faktor 2 verstärken. Bei 1kHz das Signal um 9ms verzögern und die Amplitude lassen, wie sie ist. Und bei 10kHz das Signal um 9,9ms verzögern und die Amplitude auf 0,5 absenken. Dann kommen alle drei Frequenzen gleichzeitig und mit gleicher Amplitude an.
Da das Gerät selbst natürlich Rechenzeit und prinzipbedingt eine Signallaufzeit in Abhängigkeit der verwendeten FIR-Filter besitzt, kann die Signallaufzeit anstelle der im Beispiel genannten 0 - 9ms - 9,9ms auch z. B. 10ms - 19ms - 19,9ms lauten, das macht ja nichts, wenn das Signal bei allen Frequenzen etwas später kommt. Und nun macht man das ganze Spiel nicht bei drei Frequenzen, wie in meinem Beispiel, sondern bei 32000.
Viele Grüße
Gert