Stan Getz & João Gilberto - Getz/Gilberto (Jazz)

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Michael
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Beitrag von Michael »

Ich hab x-Jahre in der Augenoptik und ein bisserl in der Hörakustik gearbeitet.

Immer wenn ich Brillen mit identischen Werten R/L vorgelegt bekommen habe und es waren keine Nahbrillen für Kunden, die für die Ferne Kontaktlinsen getragen haben, war ich prinzipiell sehr skeptisch und hab die Augen nachgemessen. Fast immer kamen andere und r/l verschiedene Werte dabei heraus.

Und in der Hörakustik kam es eigentlich nie vor, ein identisches r/l Ergebnis bei den 11 Messfrequenzen zwischen 125 Hz-8000hz gemessen zu haben. Ich kann mich auch nicht erinnern, jemals ein ärztliches Rezept mit r/l identischem Ergebnis gesehen zu haben.
Wobei die Hörschwelle, die man misst, keine ganz scharfe Größe sondern eher einen Bereich darstellt, der u.a. von der Tagesform, Aufmerksamkeit der Testperson abhängt. Gilt durchaus auch für Augenprüfungen.

Identisches Ergebnis bei Hörprüfungen kommt eher bei jüngeren Menschen, die noch seeehr gut hören können und alles auf der Null-Linie liegt, jedoch nicht bei dem hier im Forum wohl bestehenden Altersdurchschnitt, (sorry, ich wollte jetzt keinem damit auf die Füße treten, trifft ja auch auf mich zu, alters- wie hörmässig).

Ansonsten besitze ich auch diese CD (welche Ausgabe genau weiß ich nicht) und höre halt gerne die Musik. Was nun "richtiger" ist, darüber zerbreche ich mir aber nicht den Kopf.

Michael (aus Bonn)
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Hybrid-OLI
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Beitrag von Hybrid-OLI »

Servus allerseits. :cheers:

Als ganz großer Aficionado sowohl der Bossa Nova, als auch der XRCD und des K2 - Masterings ist das natürlich ein sehr interessantes Thema für mich. Habe diverse Versionen dieses berühmten Albums.

Hier mal die technischen Daten der hier im Speziellen betrachteten CD :

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Schon die Waveform zeigt ganz deutlich, daß hier links fast durchgehend lauter ist.
Integriert über die Gesamtlaufzeit ist links 2.4dB lauter als rechts.
Isoliert man, wie ich es getan habe, das reine Seitensignal, stellt man gar eine Lateralverschiebung von ca. 5dB nach links fest. Derartige Abmischungen waren in den 1960ern quasi die Norm, mußte damals doch die Stereophonie noch deutlich demonstriert werden. Spätestens Anfang der 80er hat man Derartiges dann fast ganz aufgegeben. Glücklicherweise !

Wenn ich die Seiten vertausche nehme ich im A-B-Vergleich tatsächlich auch wahr, daß es alterniert wie bereits gesagt wurde, fokusierter und irgendwie "richtiger" klingt. Sehr interessant.
Um derartige Lateralabmischungen "angenehmer" zu machen kann man beispielsweise mittels Panoramaregelung (wie Pan-Pots beim Mischpult) die massive Stereotrennung einengen. Das wirkt oft halbe Wunder. Bearbeitet man das reine Seitensignal ergeben sich weitere Möglichkeite, sowohl was Pegel als auch Frequenzgang betrifft. Werde ich am Wochenende mal ausprobieren. Was mir auch positiv auffällt, ist die Tatsache, daß hier mal keine TruePeak-Overs auftreten. Diese hat man nämlich inzwischen auch bei den aller highendigsten Aufnahmen. Erst so gegen 2010 hat man überhaupt das Problem der Inter Sample Peaks erkannt. Daß hier keine auftreten kann natürlich auch reiner Zufall sein.


sonische Grüße
OLI
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emma
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Beitrag von emma »

Hallo Oli!
Hybrid-OLI hat geschrieben: 17.06.2023, 00:32 ….
Wenn ich die Seiten vertausche nehme ich im A-B-Vergleich tatsächlich auch wahr, daß es alterniert wie bereits gesagt wurde, fokusierter und irgendwie "richtiger" klingt. Sehr interessant. …..
ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich Dir bin, daß es jemand einfach mal probiert hat!
Es kostet nix und ist für mich auch im besten Sinne des Wortes „ aktives hören“.

Das Wort „richtiger“ habe ich selbst in diesem Zusammenhang bewußt nicht verwendet.
Es ging mir vorerst darum, ob meine kanalgetauscht abgehörte (für mich völlig unerklärliche) Beobachtung „ fokussierter“ etc., von einem anderen „aktiven“ Hörer überhaupt ebenfalls wahrnehmbar und reproduzierbar ist. :cheers:
Leider fehlt mir selbst hierzu das techniche Hintergrundwissen.

Das von mir oben zitierte „Zerschneiden eines Fotos“ und es seitenverkehrt zusammenzusetzen, hat mich im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen lassen. Es stellt sich mir die spannende Frage, ob es tontechnisch diesen Foto-Unterschied geben kann.

Da ich invertierte Aufnahmen auch bevorzugt korrigiert abhöre, war ich dabei über ein ähnliches Phänomen geradezu erstaunt.
Es wäre interessant, ob es hierzu überhaupt eine technische Erklärung gibt.


Mir fehlen alle Möglichkeiten, welche Du hast, aber ich habe nach den Beobachtungen spontan das gleiche gedacht, wie es wohl klingen würde…
Hybrid-OLI hat geschrieben: 17.06.2023, 00:32
Um derartige Lateralabmischungen "angenehmer" zu machen kann man beispielsweise mittels Panoramaregelung (wie Pan-Pots beim Mischpult) die massive Stereotrennung einengen. Das wirkt oft halbe Wunder. Bearbeitet man das reine Seitensignal ergeben sich weitere Möglichkeite, sowohl was Pegel als auch Frequenzgang betrifft. Werde ich am Wochenende mal ausprobieren….
…ich bin sehr gespannt auf Deine weiteren Untersuchungen.

Beste Bossa Nova Grüße

Marco
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Hybrid-OLI
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Beitrag von Hybrid-OLI »

Servus

Ich habe etwas experimentiert und festgestellt, daß diese Aufnahme, obwohl schon x-fach gehört, doch etwas sehr Kurioses darstellt. Das Seitensignal ist teilweise außergewöhnlich stark im Vergleich zum Mittensignal. So stark, wie man es doch recht selten hört Der Bass beispielsweise kommt erstaunlich kräftig rüber. Tiefe Töne auf dem Seitensignal sind sowieso problematisch. Der Frequenzgang der Stereokanäle unterscheidet sich ebenso wie der RMS-Pegel. Auch sind die Vocals mal sehr stark auf dem Seitenkanal ausgeprägt und mal deutlich weniger. Die einzelnen Parameter schwanken deutlich.
Ich habe Links mal um 2 dB reduziert. Die Lateralverschiebung läßt sich so zumindest etwas korrigieren. Wenn Frequenzgang UND Seitensignal aber zusätzlich variieren wird eine echte Korrektur verdammt schwierig, da schon der Frequenzgang allein eine Panoramaverschiebung bewirken kann, welcher über eine simple Pegelangleichung nur sehr schwer beizukommen ist. Man muß dann ein kanalgetrenntes Equalizing vornehmen und dann auch noch mittels Mid-Side Processing tätig werden, also das Monomittensignal getrennt vom Seitensignal bearbeiten. Das dann auch noch für jeden Track separat. Auch Backe !
Das ist zwar machbar, erfordert aber enormen Aufwand, weshalb die Jungs bei Flair wohl auch darauf verzichtet haben, zumal diese Art von Aufnahme und Abmischung auch einfach als musikalisch-tontechnisches Zeitkolorit aufgefasst werden kann und sich wohl keiner die Mühe macht, dieses Album dergestalt zu analysieren, wie wir es hier tun. ;-)

Interessant auch, daß auch bei Absenkung des linken Kanals um 2dB bei mir der Eindruck weiter besteht, daß es mit getauschten Kanälen einfach besser/richtiger klingt.

Daß die Übertragungsfunktion unserer Ohren seltenst absolut identisch ist spielt bei Kanalvertauschungen stets auch eine Rolle. Schon ein faszinierendes "Examinationssubjekt" dieses Album. :mrgreen:


sonische Grüße
OLI
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emma
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Beitrag von emma »

Hallo Oli,
Hybrid-OLI hat geschrieben: 17.06.2023, 15:49 ...
Interessant auch, daß auch bei Absenkung des linken Kanals um 2dB bei mir der Eindruck weiter besteht, daß es mit getauschten Kanälen einfach besser/richtiger klingt.
...
hast Du dafür irgendeinen Erklärungsansatz?
Ist der Bezug der Seiten zur Phantommitte dann irgendwie in (sorry für den laienhaften Ausdruck) "Unordnung",
wie beim o.g. zerschnittenen Foto?

Liebe Grüße
Marco
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Marco,
wenn ich dieses Beispiel von einem zerschnittenen Foto, bei dem man die ursprünglichen Außenkanten nun zur Mitte zusammenklebt, mir konkreter vorstelle, will mir keine Analogie zum Hören einfallen, außer vielleicht, dass ein normales Tonabnehmersystem beim Abtasten einer Stereorille dem anderen Kanal das abgeschwächte invertierte eigene Signal als Übersprechen zuführt.
Wenn ich mich einfach um 180° drehe, kann ich genauso einer Diskussion folgen, die Personen orten, sie an ihrer Stimme erkennen.
Ich halte das Beispiel (zerschneiden und neu zusammenfügen) für eine fehlgeleitete Vorstellung bzw. als unzureichend, irgendetwas in dieser Angelegenheit zu erklären. Zu absurd, um sich damit inhaltlich lange / ausführlich mit einem solchen Schnellschuss auseinanderzusetzen, vor allem, wenn keine sachliche Begründung beigefügt wurde.

Vergleicht man ein Bild von sich und blickt in den Spiegel, gibt es eine Abweichung. Eines kommt einem vielleicht fremd vor. Welches? Ist es verkehrt?
Hört man seine eigene Stimme von einem linearen Messmikrofon aufgenommen wieder über einen auf linear getrimmten Lautsprecher ab, erkennt jeder sofort die Stimme, nur einem selbst kommt sie fremd vor, man weiß allerdings aus dem Gesprochenen, dass man es selbst gewesen ist. Strange - aber Natur, echt.
viewtopic.php?p=83860#p83860 war 2009, da ging es um vertauschte Kanäle bei Led Zeppelin, was witzigererweise im Zeitalter der Digitaltechnik ein Kuriosum sein dürfte.
Wenn man Led Zeppelin live gesehen hat oder Live-Videos, mag das hilfreich sein, die Überspielung mit der passenden Kanalzuordnung zu wählen.

Unser Gehirn kann im widersprüchlichen Fall seine eigene Sortierung vornehmen, wie Diana Deutsch aufzeigt: http://deutsch.ucsd.edu/psychology/pages.php?i=202. Unter Linkshändern gibt es eine Gruppe, die anders sortiert. viewtopic.php?p=36355#p36355

Wenn wir nicht Zeuge bei der Aufnahme von Musik waren, werden wir nicht imstande sein, Kanalvertauschungen zu erkennen.
Was bleibt, ist bei jeder Aufnahme auzuprobieren, ob die gespiegelte (kanalvertauschte) Version einem besser gefällt.

Wer selbst Klavier spielt, mag bevorzugen, dass die hohen Töne mehr von rechts kommen, der Bass von links. Beim Konzertflügel mit offenem Deckel enden die hohen Töne mit den kurzen Saiten aber links, während die langen Saiten weit nach rechts reichen. Wie ist es wohl richtig aufgenommen?

Wenn aus einem Konzertsaal Typ "Weinberg" (wie bei ElPhi) eine Aufnahme veröffentlicht wird, welcher Perspektive des Besuchers wird diese gerecht? Das Auditorium ist auf Ebenen um das Orchester herum arrangiert.

Bei "unserer" üblichen Orchesteraufstellung sind Celli und Bässe rechts, aber das ist keine internationale Festlegung. Manchmal kann man die Kanäle vertauschen, um dem gewohnten Eindruck anzunähern.

Heidelberger Uni-Hirnforscher hatten einst bei der Zeitschrift Audio eine CD mit Testtönen, baten um Rückmeldung nach Hörtest. Es ging um Grundtonhörer und Obertonhörer, es gibt nach ihrer Auffassung eine Gruppe von Rhythmus- und eine von Melodie-orientierten Musikern.
Ich habe leider die Studie aus den Augen verloren.

Im Öffentlich-Rechtlichen TV habe ich einen Beitrag gesehen, wo eine Diplomarbeit um die Ausrichtung der Hunde nach Norden ging, bevor sie ihr Geschäft verrichteten. Auf meine Anfrage beim zuständigen Lehrstuhl habe ich leider keine Antwort bekommen. Die konsequente Beobachtung meines Hundes und die der anderen Beobachteten erinnerte mich an "Wie der Bulle pisst, eben mal so und mal so." (Kanzler Helmut Schmidt, SPD, 1980 zur Haltung des Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß, CSU, zur Mitbestimmung.)
Passt scho...
Grüße
Hans-Martin
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Auf der Uhlenhorst
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Beitrag von Auf der Uhlenhorst »

Moin Hans-Martin,

vielen Dank für die Erinnerung an besagte Audio Test CD. P. Scheider hat die Ergebnisse der Untersuchung in den Folien 24 und 25 seines Vortrags zusammengefasst, auch spannend hierzu insbesondere Folie 23.

https://www.neuronetwork.unibas.ch/brai ... Sounds.pdf

Hifidele Grüße

Walter
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Danke, Walter,
da ist ja noch Vieles zu entdecken... :cheers:
Grüße
Hans-Martin
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